Von Dagmar Thiel
Das Gemeinwesen stärken und vielfältige Projekte vor Ort ermöglichen: Das sind zwei Kernaufgaben der Bad Bentheimer Bürgerstiftung, die jetzt zehnjähriges Bestehen feiert. Im Februar 2013 hatten 80 Personen aus der Region die gemeinnützige Stiftung gegründet. Ihr Zweck ist die Förderung von Kunst und Kultur, Bildung und Erziehung, Jugend- und Altenhilfe sowie traditionellem Brauchtum und Heimatpflege.
30 Projekte hat die Bürgerstiftung in zehn Jahren unterstützt, nachzulesen sind sie auf der Website buergerstiftung-badbentheim.de. Dazu gehören die großen, wiederkehrenden Veranstaltungen wie die Kulturnacht, der Bürgerbrunch oder der Kinder- und Jugendkunstpreis. „Wir verstehen uns als Netzwerker und Dienstleister. Wir entwickeln eigene Projekte, beteiligen uns an Projekten Dritter und unterstützen durch finanzielle Hilfestellung“, sagt Dr. Angelika Rieckeheer, Erste Vorsitzende der Stiftung und seit der Gründung dabei. In zehn Jahren hat die Stiftung viele Vorhaben, die es vorher in Bad Bentheim und der Obergrafschaft nicht gab, angestoßen oder erst ermöglicht. Vor allem die kulturelle Förderung stand bei der Gründung im Fokus. Und so war das erste Projekt die Kulturnacht im Oktober 2013: Neun Museen und Galerien sowie die Freilichtbühne hatten von 18 bis 23 Uhr geöffnet und boten Ausstellungsführungen, Lesungen, Konzerte und Fotoexkursionen an. Am 17. Juni 2023 gibt es die fünfte Auflage der Kulturnacht.
108 Stifter beteiligen sich mit je 1000 Euro
Die Ursprünge der Bürgerstiftung reichen bis ins Jahr 2007: „Die Vorbereitung hat so lange gedauert, weil sich ja 80 Personen finden mussten, die 1000 Euro aus ihrem Privatvermögen für die Ewigkeit in die Stiftung einbringen“, erinnert sich Bürgermeister Dr. Volker Pannen, der die Gründung initiiert hat. Aus den anfangs 80 Stifterinnen und Stiftern sind heute 108 geworden. Sie haben jeweils mit 1000 Euro zum Stiftungskapital beitragen, das nicht angetastet werden darf und der Stiftung regelmäßige Erträge sichern soll. Durch die seit Langem anhaltende Niedrigzinsphase hat es in den vergangenen Jahren aber fast keine Erträge gegeben, das betrifft alle Stiftungen in Deutschland. „Uns war von Anfang an klar, dass wir Spenden einsammeln müssen, um Projekte zu verwirklichen“, erläutert der zweite Vorsitzende Stefan Drolshagen.
Und die Spendenbereitschaft für die Projekte der Bürgerstiftung ist groß. So sind in zehn Jahren Einzelspenden in Höhe von 20 Euro ebenso wie über 20.000 Euro eingegangen. „Die Bürgerstiftung will ehrenamtliches Engagement vor Ort stärken. Deshalb ist es uns besonders wichtig, auch kleinere Projekte zu fördern, die nicht so stark in der Öffentlichkeit stehen, aber im Kleinen wirken“, sagt Vorstandsmitglied Arend Lödden und nennt als Beispiel „Balou und du“, ein Mentoring-Programm, in dem Zwölftklässler des Missionsgymnasiums Bardel Grundschulkinder unterstützen: Sie verbringen gemeinsam Freizeit oder helfen bei Hausaufgaben. Die Bürgerstiftung hat es 2022 mit 900 Euro unterstützt. Das Geld stammt aus Spenden von Privatpersonen und Kaufleuten.
Im Jahr 2023 wird auch das Förderprogramm „10 x 500“ zum dritten Mal aufgelegt. Vergeben werden jeweils 500 Euro, insgesamt eine Summe von 5000 Euro, für kleinere Projekte in Bad Bentheim. Die Intention der Bürgerstiftung: Sie gibt Geld für gute Ideen und will die Menschen zu Engagement ermuntern. Bürgermeister Volker Pannen gefällt gerade dieses Förderprogramm besonders: „Es sind diese kleinen Maßnahmen, die Wertschätzung signalisieren.“
Daraus ist beispielsweise die Audiothek zur Förderung der plattdeutschen Sprache entstanden. Auf der Website der Bürgerstiftung sind plattdeutsche Geschichten zu hören. Außerdem gibt es einen Online-Plattdeutsch-Kurs, der frei abrufbar ist. Die 16 Lektionen wurden von Bentheimer und Gildehauser Einwohnern ehrenamtlich im Studio aufgenommen und sind auch als gedrucktes Kursbuch erhältlich. Gerade solche kleineren Projekte sind den Verantwortlichen der Stiftung eine Herzensangelegenheit. „Geldstifter sind sehr wichtig, um Projekte zu ermöglichen. Wir sind aber genauso auf Ideen- und Zeitstifter angewiesen, die Impulse geben und Projekte ehrenamtlich unterstützen“, sagt Angelika Rieckeheer, die als beharrliche und eloquente Vorsitzende ihre vielfältigen Kontakte in der Burgstadt für die Sache zu nutzen weiß.
Das Batavia-Portal als größtes Projekt
Das Batavia-Portal ist das bisher größte Projekt, das die Arbeit der Stiftung seit mehreren Jahren stark beansprucht. 2019 begannen die konkreten Planungen vor Ort. Das Tor gilt als kunsthistorisch bedeutendes Zeugnis aus der Zeit der niederländischen Ostindien- Kolonien. Auf Initiative der Bürgerstiftung wird es aus Bentheimer Sandstein derzeit im Schlosspark nachgebaut – auch durch großes Engagement ehrenamtlicher Steinmetze. Das Projekt steht vor dem Abschluss, das Tor wird am 7. Oktober mit einem Symposion eingeweiht. Die Projektkosten betragen circa 240.000 Euro. Die eine Hälfte finanzieren Kreis, Land, Bund und Stadt Bad Bentheim, die andere Hälfte hat die Bürgerstiftung über Spenden eingeworben. Die Stiftung hat sich intensiv mit den Argumenten der Kritiker befasst, inwieweit es heute noch angebracht sei, ein Projekt mit unmittelbarem Bezug zu den dunklen Seiten der europäischen Kolonialgeschichte zu verwirklichen. Dafür hat die Stiftung auch unabhängige Wissenschaftler zurate gezogen. „Beim Batavia-Portal haben wir gemerkt, wie wichtig Kritik ist. Gerade dadurch kommt man weiter“, sagt Vorstand Bernd Hofste. Das Portal solle ja gerade das koloniale Erbe hinterfragen, historisch einordnen und Transparenz schaffen.
Für die Zukunft wünscht sich die Bürgerstiftung weitere Ideen aus der Bevölkerung. Pläne für Aktionen gibt es bereits. So denken die Verantwortlichen darüber nach, in Bad Bentheim einen Ruisdael-Wanderweg einzurichten. Dieser soll an die Standorte führen, an denen der niederländische Landschaftsmaler Jacob van Ruisdael (1628/29 bis 1682) seine Gemälde gemalt hat, die oftmals einen spektakulären Blick auf die Burg Bentheim zeigen.
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