Geschichts­stu­dent prüft kolo­nia­les Erbe des Bata­via-Por­tals

Von Susan­na Aus­trup

Bjar­ne Stah­mer stu­diert Geschich­te und Ost­asi­en­wis­sen­schaf­ten mit dem Schwer­punkt Japa­no­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Lei­den. Seit andert­halb Mona­ten befasst er sich als exter­ner Bera­ter für die Bad Bent­hei­mer Bür­ger­stif­tung mit der Kolo­ni­al­ge­schich­te des Bata­via-Por­tals. Im August soll der Bericht mit den Ergeb­nis­sen fer­tig sein.

Die Geschich­te des Por­tals zeigt, wie ver­wo­ben Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart sind. Nach­dem fest­stand, dass im Schloss­park ein Nach­bau des Por­tals errich­tet wer­den soll, ent­brann­te eine kon­tro­ver­se Debat­te. Befür­wor­ter wie­sen auf die lokal­ge­schicht­li­che Bedeu­tung hin, Geg­ner sahen dar­in die Mani­fes­ta­ti­on eines laten­ten Kolo­nia­lis­mus. Nun soll Bjar­ne Stah­mer für Klar­heit sor­gen und den kolo­ni­al­ge­schicht­li­chen Hin­ter­grund des Por­tals ent­wir­ren.

Das ein­ge­bun­de­ne Foto ist der­zeit nicht ver­füg­bar.

Ein Nach­bau der Bata­via, die im 17. Jahr­hun­dert das Flagg­schiff der Nie­der­län­di­schen Ost­in­di­en-Kom­pa­nie war. Foto: dpa

Im Gegen­satz zum Natio­nal­so­zia­lis­mus sei die Kolo­ni­al­ge­schich­te in Deutsch­land noch nicht auf­ge­ar­bei­tet, sagt Bjar­ne Stah­mer. Umso erfreu­ter zeigt sich der gebür­ti­ge Kie­ler über die Initia­ti­ve der Bad Bent­hei­mer Bür­ger­stif­tung, das Kolo­ni­al­erbe des Bata­via-Por­tals zu unter­su­chen. Der Tipp, sich mit dem Anlie­gen an die Uni­ver­si­tät Lei­den zu wen­den, stammt vom Lei­ter des Kreis- und Kom­mu­nal­ar­chivs, Chris­ti­an Lon­ne­mann. „Da ich die Graf­schaft gut ken­ne, habe ich mich sofort gemel­det“, erzählt Stah­mer, der mit sei­nen Eltern seit vie­len Jah­ren freund­schaft­li­che Kon­tak­te zu einer Schüt­tor­fer Fami­lie hegt. Ein The­ma wie die Kolo­ni­al­ge­schich­te erzeu­ge Berüh­rungs­ängs­te, weil damit schnell die Schuld­de­bat­te wie­der auf­ge­wor­fen wür­de, weiß Stah­mer. „Dabei geht es in einem ers­ten Schritt dar­um anzu­er­ken­nen, dass man das gemacht hat“, erläu­tert der Stu­dent. Erst in der Aus­ein­an­der­set­zung damit kön­ne man ver­ste­hen, was Kolo­nia­lis­mus sei.

Stah­mer holt aus. „Wer bestimmt denn, was Kul­tur­gut oder Kunst ist?“, hin­ter­fragt er. „Es ist nicht unse­re Auf­ga­be, immer wie­der über ande­re Köp­fe hin­weg zu defi­nie­ren, was Wert ist, erhal­ten zu wer­den. Das ist allein das Recht der­je­ni­gen, denen das Objekt gehört. Das Haupt­pro­blem ist doch der Glau­be, mit sei­nen Ansich­ten recht zu haben“, sagt Stah­mer. Letzt­end­lich gin­ge es nur dar­um, über ande­re zu bestim­men.

Die Rei­se­rou­te der Bata­via begann vor der nie­der­län­di­schen Insel Texel. Vor West­aus­tra­li­en (rot) sank das Schiff, als es auf ein Riff traf. Die Rei­se hät­te nach Indo­ne­si­en gehen sol­len. Quel­le: Hel­mut Schön­rock

Im Gespräch mit dem Stu­den­ten wird schnell deut­lich, was das beson­de­re Pro­blem bei der Betrach­tung von Denk­mä­lern und Zeug­nis­sen aus der Ver­gan­gen­heit ist. Es liegt in der Natur des Men­schen, alles inter­pre­tie­ren zu wol­len. „Die Betrach­ter nei­gen dazu, ihre Sicht der Din­ge in das Doku­ment hin­ein­zu­in­ter­pre­tie­ren“, bestä­tigt Stah­mer und das sei auch beim Bata­via-Por­tal der Fall. Ob Denk­mal oder Bild, das sei­en eigent­lich nur Din­ge, „aber wir geben ihnen eine Bedeu­tung“, erklärt er. „Der poli­ti­sche Dis­kurs sagt viel mehr über uns heu­te aus, als über die Zeit damals“, fasst er zusam­men. Und was macht er jetzt kon­kret?

„Bei der Auf­ar­bei­tung der kolo­ni­al­ge­schicht­li­chen Aspek­te des Por­tals bear­bei­te ich zwei Auf­ga­ben­ge­bie­te“, schil­dert Bjar­ne Stah­mer. Zum einen unter­sucht er, wel­che Ver­bin­dung es zur Nie­der­län­di­schen Ost­in­di­en-Kom­pa­nie (VOC) gege­ben hat, und ver­folgt die Spur nach Bata­via, dem heu­ti­gen Jakar­ta. Die Haupt­stadt Indo­ne­si­ens war Anfang des 17. bis Ende des 18. Jahr­hun­derts das Haupt­quar­tier der nie­der­län­di­schen Han­dels­ge­sell­schaft. Zwei­tes ist für Stah­mer eine kom­pli­zier­te Ange­le­gen­heit, weil das Por­tal nie in Bata­via ankam, da das gleich­na­mi­ge VOC-Schiff mit sei­ner Sand­steinfracht vor Aus­tra­li­en auf ein Riff lief und sank.

Der Auf­bau des ori­gi­nal Bata­via-Por­tals im Muse­um im Mari­ti­me Muse­um in Gerald­ton, Aus­tra­li­en. Foto: Bri­an Richards

Stah­mers zwei­te Auf­ga­be ist die Wis­sens­ver­mitt­lung. Wie das genau aus­se­hen soll, weiß er noch nicht. „Even­tu­ell mit Schau­ta­feln oder digi­ta­len Boards“, über­legt er. Erst mit dem wis­sen­schaft­li­chen Blick über den Tel­ler­rand wür­de die Deu­tungs­ho­heit auf­ge­bro­chen. Wenn die Deu­tung hin­ge­gen allein dem Betrach­ter oblä­ge, sei das kolo­nia­le Erbe wirk­sam, so Stah­mer. In der Hin­sicht begrüßt er die Eigen­in­itia­ti­ve der Bür­ger­stif­tung, die von der Stadt und dem Land­kreis unter­stützt wird: „Den wis­sen­schaft­li­chen Stand abzu­ru­fen und auf die­sen Ort zu über­tra­gen, das kann schon ein Leucht­turm­pro­jekt sein.“

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