Bad Bentheim Es war ein Experiment, aus der Not geboren. Am Sonnabend ging die vierte Bad Bentheimer Kulturnacht Corona-bedingt größtenteils virtuell über die Bühne. Es gab allerdings auch zwei Live-Schauplätze. Im Haus Westerhoff wurde die Fotoausstellung „Silence“ eröffnet und im Bentheimer Atelier fand trotz Starkregens das Kunstprojekt „Architekturspiegelungen“ mit Illumination des alten Leidiger Hauses in der Kipkerstiege statt.
Wer wollte, konnte am Sonnabend das Wetter ausblenden und die von der Bad Bentheimer Bürgerstiftung organisierte Kulturnacht gemütlich vom heimischen Sofa aus am Computerbildschirm ansehen, statt auf das Event zu verzichten. Ein klarer Vorteil. Ein dickes Plus war auch, dass alle Akteure mit ihrer Vorstellung auf der digitalen Plattform ungeteilte Aufmerksamkeit genießen konnten. Überhaupt: Den Zuschauern bot sich die Gelegenheit, das Geschehen je nach Lust und Laune nachvollziehen. Statt reale Wege zurückzulegen, war es möglich, sich ganz bequem und ohne Zeitverluste durch das komplette Programm (die GN berichteten ausführlich) zu klicken.
Die professionellen Videos wurden von einem Team aus Fabian Bitter, Jasper Hesping, Nils Kock und Kai Lammering produziert. Die Künstler hätten mit der digitalen Plattform ganz andere Chancen, sich zu präsentieren, fand Nina Kludig, die zur Ausstellungseröffnung im Bentheimer Atelier aus dem benachbarten Westfalen angereist war. Kunst werde so für viele Menschen noch greifbarer. Da die sozialen Netzwerke das Medium der jungen Generation seien, könne man sie auf diesem Weg viel besser erreichen. Und doch: „Das Kunstwerk an Ort und Stelle zu betrachten, ist schon einzigartig“, schränkte Kludig ein.
Die Kunstnacht bot mit den beiden real zu besichtigenden Ausstellungen eine Chance zur Probe. Die Fotografin Hiske van Keulen präsentierte im Haus Westerhoff Fotografien aus ihrem Projekt „Silence“. Die Idee dazu wuchs, als ihr Sohn mit einer Fehlentwicklung der Wirbelsäule (Spina bifida, auch als „offener Rücken“ bekannt) auf die Welt kam. „Ich wollte festhalten, was meine Familie mit ihm erlebt hat“, erklärte die Künstlerin am Sonnabend. Die Fotografien, in denen Mensch und Natur im Mittelpunkt stehen, spiegeln Verletzlichkeit und ein Zur-Ruhe-Kommen wider. Van Keulens Aufnahmen sprechen das Urbedürfnis nach Geborgenheit an, ihr Betrachten weckt Sehnsucht und Empathie. Ergänzt wurde die Schau durch einen Vortrag über das Thema „Stille“ von Yvo Kouwenhoven.
Heftige Regengüsse am Abend machten dem Team vom Bentheimer Atelier, das angesichts der Corona-Situation bewusst auf eine Außenveranstaltung gesetzt hatte, zu schaffen. So fand die Eröffnung der Ausstellung „Architekturspiegelungen“ des Nordhorner Künstlers Christhard Pasternak, samt Illumination des alten Leidiger Hauses in der Kipkerstiege, vor einem kleinen Publikum statt. Im Schaufenster des Ateliers konnten die Besucher die eindrucksvolle, 16 Minuten dauernde Projektion auf einem Bildschirm verfolgen. Die ästhetische Kraft der flüchtigen Bilder verlieh dem denkmalgeschützten Gebäude, das seit vielen Jahren leer steht und langsam verfällt, als Kunstobjekt eine neue Bedeutung. „Ich glaube, dass junge Leute das interessant fänden“, sagte Kludig.
Die Präsentation der Illumination per Bildschirm ist noch in dieser Woche im Schaufenster des Bentheimer Ateliers zu sehen. Auch eine Wiederholung des Events ist beabsichtigt. Die Ausstellung „Silence“ im Haus Westerhoff ist Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Alle Videos sind weiterhin unter buergerstiftung-badbentheim.de zu sehen.
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