Die­ser aus­tra­li­sche Tau­cher hol­te Bent­hei­mer Sand­stein vom Mee­res­grund

Von Jonas Schön­rock

„Es ist per­fekt“, sagt Jere­my Green. Der aus­tra­li­sche Mee­res­ar­chäo­lo­ge sitzt vor einem gro­ßen Bücher­re­gal am ande­ren Ende der Welt und blickt fröh­lich in die Web­cam sei­nes Com­pu­ters. Er habe schon die Gele­gen­heit gehabt, eini­ge Fotos in Augen­schein zu neh­men. Die Fotos, von denen Green spricht, zei­gen den Nach­bau des his­to­ri­schen Bata­via-Por­tals, das die Bent­hei­mer Bür­ger­stif­tung im Schloss­park der Burg­stadt errich­tet hat. Ein Pro­jekt, das nach rund 1800 ehren­amt­lich geleis­te­ten Arbeits­stun­den abge­schlos­sen ist. 

Am Sams­tag, 7. Okto­ber, soll es offi­zi­ell eröff­net wer­den – ein­ge­rahmt von einem Sym­po­si­um mit diver­sen Fach­vor­trä­gen zum The­ma. Einer der Red­ner an die­sem Tag ist Jere­my Green – jener Wis­sen­schaft­ler, unter des­sen Lei­tung die Bata­via, die 1629 vor der West­küs­te Aus­tra­li­ens gesun­ken und von Fischern 1963 ent­deckt wor­den ist, in den 1970er Jah­ren gebor­gen wor­den ist. Green wird per Video zu den Gäs­ten der Ver­an­stal­tung im Forum des Burg-Gym­na­si­ums spre­chen. 

„Die Ber­gung der Bata­via war eine mei­ner ers­ten Auf­ga­ben, als ich mei­ne Tätig­keit am Wes­tern Aus­tra­li­an Muse­um begann“, erzählt Jere­my Green im Gespräch mit den GN. „Als ich das ers­te Mal zur Bata­via getaucht bin, war das sehr inter­es­sant“, sagt er. „Bei allen archäo­lo­gi­schen Aus­gra­bungs­stät­ten, egal, ob an Land oder unter Was­ser, weiß man nie, was einen erwar­tet. Erst durch die Gra­bun­gen erfährt man, womit man es zu tun hat.“ So war es auch damals, der Aus­tra­li­er kann sich noch genau dar­an erin­nern. „Da waren zum Bei­spiel die­se selt­sa­men Stein­blö­cke, deren Ver­wen­dung wir uns zunächst nicht erklä­ren konn­ten.“ 

Eine Unter­was­ser­er­kun­dung des Wracks der Bata­via am Mor­ning Reef vor der West­küs­te Aus­tra­li­ens. Die Ber­gung fand in den Jah­ren 1972 bis 1976 statt

In drei Pha­sen – jeweils drei Mona­te lang – tauch­ten Jere­my Green und sei­ne Mit­ar­bei­ter damals fast täg­lich zur Bata­via hin­un­ter. „Unse­re Basis war eine Insel in der Nähe“, sagt Jere­my Green. Dort­hin wur­den alle Arte­fak­te gebracht, die vom Mee­res­grund gebor­gen wur­den, dar­un­ter Kano­nen, Anker, Gold- und Sil­ber­mün­zen sowie Holz­stü­cke vom Schiff. Außer­dem die 137 bear­bei­te­ten Sand­stein­blö­cke. „Die Stei­ne wur­den gebor­gen, auf die Insel gebracht, foto­gra­fiert und auf ein Fischer­boot ver­la­den, das die Stein­blö­cke nach Perth brach­te“, erzählt der Wis­sen­schaft­ler. „In Free­mant­le wur­de die Kon­ser­vie­rung vor­ge­nom­men. Hier wur­den bei­spiels­wei­se Bewuchs und Muscheln ent­fernt.“ Anschlie­ßend habe man über­legt, wie die Stei­ne zusam­men­ge­hö­ren. „Sie waren auf eine beson­der Art bear­bei­tet und schie­nen daher für ein Gebäu­de bestimmt zu sein. Wir wuss­ten aller­dings nicht, für wel­che Art von Gebäu­de.“ 

Die Lösung fand sich in Auf­zeich­nun­gen des Nie­der­län­ders Pie­ter van den Broe­cke, der sich 1629 in Bata­via, dem heu­ti­gen Jakar­ta, auf­hielt. Dort ist eine Skiz­ze der Stadt­an­sicht mit einem offen­sicht­lich feh­len­den Tor­bo­gen zu sehen. „Aus dem Jahr 1630 gibt es eine Stadt­an­sicht mit voll­ende­tem Por­tal. Das abge­bil­de­te Por­tal ent­sprach genau den Sand­stei­nen, die wir bei der Bata­via gefun­den hat­ten“, sagt Jere­my Green. „Es ist schon beein­dru­ckend, wie schnell damals ein neu­es Por­tal gelie­fert wer­den konn­te.“ 

Ein Nach­bau des Schif­fes Bata­via steht im Hafen der nie­der­län­di­schen Stadt Lelystad. Foto: Schön­rock

Das Team setz­te die Stein­blö­cke wie­der zusam­men. „Dazu ist es wich­tig zu beden­ken, dass das Por­tal im Ori­gi­nal an einer Wand lehn­te und nicht dazu kon­zi­piert war, frei zu ste­hen. Wir muss­ten uns also erst ein­mal über die Dimen­sio­nen klar wer­den, um ein Stahl­ge­rüst zu Bau­en, dass das Por­tal stützt“, erin­nert sich Jere­my Green. Heu­te steht das Ori­gi­nal im Wes­tern Aus­tra­li­an Muse­um in Gerald­ton. Das Wrack der Bata­via ist in der Ship-Wrack-Gale­rie in Fre­mant­le aus­ge­stellt, zusam­men mit einer ori­gi­nal­ge­treu­en Replik des Por­tals. Geo­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen zei­gen spä­ter, dass es sich um Bent­hei­mer Sand­stein han­delt. Über Prof. Hel­mut Bock stell­te die Bent­hei­mer Bür­ger­stif­tung den Kon­takt mit dem Mari­ti­me Muse­um Fre­mant­le her, das der Bür­ger­stif­tung Daten mit den genau­en Abmes­sun­gen aller Sand­stein­blö­cke für den Nach­bau zur Ver­fü­gung stell­te. 

Die Detail­ge­treue Nach­bil­dung des Bat­va­tia Por­tals aus ech­tem Bent­hei­mer Sand­stein im Bent­hei­mer Schloss­park.

In sei­nem Vor­trag am 7. Okto­ber wird Jere­my Green über die Geschich­te der Bata­via reden, zu der auch eine Meu­te­rei und ein Mas­sa­ker gehö­ren. „Es geht außer­dem dar­um, wie das Wrack ent­deckt wur­de, wie ich invol­viert wur­de, wie wir die Aus­gra­bung began­nen und wie alles zum Muse­um kam und die ursprüng­lich ange­dach­te Ver­wen­dung des Por­tals“, kün­digt er an. 

Die Detail­ge­treue Nach­bil­dung des Bat­va­tia Por­tals aus ech­tem Bent­hei­mer Sand­stein im Bent­hei­mer Schloss­park.

Die Geschich­te des Por­tals ist mit der Kolo­ni­al­ge­schich­te des 17. Jahr­hun­derts und der der­zei­ti­gen Kolo­nia­lis­mus-Dis­kus­si­on ver­knüpft. Die Bür­ger­stif­tung hat nach eige­nen Anga­ben eine län­der­über­grei­fen­de Stu­die zu die­sem The­ma schon zu einem recht frü­hen Zeit­punkt des Pro­jekts ange­regt und beglei­tet. Deren Ergeb­nis­se und ande­re The­men wer­den mit Fach­vor­trä­gen eben­falls im Rah­men des Sym­po­si­ums vor­ge­stellt. Beginn ist am Sams­tag, 7. Okto­ber, um 10 Uhr im Forum des Burg-Gym­na­si­ums Bad Bent­heim. Dazu laden die Bür­ger­stif­tung Bad Bent­heim und die Stadt Bad Bent­heim alle Inter­es­sier­ten ein. Anmel­dun­gen (mit Anga­be der Per­so­nen­zahl) an Cathe­li­j­ne Laci­na vom Stadt­mar­ke­ting per E‑Mail an lacina@stadt-badbentheim.de

Neben Jere­my Green sind als wei­te­re Refe­ren­ten für das Sym­po­si­um vor­ge­se­hen: 

  • Dr. Jochen Lep­per und Dr. Jut­ta Weber aus Han­no­ver haben Ori­gi­nal­pro­ben des Por­tals unter­sucht. Dar­über wird Lep­per berich­ten. Sein The­ma lau­tet: Mate­ri­al­kund­li­cher Pro­ve­ni­enz-Nach­weis für den Bata­via Sand­stein.
  • Das kolo­nia­le Erbe im natio­na­len und auch im inter­na­tio­na­len Rah­men hin­ter­fra­gen wird Prof. Jos Gomm­ans vom Insti­tut for Colo­ni­al and Glo­bal Histo­ry der Uni­ver­si­tät Lei­den. Sein The­ma: How Ger­man was the Dutch Empire in Asia?
  • Dr. Tris­tan Mos­tert, Dozent am Insti­tut für Geschich­te an der Uni­ver­si­tät Lei­den, the­ma­ti­siert: Teuf­li­sches Dilem­ma: das geplan­te Stadt­tor von Bata­via im Kon­text des Kolo­nia­lis­mus des frü­hen 17. Jahr­hun­derts in sei­nem Erbe/Vermächtnis.
  • Bjar­ne Stah­mer, Stu­dent an der Uni­ver­si­tät Lei­den, stellt dar: The Por­tal and its mea­ning to appli­ed histo­ry.
  • Die Uni­ver­si­tät Pader­born und die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Darm­stadt such­ten in einem Pro­jekt „Sand­stein als glo­ba­les Natur­gut“ Indi­zi­en für eine Art Vor­fa­bri­ka­ti­on und Modul­bau­wei­se in vor­in­dus­tri­el­ler Zeit. Prof. Dr. Micha­el Ströh­mer von der Uni­ver­si­ät Pader­born wird dazu refe­rie­ren: „Schweiß, Staub und Mee­res­gischt – der lan­ge Weg des Steins nach Bata­via!“
  • Hel­mut Schön­rock, Kura­tor des Muse­ums am Her­ren­berg in Bad Bent­heim, wird das nach dem Gol­de­nen Schnitt gestal­te­te Renais­sance-Por­tal vor­stel­len. Sein The­ma: der Code des Bata­via-Por­tals – eine kunst­ge­schicht­li­che Ein­ord­nung.

Die Eröff­nung des Por­tals im Schloss­park fin­det anschlie­ßend gegen 15.30 Uhr statt. Damit aus­rei­chend Sitz­ge­le­gen­hei­ten zur Ver­fü­gung ste­hen, wird eben­falls um Anmel­dun­gen bei Lau­ra Wöl­le­cke unter der E‑Mail-Adres­se woellecke@stadt-badbentheim.de gebe­ten.

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