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Beyträge
zur Geschichte
Westphalens
zugleich
Versuch einer Provinzialgeschichte
der merkwürdigen
GRAFSCHAFT BENTHEIM
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Aus Urkunden und gleichartigen Nachrichten
von
F. F. von Raet von Bögelskamp.
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ZWEITER THEIL.
Burgsteinfurt 1805
[Gleichzeitige Zweitausgabe: Münster 1805, Aschendorff’sche Buchhandlung. (In Commission.)]
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III
§. 1 Graf Everwin I. Dynast von Güterswyk erhält Bentheim und Steinfurt. 1
§. 2 Sein ältester Sohn Bernard 2. succediret in Bentheim, der Jüngste Arnold in Steinfurt 2
§. 6 Einführung der Reformation in beiden Grafschaften. 11
III
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IV
§. 15. Der Graf v. Bentheim wird durch Veranstaltung des Münsterischen Fürstbischofes
IV
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V
Christoph Bernhard v. Galen von der Landstraße aufgehoben und catholisch. 58
§. 17 Bentheimische Landtage 1647 und 1655. Errichtung des Bentheimischen Hofgerichts. 76
V
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VI
§. 25 Steinfurtische Händel mit Münster. 119
VI
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VII
§. 36 Graf Hermann Friedrich v. Bentheim. Münst. Administrat. der Grafsch. Bentheim. 186
§. 57 [sic!] Graf Friedrich Karl v. Bentheim. Bentheimische Primogenitur. 186
§. 38 Proceß wegen des Oxenstirnischen Fideicommisses. 187
VII
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VIII
Actenmässige Geschichte der Verpfändung der Reichs-Grafschaft Bentheim, nebst den Vorfällen der neuesten Zeit.
§. 39 Veranlassung zur Verpfändung. 193
§. 40 Inhalt des Pfandschafts-Contracts. 195
§. 42. Vortheile welche Churhannover von der Verpfädung gehabt hat. 206
§. 43. Fruchtlose Beschwerden über Verletzung des Pfandschaftscontracts. 211
§. 44. Entwürfe zur Wiedereinlösung vor Ablauf der Versatzzeit. 230
§. 45. Vereitelte Wiedereinlösung der Grafsch. Bentheim nach Ablauf der Versatzzeit. 230
§. 46. Begebenheiten der Grafsch. Bentheim nach Ablauf der Versatzzeit. 240
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Noch dazu gekommene Subscribenten.
Herr Amts-Rath Grimmell zu Schottmar im Lippischen.
Herr Regierungs-Secretair Stein zu Detmold.
Herr Advokat Heyl in Meppen.
Herr W. B. Donckermann, Apotheker zu Lingen.
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(1)
§. 1.
Hatte Graf Everwin I. zu Folge seiner Ehestiftung mit Metta Dynastin von Steinfurt vom Jahre 1404, durch den ausser dieser seiner Tochter unbeerbten Todesfall seines Schwiegervaters Ludolphs von Steinfurt, des Letzten dieses uralten Hauses, die damals so wichtige Herrschaft Steinfurt I) 1421, so wie im nämlichen Jahre durch Absterben seines Groß-Oheims mütterlicher Seite des Grafen Bernards, die Grafschaft Bentheim erhalten, so bekam Er mit seiner zweiten Gemalin Gisberta Tochter des Grafen Otto von Bronkhorst und der Gräfin Agnes von Solms zu Ottenstein, diese Solmsisch-Ottensteinschen Güter.
§. 2.
Nach seinem 1454 erfolgten Tode 2) succedirten von seinen beiden aus seiner zweiten Ehe
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I) Wozu auch Gronau unter andern verlohrnen Pertinentien gehört. [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: gehörte]
2) Er hatte in den Streitigkeiten des Münsterischen Bischofes Henrich von Mörs 2. Th.
(1)
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2
erzeugten Söhnen der Aelteste Bernard in Bentheim, Arnold der Jüngste in Steinfurt. Jener war mit der Gräfin Anna von Egmond, dieser mit der Dynastin Catharina von Gehmen vermälet. Beide erzeugten mit diesen ihren Gemalinnen einen Sohn, welche Beide Everwin der Zweite genant wurden und in Bentheim und Steinfurt respective succedirten. Nur war in der Steinfurtischen Linie noch eine Tochter Agnes vermälet mit dem Grafen Jacob von Bronkhorst.
Ihre respective Väter, Bernard von Bentheim starb 1473, Arnold von Steinfurt 1466 I).
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mit den Ständen des Hochstiftes es mit Letztern gehalten, das Bündniß zwischen den Hochstiftern Uetrecht und Münster 1445 mit unterschrieben, auch thätigen Antheil an den Hojaischen Uuruhen [sic!] im Münsterischen, und an der Schlacht beim Kloster Varlar genommen; die Steinfurter zerstörten das von den Münsterischen neu erbaute Schloß zu Billerbeck. A MATTHAEI ANALECT. T. V. P. 82. 84. 108.
I) Der Münsterische Fürstbischof Herzog Johann von Baiern lösete Rheine wieder von Steinfurt und Gehmen 1455 ein; sonstige etwaige Streitigkeiten sollten durch BEIDERSEITIGE COMMISSARIEN aufm Losser-Furth entschieden werden.
ANT. MATTHAEI ANALECT. TOM. V. P. 134. Das Original dieser Urkunde ist aufm Rathhause der Stadt Deventer. — Bernard Graf von Bentheim unterschrieb als Vormund
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§. 3.
In der Bentheimischen Linie war Everwin 2. unter dem Kaiserlichen Statthalter Herzog Georg von Sachsen Gouverneur von Friesland in der Niederländischen Geschichte sehr berühmt und bekam den Zunamen des Reichen und Weisen. Er erwarb der Grafschaft Bentheim, welche Er von ihren Schulden befreyete, die Herrlichkeit und das Gericht Emblicheim zurück, welche mit der Grafschaft Bentheim zu einem besondern Reichslehne erhoben wurde. Mit seiner Gemalin Ingelburg Herzogin von Mecklenburg Stargard zeugte Er erstlich zwei Töchter, Anna vermälet mit dem Grafen Johann von Honstein, Christina Abtissin zu Wietmärschen, dann einen bald verstorbenen Sohn Bernard, vermälet mit der Gräfin Margareta von Wied, endlich eine Tochter Maria, die ins Steinfurtische Haus heuratete, da das Bentheimische jetzt erlosch.
In der STEINFURTISCHEN Linie war Everwin II. I) mit der Gräfin Adelheid von Hoja ver-
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seines Bruders Sohnes Everwyns 2. von Steinfurt 1466 das Münsterische Privilegium. KINDLINGER I. 41ste Urkunde.
I) Unterschrieb das Bündniß zwischen den Fürstbischöfen Herzog David von Burgund zu Uetrecht und der Ritterschaft und den Hauptstädten von Oberyssel, einer, und Henrich von Schwarzenburg zu Münster
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mälet, womit Er einen einzigen Sohn Arnold erzielete, der durch seine Heurat mit Maria von Bentheim wieder beide Grafschaften Bentheim u. Steinfurt zusammen bekam und Stammvater der neuern Grafen von Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg zu Rheda wurde.
Sein Vater Everwin 2. von Steinfurt bekam 1438 vom Kaiser Friedrich dem Dritten, ganz im Style eines Kaisers an einen unmittelbaren Reichs-Regent, ein Anschreiben, mit den Seinigen zu Roß I) und zu Fuß, seinen Sohn, den Römischen König Max aus der Gefangenschaft zu Brügge in Flandern zu retten, desgleichen 1494 wider den König in Frankreich nach Metz und wieder die Türken. Die uralte Reichs unmittelbare Herrschaft Steinfurt wurde 1495 aufm Reichstage zu Worms zu einer Reichsgrafschaft mit Sitz und Stimme im Westphälischen Grafen-Collegio und auf den Westphälischen Kreistagen befördert. Noch vor dieser Erhebung der Dynastie Steinfurt zur Grafschaft hatten die Brüder Everwin der Zweite zu Bentheim und Everwin der Zweite zu Steinfurt, 1487 Montages nach Oculi, jene merkwürdige Fami-
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Administrator von Bremen, und den Münsterischen Domcapitel, Ritterschaft u. Städten anderer Seite 1484. S. 196.
I) Auch Ritter des niedern Adels.
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lien und Erbvereinigung geschlossen, die nachher in allen Kaiserlichen Gesamtbelehnungen der Linien Bentheim und Steinfurt des Gesamthauses Bentheim, wozu jetzt das Haus Tecklenburg Rheda noch NICHT gehörte, bestätiget und zum Grund-Gesetze beider Grafschaften Bentheim und Steinfurt auch dadurch geworden ist, daß die Landstände und Unterthanen beider Länder sie mit nuterzeichnet [sic!] und besiegelt haben, wodurch sie eine Staats-Acte dieser beider Länder, und nur dieser allein geworden ist, und die Eigenschaft einer Reichs-Acte durch die Kaiserliche Bestätigung zum Ueberfluße erhalten hat.
Von Bentheimischer Seite beurkundeten diese Staats-Acte die Burgmänner Schotte von Bever, Hermann Voet, Hermann Wullen, Matthäus von Schonefeld genant Grastorp, Henrich von Münster und Arend von Dedem der Alte, dann die drey Städte Schüttorpe, Nordhorn und Nienhus, welche hier wohl zum ersten male in dieser Eigenschaft vorkommen, da der Geist der Zeit noch mehr nach dem Mittel- als neuern Alter schmeckte, um Frenswegen und Wietmärschen, als unwehrhafte geistliche Stiftungen, schon unter die Mächtigern des Landes und Hausgenoßenen des Landesherrn zu finden. Von I) Steinfurtischer Seite kommen die Burg-
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I) UNSER BEDER LANDE UND HERLIGHEITEN
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männer Bernd von Langen, Sundag von Münster, Johann von Scheden, Wiem Heven, Gerd von Schwen und Johann von Rheine mit den Städten Steinfurt und Gronau vor. Dann wurde in diesem Familien-Vertrage festgesetzet, „daß in beiden Ländern und Häusern der Mannsstamm, und zwar, der Erbsohn oder die Söhne, in jedem Lande ungeteilt succediren sollten, stürbe in einem dieser Länder und Häuser der Mannsstamm aus, so sollten der Erbsohn oder die Söhne des andern Hauses beide Länder unzerteilet beerben. Von den Töchtern in beiden Häusern und Ländern sollte die älteste mit drei tausend goldenen Rheinischen Gulden, die zweite mit zweitausend, die dritte mit eintausend solcher Gulden I) an Ihres gleichen oder mehrere Standes-Personen vermälet werden, aber dabey auf die Erbfolge in Länder und Leute Verzicht leisten, wobey noch bestimmet ward, daß die zweite und dritte Tochter auch die vierte u. s. w. in adlichen Stiftern und Kapiteln nach des 2) Adels Stand versorget werden sollten, um desto besser ihre Partie zu finden. Wäre
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BORCHMANNE UND STEDEN. Burgmänner, Ministerialen, EIGENHÖRIGE, ADELICHE Offiziere und Beamten.
I) Ein Beweis, daß das Vermögen von Steinfurt jenem von Bentheim damals gleich kam.
2) Hohen Adels.
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in einem der beiden Häuser eine einzige Tochter so daß der Mannsstamm des andern Hauses ihr tand beerbte, so sollte sie mit achttausend RheiNischen Gulden ausbestattet werden, aber auch auf Land und Leute renunzüren. Würden in jeder Linie nur eine Tochter oder mehrere Töchter geboren, so sollte oder sollten dieselbe jede ihr Land behalten, wie in ersterem Falle die Söhne, jedoch an Ihres Gleichen oder Mehreren heuraten, welches aber in Rücksicht der Söhne gar nicht festgeseyet wurde.” Dieser Familien-Vertrag des Hauses Bentheim ist ein ächter Uebergang des Mittelalters zum Neuern. Um den Mannsstamm aufrecht zu halten, mußten die Töchter noch Römische und Canonische Rechte durch Verzichtleisiungen entkräften, unter den Söhnen wurde der Erbsohn wiewohl noch mit einigen Zweifeln schon angezeiget, da unter den Churfürsten durch die goldene Bulle Kaisers Karls des Vierten schon die Erstgeburt festgesetzet war, der Kaiser Wahl und jener Länder versichert zu seyn, worauf die Churstimme haftete.
Töchter, vorzüglich Erbtöchter mußten an Herrn vom hohen Adel heuraten, wenn sie Ihnen unmittelbare Reichs-Gebiete zubrachten, bey den Söhnen hieß es noch, so viel die Territorial-Hoheit betraf, eine Ritters Frau hat Ritters Ehre.
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§. 4.
Die Folge jener Erbvereinigung würde sich geäußert haben, hätte auch Everwin der Zweite von Bentheim, da Er seinen einzigen jung verstorbenen Sohn Bernard I) überlebte und 1530 starb 2), seine Tochter Maria nicht mit dem einzigen Sohne Arnold Everwins des Zweiten von Steinfurt vermälet, wiewohl derselbe zum zweiten male mit Walburg aus dem berühmten Niederländischen Dynastischen Hause Brederode heuratete. Wider jene Erbvereinigung suchte ihm zwar seine älteste Schwiegerin Anna mit ihrem Gemale, dem Grafen Johann von Honstein die Succession in Bentheim streitig zu machen, allein das Familien und Landes-Gesetz war zu bestimt, obschon Er mit seiner Bentheimischen Gemalin keine Erben hatte, wiewohl er auch nach dem Successions-Rechte Teutscher hoher Häuser und nach dem uralten Salischen Gesetze, ganz dem natürlichen Staats-Rechte, und der Aufrechthaltung der Länder gemäß, ohne alle Familien-Ge
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I) War zwar mit der Gräfin Margareta von Wied vermälet, starb aber 1528 unbeerbt.
2) Nachdem Er in der zweiten Ehe 1529 mit Carda Gräfin von Schöneburg ohne Kinder verheuratet gewesen war, welche den Grafen Gumprecht von Nüwenaar zum zweiten Gemale bekam.
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setze, als Bentheim-Steinfurtischer Mannsstamm zur Succession in Bentheim berechtiget war I).
§ 5.
Mit seiner zweiten Gemalin Walburg von Brederode bekam Er Everwin den Dritten, der in Bentheim als ältester Sohn, nach dem Beispiele Bernards, Groß-Oheims seines Vaters Arnold, und Arnold den Dritten, der in Steinfurt, nachdem Beispiele Arnolds des Ersten, jüngeren Bruders des gedachten Bernards, in Steinfurt succediren sollte; da es in den Häusern Bentheim und Steinfurt schon ein Herkommen war, daß bey Erlöschung des Mannsstammes eines dieser
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I) Er besiegelte 1538 mit dem Fürstbischofe Franz von Waldeck, dem Domcapitel, dem Land-Marschal Morrien und der Stadt Münster den Landtagsschluß zur Rüstung wider die Wiedertäufer. KINDLINGER MÜNSTERISCHE BEITRÄGE I. Theil 99te Urkunde.
Im Jahre 1533 den vierten Hornung unterschrieb Er mit seinem Vetter, dem Landgrafen Philip v. Hessen den Religions-Frieden des Hochstiftes Münster. Sieh die Urkunde bey ANT. MATTH. T. V. P. 142.
In erst erwähnter Urkunde zeiget sich der Graf von Steinfurt als ein mächtiger, mehr als die Ritterschaft bedeutender Münsterischer Landstand, in der zweiten als ein benachbarter Reichsstand des Hochstifts Münster.
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dieser Häuser, der älteste Sohn des fortblühenden Stammes Bentheim, der Jüngere Steinfurt bekam. Da nun ein Herkommen die Kraft eines Gesetzes hat, besonders wenn dieses Herkommen durch ein Gesetz, wie die Bentheim-Steinfurtische Erbvereinigung des Jahrs 1487, deutlich genug bestätiget wird, so konnte in der Folge der Zeit keine umgekehrte Successions Ordnung statt finden.
Der zum Grafen von Steinfurt designirte Arnold der Dritte, der auch schon auf diese Erbfolge mit der Fürstin Magdalena von Braunschweig-Lüneburg vermälet worden war, verstarb aber ohne Erben vor seinem Vater Arnold dem Zweiten von Steinfurt und dem Ersten in Bentheim. So daß nun gewissermaßen zum zweiten Male das Haus I) und die Linie Steinfurt des Hauses Bentheim, ausgestorben war, wie eben vorher die Linie Bentheim, welche jetzt der Arnold 2. von Steinfurt auch in Bentheim als Arnold I. bis zu seinem Tode 1553 fortsetzte. So wie auch in unsern Tagen das Haus Steinfurt, zur Vergütung des ihm im siebzehnten Jahrhundert zugefügeten schreienden Unrechtes,
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I) Das Haus Steinfurt fiel mit Metta von Steinfurt an Everwin I. von Bentheim, wie oben vermeldet ist.
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den Rückfall dee Grafschaft Bentheim auf sein Steinfurtisches Stammhaus belebet hat.
§. 6.
Unter eben gedachtem Grafen Arnold dem Zweiten in Steinfurt und Arnold dem Ersten in Bentheim nahm die Lutherische Lehre in beiden Grafschaften seit 1544 die Oberhand und der Graf bekannte sich selbst dazu. Da fast alle Unterthanen dem Beispiele ihres Landesherrn in beiden Grafschaften folgten, so scheinet diese Religions-Veränderung keine Erschütterung verursachet zu haben; noch weniger merklich war in beiden Grafschaften der Uebergang von der Lutherischen zur Reformirten Lehre unter der Regierung des Sohnssohnes dieses Arnolds, des Grafen Arnold von Bentheim, Tecklenburg und Steinfurt, da dieser Herr auch die Reformirte Lehre annahm. Die auf wenige Häuser ausgestorbenen adlichen Landesstände, welche zum Theile im benachbarten Münsterischen wohnten, blieben aus gegründeten auch politischen Ursachen großen Theiles Catholisch, wie das Gotteshaus Frenswegen, und das jetzt in ein weltliches Damenstift verwandelte vormalige Kloster Wietmärschen sich selbst allgemach so verändert hatte. Die Religions-Veränderung des Bentheimischen Grafen Ernst Wilhelms unterm Betrieb des Münsterischen Fürstbischofes, Christoph Bernards von Galen verursachte im
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siebzehnten Jahrhundert hingegen die erschütterndsten Catholischen Gegen-Anstalten, wogegen der Geist der Eintracht im ganzen sechszehnten und in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in dem [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: den] Bentheimischen Landtags-Recessen außerordentlich auffallend absticht, da in dieser ganzen Periode die zeitlichen Prioren von Frenswegen, des dem Augustiner Orden eigenen Geistes der Mäßigung und ihrer Kentniße wegen, einen großen Einfluß in den Landes-Angelegenheiten hatten. Im politischen Betrachte verschlimmerten sich die Westphälischen hohen Häuser durch die Annahme der Reformation äußerst. Die säcularisirten Hochstifter Bremen, Verden, Minden u. s. w. wurden mächtigern Häusern zu Theile, zu den Gebliebenen Münster, Paderborn u. s. w. versperrete ihnen der Westphälische Friede, wie zu den catholischen Damenstiftern Vreden, Borghorst, Wietmärschen u. s. w. den Zugang. Wohingegen der Catholische niedere Adel die reichhaltigste Quelle der Versorgung seiner nachgebornen Söhne und Töchter ausschließlich in ganz Westphalen hatte, wenn im ganzen Mittelalter kaum ein Fürstbischof oder auch nur ein Domprälat aus einem andern, als hohen Adel gewesen war. Kein Haus hat dieses wohl mehr gefület, als das vom Münsterischen umgebene Haus Steinfurt, das sich durch so viele geistliche, ihm jetzt verwehrte Stiftungen, auch an der Malteser-Commende zu Steinfurt, fast erschöpfet hatte.
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Indessen ist dieses das ganze Staatsrecht erschütternde, alle Begriffe von Landeshoheit und Unterthänigkeit verwirrende Uebergewicht des niedern Adels über den hohen, durch die Säcularisationen unserer Zeit wieder ins alte gehörige Gleise gebracht. Verbindungen, Erbverbrüderungen unter den neuern Westphälischen hohen Häusern mit den vorher dorten bestandenen, günstigen [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: günstige] Allianzen können auch die zu große Disproportion zwischen den mehr und minder Mächtigen, zu größerer Festigkeit des Teutschen Reichs weniger merklich machen.
§. 7.
Arnolds einziger noch übriger Sohn, der als ältester zum Erben der Grafschaft Bentheim bestimmt war, folgte ihm in beiden Grafschaften Bentheim und Steinfurt. Dieser Graf Everwin der Dritte war mit der Gräfin Anna von Tecklenburg, wie seine einzige Schwester Agnes erst mit dem Grafen Johan von Rietberg, dann mit dem Grafen Otto von Hoja vermählt. Sein Schwiegervater Graf Conrad von Tecklenburg, vermählt mit der Landgräfin Mechtild von Hessen, starb 1557 vor ihm mit Hinterlassung seiner einzigen Tochter, der gedachten Gräfin von Bentheim und Steinfurt ohne allen weitern Tecklenburgischen Mannsstamm. Woraus man mit einem Blick übersieht, daß die ganze Tecklenbur-
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gische damalige Verlassenschaft auf das einzige Tecklenburgische Kind, in so weit Land und Leute betrifft, nämlich auf die Gräfin von Bentheim und Steinfurt, nicht aber auf ihre Vaters Schwester Anna, vermählt mit dem Grafen Philipp v. Solms hätte vererben müssen, da keine Regredient-Erbschaft oder Rücktritt an Land und Leuten unter dem weiblichen Geschlechte stattfindet, weil eine Tochter näher ist, als eine Schwester.
§. 8.
Indessen wurde das Teklenburgische Amt Lingen durch den Kaiser Karl den Fünften dem gedachten letzten Grafen Conrad von Tecklenburg, wegen seiner Theilnahme am Schmelkaldischen [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Schmalkaldischen] Bunde, nebst Ibbenbüren und noch drey andern Tecklenburgischen Kirchspielen, abgenommen, und dem Ausführer dieser Execution, dem Grafen Maximilian von Büren aus dem Hause Egmond als eine von allen Reichslasten befreyte Grafsch. verliehen. Seine Tochter Anna von Büren vererbte diese Grafschaft zwar auf ihren Gemahl, den Prinzen Wilhelm den Ersten von Nassau-Oranien, ihr Vormund verkaufte sie aber dem Kaiser Carl dem Fünften, der sie mit allen Niederländischen Ländern 1555 seinem Sohne, dem Spanischen Könige Philipp dem Zweiten überließ, welcher sie auch aller Tecklenburgische Gegen-Vorstellungen ungeachtet bis 1597 behielt, da
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Prinz Moritz von Nassau-Oranien, dessen Vater eben gedachter Prinz Wilhelm der Erste sie 1578 von dem erwähnten Spanischen Könige zum Geschenk bekommen hatte, solche wieder eroberte. Von 1605 bis 1632 hatten die Spanier zwar wieder Lingen in Besitz , nach deren Abzug bemächtigten sich jedoch das Haus Oranien und die Staatischen Truppen desselben wieder, bis es mit dem Absterben des Englischen Königs und Holländischen Statthalters Wilhelms des Dritten, mit der übrigen Oranischen Erbschaft an Preussen fiel, wenn das illüstre Gymnasium zu Lingen noch ein Andenken an die Oranische Erbschaft ist. Durch dieses Hin- und Herziehen der Spanischen und Statischen Truppen aus den Niederlanden durch die Grafschaft Bentheim nach Lingen und zurück hatte diese Grafschaft, wie nicht weniger die Grafschaft Steinfurt des dreissigjährigen zugleich mit dem Niederländischen achtzigjährigen Kriege I) wütenden teutschen Krieges wegen unbeschreiblich zu leiden. Hatte Preussen übrigens diese Tecklenburgischen Bestandtheile von Oranien geerbet, so erhielt Es das übrige Tecklenburgische durch Kauf vom Hause Solms 2) bis auf die Herrlichkeit oder Grafschaft Rheda, welche beym Hause Bentheim-Tecklenburg geblieben ist.
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I) Mit Einschluß des zwölfjährigen Bestandes oder Waffenstillstandes.
2) Nach unendlichen Streitigkeiten zwisch. den Häusern Bentheim u. Solms bey beyden höchsten Reichsgerichten zu Wetzlar u. Wien.
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§. 9.
Everwin der Dritte Graf von Bentheim und Steinfurt und seit 1558 auch von Tecklenburg starb 1562 mit Hinterlassung einer Tochter Walburg Gemalin des Grafen Hermann von Wind und eines Sohnes Arnold. Da dieser Everwin der Dritte ein Sohn des Grafen Arnold von Steinfurt war, so ersieht man, daß das Haus Steinfurt das Stammhaus der Häuser Bentheim uud [sic!] Teklenburg-Rheda ist, so wie jene Erbvereinigung zwischen den Brüderkindern Everwin dem Zweiten von Bentheim u. Everwin dem Zweiten von Steinfurt vom Jahre 1487 zwei Generationen früher geschlossen wurde, und die Häuser Bentheim und Steinfurt sich über ein Jahrhundert früher wechselseitig succedirten als das eigentlich ausgestorbene Haus Teklenburg durch eine Erbtochter an das Haus Bentheim zu Steinfurt kam. Wohl foglich [sic!] müssen die Rhedaischen Besitzungen bei der Erlöschung des neuern Tecklenburgischen Mannsstammes an den Güterswykschen originellen Mannsstamm zu Steinfurt, auch ohne alle Erbvereinigungen zurückfallen, wenn hingegen dermalen bey Erlöschung des Bentheimischen Zweiges des Haufes Steinfurt, das Haus Tecklenburg-Rheda nur erst nach dem Aussterben des Hauses Steinfurt in Bentheim succediren kann, da alle Erbvereinigungen und Belehnungen zur gesammten Hand zwar ein Successions-Recht gewären, aber die Ordnung und Folge in der Succession nicht umkehren können.
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Arnold der Dritte zn [sic!] Steinfurt und der Zweite zu Bentheim, der zweite Graf von Tecklenburg aus diesem Bentheimischen Hause Steinfurtischer Linie beförderte die Reformirte Lehre und stiftete 1591 das illüstre Gymnasium zu Steinfurt für fünf Professoren und sechs Präceptoren, welches von ihm Arnoldinum genannt wird.
Hatte sein Vater Everwin III Tecklenburg erheyrathet, so bekam Er mit seiner Gemahlin Magdalena Tochter des Grafen Gumprecht von Nuenar und der Gräfin Anna von Limburg oder Hohen-Limburg diese Grafschaft Limburg samt den Herrschaften Alpen, Helfenstein, Lennep und Bedbur nebst der Erbvogtey zu Cölln, welche Errungenschaften also den beiden jetzt noch übrigen Linien Steinfurt und Rheda dieses Steinfurt-Bentheim-Tecklenburgischen Hauses gemeinschaftlich zufielen.
So viele teutsche Reichsgebiete hatte bisher noch kein Graf von Bentheim und Steinfurt besessen. Was aber das Glück verliehen hatte, das ging durch den Aberglauben an Römische und Canonische Rechte großentheils wieder verloren. Denn statt dem Geiste des teutschen hohen Adels und teutscher Successions-Rechte in Land und Leute gemäß eine Erstgeburt in dieser ungetheilten Masse der Reichsländer zu errichten, nahm Arnold eine Theilung unter seinen Söhnen vor.
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Von seinen im Jahr 1573 lebenden sieben Söhnen und vier Töchtern starb nämlich der älteste Sohn schon im folgenden Jahre, der zweite Eberwin Mirich [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Wirich] 1596 noch unverheyrathet, so daß die Länder unter den fünf noch übrigen Söhnen nach eben so vielen Gebieten vertheilet wurden. Die Töchter hoher Häuser wurden in den Theilungen mit ihren Brüdern schon immer mehr von Ländern und Leuten abgefunden, worauf sie ganz überflüssig Verzicht leisten mußten, weil man sich vorstellte, sie hätten dadurch freiwillig auf den Spruch des Apostels, sind wir Kinder so sind wir auch Erben, wie auf die geistlichen und Römischen Rechte renuncirt. Man fühlte es immer mehr, daß die Sohne zur Erhaltung des Stammes und Namens, und des Glanzes der Familien zur Regierung bestimmt wären, weswegen man Reichs Allodien und Stammgüter immer mehr zu Lehnen machte, da man die Söhne zur Tragung der Lehnspflichten, besonders der militärischen geschickter hielt, als die Töchter, deren Eheherrn kein angebohrnes Recht an den Ländern ihrer Gemahlinnen hatten. Aber auch der Nachtheil der steten Theilungen unter den Söhnen besonders protestantischer hoher Häuser, denen die geistlichen Stiftungen immer mehr entgingen, offenbarte sich für die Familien und Länder, wie für das teutsche Reich immer mehr, so viele Mühe es auch kostete, den Apostolischen Spruch: Ist er ein Sohn, so ist er auch ein Erbe, und
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die fremden Rechte auf ihre eigenthümliche Gegenstände, nämlich im höhern geistlichen Sinne respective auf bewegliche und nicht unbewegliche Güter anzuwenden. So führten Zeit und Umstände, ja die Natur selbst und das Beispiel des alten Testaments auf die Errichtung der Erstgeburt, wenn der Erstgebohrne sonst die zu seinem Berufe nöthigen Eigenschaften hatte.
Von dieses Grafen Arnold vier Töchtern ward Anna mit dem Fürsten Christian von Anhalt, Amöna Amalia auch mit einem Fürsten von Anhalt Namens Ludewig, Magdalena mit dem Grafen Georg Ernst von Styrum vermählt, Amalia Amöna aber starb in ihrer blühenden Jugend. Von seinen noch übrigen fünf Söhnen bekam der nunmehrige älteste Adolph vermählt mit Margaretha Gräfin von Nassau, Tecklenburg, der Zweite Arnold Jobst oder Jodoc, vermählt mit Anna Amalia Gräfin von Isenburg, Bentheim, der dritte Wilhelm Henrich, vermählt mit Anna Elisabeth Fürstin von Anholt, [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Anhalt] Steinfurt, der vierte Conrad Gumprecht, vermählt mit der Gräfin Johanna Elisabeth von Nassau, Limburg, der fünfte Friedrich Ludolf, Alpen. Der vierte verstarb aber 1618 unbeerbt I) und der fünfte 1629 unverheyrathet, so daß Limburg und Alpen wie-
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I) Sein Sohn Wilhelm gehören 1617 starb 1618 vor dem Vater.
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der an die drey Linien Tecklenburg, Bentheim und Steinfurt zurückfielen. So daß nun schon zum dritten male Steinfurt einem jüngern, Bentheim hingegen einem ältern Bruder, nach der Observanz des Bentheim-Steinfurtischen Hauses zugewiesen wurde, ob schon der Uebergroßvater dieser Brüder Arnold aus dem Steinfurtischen Hause gewesen war, wie dessen Gemahlin Maria aus dem Bentheimischen. — — Zwar war Arnold Jobst, der Bentheim bekam, jetzt der zweite Bruder, indessen war Wilhelm Heinrich, der Steinfurt erhielt, doch der dritte, und der nunmehrige älteste Adolf, da seine beyden ältern Brüder verstorben waren, hatte an Tecklenburg nicht zu viel, da das schöne Amt und die Grafschaft Lingen nebst jenen vier Tecklenburgischen Kirchspielen davon abgerissen waren, wegen des übrigen Tecklenburgischen, wovon Rheda nur übrig geblieben ist, aber ein schwerer Proceß mit dem Hause Solms im Gange war. Der Vater dieser Brüder Arnold war übrigens an jener Bentheim-Steinfurtischen Erbvereinigung vom Jahre 1487, vermöge welcher der in Bentheim und Steinfurt respective bestehende Mannsstamm damals Jeder für sich fortblühen sollte, nicht mehr verbunden, da er beyde Grafschaften zusammen nebst großen Errungenschaften besaß und eine Primogenitur wenigstens in Rücksicht der Landeshoheit in allen diesen Ländern ungetheilt hätte errichten können; wollte er aber dieselben
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theilen, so mußte er Bentheim nach dem Herkommen einem respectivm ältern, und Steinfurt einem jüngern Sohne zuweisen, wie er that.
§. 10.
Graf Arnold lebte übrigens noch bis 160x, wo ihm seine Söhnne in den ihnen angewiesenen Ländern nachfolgten, bis 1618 Limburg, u. 1629 Alpen, mit dem Absterben der darin regierenden Söhne schon wieder an die drey übrigen Söhne und Grafen von Tecklenburg, Bentheim und Steinfurt zurück fielen. Wiewohl auch die Grafschaft Steinfurt mit dem Absterben des Grafen Wilhelm Heinrich, dessen Sohn im Jahre seiner Geburt 1662 schon vor ihm gestorben war, 1632 schon wieder an seinen jüngern Bruder Arnold Jobst von Bentheim, in Rücksicht auf den ältern Bruder Graf Adolph von Tecklenburg, vermöge jener mehr erwähnten Bentheim-Steinfurtischen Erbvereinigung vom Jahre 1387 [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: 1487] zurück vererbte. Graf Adolph von Tecklenburg war zwar schon 1625 mit Tode abgegangen, allein Er hatte schon einen Sohn Moritz hinterlaßen, der jetzt in den Tecklenburgischen Ländern regierte und mit der Fürstin Johanna Dorothea von Anhalt vermälet war. So daß der Bentheimische Graf dem verstorbenen Grafen v. Steinfurt als Bruder zwar näher verwant war, wie sein Bruders Sohn von Tecklenburg, aber doch
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wohl schwerlich und noch weniger ganz allein zur Steinfurtischen Succession gelanget seyn würde, wenn man die jetzige Teklenburgische Linie des Hauses Bentheim als die älteste betrachtet hätte; welches nicht statt finden konnte, da das Tecklenburgische Haus jetzt erst in der zweiten Generation im Bentheim-Steinfurtischen Mannsstamme des Hauses Güterswyk verheuratet war, wie dann jene Bentheim-Steinfurtische Erbvereinigung auch über ein Säculum früher errichtet war, als Tecklenburg durch eine Tecklenburgische Erbtochter an einen Grafen Eberwin III von Bentheim und Steinfurt, Sohn des Steinfurtischen Grafen Arnold, gekommen war; so wie dieser Eberwin III noch das Andenken an Everwin I. von Güterswyk Grafen von Bentheim und Herrn von Steinfurt erhielt. Dieser Vorgang würde schon jetzt die Succession des Grafen v. Steinfurt in die Grafsch. Bentheim als ein Herkommen des Gesamthauses Bentheim-Steinfurt zum Gesetze gemacht haben, wenn dieser Successious-Fall [sic!] auch nicht durch die bekantesten Verträge bereits bestimmet, und wenn der jetzige Graf von Steinfurt auch kein Abkömling der Grafen von Bentheim und mit dem letzt verstorbenen Grafen von Bentheim auch nicht viel näher verwandt wäre, als der Graf von Tecklenburg-Rheda, wovon bald mehr.
Graf Arnold Jobst von Bentheim seit 1606
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und von Steinfurt seit 1632 erzielete mit seiner Gemalin Gräfin Anna Amalia von Isenburg, außer dreyen Töchtern Anna Magdalena, welche ins gräfliche Haus Velen heuratete, Anna Amalia nachherige Gräfin von Effern, und Amöna Elisabet nachmals Gräfin von Solms Laubach, drey Söhne, wovon der Aelteste Wolfgang Arnold unmündigen Alters starb, der Zweite und nunmehrige Aelteste Ernst Wilhelm der Stammvater des heutigen Grafen von Steinfurt die Grafschaft Bentheim, der dritte Philip Conrad, der Stammvater des letzt verstorbenen Grafen Friederich Karl von Bentheim, hingegen Steinfurt bekam; so daß dieses das vierte Beispiel des Herkommens im Bentheimisch-Steinfurtischen Hause war, daß ein älterer Bruder immer Bentheim, ein jüngerer aber Steinfurt erhalten mußte, wenn man beide Grafschaften nicht der Primogenitur unterwerfen wollte, welches man ohne Verletzung jener Bentheimisch-Steinfurtischen Erbvereinigung von 1487 thun konnte, da solche damals errichtet war, wie in beiden Häufern ein Mannsstamm existirte, der Geist dieser Erbvereinigung führte bey mehrerer Aufklärung hingegen auf eine Primogenitur in beiden stets zu vereinigenden Ländern, da nach dieser Erbvereinigung der Mannsstamm des einen Hauses das andere beerben sollte, wenn der Mannsstamm desselben erlöschet seyn würde.
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§. 11.
Von der Regierung des gedachten Grafen Arnold Jobsten, der die Reformirte Kirchenordnung bestätigte und 1613 den 13 October den Oberkirchenrath installirte, auch 1619 und 1624 verschiedene Synodal Schlüße der Reformirten Kirche confirmirte I), haben sich einige Landtags-Recesse nach der heutigen Form erhalten.
Das älteste kurze Document ist vom 12ten Junii 1627 vom Landesherrn, von einer unleserlichen Hand, von Jean Albrecht de Rede 2), Arnold von Laar, von einer unleserlichen Hand, wahrscheinlich des Priors zu Frenswegen, Plechelm Nytert Amptmann 3), dann von Klaes Niehof, Derk van Lutten und Henrich Münz, wohl die Abgeordneten der dreyen Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus, zu Frenswegen, wo der Landtag gehalten wurde, unterschrieben und besiegelt. Man beruft sich in diesem Recesse auf Landtags-Reccsse der Jahre 1622 und 1610. Die Stände werden darin Adliche, Geistliche Stände und Abgeordnete der Städte genant. Dann wird über die durch die Kriegstrubeln und Aussteuern entstandene Schuldenlast des Landes ge-
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I) Sieh KERKEN ORDRE DER GRAAFSCHAP BENTHEM und weitere Anlagen, Druckschrift.
2) Zu Brandlecht.
3) Zu Wietmärschen.
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klaget, und zur Abtragung der Pensionen oder Zinsen derselben wurde dahin „verglichen erkläret und eingewilliget, daß die in Anno 1620 den 2ten Julii eingewilligte sechsjährige Schatzung noch auf vier Jahre, von abgewichenem Januario zu rechnen, laufenden Jahrs continuirt, also dieselbe auch wie im Jahre 1610, auf eine zehnjährige Schatzung gestelt, und dahero von einem voll Erbe neun Reichsthaler I), von den halben, item Kotten und Brinksitzers nach Advenant gefordert, und von den dreyen Städten jahrlichs hundert Reichsthaler auf vorige Terminen erlegt werden sollen.” Im Jahre 1632 am 25 Junii wohnten zu Gildehaus Beveren, Etzbach, Laar, Pastor in Witmarschen, Frater Herman wegen Frenswegen und zweyer Städte Northorn und Neuenhaus Bürgermeister dem Landtage bey. Herr Cantzler Pagenstecher NOMINE GENEEROSI proponirt: u. s. w. Henrich Müntz führte für die Landesstände das Wort, begehrte: die Richter mögten die Schatzungs-Rechnungen richtig machen, klagte über die Drangsale des Krieges u. d. m. Der Kanzler wollte die alten Landesschulden von Türken und Fräulein Steuern gerne abgetragen haben. Endlich wurde nach vielem hin und her Delibriren, wobey die Stände abtraten, und Henrich Müntz zwischen dem Kanzler und den Ständen ging, beliebet, daß die drey Zalungs-Termi-
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I) Holländisch.
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ne noch in dem laufenden Jahre 1632 bestimmet würden, wie der Hof verlangte, die Stände aber noch gerne ins folgende Jahr verzögert hätten, jedoch mit dem Bedinge, daß das Kriegswesen ein wenig cessiren würde. Cantzler Pagenstecher thut wegen Ihrer Gräflichen Gnaden Dankssagung.
Auf dem 1633 den 18/8 Februar aufm gräflichen Schloße Bentheim gehaltenen Landtage trug Herr Kantzler Pagenstecher von wegen hochwohlgebohren Gräflichen Gnaden den versamleten Ständen und interessirten Gutsherrn vor: „Welchergestallt die Grafschaft Bentheim von Anfang dieses leidigen annoch währenden Kriegs-Wesens I) bisher noch zu starke Einquartirungen, Lauf- und
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I) So viel den Spanisch Niederländischen Rrieg betrift, so fiel die sogenannte Hardenberger Schlacht 1580 auf dem Stahlbrink an der Grenze der Nledergrafschaft Bentheim, zwischen den Spaniern unter Schenk, und den Staatischen unter Hohenlo, zum Nachteile der Letztern vor. Der Spanische Oberste De la Vega lag 1591 mit dreytausend Mann Infanterie und achthundert Cavallerie am 23 August zu Uelsen, am folgenden Tage zu Emblicheim.
Verdugo nahm 1593 die Schanze zu Vennebrügge ein und schlug im October des nämlichen Jahres sein Lager zu Escherbrügge auf, wo er jenen Damm zur Einschließung von Coeverden anlegen ließ, der
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Musterplätze ausgestanden, bevoran [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: bevorab] in dem verwichenen 1632 Jahre, da die Grafsch. Bentheim und Tecklenburg mit samt dem Städtlein Steinfurt drey Kaiserliche Regimenter, als das Leutersamsche, Wartenburgische und Ohrische verpflegen müßen, nachgehends auch gemeldte Grafschaften und Stadt neben der Marschalkschen Compagnie zu Fus, und Simmerschen zu Pferde, mit dem Westerholtischen Regiment belegt worden, wodurch, da die Contributionen nicht so bald erhoben werden können, Ihre Gräfl. Gnaden SALVO CALCULO über die zwey und dreißig tausend Reichsthaler zur Rettung des Landes auf Ihre Tafelgüter aufnehmen müßen u. s. w.” Die an-
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noch der Spanische Teich oder Damm genant wird. PICARDT DRENTISCHE CHRONYK. Seiten 341. 350. 358.
Graf Ernst Casimir von Nassau ließ durch den Obersten Caspar von Eusum zu Nyenoort Drost von Drente und Coeverden 1626, nachdem dieser Graf von Nassau im Julio desselbigen Jahres Oldenzel erobert hatte, die Spanische Garnison unter KETTELER aus LAGE IN DER GRAFSCHAFT BENTHEIM, woraus die Spanier viele Excursionen in die benachbarten Niederländischen Provinzen machten, vertreiben, und das Haus Lage durch einige in dessen Kellern gelegte Pulver Tonnen in die Luft springen. IBIDEM S. 374.
Der Prediger Picardt zu Koeverden unweit Lage schrieb seine Drentische Chronyk 1659.
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wesenden Stände Städte und interessirten Gutsherrn erklärten sich bereit, Ihrer Gräflichen Gnaden, wie billig, gemeldte Beschwerniße aus dem Lande abzunehmen, Ihre G. G. mögten aber die Gnade und Anordnung thun, daß die Richter und Vögte als Urheber der Contributionen zu richtigen Rechnungen und Liqnidation angehalten werden mögten. Worauf beschloßen wurde, daß die Richter und Vögte ihre Contributions Rechnungen innerhalb einem Monat der Gräflichen Kanzlei einsenden sollten, die demnächst innerhalb dreyer Wochen den Ständen communizirt, und zu deren Abhörung alsdann Commissarien ernant werden sollten. Wie dann immittels die Contributiones auf dero Beamten Verordnung ohne Hinderung in ihrem Gang zu halten, jedoch unter dem Bedinge, daß obige Rechnungen abgeleget würden.
Dann wurde noch verordnet, daß, weil bey dem Ohrischen Aufbruch die Hausleute, welche die Ohrische Bagage geführet, assecurirt, da ferne Wagen und Pferde Einem oder Andern ausbleiben würden, daß solcher Schade als eine gemeine Landssache aus dem Lande gut gemacht und entrichtet werden sollte, wie dann solcher Kosten halber durch das ganze Land proportionabele Aussetzung zu machen. Weil auch die Schwedischen sich annoch in der Grafschaft defändn [sic!], so sollte kein einzelnes Gericht, sondern
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das ganze Land den Schaden davon tragen. Diesem Landtage hatten beigewohnet von wegen Ihr Gr. G. Hofmeister Stampa, Doctor Pagenstecher, Doctor Münnich und der Landschreiber Arnold Müntz. Wegen der Landschaft Over-Isel Herr Rentmeister Baack und Herr Commissarius von Renßen, wegen Herrn Ketler I) der Vogt Baltasar Hagebale, Junker Reede zu Brandlechte, wegen des Klosters zum Vrendeswegen Dr. Hermannus Raimundi, wegen Witmerschen der Amtman Plechelm Nyters, wegen Herrn Cumpkhers [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Cumpthers] zu Ohtmerscheim Hinderich Saur, Monsieur Rudolf Dodo von Laer, wegen Junker Rudolf von Münster Licentiat Neuhof, wegen der Stadt Schuttorf Bertelinck und Bodenkamp.
Anf [sic!] dem Landtage 1633 3/13 Julio aufm Schloße Bentheim, wozu die Stände und Städte am 2/12 berufen waren, der also der zweite Landtag dieses Jahres war, wurde Namens des Landesherrn über die durch den Krieg entstandenen Schulden der Domänen geklaget, und auch noch proponirt: daß 1631 April 28 aufm Landtage zu Nordhorn Ihrer Gräfl. Gnaden Frau Schwester Frau Magdalena gebohrnen Gräfin zu Bentheim, Gräfin zu Styrum, zu Ablegung Ihrer Gr. G. Aussteuer, Heuraths und Parapher-
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I) Bewohnte den ehemals Voets, jetzt Canzlers oder Dreeshof in Bentheim.
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nal Gelder nur sechs tausend Reichsthaler eingewilliget wären, womit doch Dieselbe und Dero Eheherr sich nicht begnügen laßen wollten, sich auf des
Herrn Vaters Testament berufend I) — so ist zwischen Ihrer Gr. Gnaden und Dero anwesenden Landständen endlich verglichen und beschloßen, daß zuvörderst zu richtiger Haltung der Pensionen der alten Landschulden annoch eines Jahres Schatzung aus dem Lande beigebracht werden sollen, die in dreyen Terminen, als nämlich vierzehn Tage nach Jacobi, demnächst auf künftigen Martini und endlich auf Weyhnachten, alle mal von einem jeden vollen Erbe drey Reichsthaler, von halben Erben und Kotten nach Advenant zu bezalen, wie dann auch die Städte auf jedem Termine ihre Quotam, als sie auf vorher gehendem Landtage sich erkläret, beyzuschaffen sich erboten. Die Ihrer Gr. G. Grafen von Styrum mit Dero Gemalin versprochene Aussteuer Heuraths und Paraphernal Gelder sollten des noch fortwährenden Kriegs Wesens halber aufm Lande aufgenommen werden. Wie dann ferner zwischen Ihrer Gr. G. und den an-
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I) Da abgehende Söhne und Töchter dadurch dem Lande ein Opfer bringen, daß die Domänengüter unverteilt bleiben, so ist eine Vergütung dafür nach Kräften des Landes billig, weil jeder Beamter für sein Amt eine Versorgung für sich und seine Familie prätendiren kann.
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wesenden Ständen ausdrücklich verabschiedet, wann künftig von Drost und Beamten in Contribution Sachen einem jeden Richter seine Quota assignirt worden, daß alsdann die Anssetzung [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Aussetzung] von ihnen mit Zuziehung der nächst geseßenen Ständen, wann dieselben bey der Hand, und sie deren unverzüglich ermächtiget werden können, geschehe I). Endlich weil die Lüneburgische und Hessische Contribution gar stark gefordert würde, und dann jetzo zu befahren, es mögte wider die Grafschaft wohl eine ganz gefährliche Execution vorgenommen werden, so ist zwischen hochwohlgeborne Ihre Gräfliche Gnaden und den Ständen verabschiedet, daß durch das ganze Land innerhalb vierzehn Tagen eine fernere Schatzung beigebracht werden solle. Unterschrieben und besiegelt von Arnold Jost Gr. zu Bentheim. Johann von Bevern. Johann Albrecht von Rheda. [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Rhede] Arnold von Laer. G. Steghman Prior. Gerard Schröders Pastor aus Namen meiner gnäd. Frau Abba in Wittmarßen. Dieser copeiliche Receß ist durch den Kaiserlichen Notar Wilhelm Duesberg vidimirt.
Auf dem Landtage 1635 klagte der Landesherr über die durch den Krieg entstandenen Do-
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I) Dergleichen Gegenstände wurden hernach in den Concordaten unterm nachfolgenden Orafen [sic!] Ernst Wilhelm noch näher bestimmet.
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mänen-Schulden und versprach, daß die Landes-Rechnung nach des Kanzlers Pagenstecher Zurückkunft vorgenommen und abgehöret werden sollte. Dann concludirten neben Ihrer Gr. Gnaden alle anwesende Stände und Städte, daß zur Bezalung der Pensioneu [sic!] und anderer Posten, als Drost Heiden, Dr. Münnich, auch Monsieur Rhede, Beveren, von den Busch und Andere dergleichen eine gemeine Viehschatzung, so doch dieser Zeit für einm alverstanden [verbessert im Druckfehlerverzeichnis in: einmal verstanden] werde, ohnverzüglich beschrieben, von dem bestallten Receptore eingenommen werden solle. Es soll aber der Anschlag folgender Gestalt geschehen: ein Pferd ad 15 stbr., ein Ochse ad 12 stbr., eine Kuh ad 12 stbr., ein güst Rind oder Sterke ad 6 stbr., ein Schwein ad 1 stbr., ein Schaaf ad 1 stbr., eine Imme (Biene) ad 2 stbr. Wenn dasselbe von den Richtern, Vögten, mit Zuziehung eines der nächst geseßenen Ständen oder Gutsherrn beschrieben, alsdann soll die Bezalung in zweyen Terminen ausgerichtet werden, und von dem Receptore, der Ihrer Gnaden und den Ständen beeidet seyn soll, mit beiderseits Vorwißen angewendet werden I). Die Klagen der verschiedenen
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I) Heute zu Tage wird auf den jährlichen Landtagen die Landes-Rechnung zuerst vorgenommen; die Anschreibung geschieht nach dem Landtage in jedem Gerichte vor dem Landesherrlichen Commissar und vor zweyen jährlichen Deputirten
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schiedenen Gerichte, daß kein gehöriges Verhältnis zwischen ihren Kräften und Lasten betrachtet würde, wurden damit gestillet, daß beeidete Personen ernannt werden sollten, welche sich auf Ländereyen verstünden, die alle Ländereyen im ganzen Lande messen und von ihrer Größe und Beschaffenheit, auch der neuen Zuschläge Ihrer Gräflichen Gnaden und den Ständen schriftliche Verzeichnisse einliefern sollten. Der baufällige Zustand des Gerichts Uelsen wurde besonders von den Abgeordneten der Provinz Overissul dringend vorgestellt, und dadurch verbessert, daß dieses Gericht, welches dem Gerichte Schuthorff gleich bisher zu hundert Reichsthaler, neun und zwanzig bezahlt hätte, bis daran die Ländereyen besichtiget seyn würden, nur fünf und zwanzig entrichten, die übrigen Gerichte aber diesen Abgang ersetzen sollten.
Ferner hieß es: Als auch von Einigen der Stände dafür gehalten worden, daß die Contribution des Bezirkes Withmärscheu [sic!] als zum Gerichte Northorn gehörig, demselben zu gute kommen solle, andere aber dafür halten, daß gemelter Bezirk a part anzuschlagen, so ist der Schluß gefallen, daß bis an die künftige Besichtigung der
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Ständen, iu [sic!] Gegenwart des Richters und Empfängers in jedem Gerichte, wobey die freyen und nicht freyen Personen, die Feuerstätten und der Viehbestand angeschrieben wurden. [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: werden]
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Ländereyen die Schatzregister nachgesehen, und da ferne Northorn noch die gewönliche Proportion graviert, selbigem Gericht aus Witmarschen beygesteurt werde. Weil dann auch für billig geachtet worden, weil einige wüste Haus Loßerben dem Kirchspiele Gildehaus und anderen Gerichten abgehen, daß dieselbige ihnen wieder beygelegt, so lange aber solches nicht zu Werk zu richten, der Abgang vom ganzen Lande getragen werde. Endlich haben Ihre Gräfliche Gnaden für gut angesehen, sintemahl Ihrer Gr. G. Beampten die Landsgeschäfte zu schwehr fallen, daß demnach auf des Landes Kosten eine qualificierte Person, die in Beschickungen und andern Landssachen sich gebrauchen lasse, bestelt werde. Es wollten aber Ihre Gr. G. sich alle Disposition in ihrem Lande, wie die einer Landsobrigkeit obliegt und breuchlich, jedoch ohne der Stände Nachtheil, vorbehalten haben. Alles ohne Geferde. Urkundlich seyn dieser Recessen zwey gleich lautende aufgericht und von Hochwohlgeb. Gr. G. samt den anwesenden Ständen und der Stätte Abgeordneten unterschrieben und versiegelt worden. Geben Gildehauß am 3. December Ao. 1635. Arnoldt Jost G. zu Bentheimb. Joan von Raesfelt von wegen der Heren Staten von Over-Jssel ende vor my particulier. *] Johan (von) Mulert von wegen
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*) Wegen des Gerichts oder der Unterherrlichkeit Lage, worin das Oberysselische
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der Heren Staten alß vorschreven. Johan van Beveren. Johan Albrecht von Reede. G Steghman Prior. Flechelm Nystar Amptman int Witmärschen. Gerdt Keyser. Tönis Eschedael. Anfm [sic!] Rücken dieses Landtags-Recesses steht: Zu Coverden gehaltenen Landtag im Jaer duesend ses hundert dertich ses. Den 3. Feb.
Auf dem zu Nordhorn 1638 den 19/29 Mai gehaltenen Landtage wurde zur Befreyung der Herrschaftlichen Kammergüter von den fürs Land übernommenen Krieges-Schulden verordnet, daß die Viehschatzung noch fortdauern, auch ein gewöhnlicher Schatzungstermin zwischen jetzt u. künftigen Jacobi gehoben u. dem Landschrbr. I) geliefert werden sollte. Der. Hr. Prior zu Frendeßweg wurde den zur Abhörung der General und special Landes-Rechnungen zu anderer Landes-Arbeit ernanten Commissarien von den Herrn Ständen beigefüget. Zwo Perso-
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Landrecht noch gilt, zum Beweise, daß Lage niemals ein für sich bestehendes souveränes Gebiet gewesen, soudern [sic!] mit dem Verfalle des Hochstiftes Uetrecht unter Bentheimische Hoheit kam. Sieh Ersten Theil dieser Geschichte.
I) Nachher Landes-Syndicus, bis zwey Syndicken, ein Reformirter und ein Catholischer ernant wurden. Aber den Empfang der Landes-Mittel bekamen die Empfänger der Gerichte, und durch diese der General-Landes-Empfänger.
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nen aus den Ständen sollten mit den Herrschaftlichen oder [lt. Druckfehlerverzeichnis entfällt hier das Wort “oder”] Commissarien in allen Gerichten die Schatzregisier visitiren, und nach Proportion des Vermögens der Unterthanen einrichten, bis bessere Mittel gefunden seyn würden. Deu [sic!] Anschreibungen oder Aussetzungen der Schatzungen in jedem Gerichte durch die Richter und Vögte sollte eine redliche Person an jedem Orte beywohnen, welche auch der Gräflichen Kanzley monatlich berichten sollte, wie die Contribution bezalet wäre. Andere vorfallende Landesgeschafte sollten mit Zuziehung der von den Ständen ernanten Bevolmächtigten expedirt werden, die auf eine qualifizierte Person, so sich in Verschickungen gebrauchen lasse, bedacht seyn wollten. Sollte aber Einer oder Anderer der Stände den Zustand der Contribution wissen wollen, so sollte jeder Richter und Vogt ihm denselben offenbaren. Da auch vor diesem einige Stände dem jungen Herrn Grafen Ernst Wilhelm, *) auf Genehmigung der Uebrigen, zu seiner Reise in die Fremde zweytausend Reichsthaler bewilliget hätten, so wurde dieses von den Uebrigen genehmiget. “Wie dann Herr Drost Raes-
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*) Als Erbgrafen, der sich Regenten-Kentnisse erwerben sollte, wie Er dann zu Paris studierte. Sein jüngerer und einziger Bruder Philip Conrad bekam aus Gunst Steinfurt.
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felt, welcher so viel dessen Particulier *) belanget, gutwillig consentirt, neben Herr Niclaus von Beverforde, als Over-Isulsche Abgeordnete nicht zweifeln, daß deswegen in Namen Ihrer Priucipalen [sic!] vorderlichst favorabele Resolution einkommen solle.” Diesem Landtags-Recesse wurde im Memoriale [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: ein Memoriale] wegen Ihrer Gräflichen Gnaden „uffm Landtag zu Northorn übergeben” in dreyzehn Artikeln beygefüget. Der erste und zweyte Artikel enthalten Klagen über die Schulden der Kammergüter, welche für die Landes-Schulden des Krieges verbunden waren, und einen Vorschlag zur Tilgung dieser Schulden, Etwas auf des Gemahl [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: das Gemahl] oder andere Mitteln zu setzen. Die Stände bewilligten dazu ein Drittel der Schatzung. Die übrigen Artikeln dieser Art von Landtags-Propositionen erledigen sich aus den vorigen und nachherigen Landtags-Recessen und aus den Concordaten. Nur heißt es, Art. 12: Als auch der mehrere Theil der Landstände sich resolviret, daß dem jungen Herrn Grafen Ernst Wilhelm zu Ihr Gräflichen Gnaden Reise aus dem Lande zwey tausend Reichsthaler zu Beysteuer verehret werden sollen, so zweifelt man nicht, solches werden sie nunmehr alle dem jungen Herrn zu Ehre und Gefallen ohne weitere Contradiction gerne gunnen. AD 12: Was der Landschaft von Over^-Issull anbelanget, refe-
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*] Die Unterherrlichkeit, oder das Gericht Lage.
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riren sich die Committirten uf ihre Principalen, zweifeln nicht, sie werden ein favorabel Bescheid bekommen. Belangend Herrn Drosten Raesfelt wegen seine alinge (gesamte) Erbgüter I) hat hierin gntwillig [sic!] consentiret. 13. Was Bürgermeisters Kannegießer, welcher vor und nach dem Lande viel Dienste geleistet, Suchen, solches haben die anwesende Landsstände aus dessen eingeschicktem Schreiben zu ersehen. AD 13. Man soll uff Mitteln gedenken zum Recompens seiner gethaner Diensten und Mühe mit ein Stück Geldes aus dem ganzen Lande zu recompensiren, u. nicht mit einige Zuschläge 2). Der Landtags Schluß lautet: Soll hochnötig seyn, daß Jemand der Ständen gecommittirt wird, um die Continuatie der Rechnung beizuwohnen, welcher Macht haben wird, aus die gereiteste Mitteln, davon die gemelte Commissarien den Empfang sollen haben, die Unkosten und Belehnungen zur selbig Rechnung zu verrichten. Belangend die Zuschläge referiren sich die sämtlichen Landesstände uff die vorige Recessen. Die Richtere oder Einhebere der Contribution vermöge verschiedene Recessen sollen keine Aussetzunge machen ehe und bevor solches dem nächsten Gutsherrn vorgebracht und in ihrer Presenzie die Verteilung geschehe; sollen alle die Bauerschaften wegen die eingelie-
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I) Lage.
2) Aus den gemeinen Gründen.
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ferte Pfenninge gepürliche Quitung geben. Die Landtags verzehrte Unkosten sollen von die Landständen upgenommen werden, und solches allen Gerichten verteilet werden. Belangend die Rheinische Forderung uff Schuttorf und Northorn wegen die Pallisade uud [sic!] Arbeits-Leute ist pillich, daß solches über alle Gerichte vertheilet werde. Die semptlich anwesende Landtstende wollen geensintz gestatten, daß die Richtere so viel Panders uff gemeine Unkosten und ungepürliche Pfand sollen unterhalten und solche Pfandt den Taxt zugeleget. Daß in Abhauung der Hölzer die gemeinen interessierte Gutsherrn nit abgewiesen werden, sondern ihr Mark Privilegium wie pillich sollen behalten, und in Confiscation der gestolenen Hölzer mit geteilet werden mögen. Daß die erwelete Receptores ihren Eld von Treuheit vor Ihr Gr. Gnaden und Landtstände sollen prestiren, viel mehr vor ihrem Entfangst gepürliche und sufficiente Caution stellen sullen.
§. 11.
Graf Arnold Jobst von Bentheim und Steinfurt starb im fünften Jahre nach diesem Landtage, nämlich 1643, und hatte seinen ältern Sohn Ernst Wilhelm zum Nachfolger in der Grafsch. Bentheim, und seinen jüngern Sohn Philip Conrad vermälet mit der Gräfin Anna Elisabeth Wilhelmine von Teklenburg, in der Grafschaft
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Steinfurt. Der Graf Ernst Wilhelm von Bentheim vermälete sich mit einem Geldrischen Fräulein Gertrud von Zelst, und ließ sich damit durch den Hofprediger Nicolaus Grimmelius, in der Schloßkirche, am 21ten August 166l, in Gegenwart seiner Schwester der Gräfin Anna Amelia nachherige Gräfin von Effern, und des Hofmeisters von Wolf copuliren, wie aus den Zeugnißen dieses Bentheimischen Hofpredigers und dieser Gräfin erhellet. Zu Folge des Bentheimischen Kirchenbuchs wurden aus dieser Ehe sechs Söhne geboren; Ernest nach seinem Vater, Christoph Wilhelm so bald starb und in der Gräflichen Gruft zu Bentheim begraben wurde, Christoph Bernard nach dem Münsterischen Fürstbischofe Christoph Bernard von Galen I) genant, Arnold Jobst, der den Namen seines Großvaters bekam, den ihm seine Gevattern, die Bentheimischen Herrn Landes-Stände und die drey Städte der Grafschaft Bentheim gegeben hatten, Wolfgang Wilhelm, dessen Gevattern die Staaten von Oberyssel waren, und Statius Philip, der die General-Staaten zu Gevattern bekam. Diese Kinder waren 166l den 18 November, 1663 Nov. 22, 1665 Febr. 26, 1666 Apr. 1, 1667 Aug. 21, 1668 Aug. 27 geboren.
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I) Der der Taufhandlung durch den Drost von Twickelo zu Rheine und Bevergerne beywohnte.
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So viel die Familie dieser Gräfin von Bentheim betrift, so war ihr Vater Ritter Hartger von Zelst Herr zu Zellern, eine bekannte Hovesate in der vormaligen Grafsch. Zütphen, Landrichter zu Zellen, und ihr Bruder Dieterich von Zelst Landrichter zu Hummelen und Stendern, ihre Vorfahren hatten vor Alters die Regierung der Stadt Dötingheim bekleidet, wie der Drost der Grafsch. Zütphen, als Chef der Zütphanischen Ritterschaft, W. Freyherr von Hekern 1687 bezeugte, und sein Vater, der auch Landdrost von Zütphen gewesen war, 1664 auf Verlangen des Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim bezeuget hatte I). Gerhard von Hekeren zwar nur ein
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I) Die Regierung zu Dötinchem, eine in älteren Zeit mehr bedeutende Siadt [sic!], bezeugte 1687 den ersten März, daß Hartger von Zelst, Vater der Gräfin von Bentheim, Rath und Rentmeister der Stadt Dötincheim [sic!], Richter zu Fellern und Wachtmeister der Grafschaft Zütphen, auch Landschreiber der Banderherrlichkeiten Baar u. Lathum gewesen wäre, daß die Familie von Zelst von alten Zeiten her Bedienungen bekleidet hätte, so wäre unter andern Gerhard von Zelst 1435 Bürgermeister und Rathsherr gewesen, Peter von Zelst 1494, wieder 1579 ein Peter von Zelst, 1583 Dieterich von Zelst, 1674 Gerhard von Zelst, Bruder des Hartger von Zelst, des Vaters der Gräfin von Bentheim. Bey AITZEMA SAAKEN VAN STAAT EN OORLOG. TWEEDE STÜCK. 23
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Pfarrer zu Haxbergen, aber immer von der in der Geldrischen Geschichte so berühmten Hekerischen Familie, und ein großer Kenner der Alterthümer seines Landes, bezeugte 1688, daß ihm aus den Urkunden der Archiven der Kirchen, Klöster, Gottes und Rathhäuser zu Dötingheim, Zütphen, Duisburg, Zelhelm, Hummel, der Baronie Baar und Latum, Steendern, des uralten Stiftes zu Betlehem und anderer Orte dieser Landschaft, bekannt wäre, daß die Familie von Zelst seit dem Jahre 1300 die ansehnlichsten Männer in Kirchen und Staats-Aemtern hervorgebracht hätte; das uralte nun zerstörete Stift Betlehem oder Belheim wäre von dieser Familie durch Güter großen Theiles gestiftet, welche noch den Zelstischen Namen führten, wovon auch einige Trümmern der Belheimischen Grab und Kirchensteine zeugeten; in der großen Kirche zu Dötingheim wäre noch ein großer Platz zu Begräb-
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23 BOEKK. P. 91. 92., wo dieser berühmte Geschichtschreiber diese Affäre von Folio ein bis hundert und ein, unter der Rubrik: VERSCHILLEN (Steitigkeiten) [sic!] VAN DE HEEREN GRAVEN VAN BENTHEM NESTENS DESSELFS BYLAGEN abhandelt, auch Seite 92 die vier Ahnen dieser Gräfin von Bentheim, Zelst, Terink, Holte und Lamsink nebst sonstigen Staats-Acten abgetrucket hat.
In der großen holländischen Enciclopedie unterm Buchstaben B bey Bentheim wird die ritterliche Herkunft der Familie von Zelst angeführet.
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nißen der Familie von Zelst; in den Kirchen und Privat Häuser Gläsern wären noch kaum leserliche Inschriften mit den Zelstischen und damit verwandten Familien Wappen, als derer von Holte, von Staverden und deren mehr; am Stundenweiser des Thurmes zu Dötingheim stünde: Hartger von Zelst Richter und Rentmeister 1644, eine Klocke zu Hummel und zu Zelheim hätten die Umschriften: “Hartger von Zelst Richter.” So viel die beiderseits mütterlichen Vorfahren dieser Gräfin von Bentheim belangt, bezeugte derselbe, daß ein Major Terink Spanischer Commendant der Festung Grol gewesen; zu Dötingheim in Reechs Hause auf der Dusburger Straße hätte 1618 in einem Glase ein Spanischer Ofsizier mit der Inschrift: “Gerhard Terink” gestanden; vor dem Thore dieser Straße stünde: “Johann Terink Rentmeister und Gemeins Mann” I); der Prinz von Oranien hätte 1674 einen andern Johann Terink zum Regenten der Stadt Dötingheim 2) ernannt; die Verwantschaft der Familie Terink mit den Ge-
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I) Rathsherr der Stadt.
2) Die ersten Stellen in den Geldrischen Städten bekamen edele Geschlechter, wie die Drostämter durchgehends nebst den Land-Richter Aemtern in Geldern und Oberyssel bis auf neuere Zeiten.
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schlechtern Ham I) und Lansink wäre ihm aus Ehepacten, Familien Theilungen und andern Urkunden, aus Grabschriften u. s. w. zu Zütphen, Lohne, Groll u. d. m. bekant. Die vier Wappen: Zelst, Terink, Holte, Lansink wurden im Kaiserlichen Grafen Diplome dieser Gräfin von Bentheim, zu gräflichen Wappen erhoben, wovon hernach. Von der Verwantschaft der Familien von Staverden und von Holte mit der von Zelst scheinet eine aufm Hause Bögelskamp befindliche, nicht ganz mehr leserliche Familien Theilung unter die Brüder und die Schwestern von Staverden ihrer meist in und bey Dötingheim gelegenen Güter vom zweiten Jänner 1671 zu zeugen. Wilhelm Jacob von Staverden 2) Sohn Jacobs von Staverden und der Gertrud v. Holle theilet darin mit seinen Schwestern unter Andern: den großen und kleinen Zehnten zu Raeffeler in der Herrlichkeit Gendringen und Etten (des Grafen von Berg) lehnrührig vom Gräflichen Hause Bentheim; auch eine Rentverschreibnng [sic!] von sehszehnhundert [sic!] Gülden holländisch aus dem Gute Felzbergen [lt. Druckfehlerverzeichnis fehlt hier: des Doctors Gerhard von Zelst], welche sie mit ihren Verwanten Junker Zweten oder Zwieten und Hrn.
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I) Die Familie von Ham war ehemals in Ootmarssen auch bekant, mit Bentink zu Breckelkamp und Andern verwant.
2) Vater der Gerhardina von Staverden, der Frau Alexanders von Raet meines Großvaters und meiner Großmutter
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von Keppel in Gemeinschaft besäßen. Jener Doctor Gerhard von Zelst war übrigens Rath des Grafen von Berg oder des Herrenberg, ‘SHeerenberg. So ohne Beyspiel zufälliger Weise eine solche Ehe in den Häusern Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg auch bisher gewesen war, da sich diese durch ihre glänzende Allianzen bisher gegen unzälige andere Häuser ausgezeichnet hatten, worin dergleichen Ehe [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Ehen] im ganzen Mittelalter sehr häufig geschloßen waren, so wenig konnte sie doch die mindeste nachtheilige Folge haben. Seit 1643 oder des Absterbens ihres Vaters des Grafen Arnold Jobst von Bentheim und Steinfurt, bis 1661 oder der Vermälung dessen erstgebohrnen Sohnes Ernst Wilhelms, mithin schon achtzehn Jahre besaß dieser Bentheim, und sein jüngerer Bruder Philip Conrad Steinfurt, da ihr Vater auch diese Grafsch. der Primogenitur hätte unterwerfen können. Denn jene mehr erwähnte Bentheim-Steinfurtische Erbvereinigung vom Jahre 1487 redete nur von jenem Falle, wenn in jeder Grafsch. ein Mannsstamm vorhanden seyn würde, wie damals eben statt hatte; aber schon mit dem Bentheimischen Everwin II. war der Bentheimische Stamm erloschen, und beiden Grafschaften verfielen auf Everwins des Zweiten von Steinfurt, der mit seinem Namens Verwandten und Vaters Bruders Sohne von Bentheim diesen Familien-Vertrag geschloßen hatte, nachgelaßenen Sohn Arnold dem Zwei-
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ten von Steinfurt und den Ersten von Bentheim. Dessen Sohn Everwin 3. erheuratete erst mit einer Erbtochter Teklenburg, so daß dieses Haus zu spät ins Bentheim Steinfurtische kam, um wider diese Ehe Etwas einwenden zu können, die auch durch kein Familien Gesetz verboten war, maßen die Bentheimisch Steinfurtische Erbvereinigung nicht das mindeste über die Ehen der Herrn verordnet hatte, aber von den Erb-Töchtern hingegen verlangte, daß sie sich an ihres Gleichen oder mehreren Standes verehelichen sollten. Kein Reichs-Gesetz hatte auch bisher Etwas über die Ehen großer Häuser verfüget, da es erst im folgenden achtzehnten Jahrhundert 1742, in der Kaiserlichen Wahl-Capitulation I) hieß: “Noch auch denen aus unstreitig notorischer Mißheyrath erzeugten Kindern eines Standes des Reichs oder aus solchem Hause entsproßenen Herren, zu Verkleinerung des Hauses, die väterliche Titel Ehren, und Würden beylegen, vielweger dieselben zum Nachtheil deren wahren Erbfolger, und ohne deren besondern Einwilligung, vor ebenbürtig und successionsfähig erklären, auch wo dergleichen vorhin bereits geschehen, solches für nul und nichtig ansehen und achten.” Was nun unstreitig notorische Mißheyraten wären, verlangten bekantlich die Churfürsten auch nach dieser Wahl-Capitulation näher bestimmet zu haben,
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I) Art. 22. §. 4.
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welches bis auf den heutigen Tag noch nicht geschehen ist.
Der Graf von Steinfurt konnte also vor der Existenz jener unbestimten Verordnung der Kaiserlichen Wahl-Capitulation, wider diese Ehe des Grafen von Bentheim seines Bruders, im siebzehnten Jahrhundert Nichts mit Rechts-Bestand einwenden. Seines Rathgeber bestritten solche anfänglich daher aus andern Gründen, daß sein Bruder discursweise ihm versprochen haben sollte, nur zur linken Hand heuraten zu wollen, daß nach seinem Absterben Bentheim an Steinfurt verfallen sollte, welches Alles der Graf von Bentheim öffentlich vor seiner Gemalin, und den Landesständen notarialiter läugnete. Von seiner Liebe zu seiner Gemalin, die Er durchaus als eine regierende Gräfin behandelte und von Andern behandelt wißen wollte, zeuget eine außerordentliche Menge der zärtlichsten und beruhigendesten Briefe. Er schenkte ihr unter andern Präsenten an Schmuck und dergleichen bey jeder passenden Gelegenheit, den 25 Jänner 1665 den Schulzenhof zu Drivorn, den Er von den Erben Hetters gekaufet hatte, samt den daran klebenden Renten unter Gräflichem Handzeichen und Siegel, auf eben diese Art 1668 den 20 Febr. die Ihm von seiner Frau Mutter seeligen Liebden [sic!] angeerbten Erben Eilering, Wissink und die Rente aus dem Funkenkamp, so wie wailand seine
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Mutter solche beseßen hätte. In verschiedenen seiner überaus vielen Briefen an seine Gemalin leuchtet auch sehr große Liebe und Sorgfalt für die Gesundheit und Wohlfahrt seiner Kinder hervor. Da Mangel an einem festen Character aber der Hauptfehler ihres Gemales war, so suchte die Gräfin von Bentheim für sich und ihre Kinder, wider die Absichten ihres Schwagers, des Grafen von Steinfurt, Schutz bey dem benachbarten welt berühmten Münsterischen Fürstbischofe Christoph Bernard von Galen, zwar anfanglich durch die Geistlichen des Gotteshauses Frenswegen; sie schrieb aber auch bald mehrmalen eigenhändig diesem Fürsten, und erhielt von Ihm die geziemendesten Antworten. Bis endlich gedachter Fürst durch ein von Ihm besiegeltes und unterschriebenes Patent vom Dato Münster den 7 December 1663 “Die Frau Gertrud des Hochwohlgebohrnen Herrn Ernst Wilhelm Grafen zu Bentheim und Tecklenburg etc. Ehegemahl und derselben jetzt bereits gebohrnen Sohn, und ferners aus diesem Ehestand erzielende Kinder, samt denselben zu und aufallenden [sic!] Gütern, auch Graf und Herrschaften, sonderlich so viel deren in diesem Kreis gelegen, in seinen Schutz und Schirm nahm, also und dergestallt, dafern mehr ermeldter Frauen und mitbeschriebenem Herrn Sohne und Kindern über kurz oder lang an Ihrem Stande, Person oder Gütern etwas Unbilliges zugefüget oder zugeteilet
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werden solle, daß Er Solches — - gnädigst abkehren und den oben bedeuteten Schutz und Schirm bester Gestalt erzeigen und wiederfahren laßen wollte.”
§. 12.
Der Graf Ernst Wilhelm zu Bentheim errichtete 1665 aufm Gräflichen Schloße den 6ten Mai unterm Gräflichen Siegel und unter seines Namens Unterschrift, zum Besten seiner jetzigen und zukünftigen Kinder, ein so genanntes Constitutum Possessorium, räumte ihnen daher aus den Grundsätzen, daß Kinder nicht nur als Solche, Erben, sondern auch gewißermaaßen Mitherrn der Güter mit den Vätern wären, schon bei seinem Leben den Mitbesitz seiner Graf- und Herrschaften und Güter ein, wovon Er sich nur die Administration als natürlicher Vormund seiner Kinder, wozu Er nach seinem etwaigen Absterben seine Gemalin als natürliche und gesetzliche Vormünderin ihrer Kinder, mit dem jetzigen Fürstbischofe zu Münster und seinen Nachfolgern, ernante, zeit seines Lebens vorbehielt. Und das Alles, um seinem Bruder, dem Grafen Philip Conrad zu Steinfurt zu zeigen, daß Er sich mit der Edelen und Tugendsamen Frau Gertrud von Zelst vor diesem ehelig, und im Angesichte der Kirche, ohne einige Bedingniß oder Condition oder Ausnahme, zumalen aber nicht AD MORGANATICAM ver-
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mälet Habe, und daß Er seinem Bruder Nichts der Succession halber versprochen hatte. Hierüber wurde so fort ein Notariat Instrument in Gegenwart des Frenswegischen Geistlichen und Procurators Adrian von Laer, des Licentiaten Volbier und des Münsterischen Secretärs Ludgers errichtet, und so mit dem Fürstlich Münsterischen Schutzpatente an den Kaiser zur Bestätigung gesandt.
§ 13.
Der Kaiser Leopold setzte dem Allem im Angesichte des Teutschen Reichs und der ganzen unparteiischen Welt die Krone dadurch auf, daß Er die Gräfin von Bentheim in einem Diplome de dato Wien den 23 Jänner 1666 zur gebohrnen Reichs-Gräfin erhob. Der Graf von Bentheim meldete in seiner desfals an den Kaiser gelaßenen Bitschrift, nachdem Er der edelen Vorfahren der Gertrud von Zelst erwähnt hatte, daß sie sich von Jugend auf aller Ehren und Tugenden beflißen, weswegen Er sie liebgewonnen und zu seiner Gemalin erwälet hätte. So heißt es auch zu Eingange des Kaiserlichen Diploms, daß der Graf Ernst Wilhelm zu Bentheim u. s. w. vor etlichen Jahren sich mit Hartgers von Zelst, Richters zu Zellen, ehelichen Tochter Gertruden von Zelst, deren Vorältern vor mehr als zweyhundert Jahren zu Döticheim vor-
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nehme Leute, Räthe und Bürgermeister gewesen, auch annoch alda unter den Vornehmsten gezälet würden, aus absonderlich Ihro zutragender ehrlicher Liebe und Affection ehelich vermälet, und Sie dahero seinen Grafen Stand denen geist- und weltlichen Rechten nach zu führen hätte, gleich wohl aber zu mehrerer Ehre und Reputatation [sic!] seiner Kinder und Descendenten gedachte seine Ehegemalin mit dem Grafenstand begnadet zu werden verlangte, so geschähe dann des gedachten Ernst Wilhelms Grafens zuBentheim Ehe Consortin Gertraud von Zelst diese Kaiserliche Gnade, daß sie in den Stand nnd [sic!] Grad der von alt gebohrnen Reichs-Grafen ehelich entsproßenen Gräfinnen und Frauen erhebet und gewürdiget, auch andern recht gebohrnen Reichs-Gräfinnen und Frauen gegleichet, zugefügt und zugesellet würde, gleichermaßen als ob sie von ihren vier Ahnen I) väterlichen und mütterlichen Geschlechtes zu beiden Seiten recht gebohrne Gräfinnen und Frauen wären. Dann wurde namentlich noch das Zelstische Wappen in ein gräfliches, mit Beybehaltung seines Wesens, verwandelt. Der Graf von Bentheim machte diese Standes Erhöhung seiner Gemalin, mit Beifügung einer Abschrift des Kaiserlichen Diplomes, in einem förmlichen Notifications-
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I) Zelst, Lerink, Holte, Lanssink.
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Schreiben vom 17 Mai 1667 an die Magistrate der dreyen Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus bekant; desgleichen an die Richter der Gerichte Schüttorf, Nordhorn, Neuenhaus, Uelsen, Emblicheim und Velthausen; wie auch an den Drost von Twente Adolph Henrich von Raesfelt zu Lage und Twickelo. Er vereinigte das Wappen der Gräfin mit dem Seinigen und ließ so beide in den Gläsern der Kirchen und sonsten ausstellen; so daß Er von Schließung seiner Ehe an, die so mancher Landesherr, ja privater Guts und Gerichtsherr in seiner Schloß und Hauskirche vor dem Pfarrer nnd [sic!] zweyen Zeugen zelebriret hat, bishiehin, ja noch bis ins folgende Jahr 1668 durch eine Reihe von öffentlichen und feyerlichen Handlungen, wozu noch das öffentliche Kirchengebot [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier: Kirchengebet heißen] für die Gräfin, die Verordnung des Grafen, daß seine Kinder so erzogen werden sollten, wie Er selbst erzogen wäre, unter Andern gerechnet werden kann, ganze acht Jahre durch bewies, daß Er mit der Fräulein und jetzt Gräfin von Zelst förmlich und nicht zur linken Hand oder ins Blut ohne ins Gut, sich hätte vermälen wolleu [sic!], wie sich auch von einem ältern Sohne bey seiner ersten Ehe gar nicht anders vermuten ließe, als daß Er seine eigene, u. nicht seines Bruders Kinder zu Nachfolgern in seiner Regierung bestimmet hätte.
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Aber dieser sein Bruder, der Graf Philip Conrad von Steinfurt, und dessen Schwiegervater, der Graf Moritz von Tecklenburg, schickten ihm ein Memorial vom zweiten August 1663 des Inhaltes: daß ihm, Grafen von Steinfurt, ein Theil der Grafsch. Bentheim gebürte, da doch bisher ein älterer Bruder stets Bentheim, ein jüngerer Steinfurt nach dem bloßen Herkommen bekommen hatte, womit der damalige Graf von Steinfurt sehr zufrieden seyn konnte, da die Primogenituren um diese Zeit immermehr aufkamen. Ferner murde [sic!] darin Rechnung von der geführten Vormundschaft des Grafen von Bentheim über seinen minderjährigen Bruder während dieser nun geendigten Minorennität gefordert, auch geäußert, der Graf von Steinfurt hätte darum seinem Bruder die Grafsch. Bentheim unzerteilet überlaßen, weil dieser ihm versprochen hätte, sie nur für sein Leben behalten und dann seinem Bruder oder seinen Erben überlaßen zu wollen, zwar wäre der Graf von Bentheim hernach geheuratet, jedoch zur linken Hand, er mögte daher bestimmen, wie viel zur Abfindung die aus dieser Ehe erzeugten oder noch zu erzielenden Kinder haben sollten, auch die bisherige interims Teilung mit seinem Bruder rescindiren und zur ordentlichen Teilung schreiten in Güte oder im Wege Rechtens. Den 26ten August dieses Jahres 1663 versprach
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der Graf von Bentheim würklich unter seinem Siegel und Namen seinem Bruder dem Grafen von Steinfurt und dessen Erben, zu Folge seines ihm mehr gethanen Versprechens, nach seinem Absterben die Succession in der Grafschaft Bentheim, jedoch nachdem Er mit Zuziehung ihrer Verwandten, Landstände und Tages Freunde über sichere Mittel, womit seine Ehefrau und Kinder der Gebühr genugsam versorget seyn könnten, sich mit ihm in den nächsten fünf oder sechs Monaten vereinbaret haben würde; das Schloß Schüttorf, die gewöhnliche Residenz der gräflichen Witwen, samt dem Schüttorfischen Rentamte sollten aber seine Ehefrau und Kinder nach seinem Absterben behalten. Dieses genehmigte der Graf von Steinfurt unter seiner Hand und Siegel in einem Schluße dieses Aufsatzes, worin Er zweymal seines Herrn Bruders Ehefrau und Kinder nennet. Dieser durch Nichts weiter bekräftigte Aufsatz konnte nun wohl der Frau Gräfin von Bentheim und den gräflichen Kindern nicht zum Nachteile gereichen, wenn er alle Eigenschaften einer Staats-Acte über Land und Leute gehabt hätte; die Landesstände der Grafschaft Bentheim, noch auch audere [sic!] Tages-Freunde haben aber niemals eine Acte mit unterzeichnet, wodurch die Kinder des Grafen Ernst Wilhelm von der Succession in die Grafschaft Bentheim ausgeschloßen worden, und ihr Vater
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behauptete gleich nachher I), daß Er zur Unterschrift dieses Aufsatzes durch die Grafen von Tecklenburg und Steinfurt gewaltsam gezwungen worden wäre, die ihn, mit gewafneten Mannschaften in seinem Schloße überfallen, und in seinem eignem Hause den Meister gespielt hätten. Der wankelmüthige und geplagte Graf von Bentheim stellete aber 1664 den 22 Julii unter seiner Hand und Petschaft seinem Bruder abermals ein in allgemeinen Ausdrücken abgefaßtes kurzes Reversal wegen der Grafschaft Bentheim Succession aus, weswegen es bey dem aufgerichteten Pacto verbleiben sollte, worüber aber eine Konferenz zu Gronau nach der bevorstehenden Entbindung seiner Ehefrau statt haben sollte. Indessen starb 1668 sein Brnder [sic!] der Graf Philip Conrad von Steinfurt mit Hinterlassung eines einzigen Sohnes Arnold Moritz Wilhelm, dem der verstorbene Vater in seinen Testamente außer der Mutter, gebohrnen Gräfin Anna Elisabeth Wilhelmina von Tecklenburg, die General-Staaten der Vereinigten Niederlande mit dem Churfürsten Friederich Wilhelm von Brandenburg zu Vormündern ernant hatte. Da der Münsterische Fürstbischof Christian Bernard von Galen aus einer chimärischen Landeshoheit des Hochstiftes Münster über die Grafschaft Steinfurt, und aus dem Vorwande, daß das Testament des
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I) Vor dem Kaiserlichen Reichshofrathe.
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hochseeligen Grafen von Steinfurt nicht schriftlich verfasset wäre, sich diese Vormundschaft anmaßen wollte, so würde die hochgräflich Bentheimische ältere Linie an diesem Helden des Zeitalters eine außerordentliche Stütze dermalen gehabt haben, wären nur nicht jetzt ganz andere Minen gesprungen. — - Nach allem dem, was bisher geschehen war, sollte man den Sieg der Bentheimischen ältern Linie über die ungerechten Steinfurtischen Anmaßungen vermutet haben, besonders da der Münsterische Fürstbischof auch sonst keine Ursache hatte, dem Hause Bentheim-Steinfurt geneigt zu seyn. Die ihm so lästigen Holländischen Abgesandten in seiner Strittigkeit mit der Stadt Münster hatten zu Burgsteinfurt 1657 ihren sichern Aufenthalt gehabt I). Die durch den Spanisch Niederländischen und dreißigjährigen Krieg [lt. Druckfehlerverzeichnis fehlt hier der Zusatz:
“des Münsterischen Bischofes mit den vereinigten Niederlanden”] noch erschöpfte Grafschaft Bentheim hatte durch den Krieg ihrer Lage zwischen beiden Ländern wegen nicht wenig gelitten; 1665 durch Münsterische Durchmärsche 2) und in der Folge durch holländische Einquartirung.
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I) Leben und Thaten Christoph Bernards von Galen, Bischofes und Fürsten von Münster, Administrators von Corvey. Aus dem Lateinischen des Herrn Johann von Alpen vom Pastor Kurz zu Borghorst S. 50. 55.
2) Seite 145.
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Ueber den am 18ten April 1666 zu Cleve geschloßenen Frieden wurde zu Nardhorn [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Nordhorn] am 28 Julii noch eine Conferenz gehalten 3). In dem zweiten Münsterischen Kriege mit den Vereinigten Niederlanden 1672 hatte die Grafsch. Bentheim wieder Münsterische Durchmärsche 4). Der Fürstbischof von Münster hatte ein Regiment Bentheim 5). Der holländische berühmte Commandant von Gröningen Rabenhaupt thar 1674 einen Einfall in die Grafschaft Bentheim, nahm in Neuenhaus einige Münsterische Compagnien gefangen und streifte bis Nordhorn 6). Die große Vertraulichkeit des Münsterischen Fürstbischofes mit dem gräflichen Hause erregte ein Gerücht, daß der Graf von Bentheim Catholisch werden wollte, besonders nachdem der Bentheimische Canzler Pagenstecher in Brandenburgische Dienste getreten war, und ein Münsterischer Herr von Wiedenbrück, ein eifriger Catholik, wieder Bentheimischer Kantzler geworden war; wenn gleichwohl der Graf hoch betheuerte, bey der Reformirten Religion leben und sterben zu wollen. Indessen starben des Bentheimischen Grafen Mutter und Bruder in einem Jahre 1668, und der Graf entschloß sich, aller vermuthlichen Bedenklichkeiten seiner Gemalin ohngeachtet, dem Lei-
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3) S. 162. 4) S. 336. 5) S. 257. 6) S. 277. Neuenhaus war damals noch etwas befestiget.
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chenbegängnisse seines Bruders zu Steinfurt am neunten August beyzuwohnen.
Wie Er 1668 zu der Kindtaufe seines Vetters, des jetzigen Grafen von Steinfurt abreisen wollte, stellte Er erst zu Bentheim am neun und zwanzigsten August in Gegenwart der Herrn Kanzler Pagenstecher und von Etzbach zu Duckenburg und Langen, unter seiner Hand und Petschaft notarialiter die Versicherung aus, daß Er zu Steinfurt Nichts zum Nachtheile seiner Kinder unternehmen würde, wie Er auch vor seiner Vermälung niemals versprochen hatte, die Succession der Grafschaft Bentheim seinem Bruder überlaßen zu wollen.
§. 15.
Ehe der Graf dieses mal nach Steinfurt reisete, hatte der Fürstbischof von Münster ihn verschiedene male zu sich geladen, der Graf hatte sich aber mit der Entbindung seiner Gemalin u. mit der Steinfurtischen Begräbniß entschuldiget. Wie Er jetzt nach Steinfurt gezogen war, wo Er an die fünf Tage bey seiner Schwiegerin, der verwitweten Gräfin von Steinfurt, in Geselschaft der Gräfinnen von Solms und Vehlen und des Grafen von Tecklenburg blieb, benachrichtigten der neue Bentheimische Kantzler von Wiedenbrück und der Herr von Rheda [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Rhede] zu Brandlecht den
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Fürsten von Münster von diesem Verfahren des Grafen von Bentheim. Diesem erzälete nun sein Kutscher aus Bentheim, der seinen Herrn nach Bentheim zurück zu fahren eben zu Steinfurt gekommen war, daß alle Pässe um Steinfurt, besonders der Weg nach Bentheim mit Münterischem Militär besetzet wären, worauf der Graf einen Beyweg nahm, aber in der Nähe vom Romberg doch vom Münsterischen Militär umringt wurde, das Ihn ersuchte ein wenig stille zu halten, weil der Fürstbischof so gleich bey Ihm seyn würde. Dieser erschien bald und begehrte vom Grafen, mit ihm in seiner Kutsche nach Ahaus zu fahren, wogegen sich der Graf zwar mit der Begräbniß seiner Frau Mutter und der Taufe seines Kindes, aber vergeblich entschuldigte. Zu Ahaus nahm der Fürstbischof den Grafen nebst dem Münsterischen Geheimen Rathe, einem Bruder des neuen Bentheimischen Kanzlers, von Wiedenbrück, und dem Jesuiter Cörler auf sein Zimmer. Nach etlichen Stunden gieng der Graf mit den beyden genanten Herrn, aus dieser Conferenz, nach seinem ihm angewiesenen Logis beym Rentmeister zu Ahaus, war niedergeschlagen, sprach und aß wenig, und seufzte nach der Tafel gegen seine Bedienten, die Nichts von ihm erfahren konnten. Am andern Morgen reiseten der Fürst und der Graf mit dem Jesuiter Cörler nach Koesfeld, wo der Graf wider die vorige Gewohnheit in der Zitadel bey der Kapelle,
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seine Bediente aber in der Stadt logirt wurden. Diese ermahneten ihren Herrn in der Stille, bey der Reformirten Religion zu bleiben, wurden aber mit Seufzern und Händeringen beantwortet, auch war bey der Tafel eine Traurigkeit am Grafen merklich. Nach derselben wurde der Graf vom Münsterischen Herrn Domküster von Korf genant Schmising, vom Jesuiter Cörler und andern Vertrauten des Fürstbischofes unterhalten. Wie der Graf wieder zu seinen Bedienten gelaßen war, entdeckten diese noch immer an Ihm seine vorige Melancholie; des Morgens erkundigte Er sich bey diesen, ob die Messe schon angegangen, und ob seine Fürstliche Gnaden schon darin gewesen wäre, klagte über einige Unpäßlichkeit und blieb bis über Mittag zu Bette. Aber Tages vor seiner Religions-Veränderung unterhielt sich der Fürstbischof in seinem Kabinet von Mittag bis Abends spät mit ihm. Am folgenden Tage holten die Münsterischen Bedienten, ehe noch die gräflichen bey der Hand waren, den Grafen frühe aus seinem Zimmer in die Hofkapelle zur Messe, wo Er das Catholische Glaubens Bekentniß ablegte. Wie Er wieder bey seinen Bedienten war, sagte Er ihnen sehr gerührt und selbst mit weinenden Augen, was Er gethan hätte, das hätte Er für sich gethan, Er wollte sie und die Seinigen nicht irren, sie und seine sonstigen Bedienten bey ihren Bedienungen laßen.
Sie erwiederten ihm, sie zweifelten, ob solches
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von seinem gnädigen Willen allein abhangen wüde -. Münsterischer Seite wurde dem Grafen jetzt ein Kaiserliches Patent gegeben, worin Er zum Kaiserlichen Reichs-Hofrath und Kammerherrn ernant war.
Dann wurde dem Grafen dringend geraten, seinen reformirten Bedienten, und seiner Garnison aufm Schloße zu Bentheim nicht zu trauen, sondern nötiger Sicherheit wegen, auch mit dieser Veränderung nur fort zu fahren. Des Endes mögten seine Gräfliche Gnaden noch etliche Wochen bey seiner Fürstlichen Gnaden bleiben, für erst die Order des Münsterischen Oberstwachtmeisters Ambrot [sic!] unterschreiben, daß derselbe mit fünfundzwanzig Münsterischen das Schloß Bentheim als Commandant besetzen sollte; wie dann der Herr von Rheda zu Brandlecht, catholischer Religion, und die beym Herrn Graf gewesenen Bedienten hernach auf ihr Gewißen deponirten, daß der Graf, weiß nicht, wie viele Cartes blanches unterschreiben müßen, um zu unwiederbringlichen Nachtheile seiner hohen Authorität, und zum Präjudiz seines Gräflichen Hauses und seiner Kinder, Alles in Handen der Münsterischen Bedienten zu stellen, wodurch sie dem einen Bentheimischen vor, dem Andern nach, ihre Abschiede erteilet, sie von ihres gnädigen Herrn Diensten, ohne desselben Vorwißen, entsetzet, und Münsterische, die meistens in Seiner
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Fürstlichen Gnaden zu Münster Eid blieben, an deren Stellen surrogiret.
§. 16.
Die von allem Diesen, und namentlich von der Ankunft des Münsterischen Oberstwachtmeisters Amsrot [sic!] mit einem Münsterischen Commando, benachrichtigte Frau Gräfin von Bentheim schickte eiligst ihre vier ältesten Söhne an die Staaten von Oberyssel, als Bentheimische respective Lehnherrn und erste Landsstände, aus Furcht, daß ihre Söhne nicht zum geistlichen I) catholischen Stande gebracht, und so der Succession der Grafschaft Bentheim beraubet werden mögten. Ihren kaum gebohrnen jüngsten Sohn ließ sie bey der erzwungenen Abwesenheit seines Vaters durch den Hofmeister von Wolf Namens der General-Staaten über die Taufe halten, wobey das Kind seinen Gevattern zu Ehren Statius, und zum Andenken an seinen verstorbenen Oheim und Verfolger, den Grafen Philip Conrad von Stein-
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I) Man vergleiche von nun an das Betragen der Gräfin von Bentheim mit den verstümmelten Nachrichten davon, eines Münsterischen Geistlichen und Bischöflichen General Vicars und Vertrauten des Fürsten Christoph Bernards von Galen, von Alpen, im Leben jenes Fürsten, so durch den Pastor Kurz zu Borghorst neulich aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzet ist.
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furt, Philip genant wurde. Als nun jener Münsterische Oberstwachtmeister mit 25 Mann nach Bentheim gekommen war und der Frau Gräfin seine Commission zeigte, empfing diese ihn höflich, verweigerte ihm aber die Uebergabe des Schloßes, bis sie mit ihrem Eheherrn gesprochen hätte, und wies dem Oberstwachtmeister und seiner Mannschaft Logis im Flecken Bentheim an. Welches am Münsterischen Hofe so berichtet ward, als wenn die Gräfin ihrem Eheherrn das Schloß versperrete. Nach einer darauf erfolgten Besendung des Fürsten von Münster an die Gräfin durch den Münsterischen Geheimen Rath von Wiedenbrück, dem ein Kaiserlicher Abgesandter Namens Buddecker jedoch ohne alle Creditif beygefüget war, und der Vorzeigung einer schriftlichen Order des Gr. von Bentheim an seinen Hofmeister von Wolf, zur Uebergabe des Schloßes ans Münsterische Commando, lehnte die Gräfin solche mit der Aeußerung ab, daß sie die Order ihres Gemales für erzwungen hielte, und daß das Schloß, ohne benachbarte Mächte zu reitzen, mit denen die Grafsch. in Frieden lebte, nicht fremdem Militäre übergeben werden könnte. Durch den Hofmeister von Wolf nnd [sic!] Doctor Kerkering ließ die Gräfin dem Grafen schreiben, sie verlangte sehr nach seiner Rückkunft, und Er mögte ja die Ansstreuungen [sic!] doch nicht glauben, daß sie ihm das Schloß versperren wollte, sie befürchtete aber bey den jetzigen Umständen vi-
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le Unheile von der fremden Miliz. Dessen ungeachtet schickten die Münsterischen den Hofmeister von Wolf nochmals zur Gräfin, mit dem Befehle, bey Halsstrafe die Schlüßel abzuhohlen, und dem Commendanten zu übergeben, die Gräfin sandt ihn aber mit der vorigen Verweigerung und mit einem Schreiben an ihren Gemahl zurück. Als sich der Bentheimische Hofmeister nun darüber beklagte, daß man sein Leben bey Verweigerung in Gefahr setzen wollte, erwiederte ihm die Gräfin, dieses könnte er damit retten, daß er nicht wieder zurückkehrte, er ging aber zum Fürsten von Münster zurück. Nun mußten zwischen drey und viertausend Mann Münsterische Cavallerie und Infanterie mit unterschiedlichen Feldstücken und Mörsern nach Bentheim marschiren, worauf der Hofmeister v. Wolf durch Drohungen die Thorschlüßel des Schloßes vom Wachtmeister erzwang, ehe die Gräfin Etwas davon erfuhr. Diese sah aus ihrem Zimmer den Commendanten mit seinen fünfundzwanzig Mann schon hinauf marschiren, als sie dem Thore zulief, in Meinung Solches selbst zu schließen; es war aber zu spät, da das Commando schon bis ans obere Thor gekommen war. Die meiste Münsterische Mannschaft war indessen noch in der Brechte bey Bentheim geblieben, der Fürstbischof zog aber jetzt mit dem Stabe nach Bentheim, und der Graf mußte dem Fürsten zur Seite bleiben.
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Die ganze Ammunizion dieses wichtigen Bergschloßes war nun in Händen des Bischofes, der zu ganz andern Absichten die ehemals von der Gräflichen Herrschaft selbst begehrte Bentheimische Protection vom Kaiser bestätiget erhalten hatte, und sich jetzt das Ansehen gab, als Director des Westphälischen Kreises so handeln zu dürfen, da doch auch Chur Brandenburg und Pfalz Neuburg Directoren dieses Kreises waren, und die Parität der Religionen in dieser nur zu sehr zur Religions Sache geeigneten Angelegenheit erfordert ward. Aber was Westphälischer Friede war, das kannte der Bischof Bernard von Galen nicht. Der folgende Tag war eben Sontag; in der Schloßkirche der regierenden Gräfin wurde Catholischer Gottesdienst durch den Münsterischen Domküster von Korf genant Schmiesing und den Jesuiter Cörler gehalten, nachdem die Hofprediger Sertorius und Grimmelius ein und andermal schimpflich abgewiesen worden waren, da doch die Religion des Landesherrn, und die seiner Gemalin abwechselnd in der nämlichen Schloßkirche hätte ausgeübet werden können. Die Münsterische Besatzung des Schloßes Bentheim wurde mit fünfzig Mann vermehret, allerley Kriegs Ammunition aufs Schloß ohne Vorwißen des Grafen gebracht, und solches wider eine Belagerung befestiget; der Fürstbischof von Münster ernante seinen geheimen Rath von Wiedenbrück und den Jesuiter Cörler zu Auf-
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sehern des Grafen, denen auch die Schlüßel zum gräflichen Landes Archive übergeben wurden, das sie viele Tage lang durchsahen. Der Bischof selbst reisete nach einem achttägigen Aufentkalt von Bentheim ab, und der Graf begleitete ihn eine Strecke Weges. Dieser erhielt nach seiner Rückkunft von der noch kränkelnden Gräfin, die ihren Gemahl während des Aufenthaltes des Fürsten nicht hatte sehen dürfen, und von den Münsterischen mit seiner höchsten Ungnade bedrohet war, wenn sie die weggeschickten Kinder nicht wieder herbey schafte, einen Besuch auf seinem Zimmer. Der Graf ging ihr entgegen, umarmte sie, bat sie um Verzeihung dieser plötzlichen Veränderung wegen, tröstete sie. Vier Tage lebte dieses gräfliche Ehepaar in vormaliger Liebe und Glückseligkeit, ach! daß es die vier letzten Tagen ihres ehelichen Lebens seyn mußten! — — — Der Bischof von Münster schrieb dem Grafen, zu ihm nach Bentlage und Sassenberg zu reisen, der Graf that dieses nach vielen Gegenreden der Gräfin endlich, nachdem Er Sie versichert hatte, des andern Tages wieder bey ihr seyn zu wollen.
Nach seiner Abreise kamen Befehle vom Münsterischen Hofe, wodurch verschiedene Bentheimische schuldlose Bediente abgesetzet, und an deren Stelle Catholische angesetzet wurden. Kaum hatte der Graf in der freundschaftlichsten Sprache
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seines Herzens der Gräfin geschrieben, und seine schleunige Rückkunft gemeldet, als ihr Drohungen unter seiner Hand zukamen, daß Er Sie des CRIMINIS PLAGII oder des Menschen-Raubes wegen belangen würde, falls sie ihm die weggeschickten Kinder nicht wieder zustellen würde, worauf sie [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: worauf sie erwiderte: sie] wünschte Nichts mehr, als ihren Eheherrn zuvor ungehindert wieder zu besitzen und mit Ihm eine Uebereinkunft wegen der Erziehung ihrer Kinder zu treffen, die sie dann so fort würde wieder kommen laßen. Nun kam ein Befehl des Grafen von einem zu Münster neugemachten bentheimischen Rathe Balke an den bentheimischen Kanzler und Commendanten, daß er die Gräfin erst gütlich nach Münster zu kommen, bewegen, im Weigerungs-Falle aber durch das Militär dahin abführen sollte[.] Man schützte deswegen erst vor, der Graf erwartete die Gräfin zu Ochtrup auf dem Wege nach Münster, mit ihr der Erziehung der Kinder wegen zu reden, er hatte ihr aber in einem freundschaftlichen Briefe aus Sassenberg Nichts von Ochtrup, sondern von Münster geschrieben; deswegen erwiederte die Gräfin hierauf, wenn ihr Eheherr so nahe wäre, so würde Er lieber nach Bentheim kommen, wo Er in seinem Lande mehr ihr Herr und Meister wäre, als in eines Andern Botmäßigkeit. Allein diese Frau konnte man nicht mit Verstand, sondern nur mit Soldaten überwinden. Die Gräfin von Bentheim wurde durch Soldaten mit Gewehr und
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brennenden Lunten noch am nemlichen Abend von ihrem Zimmer geholet, worauf ihr kaum Zeit gelaßen wurde, sich allein zu kleiden, und unter diesem militärischen Geleite nach Ochtrup gebracht, wo sie übernachtete, ohne ihren Grafen dort zu finden, nachdem alles ihr Flehen ihre Reise nicht bis zum andern Tage hatte verschieben können. Dieser unnötigen Härte wegen kam sie keinen Tag früher in Münster, wo sie im Hause des Doctors und Bürgermeisters Romer sehr auständig [sic!] behandelt wurde. Nach der Gräfin Abreise von Bentheim wurde ihr und ihrer Jungfer Cabinet und Schreibpult durch einen aus Münster bestellen Schmied erbrochen, die Gräfin hatte aber die wichtigsten Pgpiere [sic!] schon bey Seite gebracht. Auch zu Münster konnte die Gräfin ihren Gemahl nicht zu sprechen bekommen, wenn sie nicht erst ihre Kinder herbey schafte, da der Graf sie doch nach Münster geladen hatte, sich mit ihr über die Erziehung der Kinder zu unterreden. Dem Grafen verging endlich die Geduld, Er wollte schon in die Kutsche steigen, um zu seiner Gemalin zu fahren, als ihn der Bischof von Münster davon abriet, ihn bei der Hand nahm uud [sic!] ihn mit sich wieder hinauf führte. Von den Münsterischen wurde der Gräfin hingegen immehr eingepräget, daß der Graf sie niemals sehen oder sprechen würde, wenn sie nicht an die General-Staaten der Vereinigten Niederlande und an die Staaten von Oberyssel um Zurück-Erstat-
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tung ihrer Kinder schriebe. Da dieses auch noch nicht fruchtete, nahm man ihr ihre Pagen und Laqueien ab, man drohete, ihr auch ihre Jungfer, Kammermagd, ja selbst ihr jüngstes säugendes Kind mit der Amme zu entnehmen, sie in ein Kloster zu sperren, ja selbst mit der Todesstrafe zu belegen, würde sie sich nicht zu diesem Schreiben bequemen. Die Gräfin verfertigte allerley Entwürfe zu diesem Schreiben, um Zeit zu gewinnen. Endlich setzte der Herr von Wiedenbrück ein Schreiben des Inhaltes auf: “Wie daß die Frau Gräfin nunmehr mit Dero Herrn Gemale verglichen, und der Kinder-Erziehung halber veraccordirt wäre, thäte sich demnach der Herren Staten angenommenen Mühewaltung um Vorsorge der Kinder allerhöflichst bedanken, und bitten, man wolle sie doch unbehindert wiederum ihr zuschicken.” Wie die Gräfin darauf in ihrer Tauben Einfalt u. Schlangenlist frug: wie sie mit Recht eine solche Unwahrheit den Staten schreiben könnte, da sie doch ihren Herrn nicht gesehn, noch weniger sich mit ihm über die Erziehung ihrer Kinder verglichen hätte? antwortete ihr Doctor Balke: Recht oder Unrecht, es müste jetzt also seyn. Oie Gräfin muste sich aber zur Unterschrift dieses Briefes verstehen, womit der Herr von Reede zu Brandlecht an die General-Staaten, welche aber von der wahren Beschaffenheit der Sache durch die Gräfin schon unterrichtet waren, nach dem Haag
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abgesandt wurde. Die Gräfin muste auch einen Eid schwören, daß sie nicht wüste, wo ihre Kinder jetzt wären, und sie wuste es auch nicht, daß sie nach England verschickt waren.
Gedachter Herr von Reede war eben verreiset, als die Gräfin von Bentheim so wohl als ihre Kinder vermißt ward. Die Gräfin hatte nach Ausfertigung jenes Schreibens mehrere Ruhe, als sie in 5 Wochen ihrer Münsterischen Gefangenschaft genoßen hatte. Ihr Wirt, der Doctor und Bürgermeister Römer war eben mit seiner Familie auf einer Hochzeit, als sie des Abends in der Dämmerung mit ihrem säugenden Kinde und der Amme, mit dem Befehle an ihre Jungfer, daß sie schweigen und sich krank stellen sollte, dieses ihr Logis verließ, und in ein Wirtshaus ging, wo eben ein Bauer aus der Grafsch. Bentheim und Eigenhöriger der Kammer sie des andern Morgens nach Ohne und weiter bis voran in Twente fuhr, wo sie an der Dinkel I) einen Wagen bis nach Delden mietete. Hier erkante der Richter die Gräfin von Bentheim und ließ sie in der Kutsche des abwesenden Drost von Twente von Raesfelt zu Lage und Twickel bey Delden nach Deventer bringen. Am Mün-
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I) Die Twentische Wirtschaft die Puppe. ohnweit der Bentheimischen Wirtschaft Springbiele, beide am Postwege von Amsterdam nach Hamburg.
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sterischen Hofe wurde die Flucht der Gräfin erst am dritten Tage nach derselben bekant, jedoch vor dem Grafen noch geheim gehalten, bis die Bestürzung durch den Bericht der ihr zu spät nachgeschickten Ordonanz Reuter auch dem Grafen nicht mehr verborgen bleiben konnte, wiewohl Er die Geschichte erst durch seinen Kammerdiener des Abends auf seine ernstliche Nachfrage erfuhr, worauf Er bitter weinte und in die Worte ausbrach: “Wozu hat man mich armen Kerl gebracht, jetzt sind Weib und Kinder fort,” auch die ganze folgende Nacht ohne Schlaf in Kummer zubracht. Am folgenden Morgen bracht ihm ein Expresser des Kanzlers zu Bentheim die Nachricht, daß seine Gemalin durch die Grafsch. gereiset wäre, worauf Er sich verlauten ließ, daß Er betrogen wäre, und in Zorn wider diejenigen ausbrach, die ihm geraten hatten, die Gräfin von Bentheim nach Münster abfahren zu laßen. Die heimgebliebenen Jungfer und Kammermagd der Gräfin wurden nun wohl zwar arretiret und militärisch bewachet, sie konnten aber über die Flucht ihrer Herrschaft keine Aufklärung geben, indessen es dem Grafen, seines heißen Verlangens ohngeachtet, verwehrt wurde, sie vor und nach ihrer Befreyung, zu Münster oder zu Bentheim auf der Reise zu ihrer Frau, zu sprechen, wiewohl sie zu Bentheim über sechs Wochen auf den Grafen warteten, der sie durch den Hofmeister von Wolf, Trompeter, Kammerdiener und Laqueien wieder-
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holet hatte benachrichtigen laßen, daß Er sie sprechen wollte.
Was würde nun wohl aus der Gräfin von Bentheim geworden seyn, wenn sie sich aus ihrer Gefangenschaft nicht durch die Flucht gerettet hätte, da der Herr von Reede zu Brandlecht bey seiner Abreise nach dem Haag sich gerühmet hatte, die gräflichen Kinder sollten in Zeit von acht Tagen wieder herbey geschaffet werden, wenn sie auch in der Türkei wären, der Grüfin [sic!] aber heimlich bedeutet hatte, der Graf hätte so wenig Freiheit mehr, daß Er Alles unterschreiben mußte, was Ihm vorgelegt würde. Gleichwohl müßte hernach ihre Ehe unter dem Vorwande getrennet werden, daß sie ihre Kinder ihrem Vater entführet, und ihren Eheherrn böslich verlaßen hatte, da dieser vielmehr sie böslich verlaßen hatte, ohne daß sie sich anderweit vermälete. Man müßte denn einer Mutter und regierenden Gräfin alles Recht absprechen können, für ihre Kinder und deren Succession in Land und Leute sorgen zu dörfen [sic!], wenn deren Vater seiner Freiheit beraubet ist, und einer unschuldigen Gefangenen, sich in Freiheit setzen zu dörfen [sic!]; es müßte denn einer Regentin nicht frey stehn, was jeder Mutter und Frau zukömt, sich mit ihrem Manne einer andern Religion, der bey und nach seiner Heurat die nämliche Religion seiner Frau hatte, über die Erziehung der Kinder, auch der
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Söhne, besonders wo keine Töchter vorhanden, mit gehöriger Freiheit vergleichen zu können, wie der Graf ihr schriftlich versprochen hatte. In Teutschland konnte sie, so lange der Münsterische Fürstbischof Christoph Bernard von Galen lebte, ohne Hülfe kein Recht bekommen; sie nahm daher ihre Zuflucht zu den Regenten ihres Vaterlandes, die so vielen Einfluß in die bentheimischen Angelegenheiten hatten, und suchte durch deren Hülfe mehr für ihre Kinder, als für sich selbst, Recht bey Kaiser und Reich. Man könnte sonst der Gräfin von Bentheim einige Heucheley, und einige Verachtung ihres vormaligen hohen Protectors, des gedachten Münsterischen Fürstbischofes zur Last legen, daß sie den Frenswegischen Geistlichen geschrieben hatte, man sagte: der Graf und Sie wollten catholisch werden, der Himmel mögte sie Beyde aber für ein größeres Uebel bewahren; dieses bedeutete wohl weniger, als ihre Aeußerung; der Erbgraf könnte noch eine Säule der Catholischen Kirche werden, wobey ihre vielleicht geheime Bedeutung des Wortes Catholisch nicht so ganz redlich war, wenn es ihre Toleranz oder Gleichgültigkeit nicht beweist. Sie hatte sich schriftlich über die Siege des Fürsten von Münster über die Holländer gefreuet, und sich über Letztere, ihre Landsleute, etwas lustig gemacht, man hatte ihr aber Münsterischer Seite geraten dieser Angelegenheiten halber sich auf die entgegen gesetzte Art zu ver-
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stellen, daß man ihre Neigung für die Münsterische Partey am Steinfurtischen Hofe nicht merken sollte. Wahr ist aber ihre Beschuldigung des Fürstbischofes von Münster immer wenigstens gewißermaßen, daß derselbe ihren Gemahl mit Gewalt gezwungen hätte, catholisch zu werden, da die Art, wie Er nach Ahausen und Koesfeld gebracht wurde, ehe Er seine Religion veränderte, militärisch, executivisch und entehrend, zumalen für einen Regenten war. Hatte der Graf Zweifel an jener Religion, worin Er geboren u. erzogen war, hatten seine Seelsorger ihm solche nicht genug benommen, so konnten seine Frau und die ganze Welt ihn nicht verhindern, nach seiner beßern Ueberzeugung zu handeln, wenn Er nur auch bey irgend einem Gegenstande feste Grundsätze gehabt hatte. — Uebrigens war die Gräfin von Bentheim eine Frau, dabey in den mislichsten Umständen seit ihrer Vermälung, und ihre Verstellung an einem so critischen Hofe schadete Niemanden, und fast Alles, was die Steinfurtische Partie zu ihrem Nachtheile ausgestreuet hatte, wurde älmälig [sic!] als unwahr befunden. Der Münsterische Hof hatte aber kein Recht, die Sicherheit der Wege zu verletzen, den Grafen und die Gräfin von Bentheim ihrer politischen und religiösen Freiheit zu berauben, und beynahe die ganze Landeshoheit der Grafschaft Bentheim an sich zu ziehen, und so eine freygewählte Schutzgerechtigkeit wider die Reichs und Bentheimische
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Landes-Verfassung zu mißbrauchen. Der Hofmeister von Wolf, der vom Grafen und von den Landesständen angestellte General-Empfänger wurden abgesetzet, und ihre Stellen vom Hofe an Münsterländer vergeben, die mehrsten Assessoren des Reformirten Oberkirchenraths wurden abgesetzet, und ihre Stellen an Catholische verliehen, verschiedenen Predigern wurden ihre Salarien eingezogen, Audern [sic!] wurden, weil sie der Gräfin zur Verschickung ihrer Kinder geraten haben sollten, oder weil sie mit der Gräfin correspondirt hätten, aus dem Lande verbannet, oder gefänglich hingesetzet; das vormalige Kloster zu Schüttorf wurde Catholischen eingeräumet, obschon über dessen Besitzstand nach dem Normal Jahre kein Streit war. Dabey seufzte die ganze Grafschaft Bentheim unter der Last Münsterischer Einquartirungen, Durchmärsche, Werbungen und unendlicher Frohndienste, sonderlich bey der letzten Ueberziehung der Provinz Oberyssel, der Belagerung von Coeverden und Groningen und bey dem dort gemachten Teiche oder Damme. Dabey war der Graf unter der Aufsicht seiner Münsterischen Beamten, seiner Gemalin und Kinder beraubet, nicht in gutem Vernehmen mit seinen Verwandten, mit seinen Landständen, so sehr diese auch vor den Münsterischen Kanonen schweigen mußten, und bald unter sich, jetzt erst der verschiedenen Religionen wegen, zerfielen.
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Vor seiner Vermälung hatte der Graf Ernst Wilhelm noch 1647 den 30 November zu Nordhorn, und 1655 den 19 Julii zu Schuttorp Landtage nach der uralten Form, in Person gehalten, wobey dem Grafen schon der Titul hochgeboren gegeben ward. Ersterm Landtage wohnten Namens Oberyssel die Ritter F. Ripperde und Gerhard Sloet bey, dann die Herrn Johann von Beveren, Ebert Degenhard von Etzbach, Johann Albrecht de Reede zu Brandlecht, H. von Raymundt Prior, Henrich von Lahr zu Lahr, Daniel Delius SALVIS RECESSIBUS ET PRIVILEGIIS deren von Kettler; aufm zweiten Landtage waren wegen Oberyssel N. von Beverforde und Henrich Nielandt I), ferner Johann Henrich von Rhede, Godfrid von Bocholt Prior, Egbert Degenhart von Ezbach, Henrich von Lahr zu Lahr; im Namen der Frau Wittiben von Beveren zu Devesborg Friedrich Rokelose, als Volmachtig, jedoch ohne Präjudiz dieser Signatur; Wenemar Schrader SALVO JURE ET CITRA PRAEJUDICIUM WIETMERCENSIUM, Ambtmann. Dieser her Wittmerscher Borbehalt [sic!] wird vor nul und nichtig gehalten. Dieser letztere Receß ist durch den Notar Werner Dam autentiziret 2).
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I) Erster wegen der Ritterschaft, zweiter wegen der Städte.
2) Diese und vorige Landtags Recesse sind zu Frenswegen.
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Aufm ersten Landtage wurde das isherige [sic!] Landgeld von sechs Stüber monatlich von jedem Müdde Landes, Tagewerk Heuland und Weidegrund bis nähere Verfügung bestätiget. Auf das Gemahl sollte ein Sicheres gesetzet werden. Zu Abführung der Creditoren, sollten, mit Ausnahme der Hovesaten der Ständen, von einem Müdde Rocken 6 stbr., Malz 6 stbr., Weitzen 8 stbr., Buchweitzen 4 stbr., Mark Korn [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier: “Mankkorn” heißen] 4 stbr, und zwar nicht von der [sic!] Contributions-Empfängern, sondern vom Landschreiber gehoben werden. Die Städte sollten von der Vieheschatzung nicht frey seyn; das Vieh sollte durch die Deputirten mit Zuziehung des Richters beschrieben werden; die Städte sollten auch von der Handtier- und Nahrung contribuiren; Städtische, im Wigbolde I) gelegene Ländereyen sollten zum Behufe der Städte, in den Bauerschaften befindliche Ländereyen der Städtischen Einwohner, zum Behufe jener Bauerschaften, worin solche gelegen, contribuiren. Herrn Diener, in so weit selbige bürgerliche Nahrung trieben, und deren Ländereyen, sollten hinfüro, mit Vorwißen Ihrer Hochgräfiichen Gnaden, gleichfalls angeschlagen werden, jedoch ferner nicht, als hiebevor verabschiedet wäre. Die Beschwehrden der Stände über die neuen Zuschläge sollten auf gegründet befundene Klagen der Gutsherrn abgestellet werden. Die Collection der Gefälle zur Tilgung der Schulden einzelner Bauerschaften sollte in denselben nach
I) [lt. Druckfehlerverzeichnis muß der Fußnotentext lauten: “in den städtischen Feldmarken.”]
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Proportion geschehen, wie die Landes Contribution erhoben würde. Bis nähere Verfügung sollten die Ständischen Deputirten, wozu diesmal Monsieur Beveren und Herm. Raymund Prior verordnet würden, täglich außer Landes zwey Reichsthaler, innerhalb Landes aber einen Goldgülden Diäten neben ihren Reisekosten genießen.
Im zweiten Landtags-Recesse heißt es: gut gefunden und beschloßen, daß dem Herrn Grafen von Vehlen wegen der eingewilligten Fräulein Steuer zu zehntausend Reichsthaler für diesmal ohne Präjuditz und Consequenz und absonderliche Collectirung der Stimmen, eine Obligation erteilet, und solch Capital für erst jährlich sechs pro Cent verzinset, und doch dasselbe oder die Frau Solmsche Brautschatzgelder, Kraft bedingter Loßkündigung auf ein ganz oder halb Jahr vorhin, durch eine Feuerstätte oder andere extra ordinari Schatzung aufgebracht und entrichtet werden solle. Und ist wegen des Hofgerichts verabredet, daß zu Salarirung der Gerichtspersonen vierhundert sechszehn I) Reichsthaler aus den gemeinen Laudesmitteln jährlich bey Quartalen bezalet werden sollen. Und weil die adliche Assessorat Stelle anitzo durch Junker Etzbach bekleidet wird, als soll derselbe sein lebelang continuiren, nach dessen Abgang aber mit der Stände Mitbelieben von
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I) Holländisch.
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einer adelichen Person wiederum versehen werden. So werden auch vor dismal provisionaliter zu Unterhaltung der Schloßsoldaten tausend, zu Besoldung der Agenten und Correspondenten dreyhundert, Cammer-Gerichts-Unterhaltung gleichfalls dreyhundert, zu Behuf eines Land-Medici hundert und zwanzig, und Landtrompeters hundert Reichsthaler, dabeneben werden Ihro gräflichen Gnaden in Betrachtung deroselben angegebenen rückständigen Renten und andern Beschwernißen pro Honorario und eine Curialität eingewilliget sechstausend fünf hundert Reichsthaler, samt der ganzen Action, welche diese Grafsch. wegen der Vechtischen Evacuation und Verpflegung, und was daran dependirt, bey dem Reich und schuldigen Reichsständen zu fordern hat, ohne dannoch, daß die Landstände zu deren Lieferung nicht wollen verbunden seyn, es sey dann, was durch Vorschreiben und Direction befördert werden kann. Und damit die bisher bey der Collation verspürte Unordnung und unnötigen Kosten so viel möglich ins künftige vermieden und aufgehoben werden mögen, haben Ihro Hochgräfliche Gnaden sich mit Dero Landtständen dahin vereinbaret, daß alle eingewilligte Landkosten, ausgenommen die bereits verteilte hundert tausend Reichsthaler, welche die Quartiere selbst bezalen, und die Bezahlung dem Buchhalter anzeigen sollen, unter den Kirchspielen, Bauerschaften und Stätten pro Quota getheilt, und an Händen eines
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Buchhalters, der von Ihro hochgräfiichen Gnaden mit der Landstände Belieben dazu bestellet werden solle, durch die Bauerschulten oder andere verordnete Interessirten alle Quartale sollen eingeliefert werden. Auch alle Jahr um desto mehrere Richtigkeit zu erhalten, eine Convocation der Landstände geschehen. So viel enthalten die Ueberbleibsel von der almäligen Entstehung der heutigen Form Bentheimischer Landtage und Landstände, welche auf die ehemaligen Markengerichte und Burgmänner folgten. Die durch die Münsterischen Einmischungen entstandenen Zerrüttungen wurden durch die noch unter der Regierung dieses Grafen Ernst Wilhelms errichteten Concordate und nachher durch das Laudum regium glücklich gehoben; jedoch von diesen Grundgesetzen des Gesamthauses uud der Grafsch. Bentheim hernach.
§. 18.
Die Gräfin von Bentheim hatte nun den Schutz der General Staaten der Vereinigten Niederlande nachgesuchet, und erhielt denselben, für sich und ihre Kinder, zugleich mit einer anständigen Versorgung, durch eine Resolution derselben vom siebzehnten Julio 1669, worin auch auf Vortrag der Deputaten der Provinz Oberyssel, als ersten Landstand der Grafsch. Bentheim, betreffend die Thätlichkeiten und Excesse des Herrn Bi-
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schofes zu Münster gegen den Herrn Grafen von und die Grafsch. Bentheim, wie auch die unfreundliche Behandlung der Frau Gräfin, beschloßen wurde, die Gräfin zu disponiren, daß sie dem Grafen das ihr und ihren Kindern zugefügte Unrecht in geziemenden Ausdrücken schriftlich vorstellen, übrigens aber sich bereit erklären mögte, die eheliche Gemeinschaft mit Ihm fortzusetzen und mit ihren Kindern zurückzukehren, wenn ihr nur hinlängliche Sicherheit zuvor gegeben würde, daß sie oder die Ihrigen nicht wieder sollten verführet und die Kinder bis zu ihrer Großjährigkeit bey der Ausübung der Reformirten Religion ungestört gelaßen werden. Die Provinz Oberyssel sollte bey ihren Rechten in der Grafschaft geschützet und der Graf begehret werden, zur Abstellung der in der Grafschaft vorgegangenen Neuerungen einen Landtag zu berufen. Die Gräfin hatte schon den sechsten März des nemlichen Jahrs auf eine ihr insinuirte Anklage ihres Eheherrn, worin sie der böslichen Verlaßung desselben, und der Entwendung seiner Kinder beschuldiget wurde, ihr auch auferlegt ward, sich binnen vierzehn Tagen zu Bentheim wieder einzustellen, und Seine Hochfürstliche Gnaden zu Münster als Kaiserlichen Protector zu ersuchen, ihre Versöhnung mit ihrem Eheherrn zu bewürken, in einer aus dem Grafenhaag datirten Supplik an den Grafen vorgestellet: Wie ihm, Hrn. Grafen selbst seine Residenz zu Bentheim verweh-
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ret worden, sie, Gräfin, auch mit Gewalt davon geholet worden wäre, worauf sie zu Münster als eine Gefangene behandelt worden und ihr Gemahl nicht zu ihr gelaßen wäre, so daß sie in der Flucht ihr Heil hätte suchen müßen, mithin einer böslichen Verlaßung ihres Eheherrn, so wenig, als der Entwendung seiner Kinder nicht könnte beschuldiget werden; da ihr mütterliches Gewißen sie zwinge, zu verhindern, daß die Kinder zu keiner andern Religion mögten gebracht werden. Uebrigens bäte sie den Grafen, ihr einen sichern Ort zubestimmen [sic!], wo sie ihm zu Fuße fallen und sich von allen auf sie geworfenen Beschuldiguugen [sic!] reinigen könnte. Des nämlichen Inhaltes waren mehrere Privatbriefe der Gräfin an den Grafen. Die General-Staaten reinigten sich in einer dem Kaiserlichen Gesandten zugestellten Resolution vom fünften September l670 von der auf sie geworfenen Beschuldigung, als ob sie dem Grafen von Bentheim seine Kinder vorenthielten, denen sie mit ihrer Frau Mutter keinen Aufenthalt in ihrem Gebiete verweigern dörften, noch auch eine leidende Partey kränken könnten, bis die Sache, die sie, General-Staaten, gerne vermitteln mögten, durch Urteil und Recht entschieden wäre, wobey sie zugleich die wahre Beschaffenheit der Bentheimischen Angelegenheiten einiger maaßen entfalteten. Die Gräfin von Bentheim übergab 1673 den 20 October durch den nachherigen Oberstleutenant und thätigen Freund
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ihrer Kinder G. Bachman ein sehr nachdrückliches Memorial an die Gesandten des Friedens-Congresses zu Köln, woraus erhellet, daß auch der älteste Sohn der Gräfin zugleich mit der Mutter die beweglichsten Briefe an seinen Vater geschrieben, worin aber die Beschwerden der Grafsch. so wohl als die der Gräfin von Bentheim über die Münsterischen Gewalttätigkeiten und die besten Vorschläge zu deren Abstellung u. zur Wiedervereinigung des gräflichen Ehepaars enthalten waren, so wie darin angeführet wurde, daß die Gräfin auch die Mediation des Kaisers und der Reichsfürsten angerufen hätte. In dem sechsten Artikel des Friedens Instrumentes vom 22 April 1674 wurde darauf Folgendes bestimt: „In diesem Frieden und Amnestie soll mit begriffen werden das Haus und Familie der Grafen von Bentheim, dessen Bediente, Vasallen u. Unterthanen, und Welches ihm bey diesem Krieg ist entnommen worden. Der obgemeldte Herr Graf soll ohne einige Verhinderung, gleich andern Ständen des Reichs genießen und gebrauchen seine Rechte und Regalien, und soll geruhiglich werden gelaßen unter der Protection von seiner Kaiserlichen Majestät und des Reichs, und nach Ratification dieser Tractaten sollen beiderseits Parteyen bey seiner Kaiserlichen Majestät dahin arbeiten, daß der Friede, Securität und sonderlich die Ehebeywohnung in der Familie werde wieder hergestellt und befestiget, bleibende dan-
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noch zu allen Zeiten vorbehalten und bedungen die Kaiserliche Jurisdiction.”
§. 19.
Diesem Friedens-Schluße ganz zuwider erklärte der Bischof von Münster 1678 den 8ten Junii die Ehe des Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim mit Gertrud von Zelst für ungültig, so daß der Graf zur andern Ehe schreiten könnte; zur Ursache dieses Verfahrens wurden die Gutachten mehrerer Theologen und Canonisten angeführet, die also zu Richtern in Ehesachen Protestantischer Reichsstände, die Catholisch wurden, und der protestantisch gebliebenen Ehegenoßenen, gemacht wurden, welches die Bischöfe selbst nach dem Westphälischen Frieden nicht mehr waren. Uebrigens hat kein Pabst öffentlich diese Ehe getrennet, und hätte Ers gethan, so wäre der Päbstliche Hof durch die Münsterischen Vorstellungen irre geführet worden, hätte es eine Ehesache unter Catholischen betroffen, worauf dann alle rechtliche Mittel dagegen würden ergriffen worden seyn. Es fehlte aber so viel daran, daß alle catholische Theologen den vorliegenden Fall zur Ehescheidung geeignet gefunden haben sollten, daß selbst der catholische Pfarrer zu Bentheim Ludwig Corn, ein Münsterischer Jesuit, der Gräfin von Bentheim geschrieben hatte, ihre Ehe könnte platterdings nicht getrennt werben, weswegen er von
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seiner Pfarrey entsetzet wurde. Indessen wuste es der Fürstbischof zu Münster zu bewürken, daß die Gräfin von Bentheim durch ein Urtel des Kaiserlichen ReichsHofraths [sic!] vom 17 April 1679 ihrer aus der Heyraths Verschreibung zustehender Jurium, auch deren jemals erlangten Kaiserlichen Gnaden, insonderheit des Grafenstandes verlustig erkläret wurde. Dabey erreget es Nachdenken, daß so wenig in jener Ehescheidung, als diesem Urteile, die Succeßions-Rechte der gräflichen Bentheimischen Söhne angetastet waren, welche auch nicht dadurch leiden konnten, wenn auch ihre Mutter ihren Vater böslich verlaßen hätte. Indessen vermälete sich der Graf Ernst Wilhelm von Bentheim würklich anderweit mit der Gräfin Isabella von Limburg Styrum zu Gehmen; die Gräfin von Bentheim protestirte dagegen nicht nur, in ihrem u. ihrer Söhne Namen, vor dem holländischen Justizhofe im Haag den 5. Aug. 1678, welche Protestation die General-Staaten dem Grafen von Bentheim insinuirten, sondern auch in zweyen Briefen an die verwitwete Gräfin von Bronkhorst und Styrum, gebohrne Gräfin von Vehlen und Meegen, Mutter der erwähnten Gräfin, wie auch in einem Schreiben an den Oheim der Letztern, den Grafen Ferdinand von Vehlen und Meegen. In jenen Protestationen wurden schon höhere Ausdrücke von Ehebruch u. d. m. und Drohungen gebrauchet, daß die vier junge Bentheimische Herrn Grafen, da
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Einer derselben bey ihrer Entfernung in England gestorben war, wovon der Aelteste beynahe schon das achtzehnte Jahr erreichet hätte, ihre Rechte schon behaupten würden. Die Gräfin von Bentheim starb zwar bald darauf im Haag vor Graam, nachdem sie den General-Staaten die Sorge für ihre Kinder aufs dringendste empfohlen hatte u. wurde anständig begraben, so wie sie anständig in der Stille gelebet hatte, es starb aber auch im nämlichen Jahre 1678 der Fürstbischof von Münster Christoph Bernard von Galen, und die junge Bentheimische Herrschaft fand die nachdrücklichste Protection an dem Könige von England u. Statthalter von Holland Wilhelm dem Dritten Prinz von Oranien Nassau.
§ 20.
Obwohl nun der Graf von Bentheim noch immer unter Münsterischer Dependenz blieb, so waren doch die Bentheimischen Verwirrungen aufs höchste gestiegen, und der Tod jenes Münsterischen Fürstbischofes hatte einen Raum zu deren Abhelfung gegeben. So kamen dann zwischen dem Grafen Ernst Wilhelm und den Deputirten Ständen A. H. von Raesfelt, A. C. von Etzbach und Adolph Otto von Hövel in achtzehn Artikeln entworfene und zu Bentheim 1680 am 6ten Mai unterschriebene und besiegelte Concordaten zu Stande. In deren Eingang heißt es: „Ihre
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hochgräfliche Excellenz der hochgebohrne Graf u. Herr, Herr Ernst Wilhelm Graf zu Bentheim etc. unser gnädiger Herr, thun kund und zu wißen, demnach bey dem von Seiner Excellenz jüngst auf den l9ten Decemb. 1679 zu Schüttorf gehaltenen Landtag verabredet und recessirt worden, daß sie, ihre deputirte Landstände, gegen den 6. Januarii laufenden Jahres 1680 zu Bentheim sich einfinden, die geführte Landsrechnung revidiren und examiniren, und zugleich mit Zuziehung derselben, einige heilsame Lands-Ordnungen aufgerichtet werden sollten, und dann von gemeldten Deputirten nach vorgegangener Revifion [sic!] deren Rechnungen, verschiedene eingerißene Mißbräuche und Fauten, woraus allerhand schädliche Confusiones und Unordnungen im Lande entstanden, in Untertänigkeit vorgestellet, und um deren Abschaffung und künftige Remediirung, zu Volthuung des Schüttorfschen Recesses und ihrer Commission gebeten worden, Ihro hochgräfl. Excellenz auch zu solcher Abschaffung, wie nicht weniger die Ruhe und Wohlfart ihrer lieben Untertanen und eine beständige gute Harmonie und Einigkeit zwischen Haupt und Gliedern zu beförderen, von selbst geneigt seyn, daß Sie dahero ihren Land und Leuten zum Besten und Aufnehmen, in Kraft Landesherrlicher Obrigkeit, folgende Puncten, Ordnungen und Reglementen einrichten laßen u. s. w. Und zwar erstlich versprechen Ihro hochgräfliche Excellenz und verbinden sich hie-
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mit am kräftigsten und beständigsten, daß Sie die Landgelder und Landsmittel nicht anders, als wozu sie durch die Stände eingewilliget, nämlich zu Abtilgung der Schulden des Landes und anderer gemeinen Landbeschwerden verwenden, noch zu anderweitiger Verwendung, im Kleinen oder Großen, directe oder indirecte, durch sich selbst oder durch Andere Ursache geben, und cooperiren; sondern deren Dispensation nach denen Lands-Empfängern und Receptoren vorgeschriebenen Reglement und Instruction, allerdings laßen, und darin, unter was Namen, Prätext der Nothwendigkeit, oder Schein des gemeinen Bestens, oder dergleichen sonst erdenklichen Vorwand und Prätension es immer seyn mögte, keinen Eingrif thun werden.” Nach dem zweyten Artikel sollten kein General und keine Special Empfänger ohne Zuziehung und Consens der Landstände angestellet werden I). Diese Empfänger sollten mit keinen einseitigen Landesherrlichen Recommendationen um Diesem oder Jenem voraus und ein Mehrers zu zalen, oder mit Assignationen und Präliminaren und Antecipativen Befehlen nicht be-
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I) Nach dem Regulative neuerer Zeit präsentiren die Herrn Landstände zu den vacanten LANDES Bedienungen, wobey in Rücksicht der Religionen die Alternative statt hat, drey Subjecte, woraus der Landesherr Eins wälet.
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schwehret, noch auch wegen nicht Parition solcher Befehle mit Ungnade, Absetzung und starker Execution bedrohet, oder damit gegen dieselben nicht verfahren werden. Nach dem dritten Artikel sollen der General Landes und die Empfänger jeden Gerichts Caution für die Receptur eines jeden Jahres stellen, uud [sic!] dem Landes-Herrn und Ständen einen im Reglement der Receptoren vorgeschriebenen Eid ablegen. Nach dem Vierten sollen keine Kapitalien dem Register der Landsschulden, unter welchem Prätext oder Prätension es immer seyn möge, inserirt, und auf das Land geschlagen werden. Nach dem Fünften sollen auf die Landgelder, oder einige Landesmittel, unter welchem Prätext es auch seyn möge, ohne Belieben derer sämtlichen Stände keine Remissionen gegeben werden, sondern diejenigen, so aus erheblichen Ursachen Remissionen zu bitten befugt, nach den ordinären desselben Jahres Landtag hingeschrieben und verwiesen werden u. s. w. Im sechsten Artikel heißt es: „Nebenschatzungen, Verhöhung der Landgelder — oder andere Auflagen, — wie die immer einen Namen haben, sollen ohne Zuziehung Jhrer Excellenz und Bewilligung der sämtlichen Landstände, unter was Prätension, Namen, Schein oder Prätext der Nothwendigkeit oder gemeinen Besten es auch immer seyn möge, in dem Lande nicht ausgesetzet oder gehoben werden.” Zufolge des siebenten Artikels sollte jährlich ein Landtag gehalten werden
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den und jedem Landstande drey Wochen vorher ein Landtagsbrief geschrieben werden u. s. w. Der achte, neunte, zehnte, eilfte und zwölfte Artikel betrift die neuen Zuschläge aus den gemeinen Gründen und die Schaaftriften auf gemeinen Weiden. Solche neue Zuschläge sollten nur mit Bewilligung der sämtlichen Landesstände und interessirten Gutsherrn gemacht, von solchen nicht das ganze Land, sondern die Bauerschaften allein, darin solche Gründe zugeschlagen, das Landgeld, und zwar ein jeder Bauermann nach Proportion seines dadurch erlittenen Schadens genießen. Keine neue Schaaftriften sollten hinfüro ohne der Interessierten Consens verkauft werden, auch sollten Diejenigen, welche von Alters zu Schaaftriften berechtiget, über ihre Anzahl keine halten, und dafern zum Präjudiz Eines oder Anderen einige Schaaftriften ohne der Interessirten und Landstände Bewilligung vergönnet wären, sollte darin remediirt werden. Zu Folge des dreyzehnten Artikels sollten die Landstände dem alten Herkommen gemäs [sic!], wegen deren zu ihrem eigenen Behuf und Haushaltung benötigter Sachen, ohne daß sie damit Kaufmannschaft treiben, oder durch Andere treiben ließen, zollfrey seyn. Nach dem Vierzehnten sollte die Repartition der Quartiere und einlogiirenden Miiz ohne deren Ständen Zuziehung und Vorwißen nimmer mehr geschehen. Gemäß des Fünfzehnten könnten Ihro E>cellenz allein als Landesherr
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von jedem Bauersmann jahrlich [sic!] zwey Spanndienste in natura nämlich bey Gras und Stroh binnen Landes fordern, von welchen Diensten gleichwohl deren Landstände und andere Meyere, so von Alters her davon exemt, befreyet bleiben sollten. Die Richtere mögten die Bauersleute wohl um einen Dienst bitten, aber selben keines Weges als ihnen competirend fordern. Alle übrige Hand- und Wagendienste der Landesherrlichen Bediente und Vögte sollten aber hiemit abgeschasset seyn. Nach dem sechszehnten und siebzehnten Artikel sollten die ohne Belieben der samtlichen [sic!] Ländstande angenommenen neuen Landesbediente, als Land-Hauptmann und Landführer abgeschaffet seyn, u. solche oder dergleichen neue Bediente, so aus des Lands Mitteln, oder von den Eingeseßenen salariirt werden, sollten ohne Bewilligung deren sämtlichen Ständen inskünftig nicht wieder angestellet werden. Nur Landes-Vermessungen [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Neue Landes-Vermessungen] sollten ohne Belieben deren sämtlichen Ständen niemals vorgenommen werden. Der achtzehnte und letzte Artikel verordnet eine durchgehende Gleichheit in denen Landgeldern, Schatzungen, Bauerschaften Lasten u. s. w. und endiget mit dem Worten: „Ihre Excellenz wollen auch auf gehorsames Ansuchen Dero Ständen wegen der hochschädlichen Schaafs‑, Torfs‑, Flachs- und dergleichen Maale, wie auch die übermäßigen Hochzeiten und Kindtaufen so wohl in denen Städten als auch Dörfern und platten Lande sichere pönal Inhibi-
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tion und Anordnungen ergehen laßen.” Dann folget das Reglement für den General und die Speciale Receptoren. Der General-Empfänger sollte die Creditoren nicht über zwey Monate nach ihren Zalungs Terminen warten laßen, mit dem Empfange der Landesherrlichen Domäne Nichts zu thun haben, in der Mitte der Grafsch. zu Nordhorn oder Neuenhaus wohnen. Bey Abstattung der Rechnung sollten der General-Empfänger und andere Rendanten alle Jahre drey originale Rechnungen fertig haben, und eine davon an Ihre Excellenz, die andere an die sämtlichen Standen übergeben, und die dritte für sich behalten u. d. m. Nach diesem Reglement wurden von Ihro Excellenz, mit Zuziehung und Bewilligung der Ständen, zum Landes-Receptor ernant Herman von Gesseler, zum Receptor Kirchspieles Schüttorf, Ohne und Bentheim Gerhard Bolsing, zum Receptor Kirchspieles Gildehaus Wermold Stürmann, zum Empfänger Kirchspieles Nordhorn Lübbert Overesch, zum Receptor Kirchspieles Uelsen Hermann von Gesseler, zum Empfänger Kirchspieles I[)] Velthausen Alexander Hölling, zum Receptor Kirchsp. Emblicheim — —
Wegen der Schatzung Execution Ordnung wurde die in Druck verfaßte Executions Ordnung zur Richtschnur angenommen. Die vorigen
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I) Und auch wohl des Kirchspieles Neuenhaus.
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Pfander sollten wegen ihrer groben Excessen aus ihrer Excellenz Verordnung abgeschaffet, und an deren Platz Andere angestellet werden, auch den Eingeseßenen wegen ihrer verübten Excessen Satisfaction wiederfahren. Zur Untersuchung und Entscheidung dieser und anderer Angelegenheiten, zur Aussetzung auf das Land, Vieh und andere Sachen wurden an Seite des Ländesherrn det Rath und Hofrichter Doctor Balke und der Landes-Empfänger Doctor Gesseler, und an Seite der Herrn Stände Herr von Etzbach zu Langen, Bürgermeister Lubley und der Syndicus Doctor Wiedenbrügge ernant. Zuletzt wurde noch beschloßen, daß die Gerichts-Ordnung, ehe sie gedruckt würde, noch einige Zusätze und Verbeßerungen erhalten, und von den hochgräfiichen Räthen und Londsyndicis [sic!] revidirt werden sollte. Das Hofgericht sollte mit Belieben deren sämtlichen Landständen mit den adelichen Assessoren von Etzbach zu Langen und von Hövel zu Ravenshorst, dem Hofrichter Doctor Balke und gelehrtem Assessor Doctor Riccius, wie auch mit dem Secretär Bippen besetzet bleiben, und denselben der Hofgerichts-Pedel Dieterich Wernink zu gewöhnlicher Gerichtszeit und sonsten auf jeweiliges Erforden [sic!] aufwärtig seyn. Dann heißt es: „Welche alle vorhergehende Puncten der Concordaten und Ordnungen, wie auch den zu Schüttorf am 19 December 1679 aufgerichteten Landtags-Receß Ihre Hochgräfl. Excellenz zu Bentheim an
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einer, und die sämtliche Landstände an anderer Seite geloben Ihr und Ihrer Posterität zu beständiger Harmonie fest und unverbrüchlich zu halten. Und im Fall an Seiten Ihrer Excellenz ohnverhoffentlich dagegen Etwas gehandelt und unternommen würde, so sollen alsdann die Landstände sämtlich oder ins besonder selbes Ihrer hochgräfl. Exellenz mögen remonstriren, um darüber Kost und Schadlose Remedirung und Vergütung zu thun. Welche wann gegen alles Verhoffen innerhalb vierzehn Tagen nach geschehener Remonstration von Ihrer Ercellenz nicht geschehen und erfolgen würde, so placidiren Dieselbe alsdann hiermit, daß die Landstände selbsten, wegen solcher remonstrirter und nicht remedirten Excessus Kost- und Schadlose Remedur und Vergütung thun mögen. Wogegen die sämtliche Landstände sich wiederum hiermit verbinden, daß sie als getreue gehorsame und redliche Stände sich gegen hochgedachte Ihre Excellenz jederzeit aller Redlichkeit und Billigkeit nach tragen und erzeigen wollen.” Aufm Bentheimischen Landtage vom 22. Julio wurden diese Concordaten nochmals allerseits genehmiget und noch von den fehlenden Landständen unterschrieben: Namens der Herrn von Rhede zu Brandlegt Herm. von Mitdachten Doctor; Namens der dreyen Städten except den Punct der Zuschläge und neuen Landgeldes, Arnold Hermanssen, C. Wientjes, E. Lubley; P. von Ripperda; I. G. F. von Beyern;
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Adam von Etzbach; Lud. Dodo von Laer; Joannes Vronhoven Prior; Gerard Helwig Amtmann; vidimirt durch den Landes Syndicus J. H. Schürman. Nur wurde der Artikel von der Zollfreiheit der Herrn Landstände des auswertigen Herrn von Bevern zu Devesborg im Münsterischen wegen ausgestrichen, um den auswertigen Ständen vor den Einheimischen kein Präjudiz zu verursachen, der Punct wegen der neuen Zuschläge aber bis zum nächsten Landtage verschoben.
§. 21.
Waren nun wohl die Landes-Angelegenheiten der Grafschaft Bentheim durch diese Concordaten wieder ins alte Gleise gebracht, und blieben sie wohl so ziemlich darin, so lange der Graf Ernst Wilhelm lebte, so wurden doch die traurigen Verwirrungen im Gräflichen Hause immer größer. Die zwischen diesem Grafen und seiner zweiten Ebegemalin, der Gräfin von Limburg Styrum zu Gehmen, geschloßenen Ehepacten wurden den 17. April 1679 vom Kaiserlichen Reichs-Hofrathe, wobey der verstorbene Alles dort vermögende Fürstbischof von Münster diese Sache schon eingeleitet hatte, zwar bestätiget, aber doch immer erst nach dem Absterben seiner ersten Gemalin. Der Graf von Bentheim mußte eine förmliche Successions Erklärung zum Besten seines Vetters des Grafen Arnold Moritz Wil-
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helm von Steinfurt, zu Folge seines dessen Vater und seinem Bruder Philip Conrad bereits geschehen seyn sollenden Versprechens den 30. Mai 1679 ausstellen; welches der von Nichts unterrichtete Churfürst Friederich Wilhelm von Brandenburg am ersten Julius, als Vormund des minderjährigen Grafen von Steinfurt bestätigte, ohne daß Solches von den beßer unterrichteten General-Staaten, als Mitvormündern geschehen konnte. Ja der völlig von Münsterisch Steinfurtischen Anhängern regierte und in seinem Alter auch mit Körperlicher Blindheit geschlagene Graf Ernst Wilhelm von Bentheim erklärte den 13. Mai 1686 seine erste Ehe mit seiner seeligen Gemalin, wider alle seine eigene gegen seinen verstorbenen Bruder Philip Conrad von Steinfurt beym Reichs-Hofrath und sonst ehemals erlaßene Protestationen, für morganatisch, seine Söhne daher für unfähig zur Succession in die Regierung, ja enterbte sie sogar völlig, weil sie mit ihrer widerspänstigen Mutter zugehalten und eine Schrift sogar in Person heym [sic!] Bentheimischen Landtage und sonst übergeben und bekannt gemacht hatten, worin seine zweyte Ehe für einen Ehebruch und Er selbst für einen Ehebrecher ausgemacht wäre, wandt demnach seine gänzliche zukünftige Nachlaßenschaft seinem Vetter, dem Grafen Arnold Moritz Wilhelm von Steinfurt zu, und nach demselben den im nächsten Grade folgenden Grafen Johann Adolph und Friedrich Mauritz von Tecklenburg,
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als Agnaten, welches vom Kaiser den dreyzehnten December bestätiget ward, jedoch mit der Clausel: den vorhin erworbenen Kindern an ihren Rechten und Gerechtigkeiten unvergriffen und unschädlich. Wobey noch eine Kaiserliche Protection vom nämlichen Dato des Grafen Ernst Wilhelm zu Bentheim Kaiserlichen Kämmerers und Reichshofraths, und dessen designirten Erben Arnold Moritz Wilhelmen Grafen zu Steinfurt gefüget, und solches Protectorium dem damaligen Churfürsten zu Köln als Bischofe zu Münster übertragen ward. Diese Vereinigung der Münsterischen mit der Steinfurtischen Partey war durch die Annahme der catholischen Religion des Steinfurtischen Grafen Arnold Moritz Wilhelm erfolgt, der sich mit der Gräfin Francisca von Manderscheid vermälete, wohingegen der Graf Ernst Wilhelm von Bentheim in einem Alter von zwey und fünfzig Jahr mit seiner zweyten zwanzigjährigen Gemalin zwar verheuratet war, aber nur eine Tochter Eleonora Magdalena nachherige Gräfin von Virmund damit erzeuget hatte, so viele Mißhelligkeiten diese zweite Gemalin des Grafen von Bentheim, nach dessen Tode, wegen ihres Wittumes auch verursachte, und eine Art von dritter Partey zwischen den Bentheimischen jungen Grafen erster Ehe, und dem Grafen von Steinfurt ausmachte. Der Uebergang des Grafen von Steinfurt zur Catholischen Religion entzog ihm aber den
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Schutz seines vormaligen Vormundes, des Churfürsten von Brandenburg, dem Er hoch u. theuer versichert hatte, seine Religion nicht verändern zu wollen. An diesen Churfürsten wandten sich nun die vier Bentheimischen Gräflichen Söhne, Ernst, Christoph Bernard, Arnold Jobst und Statius Philip, die sich in Kriegsdiensten der General-Staaten zu Wasser und zu Lande schon hervor gethan hatten, worauf nicht nur, gedachter Churfürst, sondern auch die sämtlichen Evangelischen Churfürsten, Fürsten und Stände sich am Reichstage zu Regensburg 1686 für sie verwendeten. Hatte der Graf von Steinfurt sich nun auch wohl um den Schutz des Königes von Frankreich beworben, nnd wurde die Bentheimische Successions Sache immer mehr von beiden Theilen als eine Religions Angelegenheit im Teutschen Reiche, und an den ersten Höfen Europens, zu dieser Zeit betrachtet, so erkante der Kaiser doch endlich 1687 eine Commission dieser Bentheimischen Händel wegen auf den Herzog Ernst August zu Braunschweig Lüneburg, Bischof zu Osnabrück und auf den Fürstbischof Herman Werne zu Paderborn. Diese trachteten nun die Bentheimischen jungen Grafen, da man am Kaiserlichen Hofe die Grafsch. Bentheim in catholische Hände zu bringen suchte, bald mit der Grafschaft Limburg, bald mit den Herrlichkeiten Alpen und Wevelinghofen nebst den Hawickerwerter Gütern und Geldsummen, dann auch mit der Graf-
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schaft Steinfurt, für Bentheim zu befriedigen. So sehr die Bevolmächtigen der jungen Herrn Grafen sich auch immer auf ihr Successions-Recht in Bentheim beriefen, entwarfen doch die Subdelegirten jener Kaiserlichen Commissarien am 17ten Julii 1699 zu Bielefeld acht Vergleichs Artikel, in deren ersten es heißet: „Daß auf dem mit Herrn Grafen Ernst Wilhelm, Grafen zu Bentheim etc. etwa begebenden und in Gottes Händen stehenden Todesfall, dem Herrn Grafen Arnold Mauritz Wilhelm, Grafen zu Bentheim-Steinfurt in der Grafschaft Bentheim und dero eigentlicher Zubehör, samt allen Herrschaftlichen Juribus u. Rechten zur Regierung succediren, und ihm dieselbe gelaßen werden solle; welchem sodann, um dieselbe PURE JURE SANGUINIS ET AGNATIONIS anzunehmen und zu besitzen freygestellet wird.”
So suchte man sich Steinfurtischer Seite aus aller Verlegenheit zu retten, daß man seinen Zweck in der Hauptsache erreichte, die Grafsch. Bentheim zu erhalten, ohne die erste Ehe des Bentheimischen Grafen Ernst Wilhelms in Ernst für eine Ehe zur linken Hand, oder ins Gut und nicht ins Blut, ausgeben, ohne sich mit Rechts Bestand auf Verfügungen dieses Grafen zum Nachteile seiner Kinder, und zum Besten des Hauses Steinfurt, berufen zu können. Der zweite Artikel lautet: „Dahingegen denen vier gräflichen Bentheimischen Söhnen auf deren oberwähn-
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ten Todesfall dero Herrn Vaters, die Grafsch. Steinfurt, wie sie anjetzo mit allen Rechten von dem Herrn Grafen Arnold Manritz Wilhelm, possedirt, genützet und gebraucht wird, oder auch mit Fug genutzet werden mögte I) zur Gräflichen Regierung soll überlaßen und eingeräumet werden.” Der dritte Artikel bestimmet: „Daneben aber denen vier gräflichen Bentheimischen Söhnen das NÄHERE Successions-Recht an der Grafschaft Bentheim dergestalt bevor bleiben soll, wann etwa über kurz oder lang, Herr Arnold Mauritz Wilhelm, oder dessen MASCULI DESCEDENTES, ohne mänliche Leibes Lehens Erben abgehn würde, Jene alsdann, oder deren mänliche Leibes Lehens Erben, nach dem Fuß, des von Zeit zu Zeiten von Röm. Keiserl. [sic!] Majest. auch noch letzt [sic!] in Anno 1662 bey der Gräflichen Bentheimischen Belehnung confirmirten alten PACTI SUCCESSORII und Erbvereinigung de Anno 1487, als welches hiemit unter den gräflichen SUCCESSORIBUS wieder erneuert, und zu seinem völligen Valor wieder angenommen wird 2), in die gedachte Grafschaft Bentheim succediren, und
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I) Zielet auf die Münsterischen Eingriffe im Steinfurtischen Gebiete.
2) Oder vielmehr verletzet wird, denn nach dieser Erbvereinigung mußte der Bentheimische Mannsstamm in Bentheim, der Steinfurtische in Steinfurt succediren, und nicht umgekehrt.
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in dero Regierung immediate folgen sollten.” [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: sollen] Nach dem vierten Artikel sollten die vier gräflichen Bentheimischen Söhne in den Bentheimisch. Lehns Investituren, zur gesamten Hand mit begriffen, auch sollte in den Bentheimischen Huldigungs Eiden diese Successions-Ordnung mit ausgedrücket werden, wie wechselseitig in Rücksicht des jetzigen Grafen von Steinfurt wegen Steinfurt statt finden sollte u. s. w. Der Punct wegen der Alimenten, da die Bentheimischen jungen Herrn Grafen auf Kosten der General Staaten erzogen waren, wurde ausgesetzet, wobey die Steinfurtische Partie versprach, sich billig finden zu laßen, dann sollte Steinfurt auf alle vorherige Verfügungen zum Nachteile der gräflichen Bentheimischen Söhne, wie beide Theile auf den beym Kaiserlichen Reichs-Hofrate hängigen Rechtsstreite Verzicht leisten.
So überzeugt war man, auch beym Kaiserlichen Reichs-Hofrathe von der Volgültigkeii der Ehe des Vaters der jungen Grafen von Bentheim mit deren nun verstorbenen Mutter, von der Rechtmäßigkeit der Standes-Erhöhnng der Letzteren, wie vom Successions-Rechte der jungeu [sic!] Herrn Bentheimischen Grafen an die Grafschaft Bentheim, und hob alle spätere den ersteren widerstehende, so sehr schwankende, auf unwahren Vorstellungen beruhende und durch Vorbehaltungen eingeschränkte Verfügungen, durch wiederher-
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stellende Verordnungen auf. Die Steinfurtischen Bevolmächtigten nahmen diesen Bielefeldischen, ihrer Partey nur zu günstigen, Vergleich gerne an.
Auf Vorstellung der Bentheimischen Bevolmächtigten hingegen, obschon ihnen die Kaiserlichen Subdelegirten vorgestellet hatten, daß die Grafsch. Steinfurt so gut, wenn nicht beßer wäre, als die schwehr verschuldete Grafschaft Bentheim, daß sie beordert wären, von der Grafsch. Bentheim keines Weges abzustehen, erklärten die Kaiserlichen Subdelegirten, daß dieser vorgeschlagene Vergleich, wenn er nicht genehmiget würde, als nicht entworfen angesehen werden und keinem Teile an seinen Rechten schädlich seyn sollte. Noch wurde von den Kaiserlichen Subdelegirten den Bentheimischen Grafen nebst der Grafschaft Steinfurt die Herrschaft Alpen angeboten, auch wurde vorgeschlagen, ob dieselben nicht auch noch die Chur-Brandenburgische Pfandschaft von achtzehn tausend Reichsthalern auf den Zehnten zu Wesel erhalten könnten, worauf die Steinfurtischen erwiederten, diese Vorschläge ihren Herrn Principalen, in so weit die Herrschaft Alpen beträfe, annehmlich vorstellen zu wollen, wenn die Bentheimischen Grafen den Bielefeldischen Vertrag unbedingt genehmigen würden. Letzterer Bevolmächtigte und Curatoren wurden zur Annahme dieses Vergleiches durch die Verwen-
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dung der Catholischen Churfürsten, Fürsten und Stände, den Worten nach zum Besten des betagten Grafen Ernst Wilhelms von Bentheim, beym Kaiser, und durch den Credit, den die Verwanten der Gräfin von Bentheim, womit der Graf von Steinfurt, nach seiner Annahme der Catholischen Religion, und nach des Bentheimischen Grafens bald zu erwartenden Absterben vermälet werden sollte, am Wiener Hofe hatten, von welchem Allen der Gesandte der General-Staaten, wie des Englischen Königes und Holländischen Statthalters, Wilhelms des Dritten, am gedachtem Hofe Wißenschaft erhalten und gemeldet hatte, daß am Kaiserlichen Reichs-Hofrathe die Sache sehr verzögert und endlich für die Bentheimischen jungen Grafen, so viel die Succession in die Grafsch. Bentheim beträfe, wohl kein günstiges Urteil erfolgen würde, auch endlich bewogen. Dazu kam, daß der Graf von Steinfurt gewißermaßen mit dem alten Grafen von Bentheim schon im Besitz der Grafsch. Bentheim war, woraus die jungen Bentheimischen Grafen hingegen, so lange ihr Vater lebte, entfernt gehalten wurden, wie es ihnen auch an den Proceskosten ermangelte; so sehr auch der König von England und Statthalter von Holland, Wilhelm der Dritte, dem die Oberysselischen Staaten die Oberysselischen Domänen im Bentheimischen mit der darauf haftenden Landtagsstimme, nebst dem Lehnrechte über Lingen und über das Bentheimische Neuenshaus
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mit dem Zubehör übertragen hatten, auch gegen alle Bentheimische Mitregierung des Grafen von Steinfurt, in seinen erwähnten Eigenschaften, protestiret hatte. So wurden dann folgende jenen oben erwähnten Bielefeldischen Vergleichs Artikeln I) zugefügte Puncte am achten Mai oder acht und zwanzigsten April 1691 von den beiderseitigen Bevolmächtigten genehmiget: „Denen vier Gräflichen Bentheimischen Söhnen als gebohrnen Grafen zu Bentheim, Tecklenburg, Steinfurt und Limburg etc. sollte auf den Todesfall dero Herrn Vaters, die Grafschaft Steinfurt, wie sie anjetzo mit allen Rechten von dem Herrn Grafen Arnold Mauritz Wilhelm in Allodialen u. Lehnen beseßen, genutzet und gebrauchet würde, oder auch mit Fug genutzet und gebrauchet werden mögte, zur gräflichen Regierung überlaßen und eingeräumet werden; da auch der Graf von Steinfurt die Herrlichkeit Alpen und Hawickwerter Güter anjetzo mit besäße, daneben drey jährliche tausend Reichsthaler aus der Grafschaft Bentheim zu erheben hätte, so sollte selbige dreyerley Stücke ebenmäßig, und zwar in ihrem Zustande CUM COMMODO ET ONERE, und ohne daß sie von nun an weiters zu graviren und zu beschwehren seyn, denen vier gräflichen Bentheimischen Söhnen samt denen darüber in Händen habenden Urkunden und Documenten mit abgetreten werden.”
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I) Vom siebzehnten Julio 1690.
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Weil indeßen die Gräflich Bentheimischen Söhne sich noch verschiedenes wegen ihrer Alimenten bis zum Tode ihres Vaters vorbehalten hatten, so gab es noch Schwierigkeiten zu überwinden, ehe sie diese Vergleichs Puncte, zu deren Abschliessung ihre Bevolmächtigte keinen bestimmten Auftrag gehabt hatten, ratifiziren wollten. Ohne es zu wollen, that man Münsterischer Seite daher dadurch den Bentheimischen jungen Grafen einen Dienst, daß von der Münster!schen Negierung dawider eine Protestation zum Protocolle der Kaiserlichen Commission übergeben ward, daß die Grafschaft Steinfurt als eine unmittelbare freye Reichs Grafschaft angesehen werden sollte, da diese doch eine im Münsterischen Territoire gelegene Herrschaft I) wäre. So viel die Hauptsache betrift, wollten die jungen Bentheimischen Grafen jenen Bielefeldischen, Vergleich nur unter den Bedingnißen genehmigen, daß jedem ihrer vier Herrn Brüder von 1668 bis 1691, seit welcher Zeit sie Nichts von ihrem Herrn Vater und von der Grafschaft Bentheim genoßen hätten, wenigstens tausend Reichsthaler Alimenten Gelder jährlich gegeben werden sollten I), da die gräflichen Bentheimischen Fräuleins, wenn sie von Hofe wären, jährlich vierhundert Reichstha-
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I) Ein Nichts beweisender Ausdruck.
2) War eine Summe von zwey und neunzig tausend Reichsthalern holländisch.
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ler bekämen. Dann sollten die Möbeln des Schloßes Steinfurt getreu angewiesen, wohlverwahrt, und Nichts davon veräußert werden. Die gegen die Steinfurtischen verkauften wieder angegekauften Güter sollten mit Steinfurt übertragen werden. Die der Mutter ehemals von der Grafen Vater vermachten Güter sollten ihnen mit den genoßenen und zu erheben gewesenen Früchten zurück erstattet werden. Die vorälterlichen Schulden der Grafschaft Steinfurt sollten nach Bentheim und Teklenburg verhältnißmäßig übertragen werden. Die jährlichen tausend Reichsthaler aus der Grafsch. Bentheim sollten samt den Aliment Geldern auf sichere Hypothek beleget werden.
Dessen ungeachtet wurde der Bielefeldische Vertrag der Hauptsache nach vom Kaiserlichen Reichs-Hofrathe am zwanzigsten December 1691 mit Vorbehalt der Rechte eines jeden Dritten bestätiget, jedoch der Punct der Alimente der Kaiserlichen Verfüguug noch vorbehalten. Inzwischen starb 1692 der Dritte der vier Bentheimischen jungen Herrn Grafen, nämlich Arnold Jobst, und waren nur noch dreye von Sechsen übrig, Ernst, Christoph Bernard und Statius Philip, woher die Steinfurtische Partey Anlaß nahm zu behaupten, daß des Verstorbenen Anteil an den Alimenten seinem Vater, dem Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim anheim gefallen wä-
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re, da nach dem Bielefeldischen dem Grafen von Steinfurt so günstigen und von ihm angenommenen Vertrage, doch der Heimfall unter die jungen Bentheimischen Grafen im fünften Artikel bestimmet war. Um desto schändlicher war es daher, daß man den blinden Vater, dessen Vermögen durch die schrecklichsten Verschwendungen und Defraudationen so wohl, als die Landeskasse, von Treulosen Beamten erschöpfet wurde, in von ihm angeblich unterzeichneten Vorstellungen an die Kaiserlichen Commissarien über seinen Nothstand in seinem grauen Alter klagen, und behaupten ließ, daß ihm der Anteil seines verstorbenen Sohnes zuwachsen müße, den Er ehemals wider seinen Willen enterbet hatte.
Die Kaiserlichen Herrn Commissarien erkannten aber in April und Mai 1693 nicht nur den Zuwachs des verstorbenen jungen Bentheimischen Grafen seinen dreyen übrigen Brüdern abermals zu, sondern auch wegen der vom [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: im] Bielefeldischen Vertrage [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Vertrage von] 1691 an ihren [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: ihnen] bereits zuerkanten einstweiligen laufenden jährlichen Alimenten von fünf und zwanzig hundert Reichsthalern, die jetzt zu fünf Tausend Reichsthalern angewachsen waren, auf Immission ins Amt Schüttorf, ohngeachtet dasselbe der Frau Gräfin von Bentheim zur Hypothek gesetzet wäre, da beiderseitige Forderungen daraus wohl befriediget werden könnten. Der Graf von Steinfurt, um nicht den Namen zu
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haben, daß durch ihn der Bielefelder Vergleich nicht erfüllet würde, gab in einer eigenen den Commissarien übergebenen Note zu erkennen, daß dieser Punct nicht ihn, sondern den Grafen von Bentheim beträfe.
Dieser endigte am 26. August dieses nämlilichen [sic!] Jahres 1693 sein kummervolles Leben, wie seine Söhne eben im Felde wider den Feind stunden, und ihr vornehmster Sachwalter der Oberstleutenant Bachmann krank war, an einem sehr harten Tode.
Hatte der Graf zuletzt in einem solchen Zwange gelebet, daß er angeloben mußte, seinen Kindern Nichts zukommen zu laßen, und ihnen auf ihre rührenden Briefe nicht antworten zu wollen, wie wohl er ihnen durch Bentheimische Steinhändler in Holland heimlich etwas Geld zukommen ließ, so bekam Er jetzt ein kaum anständiges Begräbniß zur Belohnung seiner Nachlaßenschaft mit der so wichtigen Grafschaft Bentheim. Seine Krankheit und sein Tod wurden seinen Söhnen nicht gemeldet, desto geschwinder hingegen wurde der Besitz von der Grafsch. Bentheim, und darin eine schleunige, einförmliche, [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: unförmliche] meistens erzwungene Huldigung genommen, ohne den Ständen davon vorher Nachricht zu erteilen.
§. 22.
Mit der Gräfin von Bentheim hatte sich der Gr. von Steinfurt zwar dm 3. April dieses Jah-
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res 1693 auf den Sterbfall ihres Gemales dahin verglichen, daß sie mit Ausnahme desjenigen was ihr Eheherr ihr geschenket und sie sonst erworben hätte, mit sechszig tausend holländischen Reichsthalern zufrieden seyn sollte, wofür Er ihr die den Bentheimischen jungen Herrn Grafen eingeräumte Grafsch. Steinfurt special und besitzlich verpfändete; allein kaum war der Gr. von Bentheim todt, als sich seine ehemalige Freundschaft mit der Gräfin in Abneigung gegen sie veränderte. Worauf durch Münsterische Vermittlung diese sechszig tausend Reichsthaler auf vierzig tausend vermindert wurden, und die Gräfin auf die Burg zu Schüttorf ziehen mußte, wohin Sie Alles vom Schloße Bentheim mit nahm, was sich nur davon bewegen ließ; wogegen der Graf vou [sic!] Steinfurt den Abgang an Möbeln aufm Bentheimischen Schloße durch den Vorrath derselben aufm Steinfurtischen zu ersetzen wußte. Immittelst waren die jungen Bentheimischen Herrn Gr. jetzt aus dem Felde im Haag angelanget, sich beym Könige von England und Stathalter von Holland, wie bey den Generalstaaten, ihrer dermaligen Angelegenheit wegen zu verwenden, als der ältere Gr. Ernst ein gewöhnliches Schreiben des Gr. von Steinfurt mit der Post erhielt, worin erwähnet wurde, daß vom Tode seines Vaters Notification geschehen wäre, nun mögte der junge Herr Graf entweder in Person oder durch einen Bevolmächtigten ihre beiseitigen Ge-
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schäfte beendigen, worauf dieser ihm erwiederte: nächstens Jemand zu dem Endzwecke senden zu wollen.
Die beiden ältern Herrn Grafen reiseten aber bald in Person durch die Grafsch. Bentheim nach der Grafsch. Steinfurt, weil der jüngste durch eine in der Campagne erhaltene Blessur daran verhindert wurde. Wurden sie nun wohl nicht nur im Steinfurtischen, sondern auch im Bentheimischen mit unglaublichem Jubel empfangen, mit Klockengeläute, Land-Miliz und sonstigen Ehrenbezeugungen eingeholet, auch mit Küchensteuern verehret, so fanden sie doch zu Steinfurt ganz etwas Anders als ein so hoch gerühmtes Aequivalent für die Grafsch. Bentheim, nämlich ein an Möbeln und Lebens-Mitteln entblößtes Schloß Steinfurt, Steinfurtische Waldungen verhauen, Eigenhörige für bezahlte Geldsummen entlaßen, mehrere Schulden als angegeben waren u. s. w. Die verwitwete Gräfin von Bentheim klagte ihr auf Steinfurt verschriebenes Wittum, wodurch die ihr erst Zeit ihres Lebens von ihrem seeligen Eheherrn angewiesenen sämtlichen Landesherrlichen Einkünfte der Grafschaft Benchem, redimirt waren, beym Reichskammergerichte zu Wetzlar und selbst beym Offizialat zu Münster ein u. d. m. Protestirte nun wider letztere Instanz als einen Eingrif in die Steinfurtische Landeshoheit auch wohl der neue Graf von
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Bentheim, seiner Kaiserlichen Mitbelehnung auf Steinfurt wegen, so war doch die Münsterische Regierung seit des Fürstbischofes Christophs Bernard von Galen Herrschaft so sehr an Attentate in den Grafschaften Bentheim und Steinfurt gewöhnt, daß solche nur durch wiederholte kostspielige Mandate der höchsten Reichsgerichte zum Theile endlich abgestellet werden konnten. Die Bentheimischen jungen Herrn Grafen meldeten indessen ihre Ankunft ihren Herrn Agnaten und ihren Westphälischen Herrn Mitkreisständen, daß sie Steinfurt, weil ihnen ihr väterliches Haus zu Bentheim vorenthalten würde, zur Sicherheit für die Grafschaft Bentheim oder deren Aequivalent für erst in Besitz genommen hätten. In dem Schreiben an den Fürstbischof von Münster war von guter Nachbarschaft gesprochen worden, am Münsterischen Hofe wollte man aber die Grafsch. Steinfurt nicht als ein benachbartes Reichsgebiet, sondern als eine Mediat Herrschaft ansehen; Steinfurtischer Seite wurden nun Abschriften der Curialen bey ähnlichen Vorfällen vergangener Jahrhunderte an die Münsterischen Kanzleien gesandt, worin selbst die Münsterischen Beamten I), die vormaligen Grafen von Steinfurt gnädige u. hochgebietende Herren genennet hatten. Indessen mußte der Münsterische Garnisons Geistliche zu Steinfurt, da sich das Münsterische Mi-
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I) Kanzler und Räthe.
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litär seit des Fürsten Christoph Bernards Zeiten zu Bentheim und zu Steinfurt, wo es die Kirche den Reformirten wider den Westphälischen Frieden gewalttätig entzogen, und darin ein Simultaneum eingeführet hatte, zu verewigen schien, Münsterische Verordnungen bekant machen, wodurch der Münsterischen Garnison nicht nur, sondern auch den Steinfurtischen Unterthanen verboten ward, den Herrn Grafen die Huldigung zu leisten. So wenig es nun diesen wohl an einer Huldigung im Steinfurtischen noch zur Zeit gelegen war, da ihnen nach dem durch den Kaiserlichen Reichshofrath bestätigten Bielefeldischen Vertrage eine gräfliche Regierung zum Aequivalent der Grafsch. Bentheim gebührte, so ließen diese doch diese Münsterischen Pönal Verbote wieder abreissen; suchten aber übrigens, so sehr auch Münsterische Eingriffe in die Steinfurtischen Hoheits-Rechte des Steinfurtischen Hofgerichtes und sonsten sich vervielfachten, die Streitigkeiten durch geziemenden Briefwechsel und einen persönlichen Besuch am Münsterischen Hofe zu vermitteln.
§. 23
Wichtiger waren für die jungen Herrn Grafen für erst die Bentheimischen Angelegenheiten. Der ältere Herr Graf Ernst stellete in seinem und seiner Herrn Brüder Namen, wofür Er de Rato cavirte, aufm Schloße Steinfurt 1694. Mai
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4. eine Vollmacht auf den Oberstleutenant Bachman, zur Beendigung ihrer Differenzen mit ihrem Vetter, dem Grafen Arnold Moritz Wilhelm von Bentheim, aus, desgleichen am sechs und zwanzigsten Mai auf denselben, und auf seinen Domän Rath und Rentmeister Roth, um seine und seiner Herrn Brüder Sachen aufm nächsten Bentheimischen Landtage wahrzunehmen, weil Er selbst ins Feld wider den Feind müßte.
Wider den im Julio 1694 zu Bentheim gehaltenen Landtag wurde Namens der jungen Bentheimischen Grafen protestiret, und nochmals erkläret, daß die Grafsch. Steinfurt und die Herrschaft Alpen von ihnen mit zur Sicherheit ihrer Ansprüche auf ihre väterliche Grafsch. Bentheim, oder auf ein Aequivalent dafür in Besitz genommen worden wären. Zur Beendigung dieser Differenzen, wurde von den Kaiserlichen Commissarien eine neue Tagfahrt nach Lüde bey Pirmont ausgeschrieben, und von dem Bevolmächtigten der jungen Bentheimischen Grafen, ihrem dermaligen Geheimen Rath, Bachmann, beym Kaiser um einen sechs monatlichen Ausstand zur Erteilung der Belehnungen mit den Grafsch. Bentheim u. Steinfurt, auch beym Könige von England und Stathalter von Holland Wilhelm dem Dritten ersuchet, den jetzigen Inhaber der Grafsch. Bentheim nicht ehender mit Neuenhaus und seinem Zubehör belehnen zu wollen, bis dieser den Bielefeldi-
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Vertrag erfüllet hätte. Weil indessen die Kaiserlichen Commissarien, worunter die der Grafsch. Bentheim nähern Paderbornischen das Uebergewicht vor den Braunschweig Lüneburg Osnabrückischen hatten, die Differenzen zwischen den jetzigen Besitzern der Grafsch. Bentheim und Steinfurt nicht entschieden, weil die jungen Bentheimischen Grafen den Namen haben mußten, daß sie den vom Kaiser mal ratifizirten Bielefeldischen Vertrag nicht befolgen wollten, mithin die Sache aus den Händen der Kaiserlichen Commissarien und wieder an den Reichshofrath geraten wäre, erfolgte 1695 würklich die Kaiserliche Belehnung des Grafen Arnold Moritz Wilhelms mit der Grafschaft Bentheim.
Hingegen suchte nun der Aelteste der Bentheimischen jungen Grafen, der Graf Ernst, beym Könige von England und Statthalter von Holland Wilhelm dem Dritten, bey dem Churfürsten von Brandenburg, wie bey den General-Staaten der Vereinigten Niederlande zwar Hülfe, und verfehlte auch nicht, sich desfals mit einer Vorstellung an den Kaiser zu wenden, es fruchteten aber die Verwendungen jener Mächte so wenig Etwas, als diese Vorstellung.
Da aber auch der Besitzer der Grafsch. Bentheim, die auf eine Seiten Linie übertragen werden sollte, wegen der vom Reichshofrathe gefor-
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derten zwölf tausend Reichsthaler, hernach aber auf Verwendung des Fürstbisch. Friederich Christian zu Münster eines Patronen des Besitzers der Grafsch., und guten Freundes des Kaiserlichen Mitcommissars, des Fürstbischofes von Paderborn, auf die Hälfte moderirten Belehnungs-Gelder, die sonst bey einer ordinären Belehnung in rechter Erbfolge dreyzehnhundert dreyzehn und einen halben Gulden, oder achthundert fünf und siebzig Reichsthaler drey Kopfstücke betragen hatten, in großer Verlegenheit war, und diese Gelder auf die Domänen oder auf das Land der Grafsch. Bentheim negotiiren wollte, so protestirte der Graf Ernst dagegen in öffentlichen in den Ländern Oberyssel, Münster, Osnabrück, Lingen und Steinfurt angeschlagenen Patenten. Nahm man nun dieses wohl Münsterischer Seite auch wegen der prätendierten Landeshoheit über Steinfurt sehr übel, und schrieb der Münsterische Fürstbischof so gar zum Besten des Grafen Arnold Moritz Wilhelm zu Bentheim, an den Kaiserlichen Mitcommissar, den Fürstbischof von Paderborn, so erließ dieser doch noch ein Anmahnungs-Schreiben an diesen Grafen, zur Auszalung der noch restirenden, siebzehnhundert Reichsthaler Alimenten Gelder an die jungen Grafen, bis zum Tode ihres Vaters, beide Kaiserliche Herrn Commissarien aber deuteten dem jungen Grafen Ernst sein Betragen wider seinen Vetter übel aus; wogegen dieser sich standhaft verantwortete,
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und seinen Vetter einer Invasion der Grafsch. Bentheim, nach dem kaum erfolgten Absterben seines Vaters beschuldigte, wie Er und seine Brüder abwesend und im Felde gewesen wären, ohne den Bielefeldischen Vertrag im Mindesten erfüllet zu haben. Daher wurde von den jungen Herrn Grafen wider den am sechs und zwanzigsten Junio 1665 ausgeschriebenen Bentheimischen Landtag abermals am Kaiserlichen Hofe, bey den Kaiserlichen hohen Herrn Comissarien und bey der Bentheimischen Landtagstafel, besonders um deswillen protestiret, weil der Inhaber der Grafsch. Bentheim bey einzelnen Catholischen Ständen, welche Er mit dem Tecklenburgischen Drosten von Lüning zu Kappellen, dem Er die Thornischen Güter für einen Kaufschilling zum Schein überlaßen hatte, zu vermehren suchte, vorher eine Stimmen-Mehrheit bewürket hatte, um der am Reichshofrath zu zahlenden Lehngelder versichert zu werden. Wurde nun wohl auf diesem Landtage nach der Stimmen-Mehrheit beschloßen, daß diese sechstausend Reichsthaler Laudemien oder Lehngelder vom General von Ohr zu 5 von 100 aufs Land aufgenommen werden sollten, so war der Widerspruch der Reformirten Stände, besonders des Abgeordneten des Königes von Engelland und Statthalters von Holland, des Drosten von Ittersum dadurch doch noch bedeutender geworden, daß der Herr von Bevern zu Devesburg und Lette, Münsterischer Geheimer
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Rath und Bentheimischer Burgmann ihnen von den Catholischen beypflichtete, da es hier auch um Aufrechthaltung jenes Artikels der Concordate zu thun war, nach welchem bei diesem Gegenstande keine Stimmenmehrheit gelten konnte. In der darüber errichteten Obligation mußten die Landes-Syndiken daher nur im Algemeinen setzen, daß diese Schuld mit Consens der Bentheimischen Stände contrahiret wäre, zu deren Versicherung aber einzelner Stände Privatgüter versetzet wurden. Den jungen Bentheimischen Grafen kam nun auch ihr Vetter der Graf Johann Adolph von Tecklenburg durch eine dem Kaiser überreichte Protestation wider den Bielefeldischen Vergleich zu statten, da Er seines und seines Hauses Interesse wegen dabey gehöret werden müßte. Ein Executions Befehl der Kaiserlichen Commissarien zur Zalung [sic!] jener siebzehnhundert Reichsthaler Alimente an die jungen Grafen, überhäufte Klagen der Gläubiger, wogegen kein begehrtes Kaiserliches Moratorium von zehn Jahren gewähret wurde, beunruhigten den Inhaber der Grafsch. Bentheim und seine Räthe übrigens wohl nicht mehr, als die Art, wie sich der König von Engelland und Statthalter von Holland Wilhelm der Dritte von nun an wider sie immer mehr und mehr betrug.
§. 18.
Erst erließ der König den achtzehnten Octo-
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ber ein scharfes Schreiben an den Grafen über die letzteren Landtage mit der Drohung, daß Er sein Recht und die Bentheimische Landesverfassung des Nothes mit Nachdruck behaupten würde, wie mit der Ermahnung sich in der Grafsch. nicht ehender huldigen zu laßen, bis die Landesbeschwerden im Kirchen und Staats-Fache abgestellet seyn würden; würde man das Gegenteil davon mit Gewalt betreiben, so müßte dawider Gegengewalt gebrauchet werden. Die General-Staaten hatten auf abermalige Vorstellungen der jungen Grafen von Bentheim schon am dreyzehnten October dieses Jahres 1695 beschloßen, durch ihren Gesandten zu Wien zu verhindern, daß ihrem Vetter die Belehnung mit der Grafschaft Bentheim auch nicht mit der gewöhnlichen Clausel: „mit Vorbehalt der Rechte eines Dritten” ehender mögte verliehen werden, als ihnen entweder ihr väterliches Erbteil, die Grafsch. Bentheim, oder das im Bielefeldischen Vergleiche ihnen dafür bestimte Aequivalent eingeräumet seyn würde. Ihre, wie des Churfürsten von Brandenburg Verwendungen am Kaiserlichen Hofe verhinderten jedoch nicht, daß die im vorigen Jahre decretirte Belehnung mit der Grafsch. Bentheim dem Gr. Arnold Moritz Wilhelm am 23. Jänner 1696 würklich ausgefertigct wurde. Wiewohl sich auch der Königlich Englische Gesandte zu Wien für die jungen Bentheimischen Grafen interessiret hatte, erfolgte doch am 8. März 1696
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ein Kaiserlicher Befehl an die Stände und Untertanen der Grafsch. Bentheim und Herrlichkeit Emblicheim, daß sie dem Gr. Arnold Moritz Wilhelm die Huldigung leisten sollten, obschon derselbe die bereits expedirte Belehnung über beide Reichs-Gebiete noch nicht erhalten hatte, weil damit so lange gezaudert werden sollte, bis den jungen Bentheimischen Grafen die Kaiserliche Belehnung mit der Grafsch. Steinfurt erteilet seyn würde.
§. 25.
Da inzwischen auch vom Münsterischen Offizialat-Gerichte eine Immission auf die vom selbigen so genante Herrschaft Steinfurt zum Besten älterer Creditoren hatte erkant werden können, wiewohl den jungen Herrn Grafen die Grafsch. Steinfurt als ein Aequivalent für die Grafsch. Bentheim, zur gräflichen Regierung im Bielefeldischen Vergleiche eingeräumet worden war, so wurde dieser und aller anderen noch unerfülter Puncte jenes Vergleiches wegen, als der die angebenen weit übertreffenden Schulden, der Alimente von Zeit, daß die jungen Grafen aus dem Bentheimischen entfernt worden, bis zur Entwerfung des Bielefeldischen Vergleiches u. s. w. von Seiten dieser jungen Grafen abermals eine Vorstellung an den Kaiser in den kraftvollesten Ausdrücken wider die Invasion uud Verfahrungs-
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Art des Inhabers der Grafsch. Bentheim übergeben. Dergleichen Vorstellung übergab der Aelteste der Bentheimischen Grafen, der Graf Ernst dem Fürstbischof von Paderborn in Person, darauf auch dem Churfürsten von Hannover und Bischofe zu Osnabrück, erließ auch Circulare an alle Protestantische Churfürsten, Fürsten und Stände des Reichs zu seinem und seiner Brüder Beistande. Die Erscheinung des Grafen Ernst mit dem Obersten Bachmann zu Hanover und seine diesem Churhofe übergebene Vorstellung wurde aus Hanover den 18. April 1696 in den Holländischen Zeitungen gemeldet, worüber in der Grafsch. Bentheim Spottlieder über die Feinde dieses jungen Grafen gesungen wurden, besonders weil es nun in den Zeitungen bekant gemacht worden war, wie schlecht die Bentheimischen Creditoren bezalet würden, indessen die gräflichen Beamten vollauf hätten.
§. 26.
Jedoch nahmen die Bentheimischen Sachen von einer Seite her, wo man es nicht erwartet hätte, eine ganz andere Wendung. Indessen man am Bentheimischen Hofe auf Nichts als Huldigung dachte, protestirte der junge Graf Ernst nicht nur am zwey und zwanzigsten April 1696 Wider den Scheinkauf der Thornischen Güter und die davon erhaltene Landtngsstimme des Tecklen-
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burgischen Drosten von Lüning, sondern die General-Staaten, wie der König von England als Statthalter von Holland erließen auch nachdrückliche Vorschreiben für die jungen Herrn Grafen an die hohen Kaiserlichen Commissarien, und Abmahnungen an den Inhaber der Grafsch. Bentheim, sich des erschlichenen Kaiserlichen Mandats ohngeachtet, nicht ehender huldigen zu laßen, bis der Bielefeldische Vergleich erfüllet, die politischen und religiösen Landes Beschwehrden abgestellet und die Landes-Privilegien beschworen seyn würden; so wie der König von England ihm auch bis dahin die Belehnung mit Neuenhaus und dem Zubehöre, wie auch mit dem Hofe zu Esche und Tosing in der Bauerschaft Esche im Kirchspiele Veithausen zu erteilen verweigerte; diese Lehne wurden übrigens mit lediger Hand empfangen, und waren so zuletzt den 24. Jänner 1688 von den Staaten der Provinz Oberyssel, als Nachfolgern der vormaligen Fürstbischöfe von Uetrecht des Kaisers Karls des Fünften und des Spanischen Königes Philips des Zweyten, dem Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim verliehen worden. So belehnten auch Seine Großbrittanische Majestät, als Statthalter von Oberyssel, den Grafen Ernst von Bentheim, Tecklenburg, Steinfurt und Limburg etc. als ältesten Sohn und zugleich Namens seiner zween Brüder, den drey und zwanzigsten Mai 1696 mit der Niedergrafsch. Neuenhaus. Diese Belehnung wurde dem Königlichen
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chen Rentmeister der Bentheimischen Domänen Pontanus mit dem Befehle zugeschickt, im Falle der Graf Arnold Moritz Wilhelm Anstalten zur Huldigung treffen mögte, den Grafen Ernst zuvor in der Niedergrafsch. huldigen zu laßen, sonst aber damit zu zögeren.
§. 27.
Der Erste dieser Grafen, nachdem Er nach dem Beispiele des Zweiten, persönlich an den Höfen der Kaiserlichen Herrn Commissarien einen Besuch abgelegt hatte, lud fürerst die einheimischen Herrn Stände von Etzbach zu Langen, von Rheda zu Brandlecht, von Laar zu Laerwolde, von Hövel zu Ravenshorst, auch von Lüning zu Kapellen, wegen der zum Scheine an ihn verkauften ehemals Thornischen, jetzt Landsherrlichen Domängüter, den Prior von Frenswegen, den Amtman von Wietmärschen und die drey Städte zur Huldigung aufm Schloße Bentheim auf den 5ten Julii 1696 ein, ohngeachtet die Kaiserlichen Commissarien, so sehr diese auch durch die Vorschriften des Kaiserlichen Reichshofrathes eingeschränket waren, eine neue Conferenz nach Rheine im Münsterischen zum Versuche der Güte ausgeschrieben hatten. Da von diesen Ständen nur die Herrn von Etzbach zu Langen und von Laer zu Laerwolde nebst den dreyen Städten reformlrt waren, so reisete Ersterer nach Ostfries-
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land, der Zweite wohnte in der Niedergrafsch. und die Bürgermeister und Räthe der dreyen Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus entschuldigten sich schriftlich, daß die Huldigungen bisher in den Städten selbst geschehen wären, da sie auch die Letzteren der Stände wären, so bäten Sie Seine Hochgräfliche Excellenz mögten erst einen algemeinen Landtag ausschreiben, um ihre Schuldigkeit zu erfaren; ihnen wurde darauf versprochen, daß die Huldigung nach alter Form geschehen sollte. Indessen wurde diese Huldigung eifrig betrieben und die Subdelegirten der Kaiserlichen Commissarien zu Rheine, in deren Nachbarschaft sich auch ein Englischer Commissär zur Assistenz der jungen Grafen aufhilt [sic!], dazu eingeladen, welches diese aber ablehnten; ein Notar, der im Namen der verwitweten Frau Gräfin wider die Huldigung protestirte, empfing Stockschläge zur Antwort; der Königliche Rentmeister Pontanus ließ aber ein Königliches Patent am Thore der Burg zu Neuenhaus anschlagen, daß Graf Ernst damit belehnt wäre, welches er auch den Beamten der Gerichter Neuenhaus, Velthausen und Uelsen bekant machte, wie auch den sämtlichen Ständen und Landes-Syndiken.
Desgleichen wurde Namens der jungen Grafen bey der Kaiserlichen Commission, zu Rheine wider die bevorstehende Huldigung ihres Vetters
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in der Grafsch. Bentheim protestiret und eine Appellation vom übel unterrichteten Kaiser an den beßer zu unterrichtenden eingeleget; wogegen bey eben dieser Commissiion [sic!], von Seiten des Inhabers der Grafsch. Bentheim Beschwehrden über die Bekantmachungen und Anschlag an dem Burgthore zu Neuenhaus des Königlichen Englischen Rentmeisters Pontanus eingeliefert wurden; jener Anschlag am Burgthore zu Neuenhaus blieb sonst drey Tage durch daran, und wurde nur mit einem Gegen-Anschlage an der inwendigen Seite beantwortet.
Aufm Bentheimischen Landtage protestirten die Abgeordneten von Ripperda und von Dankelman des Englischen Königes und Holländischen Statthalters 1696 am 17/7 [sic!] Julio wider die gewalttätig volzogene Huldigung, wider das dem Landesherrn, der sich dazu durch Erfüllung des Bielefeldischen Vergleiches und Abstellung der kirchlichen und politischen Beschwehrden, die vielmehr täglich vermehrt würden, noch nicht berechtigt hätte, von der Mehrheit der Stände bewilligte Subsidium, mit dem Anhange, daß diese sich nicht die daraus zu entstehenden Inconvenienzen zuziehen sollte, womit sich die übrigen Reformirten Stände, von Etzbach, von Laar und die drey Städte vereinigten und ihnen auch der catholische auswertige Herr von Bevern beipflichtete. Da nun fünf Stimmen gegen fünfe wa-
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ren, so erklärten die 5 übrigen Catholischen von Rhede, von Hövel, Frenswegen, Wietmärschen und Drost von Lüning, dessen Stimme strittig war, daß dem Herrn Grafen Arnold Moritz Wilhelm sechstausend Reichsthaler Subsidien bewilliget werden, der Punct wegen der strittigen Stimmenmehrheit, und ob diese Pluralität hierin entscheiden könnte, aber zur rechtlichen Entscheidung ausgesetzet bleiben mögte, wie dann jene erstere Protestation gräflicher Seite beantwortet wurde. Hiemit wurde dieser Landtag in der größten Verwirrnng beschloßen, außer daß auf den Fürstbischof von Paderborn und den Landgraf von Hessen-Cassel compromittirt wurde, die Frage zu beantworten: „Ob die von den Reformirten vom Jahre der Entscheidung 1624 bis l668 ruhig beseßenen Kirchengüter mit jährlichen Abgaben von fünf und sechshundert Reichsthalern zum Unterhalt der Catholischen seit 1668 in der Grafsch. Bentheim angestelten Geistlichen, könten beschwehret, auch die Reformirten Kirchengüter und der Oberkirchen-Rath dem Westfälischen Frieden gemäß von den Catholischen könten administrirt werden oder nicht? Falls nicht, ob und durch wen solche gehobene Gelder ersetzet werden müßten?”
Gräflicher Seite wurde nun beschloßen, auch in den besondern Kirchspielen und Städten die Huldigung zu empfangen, in Hofnung durch die dabey zu erwartenden Geschenke aus der Geld-
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Verlegenheit zu kommen; diesem suchte der junge Graf Ernst durch ein in der Niedergrafschaft in den Kirchspielen Neuenhaus, Uelsen, Velthausen, Emblicheim und Laerwald verkündigtes Gebot, Niemand außer ihm die Huldigung zu leisten, zuvor zu kommen. Obwohl die Kaiserlichen Commissarien vom Reichshofrate auch den Auftrag bekommen hatten, die Streitigkeiten des Grafen Arnold Moritz Wilhelm mit den Ständen, und die eigentliche Beschaffenheit des Lrhnes [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Lehnes] Neuenhaus zu untersuchen und davon Bericht zu erstatten, so erließ dieser Graf doch ein Anschreiben an die Stadt Neuenhaus, daß den zweiten August 1696 dort die Huldigung vor sich gehen sollte, worauf diese antwortete, sie wäre dazu bereit, wenn sie dazu verpflichtet wäre und die Kränkung des Westfälischen Friedens vorher abgestellet und ihre Privelegien der alten Gewohnheit nach vorher bestätiget werden würden. Alle Anstalten wurden auch am bestimten Tage von Seiten der Stadt zur Huldigung und zur Ehre der anwesenden Grafen, Gräfin, deren Sohnes, der Canzler, Räthe, Drosten und einiger Landstände, welche mit einer Münsterischen Escorte von 25 Mann von Bentheim gekommen waren, getroffen, als eben die Lingensche Post jenes Verbot des Grafen Ernst wider diese Huldigung mitbrachte, worüber die bewafnete Bürgerschaft ihre Gewehre in die Luft schoß und lang lebe Graf Ernest rief. Auf die Anfrage des Drosten und
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Canzlers, ob sie die Huldigung leisten wollten oder nicht, antworteten sie: wohl gezwungen aber nicht freiwillig. Diese Huldigung wurde nun zwar wohl bey tausend Ducaten Strafe befolen, da aber der gräflichen Familie dieser Auftrit verdroß, so zog sie auf die Burg, wohin sie von der Bürgerschaft in Parade begleitet wurde. Am andern Tage wurden die Befehle zur Huldigung bey einem Goldgulden Strafe von einem jeden Manne erneuert, worauf aber der Stadtrath erwiederte, der Befehle des Königes von England und des Grafen Ernstens wegen diese Huldigung nicht leisten zu können. Darauf zog der Hof nach Bentheim mit Hinterlaßung des Münsterischen Militärs zu Neuenhaus, zurück; es erfolgte aber von Bentheim aus ein neuerer Befehl zur Huldigung auf den 13 August vor den Gräflichen Commissarien, bey fünftausend Goldgulden Strafe unter parater Execution; welches aber mit der vorigen Entschuldigung, beantwortet wurde. Eben so betrugen sich die Gerichte Uelsen und Velthausen; die Huldigung wurde nicht erzwungen, die Geldbuße nicht eingefordert, die Münsterische Garnison wurde durch ein Münsterisches Patent wieder nach Bentheim zurück beordert. Die Eingeseßenen jener Gerichte hielten indessen ihre zur Huldigung bewafnete Mannschaften gegen jede Gewaltthätigkeit unter den Waffen, und klagten dem Könige von Engelland ihre Noth, von dessen Rathe bey des Königes Ab-
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wesenheit ein Trostschreiben vom 20ten August 1696 erst erfolgte, worauf diese Gerichte durch Abgeordnete und Schreiben auch den Grafen Ernst um Hülfe anriefen. Die Bentheimischen Committirten konnten auch von den Eingeseßenen der Kirchspiele Emblicheim und Laarwolde keine Huldigung erzwingen. Die junge Mannschaft war auch hier zu dieser Feierlichkeit bewafnet, nach dem Vortrage der gräflichen Commissarien, antwortete Niemand, Einer sah den Andern an. So wie aber Etliche um ihre Meinung gefraget wurden, schoßen sie ihre Gewehre in die Luft, riefen: Vivat Graf Ernest und gingen davon, worauf Alle folgten. Nun klagten diese Gerichte in einem Schreiben dem Obersten Bachman ihre Noth, der sie in seiner Antwort sehr in ihrer Meinung bestärkte und mit der schleunigen Rückkunft des Grafen Ernst aus dem Lager tröstete, der solche Befehle vom Könige von England mitbringen würde, wobey sie beruhiget werden würden. Hierin lag die königlich Großbrittanische und Fürstlich Oranische Meinung zum Grunde, daß die Lehnherrlichkeit über Neuenhaus und Zubehör sich über die ganze heutige Niedergrafsch. erstreckte, da man Bentheimischer Seite nur die Burg zu Neuenhaus mit dem dabey gelegenen Garten darunter begreifen wollte, es erstreckte sich aber, wie die erst in unsern Tagen abgedruck. Documente I)
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I) In Racers Overysselsche Gedenkstücken
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beweisen, auf Neuenhaus Burg und Stadt und das Gericht Uelsen, als die ursprüngliche Niedergrafsch. Bentheim. Die vormalige Herrlichkeit Emblicheim, womit die damalige mediat Herrschaft Laar vereinigt wurde, war ein besonders Reichs-Lehn, obschon es darin einzelne Oberysselische, damals Oranische Lehngüter, wie Taissens Hof in der Obergrafschaft, gab. Diese Bentheimische damalige Meinung über das Neuenhäuser Lehn gab der Graf Arnold Moritz Wilhelm zum Theile in seiner Protestation wider etwaige Thätlichkeiten des Grafen Ernst in der Niedergrafschaft vom 30 August 1696 zu erkennen; worauf am folgenden Tage ein neuer Befehl zur Huldigung bey Strafe der Landes-Verweisung und der Confiscation aller Güter erfolgte; worauf aber ablehnend geantwortet wurde. Alle Gerichte und Kirchspiele der Niedergrafschaft und auch Wilsum schickten indessen so gleich eine Bitschrift an den König von Engelland, daß der Graf Ernst doch mit einer zu ihrem Schutze hinlänglichen Macht zu ihnen kommen mögte.
Dieser Graf war nun aus dem Felde beym Könige auf dem Lustschloße Loo I) angekommen, und beide streitende Grafen debattirten ihre Sache hier nochmals kürzlich vor dem Könige, der
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Sieh ersten Theil dieser Geschichte.
I) Unweit Deventer.
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Graf Arnold Moritz Wilhelm aber durch seinen Rath Beesten, der Graf Ernst in Person und durch den Obersten Bachmann. Nach Beendigung beiderseitiger Debatten vor dem Königlichen Commissär Grafen von Bentink Portland, woran der Graf Arnold Moritz Wilhelm zur Empfelung seiner Sache geschrieben hatte, drang dessen Rath sehr auf eine schleunige Entscheidung der I) Sache; der Commissär antwortete ihm aber: ob er nicht aus einem Lande käme, wo allen Landes Gläubigern ihre Pfandschaften abgenommen, Kirchen- und Schulgüter eingezogen und den Kindern und rechten Erben die Gr. Bentheim vorenthalten würde, er würde übrigens vom Königlichen Rathe im Haag Bescheid erhalten. Die Klagen der jungen Grafen waren aber jetzt hauptsächlich darüber, daß die zum Aequivalent der Grafsch. Bentheim angewiesene Grafsch. Steinfurt mit ihren Appendenzien nicht angegebener Maaßen zwischen sieben bis acht tausend Reichsthaler jährlich, sondern nicht mal die Hälfte davon aufbrächte, daß hingegen die Schulden davon sich nicht auf angegebene 50 tausend Reichsthaler, sondern fast auf zweyhundert tausend beliefen; daß die Bentheimischen Creditoren an die jungen Grafen verwiesen würden, ohne daß diese Erben ihres Vaters seyn sollten; daß diesen
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I) An der Seite seines Prinzipalen gerechten.
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jährliche Alimente von tausend Reichsthater für jeden, seit der Zeit, daß sie von ihrem Vater Nichts genoßen hätten, verweigert würden; daß die Steinfurtischen Möbeln gegen die Bentheimischen nicht wieder ersetzet, die Mütterlichen Güter mit den genossenen und zu genießenden Früchten nicht ausgekehret, und keine Eviction wegen verschwiegener Schulden und anderer Ansprüche I) geleistet werden wollte. Der Inhaber der Grafschaft Bentheim ging nun so weit, daß Er auf die Steingruben verschriebene jährlich tausend Reichsthaler an Steinfurt 1696 zu bezalen verweigerte, weswegen der Graf Ernst die Gräflichen Gefälle in der Niedergrafsch. mit Arrest belegte.
§. 28.
Der König von England und Statthalter von Holland beorderte endlich auf seinem Schloße Loo auf wiederholtes Ersuchen der Eingeseßenen der Niedergrafsch. Bentheim, am acht und zwanzigsten September 1696 den Commendanten von Wyenhorst zu Coevorden einen Leutnant mit dreißig Mann nach Neuenhaus zu detaschiren. Der Leutnant Folckers zog darauf mit seiner Mannschaft auf die Burg zu Neuenhaus, deren Thüre
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I) Münsterischer prätendirter Landeshoheit über die Grafschaft Steinfurt.
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im Thore er aufsprengte und den Drost von Etzbach auf sein Verlangen, mit den Seinigen, um nicht vom Volke mißhandelt zu werden, davon begleitete. Eine vom Inhaber der Grafsch. Bentheim dagegen eingelegte, vom Leutenante nicht angenommene Protestation wurde vom Volke zerrissen und in den Burggraben geworfen. Der Graf Ernst wurde mit Jnbel [sic!] eingeholet mit Küchensteuern, wie auch das Militär verehret, obschon Letzteres nach des Königes Befehl auf seine eigene Kosten leben sollte. Der Graf Ernst dankte so fort [sic!] in einem französischen Schreiben dem Könige, gab den General-Staaten der Vereinigten Niederlande, den Staaten der Provinz Oberyssel und den Oberysselischen Hauptstädten und Mitstaaten Deventer, Campen und Zwol in besondern Notificationen Nachricht von seiner ergriffenen Possession seiner Niedergrafsch. Bentheim; der Englische König rechtfertigte seine Unternehmung in Circularen an den Kaiser, an die Reichsstände des Westphälischen Kreises, und an die Kaiserlichen Commissarien der Bentheimischen Streitsache. Der Graf Arnold Moritz Wilhelm protestirte nochmals dagegen am eilften October 1696 aufm Fürstlich Münsterischen Schloße Ahaus, seine zu Bentheim gebliebene Gemalin klagte darüber beim Churfürsten zu Küln [sic!] und Bischofe zu Münster nach Ahaus, bey Chur-Brandenburg, Chur-Pfalz und Chur-Hannover. Der Graf Ernst hingegen rechtfertigte sich in Schrei-
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ben an Ihre Kaiserliche, auch Königlich Schwedische und Dänische Majestäten, und an die Kaiserlichen Herrn Commissarien. Die catholischen ausschreibenden Fürsten des Westphälischen Kreises ohne Chur-Brandenburg remonstrirten dagegen an den Kaiser, an den König von Engelland und Statthalter von Holland, an die General-Staaten, welches der Churfürst Friedrich der Dritte von Brandenburg als Mitausschreibender Fürst des Westphälischen Kreises mißbilligte. Inzwischen führte sich Graf Ernst in der Niedergrafschaft völlig als Regent auf, setzte die gräflichen und Landes-Gläubiger wieder in ihre Hypotheken ein u. s. w., wodurch die Eingeseßenen der Obergrafsch. desto mehr nach seiner Regierung verlangten. Bis auf Verwendung der Kaiserlichen Gesandten im Haag durch die Generalstaaten und den Königlichen Rath am sechsten November 1696 beschloßen wurde, daß die Niedergrafsch. Bentheim, bis daß der Bielefeldische Vergleich erfüllet seyn würde, durch keinen der streitenden Herrn Grafen beseßen werden sollte, daß Alles darin in dem Stande bleiben sollte, wie es jetzt wäre, und daß das Staatische Commando von Neuenhaus nach Coeverden zurückziehen sollte, immittelst sollte der Königliche Rentmeister der Bentheimischen Güter Pontanus die Niedergrafsch. administriren. Dem Grafen Ernst wurde unter der Hand geraten, sich Friedenshalber so lange aus der Niedergrafsch. zu entfernen,
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und zugleich versprochen ihm mit noch weit mehrerer Mannschaft beystehen zu wollen, wann der Graf Arnold Moritz Wilhelm diesem entgegen handeln würde. Ueber den Sinn dieses Interims Vergleiches wurde hernach sehr gestritten, und der Inhaber der Obergrafsch. suchte auf alle Art wieder in den Besitz der Niedergrafsch. zu kommen, wodurch Er durch ein Kaiserliches Pönal Mandat vom vierzehnten December 1696 wider den Grafen Ernst bestärket wurde, welches diesem ohne Beilagen, worauf solches erkant worden, insinuirt ward, worüber Er beym Königlichen Rath im Haag am vier und zwanzigsten Jänner 1697 klagte und dem Kaiser zu seiner Rechtfertigung darauf antwortete.
Wurde nun von Seiten des Grafen Arnold Moritz Wilhelms über die Vorfälle in der Niegrafsch. [sic!] auch am Reichstage zu Regensburg geklaget, und von Seite des Grafen Ernst auch darauf geantwortet, so kam doch endlich auch eine neue Conferenz der Kaiserlichen Commissarien zu Pyrmont 1697 März 24. zu Stande. Nun suchten die Bevolmächtigten des Grafen Arnold Moritz Wilhelm, die Herrn Beesten und Riccius die Hauptsache durch Klagen über die neuesten Vorfälle in der Niedergrafsch. aufzuhalten; der Graf Ernst berief sich auf seine vormalige bedingte Annahme des Bielefeldischen Vergleiches, wenn ihm, wo nicht die Grafsch. Bentheim selbst, den-
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noch ein völliges Aequivalent dafür eingeräumet würde; der Bruder desselben Christoph Bernard erklärte der Wahrheit gemäß, nie zur Annahme des Bielefeldischen Vergleiches Volmacht gegeben, sondern auf die Grafsch. Bentheim bestanden zu haben und noch darauf zu bestehen; Statius Philip suchte seiner Minderjährigkeit wegen innerhalb vier Jahren um Wiederherstellung in den vorigen Stand an, falls Er oder seine Curatoren in seinem Namen etwas ihm Nachteiliges mögten bewilliget haben. Endlich kam auch der Rentmeister Pontanus des Englischen Königes und Holländischen Statthalters in der Niedergrafsch. Bentheim zu Pirmont bey der Kaiserlichen Commission mit einem Königlichen Verbote an, daß der Graf Ernst unter Strafe der Felonie ohne Königlichen Consens über das Königliche Lehn in gedachter Niedergrafsch. keinen Vergleich eingehen sollte. Da es aber nun so weit gekommen war, daß die Grafsch. Bentheim zwey Herren hatte, den König von England und Statthalter von Holland in der Nieder, den Grafen Arnold Moritz Wilhelm in der Obergrafsch., woraus die größten Verwirrungen entstanden, der Graf Christoph Bernard auch 1697 verstorben war, so daß von den jungen Herrn Grafen nur noch zweye übrig waren, nämlich Ernst und Statius Philip, so hatten die Kaiserlichen Gesandten im Haag mit den Königlich Englischen Commissarien schon gewiße Vergleichs-Puncte
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zur Beendigung der Bentheimischen Händel getroffen, als das berühmte LAUDUM REGIUM oder Vergleich und Compromissoriale Aussprache Sr. Brittannischen Majestät, in der Holländischen Sprache, im Haag am ersten November 1701 geschloßen ward. Dieses Grundgesetz des Hauses und der Grafsch. Bentheim ist hinter der Bentheimischen Kirchenordnung abgedrucket, die bisherige Erzälung der Bentheim Steinfurtischen Irrungen ist aus zween gedruckten Folianten und deren häufigen Urkunden und Actenstücke genommen. Der erste Foliant führet zum Titel: ILLUSTRUM QUATUOR FRATRUM COMITUM BENTHEIMENSIUM CLAMOR AD COELUM, AD IMPERATOREM ET AD S. R. G. IMPERIUM: das ist: Der vier hochgräfl. Bentheimischen Herren Gebrüder Welt bekantes Recht zur Grafsch. Bentheim und angehörigen Graf und Herrschaften Sonnen klar bewiesen I. Durch die Bentheimische Deduction gedruckt im Haage 1686 oder das gleich lautende Bentheimische Memorial gedruckt und im H. R. Reich ausgegeben zu Regensburg mit 155 Documenten. 2. Durch derselben andern Theil verfassend das Bentheimische Manifest von der Frau Gräfin zu Bentheim gebohrnen von Zelst ausgeschrieben 1679 und den Echo auf das Anno 1686 erfolgte Steinfurtische so genante Gegen-Manifest, Anno 1687 bewiesen im Documenten von 155 bis 260. Und dann 3. Durch deme was nach der Anno 1687 erkanten Kaiserl. Commission in dieser Sachen vor-
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gefallen, gehandelt, geadvisirt und gesprochen ist, und noch soll werden. Wesel, Duisburg und Frankfurt.” Das Possierlichste in diesem Werke ist das „Hochgräfliches Bentheim Steinfurtisches Gegen-Manifest” u. s. w. mit dem „Hochgräflich Bentheimischer Seiten refutanter widerschallender Echo.” Letzteres ist in Versen abgefasset und widerleget jeden Satz des Gegen-Manifests. Das zweite Werk hat den Titel: „PROTOCOLLUM CONTINUUM QUERELARUM BENTHEIMENSIUM ETC.” Es verdienet diesen Titel, da die Hauptsache dieses Werkes aus Rechtlichen Verhandlungen, Documenten, Manifesten, Befelen, Landtags-Verhandlungen, Protestationen u. s. w. besieht; nur Schade, daß die Hauptstreitigkeit zwischen den Bentheimischen Grafen, mit den Münsterischen Händeln mit Steinfurt, immer vermischt ist.
§. 29.
Da aber nicht nur die Gebrüder die Grafen Ernst und Statius Philip von Bentheim, jetzt von Steinfurt, und ihr Vetter der Graf Arnold Moritz Wilhelm von Steinfurt, jetzt von Bentheim, befriediget werden, sondern auch die Landes-Beschwerden der Grafsch. Bentheim im Kirchen- und Staats-Fache abgeschaffet seyn sollten, so sind auch alle Gegenstände in jenem Königlichen Schiedsrichterlichen Ausspruche erschöpfet. Zu
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Eingange desselben sagen die Grafen Arnold Moritz Wilhelm an einem, und Ernst und Statius Philip am andern Theile, daß sie, gemäß des Verlangens Seiner Großbrittanischen Majestät, sich über die Erfüllung des Bielefeldischen Vergleichs vertragen wollten, und wenn dieses nicht gelingen würde, so überließen sie sich der Entscheidung Seiner gedachten Majestät. Jedoch bliebe es den Grafen Ernst und Statius Philip freygestellet, die Ungültigkeit des Bielefeldischen Vergleiches, der übrigens auf seinem Werthe oder Unwerthe beruhen sollte, dorten in Rechten auszuführen, wo sie solches anbringen wollten. Dann versprach der Graf Arnold Moritz Wilhelm: Die Protestantischen Eingeseßenen der Grafsch. Bentheim sollten in den Zustand zwischen den Jahren 1624 und 1668, wann die Veränderung wailand des Grafen Ernst Wilhelm eingetreten, zurück versetzet, folglich der abgeschafte Oberkirchenrath wieder an, und durchaus mit Reformirten besetzet und überhaupt nach seiner Stiftung durch wailand den Grafen Arnold Jobst vom Jahre 1613 wieder eingerichtet werden. Das Kloster zu Schüttorf, wie auch das zweite Pfarhaus daselbst und zu Bentheim sollten den Reformirten zurück erstattet werden, weniger nicht alle Einkünfte der Kirchen und Schulen und deren Gefälle aus den Domänen u. s. w. Ein Kapital von 500 Reichsthalern ans Gymnasium zu Steinfurt samt den rückständigen Zinsen; überhaupt
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das ganze Register der geistlichen Güter, deren Rentmeister ein Reformirter seyn sollte. Dann übernahm der Graf Arnold Moritz Wilhelm ein Drittel von zweytausend acht hundert und neun Reichsthalern zu bezalen, welche weiland Graf Arnold von der Kirche zu Steinfurt aufgenommen hätte, und sein Möglichstes anzuwenden, daß die Häuser Teklenburg und Steinfurt das übrige Zweydrittel bezalen würden. Zu Wilsum sollte wieder eine, und zu Feldhausen die zweite Pfarstelle errichtet werden. Eines Predigers Witwe sollte in den Grafsch. Bentheim und Steinfurt jährlich eine Pension von zwanzig Reichsthalern genießen. Dann wurden vor [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: für] Catholische Kirchen die Schloßkirche und die durch die Catholischen gebauete Kirche zu Bentheim, die auf der Burg Altena zu Schüttorf, aufm Hause Brandlecht, auf der Burg zu Nordhorn, aufm Amthause zu Neuenhaus und im Dorfe Emmelenkamp oder Emblicheim, samt der Procession zu Bentheim auf Johanni, feierlich anerkant; endlich der Westphälische Friede des Jahres 1648 zur Richtschnur alles dessen genommen, was nicht namentlich bestimmet wäre. Durch die Wiedereinsetzung des Oberkirchenraths, des Gerichtes in Ehesachen und über geistliche Personen, bis auf Schulmeister, Küster und Organisten u. s. w. und Güter, wobey die Bestallung aller Art Kirchenämter unter Landesherrlicher Installation beruhet, und die Kanzley-Gebür [sic!] in jedem Falle
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sogar bestimmet ist, wurde daß Reformirte Kirchenwesen für die Zukunft aufm alten Fuße befestiget. So viel die politischen Beschwerden betraf, nahm der Graf Arnold Moritz Wilhelm an, alle Immunitäten, Privilegien, Vorrechte, welche die Stände, Städte, Flecken, Dörfer, Bauerschaften und einzelne Eingeseßene von den vorigen Herrn Grafen erhalten hätten oder von Alters besäßen, zu bestätigen, auch vorige Landtags-Recesse und die darauf gegründeten Concordaten wailand des Herrn Grafen Ernst Wilhelms mit den Ständen heilig zu unterhalten. Bey Bewilligung der Subsidien und sonstigen beliebten Auflagen sollte keine Stimmenmehrheit der Stände statt finden, und nach derselben nicht gehoben werden; jedoch würde den Committirten Seiner Großbrittanischen Majestät zu den Bentheimischen Landtagen das Landesherrliche Subsidium nach Zeit und Umständen empfolen. Woben noch bemerket ward, daß, weil ein einzelner dem Landesherrn abgeneigter oder passionirter Landstand demselben, wider die gute Meinung aller Anderer, das Subsidium vorenthalten könnte, solches niemals durch eine Stimmenmehrheit sollte festgesetzet werden können, außer, wenn Seine Majestät oder seine Nachfolger in den Oberysselischen Gütern in der Grafsch. Bentheim damit übereinstimmten. Dann nahm der Graf Arnold Moritz Wilhelm an, alle Schulden seiner Vorfahren, Grafen von Bentheim, besonders wai-
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land des Grafen Ernst Wilhelm zu bezalen, die also den Grafen Ernst und Statius Philip, denen Steinfurt zugewiesen war, nicht zur Last fielen.
Die Reformirten sollten von keinen Aemtern ausgeschloßen, sondern zu Landes-Deputationen I), Drost-Aemtern, Hof und Niedergerichten, Lands und Gerichts-Empfängerstellen und sonstigen Bedienungen nach Verdiensten zugelaßen und Ausländern (Münsterländern) vorgezogen werden, namentlich wurde dieses in Rücksicht des Hofgerichts festgesetzet, endlich eine Alternative in Rücksicht her Religion angenommen. Wobey es sein Verbleiben haben sollte, wenn ein Reformirter Landesherr (von Steinfurt) an die Regierung käme. Der von Seiner Kaiserlichen Majestät bestätigte zwischen wailand Grafen Ernst Wilhelm und dem Herrn Adolph Henrich von Raesvelt von [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: in] den Jahren 1651 und 1680 [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: 1680 geschlossene Vertrag] wurde nochmals genehmiget 2).
Ferner wurde eine algemeine Amnestie festgtsetzet und alle zwischen dem Grafen und den
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I) Jährlich sind zwey Landes-Deputirte aus den acht Ständen der Reihe nach ohne Unterschied der Religion.
2) Darin ist Nichts von der Souveränitat der Mediat Herrlichkeit Lage enthalten.
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Ständen beym Reichshofrath und bey der Kaiserlichen auf Churpfalz erkannten Commission hangende Rechtsstreitigkeiten wurden hiemit abgemacht. Alles dasjenige, was die Herren Stände oder derselben Deputirte seit der Verteilung der Ober und Niedergrafsch. Bentheim dem Landes-Empfänger aufgetragen hätten, wurde hiemit gutgeheißen. Endlich ersuchten die unterschriebenen Herrn Grafen Seine Kaiserliche Majestät, Seine Königliche Majestät von Großbrittanien, wie die General-Staaten, auch alle Churfürsten und Fürsten des Reichs, dieses Compromis zu guarandiren.
Wegen Erfüllung des Bielefeldischen Vergleiches hatten die Herrn Grafen sich aber noch nicht vertragen können, daher folgende Entscheidung des Königes von Engelland nun statt fand: Außer der Grafsch. Steinfurt, Alpen und Hawickerwerth sollte der Graf Arnold Moritz Wilhelm noch sechszig tausend Reichsthaler, nebst tausend Reichsthaler Zinsen jährlich von zwanzigtausend Reichsthalern Kapital, so auf den Steingruben verpfändet wäre, wie auch Alles, was die Grafen Ernst und Statius Philip vermöge des Bielefeldischen Vertrages bereits erhalten hätten und besäßen, denselben abtreten und auszalen, welche letzt gedachte beide Grafen auch alles Dasjenige behalten sollten, was sie aus der Niedergrafsch. Bentheim während der Sequestration derselben
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gezogen hätten. Obige zwey Capitalien von sechszig und zwanzig, zusammen von achtzigtausend Reichsthaler Capital holländisch sollten zehn Jahr mit fünf von hundert verzinset, alsdann oder auch früher abgelöset werden. Hiemit sollten alle Differenzen über die Erfüllung des Bielefeldischen Vergleichs und über die Pächte und Einkünfte der Thornischen Güter abgethan seyn; jedoch bliebe den Grafen Ernst und Statius Philip ihr vorerwähntes Recht vorbehalten, in Petitorio die Nullität des gedachten Bielefeldischen Vertrages beweisen zu können; würden sie darin triumphiren, wenn sie jene erwähnte achtzig tausend Reichsthaler holländisch schon erhalten hätten, so sollten sie selbige ohne Zinsen zurück erstatten. Alle Schulden der Vorfahren der Herrn Grafen Ernst und Statius Philip, besonders des Grafen Ernst Wilhelms, wie auch das Capital, womit die Grafsch. Steinfurt der Gräfin von Oxenstirn verpfändet wäre, sollten vom Herrn Grafen Arnold Moritz Wilhelm übernommen werden; übrigens sollten die beiden Grafschaften Bentheim und Steinfurt mit deren Depenbenzen zum Nutzen und zur Last eines jeden Besitzers derselben seyn. Endlich wurde obiger Vergleich über die Abstellung der Kirchlichen und Politischen Beschwerden von seiner Großbrittanischen Majestät genehmiget und versprochen, daß so bald diese GRAVAMINA ECCLESIASTICA ET POLITICA gehoben seyn würden, dem Grafen Arnold Mo-
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ritz die Niedergrafsch. wieder eingeräumet, derselbe auch, nachdem Er den Grafen Ernst und Statius Philip eine Seiner Majestät hinlängliche Versicherung wegen obgenanter achtzig tausend holländischen Reichsthaler gegeben haben würde, mit Neuenhaus und Zubehör belehnet werden sollte. Sollte noch einiger Mißverstand über diesen Schiedesrichterlichen Ausspruch eintreten, so behielt sich der König die Auslegung davon bevor, versprach auch dem dagegen verletzten Teile die starke Hand zu Hülfe zu bieten, wie Er dann diesen Vertrag und dieses Grundgesetz der Grafsch. Bentheim nebst den darin confirmirten Concordaten guarantierte am eilften November 1701. Worauf die Königlich Preussische Guarantie am 12. Jul [sic!] 1704 und die der General-Staaten der Vereinigten Niederlande am 12. Feb. 1767 erfolgte, wie dann die Grafen Ernst und Statius Philip vom Kaiser Leopold mit der Grafschaft Steinfurt, wie mit der Grafsch. Bentheim zur gesamten Hand 1705 den dritten April belehnet wurden. So wie in allen folgenden kaiserlichen Belehnungen der Grafen von Steinfurt, auch in der Letzten Seiner jetzt regierenden kaiserlichen Majestät Franz des Zweyten vom 25. Jänner 1793, eine Mitbelehnung zur gesamten Hand mit der Grafsch. Bentheim und Herrschaft Emblicheim enthalten, der Bielefeldische Vergleich, folglich auch der darin bestimte Rückfall Bentheims an Steinfurt, nebst dem LAUDO REGIO
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des eben gedachten Königes von Engelland, worin die Concordaten bestätiget wurden, confirmiret ist. Da aber auch die Herrlichkeit Alpen dem Stammvater des jetzigen Herrn Grafen von Steinfurt unter der Garantie des Kaisers und Reichs, wie der Könige von England und Preussen, und der General-Staaten zum Aequivalent für die Grafsch. Bentheim eingeräumt wurde, so gebührt dem Grafen von Bentheim-Steinfurt dermalen aus doppeltem Rechtsgrunde eine Entschädigung für diese Ueberrheinische an die Französische Republik gefallene Herrschaft.
§. 30.
Weil sonst in den Kaiserlichen Lehnbriefen auch des Vergleichs der Grafsch. Steinfurt mit dem vormaligen Hochstifte Münster erwähnet wird, so sey folgendes vom ehemaligen Verhältnisse dieser Grafsch. mit jenem Hochstifte ein Anhang. Von der uralten Reichsunmittelbarkeit der vormaligen Herrschaft und jetzigen Grafsch. Steinfurt, die auch ein Lehn des Kaisers und Reichs ist, kam zwar in der vorigen Geschichte Manches gelegentlich vor. Allein folgende Nachrichten verdienen noch einige Anführung. Bernard Herr zu Lippe, Niklas Graf zu Tecklenburg, Balduin Herr zu Steinfurt, Johann van Solms Herr zu Ottenstein, Ludolf von Ahaus aus dem hohm Adel, und Henrich Korf, Herrman von Merfeld
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Bernard von Droste, Münsterische damals nach der Landeshoheit trachtende Edele verbanden sich 1360 wider den Fürstbischof von Münster zur Verteidigung ihrer Rechte. Der Römische König Maximilian der Erste lud 1494 die Edele und Reichs Getreue Everwin und Everwin Gevettere Grafen zu Bentheim und Steinfurt auf den Reichstag zu Worms gleich andern Churfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs ein, um dort mit den Ihrigen gerüstet zu erscheinen; der Kaiserlichen Krönung zu Rom und dem Zuge wider die Türken beizuwohnen. Im folgenden Jahr 1495 erhob dieser Kaiser auf offenem Reichstage zu Worms ohne Münsterischen Widerspruch die Reichsherrschaft Steinfurt I) zur Grafschaft, bestätigte auch dem Edelen Seinem und des Reichs Lieben Getreuen Everwin Grafen zu Bentheim und zu Steinfurt den ihm von wailand Henrich Herrn zu Gemen mit der Herrlichkeit Bredevort vererbten Zoll daselbst. Kaiser Karl der Fünfte lud in wiederholten gegen andere Reichsstände üblichen Ausdrücken 1530 den Edlen Seinen und des Reichs Lieben Getreuen Arnold Herrn zu Steinfurt auf den Reichstag zu Augsburg ein. Kaiser Leopold forderte 1600 vom Grafen Philip Conrad zu Steinfurt, wie von andern Westphälischen Kreisständen eine Türkensteuer.
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I) Mit der Freygrafsch. zu Laar.
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So viel die Fürstbischöfe von [sic!] und das Hochstift Münster betrift, so versprachen der Bischof Walram von Mörs und das Domcapitel zu Münster 1451, daß sie keine Ansprüche an das Gericht zu Rüschau, noch an die Kirchspiele Steinfurt und Borghorst hätten, obschon der Edele des Bischofes lieber Vetter Everwin Graf zu Bentheim und Herr zu Steinfurt zur Abkehrung der Gewalt der Stadt Münster vom Bischofe und vom Domkapitel sich zur Huld der Kirche zur Ehre Gottes angeboten hätte.
In dieser benachbarten Hülfe, in der geistlichen Gerichtsbarkeit, in der Steinfurtischen Landesstandschaft im Münsterischen wegen der Burg Schwanenburg zu Mesum und anderer Münsterischen Güter steckte aber eben das Gefährliche für Steinfurt, besonders wenn die Münsterische wider ihre Bischöfe zu Zeiten schwürige Rittersch. zu Steinfurt ihre Zuflucht nahm.
Der Bischof Friedrich von Blankenheim zu Uetrecht hingegen schloß mit seinem lieben Vetter Ludolph Herrn zu Steinfurt und Henrich von Solms Herrn zu Ottenstein 1395 ein Bündniß dahin, daß sie sich einander und ihren Wechselseitigen Untertanen keinen Schaden zufügen wollten. Jene Erbeinigung zwischen den Gvettern Everwin Gr. von Bentheim und Everwin Herrn zu Steinfurt vom Jahre 1487 wurde be-
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kantlich von Bentheimischen und Steinfurtischen Burgmännern und Städten mit unterschrieben und besiegelt.
Ludolph von Steinfurt hatte der Stadt Steinfurt 1347 städtische Rechte, wie Müuster [sic!] hätte, gegeben, wobey schon Richter und Schöffen vorkommen, welches Everwin Gr. von Bentheim und Herr von Steinfurt 1488 erneuerte, ohne daß Solches von den Fürstbischöfen zu Münster, zum Zeichen, daß Steinfurt eine Mediat Herrlichkeit wäre, jemals bestätiget ist; da doch Steinfurt seit der Zeit als eine Stadt bekannt ist.
Der Münsterische Bischof und Administrator von Bremen Henrich stellete 1489 ein Reversal aus, daß Er auf einem Landtage eine Reichssteuer vom Hochstifte Münster bewilliget erhalten, und seinen lieben Vetter nnd [sic!] getreuen Rath den Herrn Everwin Gr. von Bentheim und Herrn zu Steinfurt begehret hätte, diese Schatzung von den Seinigen zu erheben, und ans Kapitel Haus zu Münster zu liefern, welches derselbe für dieses mal, mit Protestation für die Zukunft sich hätte gefallen laßen. Der Fürstbischof Friedrich Christian von Münster erinnerte mit den anderen Directoren des Westphälischen Kreises Chur-Brandeburg [sic!] und Churpfalz Steinfurt an die Bezalung rückständiger Reichskammergerichts Zieler 1693.
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Die bischöflich Münsterische Gerichtsbarkeit im Steinfurtischen Gebiete vermischte sich aber immer mehr und mebr mit dem Weltlichen, besonders über geistliche Personen und Güter, wie die von den Herrn von Steinfurt gestiftete Malteser Commende daselbst, wovon folgende Urkunde vom Jahre 1242 zeuget. Darin sagt der Prior Reinhard aller Hospital Brüder und Häuser in Teutschland, daß der edele und erlauchtige Mann Herr Ludolph von Steinvorde dem Hospitalhause daselbst den Zehnten zu Albravesloh, das Haus zu Wene, die Häuser zu Clanedorpe und Scherehorne, auch jene Güter, welche Er vom Herrn von Volmuntstein gekaufet hatte, nämlich den Hof zu Westerode, die Hauser Beckeheim, Vinhagen, Draging, Ikim, Wendelmadink, Reshovet und Balstdorpe mit der Meinung geschenket hätte, daß dreyzehn Arme in diesem Hause davon gespeiset und getränket werden sollten. Diese Urkunde ist zu Steinfurt in Gegenwart des Provisors Herman von Düsburg, sechs mit ihrem Taufnamen allein genanter Hospitalbrüder oder Ritter, des Plebans oder Pfarrers Hugo von Metelen und des Plebans Johann von Steinvorde, wie der Ritter Henrich und Johann Gebrüder von Leden, des Truchseß Walter und Rütgers Schrage ausgefertiget. Auf Klagen der Armen, daß die Compturen zu Steinfurt, diese Fundation nicht gehörig hielten, traf Graf Arnold von Bentheim und Steinfurt 1566 eine Verfügung, was die
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Armen so lange der Comptur Henrich von Hövel lebte, bestimt genießen sollten, widrigens würde der Graf, als respectiver Fundator diese Stiftung einziehen und für den Unterhalt jener 13 Armen auf eine andere Art sorgen, so daß der Gr. v. Steinfurt als Richter über den dortigen Commendeur u. noch mehr über die Commende zu Stinfurt [sic!] handelte. Hierüber stelleten gedachter Comptur, der Prior Johann von Borken und sämtliches Couvent [sic!] des Johannis Hauses Burgsteinfurt diesen Grafen, den sie ihren gnädigen Herrn nennen, ein Reversal aus. Wenn man übrigens das Steinfurtische Verhältniß zu Münster alle Jahrhunderte durch diplomatisch erweget, so wurde von den Münsterischen Fürstbischöfen die persönliche Reichs Unmittelbarkeit der vormaligen Dynasten von Steinfurt, die in immediater Würde dem Kaiser so nahe standen, als andere Reichsstände, wie dann hieran kein Zweifel war, so bald die Grafen von Bentheim Regenten von Steinfurt wurden, so wie die Immedietät ihrer Residenz Steinfurt nicht bestritten, sondern die Grenzen der Grafsch. Steinfurt waren eigentlich nur controvers. Die Freygrafschaft zu Lahr, das Gogericht des Amtes Rüschau, worunter jene durch Steinfurt von den vormaligen Dynasten von Ahaus gekaufet war. waren Kaiserliche Verleihungen und Ueberbleibsel der vormaligen Kaiserlichen Hoheit im ganzen Reiche, die niemals die Fürstbischöfe von Münster erhalten hatten, und wurden mit der Herrschaft
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Steinfurt zur Reichsgrafsch. mit Sitz und Stimme unter dem Westphälischen Grafen Collegio auf Reichs und Kreistagen erhoben, so wie sie in den kaiserlichen Lehnbriefen bis auf den heutigen Tag genant werden. Dazu kam die Edelvogtei über das Stift Borghorst I) als ein Afterlehn der Grafen von Ravensberg, die solche von den Erzbischöfen von Magdeburg zu Lehn trugen. Unbekant ist es aber jetzt, daß der Kaiser Karl der Fünfte, als Herzog von Geldern und Graf von Zütphen 1554 den sieben und zwanzigsten Junii den Steinfurtischen Drost Johann von Lennip als Bevolmächtigten des Edelen und Wohlgebohrnen Herrn Arnold Grafen zu Bentheim und Steinfurt, nach Zütphenischen Lehnrechten, mit dreyen Lehne jedes Lehn gegen ein Pfund guten Geldes Heergewette belehnte; eins dieser Lehnen bestand in zwoen Vogteien mit allen ihren Rechten und Zubehörungen, nämlich der Vogtei Ueberwasser in, und S. Moritz vor der Stadt Münster, das zwei-
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I) Die Dynasten und Grafen von Steinfurt besaßen im Magdeburgischen die Güter Orebsfeld und Hotensleben als Vögte von Borghorst, und hatten wegen dieser Güter Sitz und Stimme auf den Magdeburgischen Landtagen.
Sieh: Staat von Preussen.
Preussische und Brandenburgische Staats Geographie.
Die große diplomatische holländische Encyclopädie, Buchstabe M bey Magdeburg.
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te Lehn war das Wildforstamt in der Davert zwischen der Stadt Münster und Lüdinghausen mit allen seinen Rechten und Zubehör, das dritte der Wind und das Gemal in den zweyen Kirchspielen Aalten und Wenterswyk, und die Güter Eppink, Syckink, Hoekink und Roschink mit allen ihren Zubehören im Amte Bredevoort im Kirchspiele Wenterswyk, so wie diese drey Lehne auf den seeligen Herrn und seinen Vater Gr. Arnold vererbet wären I). Der Statthalter der Lehne des Fürstenthumes Geldern und der Grafschaft Zütphen unter der Regierung der Staaten von Geldern, Henrich von Essen verlieh diese Lehne 1634. Febr. 13. dem Gr. Arnold Jobst, so wie solche auf ihn vom Gr. Wilhelm Henrich (zu Steinfurt vermälet mit der Fürstin Anna von Anhalt ohne Erben, Bruder Arnold Jobsten) vererbet wären. So wurde Steinfurt auf den Reichstagen 1500 zu Augsburg auf zwölf Gulden, 1505 zu Köln auf einen Mann zu Fuß, 1521 zu Worms auf zwey zu Pferde, neun zu Fuß,
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I) Der Graf Arnold, so diese Belehnung erhielt, war Graf von Steinfurt vermälet mit der Fürstin Magdalene von Lüneburg ohne Kinder; sein älterer Bruder Ererwin [sic!] der Dritte war Graf von Bentheim; ihr Vater Arnold hatte zur zweiten Gemalin die Dynastin Walburg von Brederode gehabt , woher vermuthlich diese Geldrischen Güter.
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Tecklenburg gleich angeschlagen, 1551 zu Worms auf zwey Pferde, vier zu Fuß.
Auf dem Westphälischen Kreistage zu Köln wurde Steinfurt 1631. Decb. 15. der Münsterschen Protestation ohngeachtet mit Sitz und Stimme zugelaßen, weil es seine altere Possession bewiesen hätte, wie der Kreis-Convent erkannte; desgleichen wieder zu Köln 1642. Decbr. 15, wo wegen Steinfurt der Drost zu Alpen Peter von Spirg genant Hanf erschien; eben so zu Köln im März und April 1697, wo es zu 8 2/3 zu Roß und 8 3/4 zu Fuß, und in Triplo zu 26 zu Roß und 26 l/4 zu Fuß angesetzet ward, aber dagegen protestirte, daß es nicht nach Tecklenburg, wie auf vorigen Kreistagen zu Essen, Köln und Bielefeld, sondern nach Münster gesetzet war. Von Steinfurtischen Landtagen ist der vom Jahre —32 [sic!] oder 1532, wie die Zeitumstände und die Vermischung der durch die Reformation und oberländische Prediger aus Sachsen u. s. w. in Westfalen eingeführter Hochteutschen mit der Westphälischen Sprache andeuten, sehr merkwürdig. In dem zu Seeinfurt [sic!] am Abend Jacobi Apostoli ausgefertigten Landtagsschreiben heißt es: Die Grafsch. Steinfurt würde schwerlich mit Kaiserlichen Mandaten angesprochen, um Reuter und Knechte wider die Türken zu stellen, da Sie nun der Grafsch. Steinfurt mit zugethan, und einige ihrer Güter und Leute derselben zum Teile
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unterworfen wären, so mögten Sie im nächsten Monate darüber zu Steinfurt zusammen kommm, und darüber tractiren. Diese Landtags-Ausschreiben ergiengen an die im Ambt von Rieschaw [sic!]: Johann Schenking zu Rügenhagen, Henrich Schenting zu Beveren, Johann Merfeld, Johann von Beveren zu Havickesbeke, Johann von Oldenhus, Everd von Scheven, Bernd Valte, Lüke Valke, Derk Morrien, Klaas von Donop, Georg Warendorf; an die Geistlichen: Myn Vrouw von Borghorst, myn Vrouw von Meteln, Kloster zu Ueberwasser, Probst zu Varlo, Balier zu Stenfort, Kloster zu Langenhorst. Es erschienen: de Balier, Henrich Schenking, der Amtmann von Metelen, Johann von Bevern, (zu Havixbeck) Warendorps Knecht I), Herr Korve von Vaerlo, Althus, Amtmann von Vrede, ein Diener von Overwater 2), Johann Schenkings Knecht. Die Ausgebliebenen hatten sich zwar bey den Befehlleuten zu Steinfurt entschuldiget und erkläret, mit den Beschlüßen der Erschienenen zufrieden seyn zu wollen, Letztere verlangten aber der Erstern ansdrückliche [sic!] Zustimmungen, darum ergingen an der Grafsch. Steinfurt Verwandte, Burgmänner und Gutsherrn abermalige Ausschreiben eines neuen Landtages
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I) Eine allgemeine Bedeutung eines Rentmeisters u. s. w.
2) Dito.
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zu Steinfurt auf Freitag nach Maria Himmelfahrt um neun Uhr Vormittages, und namentlich an Johann von Mervelde, Derick Morrien, Bernhart Valken, Lücken Valken, Johann Stricken, Evert v. Heyen, den Pater to Langenhorst. Denen, die zu erst erschienen waren, wurde ein Denkzedul des Inhalts mitgegeben: „An die Vorstellung des Wolgebohrnen meines gnädigen lieben Junkers Grafen zu Bentheim etc. zu denken, des Freitages nach Mariä Aufnehmung, um neun Uhr Vormittages wieder zu Steinfurt zu seyn, oder Bevolmächtigte zu schicken, alsdann zu Unterhaltung der Reuter und Knechte, die Seine Gnaden wider die Türken soll stellen, endlich zu beschließen.” Die Schatzungen in den Kirchspielen (nicht in der Stadt) Steinfurt, Borghorst, Laer und Holthausen waren aber der eigentliche Stein des Anstoßes zwischen Münster und Steinfurt. Einige genante Eingeseßene dieser Kirchspiele hatte der Bischof Franz von Waldeck zu Münster und Osnabrück Administrator zu Minden, der Schatzung wegen, bey Abwesenheit des Grafen Arnold pfänden laßen, es erging aber deswegen am ersten April 1552 vom Reichskammergerichte zu Speier ein Pönal Mandat gegen ihn, und er zeigte auch dabey an, daß er demselben nachgekommen wäre. Der Grund dessen, daß Münsterischer Seite eine Hoheit über die Kirchspiele der Grafsch. Steinfurt behauptet werden wollte, lag aber eben in den Schat-
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zungen aus denselben, da Steinfurt die Reichs-Steuern hin und wieder nach Münster als ausschreibende Fürsten des Westfälischen Kreises, wie andere Grafschaften, wiewohl zu Zeiten mit Protestation und gegen Reversalen entrichtet hatte, auch hatten die Fürsten von Münster als Diöcesan Bischöfe zu Zeiten von den ihrer geistlichen Gerichtsbarkeit unterworfenen Grafen von Steinfurt ein Willekom beym Antritte ihrer Regierung erhalten, welches mit andern Vorteilen der bischöflichen Jurisdiction, nach der Reformation, zu Folge des Westphälischen Friedens wegfiel. Eine detaillirte Geschichte der Grafsch. Steinfurt würde jedem Uupartheiischen [sic!] aber die Undankbarkeit Münsters gegen Steinfurt für dessen auf Münsterisches Bitten und Begehren demselben geleitete nachbarliche Hülfe in Zeiten der Noth, besonders in den Wiedertäuferischen Unruhen, vor Augen legen, und welche enorme Geld Vorschüße Steinfurt noch an Münster zu fordern hat, zum Beweise des ehemaligen großen Vermögens der Grafen von Steinfurt. Erst der Münsterische Fürstbischof Christoph Bernard von Galen, der Bentheim und andere Grafschaften so wenig als Steinfurt verschonte, wagte übrigens Eingriffe in die Stadt Steinfurt selbst, aus dem Vorwande, daß die Gesandten der General-Staaten sich dort aufgehalten und mit den Aufrührern der Stadt Münster correspondirt hätten, Er, Fürstbischof, müßt auch den Generl-Staaten [sic!] mit
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einer militärischen Besatzung der Stadt und Grafschaft Steinfurt zuvor kommen; Er erhielt aber dagegen eineu [sic!] Strafbefehl vom Reichskammergerichte zu Speier vom zwanzigsten April 1667 des Inhaltes: die von den vorigen Münsterischen Fürstbischöfen selbst anerkante Reichs-Unmittelbarkeit der Grafen, des Schloßes und der Stadt Steinfurt ferner nicht zu stören und die Miliz daraus abzuführen u. s. w., dem der Bischof aber dadurch auszuweichen suchte, daß dieses Militär kein Münsterisches, sondern Westfälisches Kreis-Militär wäre. Da dieses übrigens auch die Reformirte Stadtkirche mit Gewalt eingenommen und darin das Simultaneum eingeführet hatte, so erfolgte auch dagegen ein Kammergerichtliches Pönal-Mandat vom zwanzigsten April 1667, desgleichen unterm Münsterischen Fürstbischofe Ferdinand am dritten März 1680 und noch mehr geschärft am siebenten Julio 1682.
§. 31.
In dieser Verwirrung und Zerrüttung trat nun der Graf Ernst von Bentheim die Regierung der Grafsch. Steinfurt an, die Er im Innern sonst beruhiget fand, dadurch den Vertrag seines Groß-Oheims Wilhelm Henrichs Grafen von Steinfurt, und dessen Brüder Arnold Jobsten, Ernsts Großvaters, Grafen von Bentheim, und Adolphs Grafen zu Tecklenburg mit der Stadt
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Steinfurt vom zwölften November 1616 das Verhältniß dieser Municipalstadt zur Landes-Obrigkeit auf eine billige Art festgesetzet war, ohne daß auch dieser Vertrag jemals von dem Hochstifte Münster bestätiget ist. Nach diesem Vertrage könnten Bürgermeister und Rath die Bürger, so übertreten, angreifen, versäumten Sie solches aber, so stünde es der hohen Obrigkeit zu, doch sollte der Gefangene binnen vier und zwanzig Stunden dem Rathe in Verwahrung geliefert werde [sic!]. Aus eigener Auctorität sollten die Bürgermeister Niemanden hinsetzen oder loßlaßen, außer wo Gefahr beym Verzug wäre oder es nur geringere Excesse beträfe, unter Verantwortlichkeit gegen Ihre Gräfliche Gnaden; wobey es auch stände, schwehrere Verbrecher zu verurteilen oder loß zu laßen; wie auch jene Bürger zu bestrafen, welche die Bürgermeister verhöhneten oder schölten oder auch ihren Geboten nicht gehorsamten, welche die Bürgermeister sonst angreifen mögten, und wenn ihre Strafe in Geld bestände, die Hälfte davon bekommen sollten. Aufruhr bey Tag und Nacht, falsche Maaß und Gewicht, Gottes-Lästerung, Brandtewein und Biergelage vor oder unter dem Gottesdienste, Ausschweifungen bey Gastmälern sollten in Beyseyn gräflicher Beamten, auch Bürgermeister u [sic!] Scheffen gestrafet werden, Geldstrafen würden geteilet. Mord, Gewalt, Dieberey, Ehebruch, Huperey, Meineid, Blutrinnen straften Ihre Gräfli-
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Einschub
che Gnaden, welche auch Gebot und Verbot in peinlichen und bürgerlichen Sachen, samt aller Hoheit hätten. Straßen zu verbeßern, eisen, Graben zu reinigen, Taglöhner Lohne zu setzen, die Uebertreter dagegen bis zu zehn Mark zu strafen, bliebe bey der Stadt I) wie auch Schlägereien in der (Bürger) Wacht, wenn kein Blutrinnen oder grobe Schmähungen darauf folgten. Der Stadtrath mögte für jetzige und zukünftige Gilden Articulen aufsetzen und verändern, aber Ihrer Gräflichen Gnaden zu verlesen geben und dann nebst Höchstderselben besiegeln. Der Stadtdiener sollte nach alter Gewohnheit sich mit der Pfandung verhalten, und deswegen über seinen gewöhnlichen Stadteid vor Ihrer Gräflichen Gnaden Gericht beeidet werden, auch wegen seiner Besoldung von Ihrer Gräflichen Gnaden, so wohl Amts als Gerichts und Stadtsachen verrichten. Die Freygerichte belangend wollten Ihre Gräfliche Gnaden sich den Reichs Abschieden gemiß verhalten, sonsten auch jedesmal bey vorfallenden geklagten Mängeln darin dermaßen remediren und mitteln, daß die Bürger gegen Billigkeit nicht beschwehret werden sollten. Herrn und Schuldiener, wie auch die auf der Burgstraße und in den Vicarien Häusern wohnten, nebst der Apotheke, so lange diese eine Apotheke bliebe, sollten von der Stadt Wache frey seyn,
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I) Unter Landesherrlicher Oberaufsicht.
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wenn sie keine bürgerliche Nahrung trieben. Die Stadt sollte das Weggeld, so weit sich der Stadt Steinweg erstreckte, erheben mögen, was auch ausserhalb desselben die Bürger auf dem Adelichen Brink I) und sonsten an beweislicher Gerechtigkelt im Brauch und Herkommen hätten, sollte ihnen vorbehalten bleiben. Ein jeder mögte auf seinem einigen Grunde, wo Steine wären, Steingruben machen, wann Er die Steine zu seinem eignen Besten gebrauchte; allein ohne Landesherrliche Bewilligung sollte in der Grafsch. kein Holz gehauen und daraus verkaufet werden 2). Die Polizei über die ländliche Oeconomie, als Vieh und Viehweiden sollte dem gräfl. Richter und Stadtrathe gemeinschaftllch [sic!] zustehen. Das Ufer des inneren Stadtgrabens sollte drey Fuß breit von Wäschen u. s. w. unbedeckt bleiben, auch der Aa Fluß zur Landesherrlichen Fischerey an den Ufern nicht beengt werden. Die der Stadt ehemals für tausend Goldgülden wie-
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I) Der ehemaligen Burgmänner; der Brink ist die Gemeinheit der ehemaligen Marke oder Bauerschaft Steinfurt, worin das Schloß der Haupthof des Grund Herrn war; Jahrhunderte früher als Christentum und ein Bistum Münster entstand.
2) Weil die Grafschaft Steinfurt eine eigentümliche allodiale GutsHerrschaft [sic!] schon vor Entstehung der Landeshoheit und selbst des Lehnwesens war.
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derlößlich versetzte Bier Accise oder Grutherrlichkeit [sic!] sollte für abermalige eilfhundert Reichsthaler erblich und ewig bey der Stadt bleiben. Kirchen und Armen Rechnungen sollten vor den gräfl. Beamten, Bürgermeistern und Rathe mit Zuziehung eines Predigers abgelegt, auch arme Landesherrliche Eigenhörige so wohl als I) andere Arme Anteil an den Almosen haben. Musterungen, Heerschauungen blieben bey hoher Obrigkeit 2); das gewöhnliche Schießen betreffend bliebe es bey alter Gewohnheit, Bürgermeister und Rath könnten die Bürger uud [sic!] Einwohner auf Wehren setzen und innerhalb der Stadt dieselben mit Fahnen und Trommeln aufführen und besichtigen, jedoch unter der obern Aufsicht und Anordnung Seiner gräfl. Gnaden 3). Tauben zu schießen und Tauben Schlachten blieben verboten, Röhre über Feld zu führen wäre aber Niemanden verwehret, nur nicht an verdächtigen Oertern und zum ungebührlichen Schießen 4.)
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I) Stadtarme.
2) Wie bey den Urzeiten beym Markenkenrichter [sic!] und Obermarkenrichter, des Heerbannes Hauptmann.
3) Diese repräsentirte den vormaligen Heerbans Commandanten, der Stadtrath die Erbgeseßenen Leutnants der Marken. Bey dem Schützenschießen in Städten, beym Vogelschießen in Bauerschaften denke man an TACITUS DE MORIB. GERMANORUM.
4) Diese ausschließliche Taubenflucht ist
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Den näheren Kauf bey Verkaufungen bürgerlicher Güter ließen Seine Gräfl. Gnaden fahren I). Appellirte Jemand vom Stadtrate ans Gräfliche Hofgericht, und die Urtel des Stadtrates würde confirmiret, so sollte die dafür zu erlegende Succumbenz Strafe dem Grafen und nicht dem Stadtrathe entrichtet werden. Appellationen über Besichtigungen schädlicher Gebäuden durch den Richter und Stadtrath, sollten gegen Cantion [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Caution] des obsiegenden Teiles, die Sache zum Ruin der Häuser u. d. m. nicht aufhalten.
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ein Ausschluß der Grundherrlichkeit, wie Jagd, Fischerey u. s. w. Der Gebrauch der Röhre wider schädliche Thiere, eine Billigkeit.
I) Die vormalige Marke Steinfurt wurde vom ersten Herrn von Steinfurt, sey es durch Niederlaßung oder sonst erworben und durch seine LEUTE cultiviret, wer sich nun in diesem gutsherrlichen Bezirke niederließ, unterwarf sich den Bedingungen eines Pächtigers oder Mietesmannes nach Eigentums Rechte, urlang vor Entstehung der Landeshoheit; hierin liegt das Hausväterliche Recht über Leben und Lod, Recht Abgaben und Dienste zu fordern, zum Kriege anzuführen u. s. w., aber auch die Pflicht zu schützen; hierin liegt das höhere Recht der vormaligen Dynasten vor den Reichsbeamten, Grafen u. s. w. Man betrachte die Lebens Art der vor Israelitischen Patriarchen unter andern Einrichtungen der Vorzeit.
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Münz‑, Kirchen- und Schulordnungen blieben bey Ihrer Gräfl. Gnaden allein. Alle Arresten, gerichtliche Schuld- und Pfandverschreibungen auf Häuser oder Ländereyen gehörten allein vor das Gericht; aber Testamenten, Vormundschaft Verzeichniße und Kundschaften über geringe Mißthaten sollten vorm Rathe in Gegenwart des Richters gemacht und gezogen werden. Die Wahl der Bürgermeister und Schöpfen sollte frey seyn und mit Vorwißen und belieben der Obrigkeit geschehen. Bürgermeister und Rath sollten die Reichssteuern Seiner Gräflichen Gnaden entrichten. Endlich sollten die Bürger kein Schiff auf den Stadtgraben halten.
Zur ebenmäßigen Beruhigung seiner, statt der Grafsch. Bentheim erhaltenen Grafsch. Steinfurt gegen die Uebermacht des Hochstiftes Münster, hatte Graf Ernst zwar die würksamsten Schritte gethan, und sich besonders des Steinfurtischen Kirchen Wesens halber an Kaiser und Reich, an Chur Mainz als Reichs-Director, und Chursachsen als Director des Evangelischen Körpers der Reichsstände, wie an die Schwedische und Dänische Kronen, wegen der Erstern Guarantie des Westphälischen Friedens, auch an die Englische und an die Generalstaaten gewendet, sein frühzeitiger 1713 erfolgter Tod verhinderte ihn aber, die Früchte davon einzuärnten. Glücklicher war seine hinterlaßene Witwe gebohrne Gräfin Isabel-
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le Justine ven Horn Frau zu Batenburg, Kessel, Bicht und Oedekirchen, als vom Kaiser mit ihrem Schwager Statius Philip Brigadier und Oberster zu Pferde der General-Staaten I) bestätigte Vormünderin ihrer minderjährigen Kinder, hierin.
Wurde ihr Vertrag mit der Stadt Steinfurt vom neun und zwanzigsten September 1717 nun zwar ein Jahr später geschloßen als der Vergleich mit dem Hochstifte Münster, so kann er des Zusammenhanges wegen doch hier angeführet werden.
Nach demselben sollte die Stadt Steinfurt bey obigem Vergleiche, bey ihren hergebrachten Privilegien und sonstigen Gerechtigkeiten, nach Inhalt der darüber errichteten Recessen gelaßen werden.
§. 32.
Der Stadt sollten die um derselben von der Wasserpforte bis zum so genanten Metelenschen Walle gelegenen Wälle, ohne Nachteil und Beschädigung der herrschaftlichen Fischerey des ersteren Grabens, zu Ländereyen überlaßen werden,
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I) Vermälet mit der Gräfin Johanna Sidonia von Horn ohne Kinder.
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die bereits zu Bleichen gemachten Wälle sollten in diesem Zustande, ohne einige Forderung vom vorbey fließenden Wasser I), gelaßen werden.
Bürgermeister und Scheffen sollten, in Abwesenheit des Richters, als ordinäre Vice-Richter und Gerichts-Beysitzer, zu Folge der Landes Ordnung und Observanz, weiter fungiren können- [sic!] Die Lasttragenden Häuser, welche verfallen wären, sollten der Stadt, oder demjenigen, so daran einige Prätensionen hätte, zur Reparation überlaßen werden, weniger nicht die gänzlich Verwüsteten, mit Vorbehalt der darauf haftenden Hypotheken und sonstigen Lasten 2).
Die Abzugs oder Schulden Quots Gelder sollten der Stadt, bis daß sie aus ihren Schulden geraten wäre, überlaßen werden; jedoch soll-
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I) So gemäßigt sind also in der Stadt Steinfurt die uralten Herrschaftlich. Grund-Rechte, worüber in den Herrlichkeiten unseres Freystaates so viel Streit war, welche doch ihre Landeshoheit verloren haben.
2) Wo keine bestimie [sic!] Eigentümer derselben waren, war wieder hier eine Aufopferung der vacanten Güter vorhanden, wozu das Grundeigentum der Herrschaft mehr berechtiget war, als das Regale der Landeshoheit nach dem Verzeichniße der AUSWERTIGEN, so gehäßigen Longobardischen Feudal Gesetze: QUAENAM SINT REGALIA.
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te wegen der Lastbaren Güter der Hof‑, Kirchen- und Schulbedienten, so viel solche unter dieses Beschwehr gezogen werden könnten, wie auch deren Witwen und Leibes Erben, Bescheidenheit gebrauchet werden. Die Rummeling Stege sollte aus Landsmitteln fahrbar gemacht, und kein Umfahren (Vorbeifahren) verstattet werden, so bald der Vergleich mit dem Hochstifte Münster völlig zu Stande gekommen seyn würde. Das sogenante Unland oder der erste Graben zwischen der Stein- und Wasser-Pforte, sollte, so lange derselbe nicht ausgeworfen würde, der Stadt jährlich für 5 Reichsthaler auf Martini zu bezalen, verheuert werden. Die verfloßenen Reichssteuern sollten der Stadt gänzlich erlaßen, wegen der laufenden und künftigen aber ein stabiles Quantum ohne Erhöhung oder Verminderung nach Billigkeit festgesetzet werden. Endlich sollten der Stadt zur Abtragung ihrer Schulden I) entweder 1500 Reichsthaler aus dem im Münsterischen Trans-Act verglichenen letzten Termine baar bezalet, oder von der Zeit an das Erbe Rotman und der sogenante Gräneweg Kamp bey des Schulzen Lögering Hause zu Hollich, oder ein anderes Aequivalent statt der jährlichen Zinsen zum Ge-
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I) Des dreißigjährigen und Spanisch Niederländischen, wie des Münsterischen Krieges mit den Vereinigten Niederlanden, wobey Steinfurt jämmerlich litt.
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gengebrauche, bis zur völligen Bezalung dieser Summe eingeräumet werden.
§. 33.
Aus dem mit dem Münsterischen Fürstbischofe Franz Arnold von der verwitweten Frau Gräfin und ihrem Schwager; wie auch von den Geral-Staaten [sic!] und dem Landgrafen Karl von Hessen, als respective Testamentarischen und vom Kaiser bestätigten Vermündern [sic!] und Ober-Vormündern der dreyen minderjährigen Söhnen des wailand Grafen Ernst, in dreißig Artikeln am 7. December 1716 geschloßenen Vergleiche ersieht man übrigens, daß durch gedachten Gr. Ernst dazu schon der Grund gelegt worden war, und daß die Streitigkeiten zwischen den Fürstbischöfen von Münster und den Grafen von Steinfurt seit 1547 zwischen dem Gr. Arnold und dem Bischofe Franz am Reichskammergerichte pendent gewesen waren, und eigentlich die Hoheit u. Schatzung über u. aus den Kirchsp. Steinfurt außerhalb der Stadt, Borghorst, Laar u. Holzhausen, auch einige Bauerschaften, nämlich Höping, Eichrode, Wiesch, Oldendorf, Stettendorf, Kentorf u. Beerleve (Beerlage) in den Kirchspielen Billerbeck und Darfeld betrafen.
Zu Folge dieses Vergleiches nun sollten die Stadt und das Schloß Steinfurt nicht weiter, als gegenwärtig statt hätte, mit Mauern und
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Graben befestiget, noch auch in dem übrigen immediaten District eine ober mehrere Vestungen erbauet oder angeleget werden; ohne daß die Reparation und Reinigung der Mauern und Graben zu Steinfurt dadurch verhindert seyn sollte. Das Schloß, die Stadt und der übrige immediate District, noch auch einzelne Teile davon sollten keinen fremden oder andern Herrn, als den gräfl. Bentheim Steinfurtischen Descendenten, ober deren Agnaten, welche das erbliche Successions-Recht würklich erreichet hätten, eingeräumet, noch darin eines Anderen oder mehrerer Anderen Landsherrn Miliz, wenn sie auch in Eid und Pflicht eines zeitlichen Grafen zu Bentheim Steinfurt genommen waren, aufgenommen werden, wie auch in diesem immediaten Districte kein größeres Militär gehalten werden sollte, als aus demselben besoldet und beköstiget werden könnte. Der zeitliche Herr Graf zu Bentheim Steinfurt sollte sich, das Schloß, die Stadt und den übrigen immediaten District, oder einen Theil davon, keiner anderwertigen Protection oder Schutze untergeben I), wohingegen aus dem Hochstifte Münster dem Hause Steinfurt, noch dessen Untertanen direct noch
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I) Außer dem Schutze Kaisers u. Reichs; nahmen Hessen-Cassel und die General-Staaten diesen Steinfurtischen Vertrag mit Münster in Schutz.
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indirect keine Feindseeligkeit noch Schade zugefüget werden sollte.
Die Münsterische Garnison sollte nach erfolgter Kaiserlicher Bestätigung und Genehmigung dieses Vergleichs durch die Herrn Agnaten, so fort aus Steinfurt abmarschiren, außer etwa 50 Mann mit Untergewehr, die zur täglichen Arbeit bey dem Baue der Chatolischen Kirche gebrauchet werden sollten, wofür monatlich für einen Ledigen sieben Schillinge I), nnd [sic!] für einen Beweibten vierzehn Schillinge Quartiergeld gegeben werden sollte. Uebrigens sollte dem Münsterischen Militär jeder Zeit ein Reichs-Constitutions maßiger Durchmarsch durch gedachten immediat District der Grafsch. Steinfurt gestattet werden. Wenn Schloß, Stadt und übriger immediater District zum Theile oder ganz an Andern, als Gräfliche Agnaten, versetzet oder veräußert werden mögte, so sollte das Hochstift Müuster [sic!] gegen Erlegung dessen, was Andere dafür geben oder darauf herleihen wollten, ein Näher-Recht haben; unter Hypotheken des genannten Schloßes, der Stadt und des Kirchspieles oder Territoriums 2). Den Münsterischen Untertanen
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I) Ein Viertel Reichsthaler.
2) Mit andern Worten Herrsch oder Grafschaften, die nach Münsterischen eigenen Geständniße aus Schloß, Stadt und Kirch-
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und umgekehrt den Steinfurtischen sollte bey ihren Handlungen und Durchreisen, wann auch ein oder ander Land zugeschloßen wäre, über altes Herkommen kein Beschwehr zugefüget werden; mit dem Zusatze, daß so wenig die Steinfurtischen Untertanen, als die Herrschaft selbst, oder derselben Güter von den Hochfürstlichen Münsterischen Gerichten oder Regierung, noch umgekehrt die Münsterische Herrschaft oder derselben Untertanen und derer Güter von denen gräflich Steinfurtischen Gerichten oder Regierung, unter einigem Prätext, mit in gemeinen Rechten verbotenen Arrest belegt werden mögteu [sic!]. Der Artikel acht bis Artikel neun uud [sic!] zwanzig einschließlich betreffen die Toleranz und Ausübung der Catholischen Religion in der Comturey Kapelle, und zugleich mit der Reformirten in der großen Kirche zu Steinfurt, jedoch in Letzterer nur vier Jahre lang, bis die neu zuerbauende catholische Kirche fertig seyn würde, wozu, wie auch zum Kirchhofe, zu Pfar‑, Küsters‑, Schulmeisters- und Schulmeisterin-Häusern und Gütern in der Vorstadt Steinfurt, sonst aufm I) Friedhof genant, gräfl.
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SPIELE Steinfurt bestand.
Dieser Vertrag wurde nämlich den vierten December 1716 zu Münster unter fortwährender Münsterischer Garnison zu Steinfurt, entworfen, und daselbst BON GRE MAL GRE den siebenten December angenommen.
I) Worauf sich der Burgfriede erstreckte.
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Seite der Platz bereits angewiesen wäre. Diese Kirche und Schul-Gebäuden und deren Einwohner sollten die gewöhnliche Immunität genießen; die Kirche sollte Klocken haben, womit des Gottes Dienstes wegen, auch bey Absterben der gräfl. Familie und der Fürsten von Münster, als Bischöfen der Catholischen, geläutet werden sollte; Processionen sollten in der Kirche und aufm Kirchhofe gehalten werden; der Catholische Pfarrer, so ein Weltgeistlicher seyn sollte, und Küster sollten die Kranken ihrer Religion ohne weiße Chor-Röcken in der Stadt und im Kirchspiele besuchen, wozu ihnen die Thore bey Nachtzeiten eröffnet werden sollten.
Die Todten ihrer Religion könnten die Catholischen Kirchen und Schuldiener unter Klockengeläute und Gesange aus den Häusern bis zum Kirchenhofe abholen, und von nun an mit Kirchenkleidern und äußerlichen Cerämonien begraben, ohne daß die Reformirten Kirchendiener davon Gebühren fordern könnten; wobey dem Johanniter Commendeur und seinen Leuten die Begräbniß in der Comtur Kapelle vorbehalten bleiben sollte; Verkündigungen und Trauungen der Catholischen, wenn Bräutigam und Braut dieser Religion wären, sollten durch Catholische Kirchendiener geschehen, bey Ehepaaren verschiedener Religionen sollte die Copulation durch jene Geistlichen geschehen, zu deren Religion sich die Braut
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bekennte, die Proclamationen aber in beiden Kirchen statt haben; die Gebühren dafür sollten an diejenigen entrichtet werden, welche die Proclamationen und Copulationen gethan hätten; Kinder catholischer Aeltern sollten von Catholischen getaufet werden, wären die Aeltern verschiedener Religion, so gehörten die Söhne der Religion ihrer Väter, die Töchter jener ihrer Mutter; uneheliche Kinder würden nach der Religion ihrer Mutter getaufet, die Taufgebüren an die Täufer entrichtet; bey Erziehung der Kinder sollte jene Religion angenommen werden, worauf sie getaufet wären, jedoch ohne ungebürlichen Zwang. Die Anstellung der Catholischen Kirchenbedienten sollte vom Bischofe von Münster geschehen, der Pfarrer I) aber sollte vor Antretung seines Amtes einem zeitlichen Herrn Grafen zu Steinfurt, oder in dessen Abwesenheit, dem anwesenden gräfl. Premier Bedienten die Collation vorzeigen, welche ihm ohnentgeltlich zurückgegeben werden sollte 2); der Pfarrer aber sollte auf der Canzel das Kirchengebet für die Landes Herrschaft verrichten. So viel die Jurisdiction in Ehesachen und in Rücksicht der Vermächtniße zu frommen Stiftungen beträfe, so sollte der Proceß Steinfurtischer Seite instruiret, und wenn beide Par-
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I) Als Chef der Uebrigen.
2) Durch eine Installation als Lehrers der Catholischen UNTERTHANEN.
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teien Catholich [sic!] wären, sollten die Acten an eine catholische Universität oder catholische Referenten, und wären sie verschiedener Religion, an eine vermischte Hoheschule oder Referenten verschiedener Religionen zum Spruche versendet werden. Endlich sollten catholische Mißthäter, auch Andere, wenn Letztere es verlangten, von catholischen Geistlichen in den Gefängnißen besncht [sic!], und zum Tode Verurtheilte zum Gerichtsplatze begleitet, auch mit dem Kreutzbilde in der Hand Catholisch vorgebetet werden.
Sonsten wurden so viel die Geistliche Gerichtsbarkeit in Verhältniß mit der Landeshoheit betrift, damals nach dem Geiste der Hierarchie, Letzterer allgemeine Vertröstungen gegeben; einem zeitlichen Catholischen Pfarrern, seinem Substitute, Küster, Schulmeister und Schulmeisterin sollte auf das scharfste eingebunden werden, daß sie gegen einen zeitlichen Herrn Grafen allen schuldigen Respect tragen, auch wann sie dagegen erweislich pecziret, oder auch sonsten in andern Dingen sich vergangen haben würden, nach Beschaffenheit des Verbrechens ohne Eonvenienz [sic!] auf das schärfste von einem zeitlichen Herrn Bischofe zu Münster gestrafet werden sollten. Art. 22.
Im 25 Artikel wird die Landeshoheit über die Malteser Commende deutlich genug in hierar-
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chischen Ausdrucken folgender Gestalt anerkant: „Was aber die Temporal Jurisdiction in gedachter Catholischen Kirche, Commenthurey Capellen, Pastorat und Schulmeisters, auch Schulmeisterin Haus, wie auch auf dem Catholischen Kirchhof belanget, soll solche und derselben anklebende Bestrafung der Delinquenten, einem zeitlichen Herrn Bischofe zu Munster [sic!] privative und allerdings zustehen; jedoch diejenigen Verbrechen ausgenommen, welche Leib- und Lebensstrafe nach sich ziehen, wann selbige von Weltlichen zu Foige der geistlichen Rechten, und des Hochstifts Münster Gewohnheit nach, von der weltlichen Obrigkeit nicht Exempten begangen werden, deren Bestrafung einem zeitlichen Herrn Grafen allein reservirt bleibet.” So viel das JUS ASYLI oder Zuflucht-Recht in der catholischen Kirche, Kirchhof und Cummenthurey Capelle betrift, sollte die geistliche Münsterische Obrigkeit requirirt werden, den Flüchtling auszuliefern, dessen Bestrafung also ein Recht der Landeshoheit nach dem 27ten Artikel bliebe, der übrigens, wie mehrere Andere, bey jetzigen Sitten und Zeiten hinweg fält; wobey und worin auch die Catholische weltliche Macht die weltlichen Händel und Verbrechen der kirchlichen Personen und Guter [sic!], wie der Ehesachen, von den pur geistlichen zu unterscheiden weiß I), und wobey das catholische Re-
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I) Und ihr JUS CIRCA SACRA kennet.
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ligions Wesen unter protestantischer Herrschaft, wie der Staat selbst, besser steht; so wie fur [sic!] die Menschheit Nichts glücklicher ist, als ein gehöriges Gleichgewicht zwischen der geistlichen und weltlichen Macht, und eine gehörige Leitung des geistlichen Amtes und eine gehörige Anwendung der Kirchengüter und frommen Stiftungen. Dem gräfl. Hause Steinfurt hätten übrigens mehrere Rechte gebüret I) da es die dortige Johanniter Comturey hauptsächlich gestiftet, den Platz zur catholischen Kirche und zu den Pfarhäusern und Schulgebäuden, nebst Kirchhofe und Garten unentgeldlich hergegeben, auch mit hundert Reichsthalern die von Steinfurt bestrittenen Ansprüche des Münsterischen Archidiacons von Wenterswyk an Rocken und Haber aus dem Kirchspiele Steinfurt abgekaufet hatte, obschon alle diese bischöfl. Münsterische Rechtsame in der protestantischen Grafsch. Steinfurt nach dem Westphällschen [sic!] Frieden wegfielen.
Der dreißigste und letzte Artikel dieses Münsterischen Vergleiches lautet folgender Gestalt: Alle übrige außerhalb dem Kirchspiele Steinfurt belegene in Streit gezogen gewesene Oerter, samt Allem, was darin belegen, wie es Namen haben möge, Nichts davon ausgenommen 2), bleiben
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I) Auch nur bloße Patronat Rechte.
2) Bleiben in dem Zustande, worin Mi-
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QUOAD OMNIMODAM SUPERIORITATEM TERRITORIALEM bey dem Hochstifte Münster, den gräflichen Hause Bentheim Steinfurt aber soll uber [sic!] die Kirchspielen Borghorst, Laer und Holthausen, auch die Bauerschaften, Höping, Eichrot, Wisch, Oldendorf, Stettendorf, Kentrup und Beerleve respective in den Kirchspielen Darvelt und Billerbeck gelegen (jedoch Kirchen und Kirchhöfe, wie auch geistliche und andere des Hochstifts Munster [sic!] Gewohnheit nach vor der weltlichen Obrigkeit und Untergerichten exempte Personen so wohl als Plätze und Häuser, auch matrimonial und andere geistliche Sachen ausgenommen I)) die unterherrliche Jurisdiction CUM PRIVILEGIO PRIMAE INSTANTIAE IN CAUSIS FISCALIBUS, samt allen davon dependirenden Emolumenten, so viel dieselbe ohnstreitig her-
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litärische Gewalttätigkeit, seit des Fürstbischofes Christophs Bernards Regierung, sie versetzet hatte. Dieses ehemals Steinfurtische Reichsgebiet wird zum Beweise seiner vormaligen Immeditat, von Münster wegen seiner Reichslasten EXIMIRT.
I) Jetzt gibt es keine Fürstbischöfe von Münster mehr, welche die geist- und weltliche Macht in sich vereinigten, die Kirchspiele Borghorst in der Steinfurtischen Edelvogtey, und Laer in der Kaiserlichen Steinfurtischen Freygrafschaft sind wieder Steinfurtische Reichs-Gebiete in einer neuern Grafschaft oder Fürstentume, so wie das eigentliche Gogericht Rüschau.
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gebracht, gelaßen werden, als nämlich MECUM ET MIXTUM IMPERIUM und die darab dependirende Brüchten, An- und Absetznng [sic!] des Richters oder Gografen, Scheffen oder Assessoren, Gerichtschreibers, Fiscals und Procuratoren, auch Vogten oder Gerichts-Frohnen; — — An- und Absetzung deren Kirchspiels und Bauerschaften Receptoren und Abhörung deren Rechnung; — - Jährlich zwey Handdienste, der Eine bey Gras, der Andere bey Stroh; auch Aufbot derer des obgemeldten Mediat-Districtes Eingeseßenen, um fals nötig, die IN DISTRICTU MEDIATO gefänglich einzuziehenden Delinquenten zu bewachen, wie auch bey Ausführung und Execution derselben zu assistiren; die Inspection des Aastranges, Verbeßerung der Wege, Lieferung der Kräheköpfe und Bestrafung deren daran Saumhaftigen, und was sonsten zur unterherrlichen Jurisdiction gleich andern im Hochstifte Münster vorhandenen Unterherrlichkeiten ins gemein gehörig, oder sonsten ohnstreitig hergebracht seyn mögte I).” Dann sollte das gräfl. Steinfurtische Haus noch das Ehrengeläute in diesen Kirchspielen haben. Für die vielen Aufopferungen dieses Hauses wurden ihm endlich hundert fünf und zwanzig tausend Reichsthaler vom Hochstifte Münster ausbezalet, wenn die Stadt
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I) In diesem vormaligen Steinfurtischen Reichsgebiete, wie so viel Landcharten unter andern bezeugen.
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Steinfurt für die vielen Drangsale der Münsterischen Kriege mit den Vereinigten Niederlanden Nichts erhalten konnte. Schließlich wurde dem Hochstifte Münster I) ein ebenmässiges Näherrecht an dieser Herrlichkeit, wie an der Grafsch. Steinfurt in gleichmäßigen Fällen eingeräumet.
Und so wurde dieser Vertrag von den Agnaten, Hermann Friederich, Arnold Moritz Wilhelms Sohne, Grafen von Bentheim, vermälet mit Eleonore Bernadine Fürstin von Hessen, Churpfälzischen Obersten und Ober-Amtmann zu Germersheim, Vater des Letztern nun verstorbenen Grafen von Bentheim, zu Düßeldorf den neunzehnten Hornung 1717, und von der verwitweten Frau Gräfin und Vormünderin von Tecklenburg Rheda Christiana Maria geborne Gräfin und Edele Frau zur Lippe, nachgelaßener Gemalin des Grafen Johann August, am sechsten März zu Rheda; von den Steinfurtischen Obervormündern, den General-Staaten im Haag am zwanzigsten Mai, vom Landgrafrn [sic!] Karl von Hessen zu Cassel am dritten Julio des nämlichen Jahres bestätiget. Worauf das Reichskammergerichtliche Ratifications-Decret vom 25. Jänner, 1718 und die Confirmation Seiner Kaiserlichen Majestät Karls
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I) Excistirt nicht mehr, und Steinfurt trit in seine vorigen uralten Rechte JURE POSTLIMINI zurück.
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des Sechsten vom 5ten December 1719 erfolgte I).
§. 34.
So viel die Bentheimische Linie betrift, so starb wenige Tage nach der Publication des Königlichen Schiedesrichterlichen Ausspruches der Graf Arnold Moritz Wilhelm im Haag an einem Schlagfluße, womit er in einer großen Gesellschaft am Spieltische befallen wurde.
Seine Geschichte ist noch eines andern Umstandes wegen merkwürdig, da er in Churpfälzischen Diensten als Oberstkämmerer, Geheimer-Rath und Oberster über das Leibdragoner Regiment gestanden hatte, wobey er, besonders bey den damaligen nach dem Kaiserlichen Hofe zu Wien, zur vorzüglichen Zierde des Churpfälzischen Hofstaates, angetretenen kostbaren Reisen, viele Tausende der Einkünfte der Grafsch. Bentheim nicht nur zugesetzet, sondern auch seine Domänen mit noch mehreren drückenden Schulden beschweret hatte.
Der Churfürst Johann Wilhelm von der Pfalz
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I) Der Bentheimische Mineral Brunn erhielt 1713 an dem Hildesheimischen Arzte Cohausen einem Schriftsteller, wie in neuern Zeiten an dem Bentheimischen Hofmedicus Schütte, ersteres Werk ist zu Koesfeld gedruckt.
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erkannte auch die treuen Dienste, welche Graf Arnold Moritz Wilhelm ihm geleistet hatte, und lohnete dessen Sohn, den Grafen Herman Friedrich im Jahre 1710 mit der erblichen Verleihung der Oberamtmannsstelle zu Germersheim. Dagegen hatte dieser Graf dem Churfürsten ein Kapital von viertausend fünfhundert Reichsthalern vorgeschoßen, welches bis zur Zurückzalung jährlich mit 5 von 100 aus den Einkünften des erwähnten Oberamts Germersheim, oder andern bereitetesten Militär-Gefällen richtig verzinset werden sollte. Dieses wurde bis zum Jahre 1743 pünktlich erfüllet, maßen Gr. Herman Friedrich die Einkünfte der Oberamtmannsstelle zu Germersheim, so wie die Zinsen des vorgestreckten Kapitales, bis zu seinem Ableben nicht nur ungestöret bezog, sondern auch dessen Sohn, der Graf Friedrich Karl während seiner Minderjährigkeit bey der Erhebung der jährlichen aus dem Churpfälzischen Kriegs-Commissariate fälligen Zinsen, so wie im Genuße der Germersheimer Oberamts-Einkünfte ruhig belaßen wurde. Allein im gedachten Jahre 1743 verlieh der Churfürst Karl Theodor von der Pfalz vermöge einer mit sämtlichen Churpfälzischen Oberämtern getroffenen Abänderang [sic!] die Oberamtmannsstelle zu Germersheim dem Freyherrn von Hundheim zu Kreutznach auf Lebenszeit, und ließ dem bisherigen Oberamtmann Grafen Friedrich Karl zu seiner Abfindung 3000 Gulden anbieten. Der damalige Administrator
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der Grafsch. Bentheim, Churfürst von Kölln, legte zwar deshalb sein Vorwort ein, erhielt aber die Erklärung, daß der Churfürst von der Pfalz als Nachfolger aus dem Vertrage und der Anordnung seiner Vorfahren (EX PACTO ET PROVIDENTIA MAJORUM) an die Concessionen des Churfürsten Johann Wilhelm nicht gebunden wäre, dem Grafen Friederich Karl aber das Darlehn von 4500 Reichsthalern mit den bis zum Jahre 1743 verfallenen Zinsen ersetzen wollte. Hiergegen stellete Letzterer vor, daß ihm die Churfürstliche Succession aus dem Vertrage und der Anordnung der Vorfahren an den wohl erworbenen Gerechtsamen und den vom Churfürsten Johann Wilhelm herrührenden Concessionen Nichts entziehen könne. Denn der Churfürst hätte mit dem vermöge des Vertrages und der Anordnung der Vorfahren erworbenen Churlanden, auch zugleich die Allodial-Verlaßenschaft seines hohen Vorfahren in der Chur des Churfürsten Karl Philip, ohne vorher gegangene Absondernng [sic!] angetreten, und sich daher der daraus herfließenden Verbindlichkeit eben so wenig entziehen können, als dieses sein gedachter hoher Vorfahr hätte thun können, der seinem Bruder gleichfalls vermöge des Vertrages und der Anordnung der Vorfahren succedirt wäre, gleichwohl aber die gräflich Bentheimischen Rechte auf die Germersheimer Oberamtmannsstelle anerkant hätte.
Indessen wurde statt dieser Stelle dem Gr.
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Friedrich Karl im Jahre 1763 die Oberamtmannsstelle zu Umstadt und Otzberg verliehen, worin derselbe bis zu seinem am neunzehnten Februar 1803 erfolgten Absterben auch ruhig verblieben ist. Es sind also nunmehr auch diese Ansprüche auf den jetzt regierenden Reichsgrafen Ludwig von Bentheim zu Steinfurt, als Anerben des kaum erwähnten Gr. Friedrich Karl vererbet, da eine erbliche Verleihung der Staats-Aemter zwar eine Ausnahme erleiden mag, jedoch nicht anders als mit einer völligen Entschädigung, wenn der leider so oft mißbrauchte Vorwand der Nachfolgung in der Regierung aus dem Vertrage und der Anordnung der Vorfahren nicht allen öffentlichen Glauben auf Schrauben setzen soll.
§. 35.
Ein anderer in der neuern Bentheimischen Geschichte wichtiger und schon bekanter Gegenstand hatte beym Absterben des Gr. Arnold Moritz Wilhelm auch noch nicht seine völlige Erledigung erhalten. Dieses war die gänzliche Volziehung des schiedesrichterlichen Ausspruches des Englischen Königes und holländischen Statthalters Wilhelms des Dritten.
Zwischen der hinterlaßenen Witwe des gedachten Grafen, gebohrnen Gräfin Johannetta Franscisca von Manderscheid Blankenheim, als
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Vormünderin ihrer dreyen unmündigen Söhne, einer, und den Gr. Ernst und Statius Philip von Bentheim-Steinfurt anderer Seite, schwebten nämlich noch Irrungen über die Dispositionen des erwähnten königlichen Ausspruches, in Ansehung der zu bezalenden sechszigtausend und zwanzigtausend Reichsthaler, so wie wegen der altväterlichen Schulden. Während dieser Irrungen war der gedachte König und Statthalter gestorben, wodurch die Bentheimischen Angelegenheiten in ihrem damaligen Zustande auf die Staaten von Oberyssel devolvirt wurden, von denen die Bentheimische Landtagsstimme nebst dem unentgentlichen Lehnrechte oder zur sogenanten ledigen Hand über Neuenhaus und seinem Zubehör, oder dem Kirchspiele Uelzen, dem Könige und Stathalter in letzterer Eigenschaft übertragen gewesen waren. Nach langwieriger [sic!] Verhandlungen, während welcher die verwitwete Gräfin von Bentheim 1704 verstorben war, erteilten die Staaten von Oberyssel endlich zu Campen den 29. März 1715 eine Resolution, wodurch die noch übrigen strittigen Punkte entschieden, und namentlich die dem Hause Bentheim zur Last fallenden altväterlichen Schulden genau bestimmet wurden. Noch sollte Zufolge derselben die Mitbelehnung über Neuenhaus mit Zubehör, wegen des vorbehaltenen Petitoriums und des zukünftigen Rückfalls dem Hause Steinfurt zugestanden werden. Dann wurde die Sequestration der Niedergrafsch. Bentheim aufgehoben.
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Dieser Vergleich zu Campen wurde vom Gr. Franz Georg von Manderscheid Blankenheim, Bruder der verstorbenen verwitweten Gräfin von Bentheim als Kaiserlich angeordueten [sic!] Vormunde über die drey Söhne des Grafen Arnold Moritz Wilhelm bestätiget.
§. 36.
Unter diesen dreyen Söhnen des Gr. Arnold Moritz Wilhelm war der Aelteste Herman Friedrich 1693 geboren und 1716 nach erhaltener Kaiserlicher Großjährigkeit Erklärung sein Nachfolger in der Bentheimischen Regierung, worauf er sich im Jahre 1717 mit der Fürstin Eleonore Bernhardine von Hessen Rheinfelz Wanfried vermälete. Allein Er fand die Grafsch. Bentheim in der traurigsten Lage. Sein Vormund, der Gr. von Manderscheid Blankenheim, hatte unter der Garantie der General-Staaten der Vereinigten Niederlande ein Kapital von dreymal hundert fünf und zwanzig tausend Gulden holländisch im Haag gegen sechs Pro Cent aufgenommen, und dafür die gräfl. Bentheimischen Domänen verpfändet, da man solche Gelder doch anderwärts zu geringern Zinsen hätte erhalten können. Jetzt verlangte der Graf Herman Friedrich von seinem vormaligen Vormunde Rechenschaft, wozu dieses ansehnliche Kapital angewerdet [sic!] worden wäre, konnte sich aber dadurch gegen die Gläubiger, (welche)
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bey jenem Kapitale interessirt waren, nicht schützen. Die Zinsen desselben und der sonstigen vielen altväterlichen Schulden erschöpften indessen die beträgtlichen [sic!] gräfl. Domainen-Einkünfte. Hierzu kamen traurige Mißverständnisse zwischen dem Grafen und den Landständen, wie Grenzstreitigkeiten der Grafsch. Bentheim mit dem Hochstifte Münster und den Landschaften Oberyssel und Drente. Diese bedrängte Lage wirkte so sehr auf den Grafen Herman Friedrich, daß er mit einer Gemüthskrankheit befallen wurde, welche zur Folge hatte, daß die Administration der Grafschaft im Jahre 1723 vom Kaiserlichen Reichs-Hofrathe dem Churfürsten Clemens August von Köln, Fürstbischofe von Münster und Paderborn, als Mitdirector des Westphälischen Kreises aufgetragen wurde.
Die Gemalin desselben, Fürstin Eleonore Bernhardine war zwar damit nicht zufrieden, sondern verlangte nach Landes Gebrauch die Administration, beschwehrte sich auch deshalb bey Kaiser u. Reich, konnte jedoch, ungeachtet ihrer persönlichen Vorstellungen zu Wien, ihren Endzweck nicht erreichen.
So viel ihren Gemahl betraf, so versuchte man zwar alle mögliche Mittel, ihn wieder zu seiner Gesundheit zu verhelfen, allein vergebens, bis er endlich im Jahre 1731 zu Achen an einem
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hitzigen Fieber starb. Außer der Churpfälzischen Oberamtmans-Stelle zu Germersheim hatte er auch die eines Churpfälzischen Obersten über ein Regiment Infanterie bekleidet.
§. 37.
Graf Herman Friedrich hinterließ außer zweien Töchter einen Sohn Friedrich Karl geboren 1725, worüber der verwitweten Fürstin Eleonore Bernadine und dem Grafen von Kaunitz Ritberg vom kaiserlichen Reichshofrathe die Vormundschaft übertragen wurde. Die Münsterische Administration aber dauerte bis 1739, wann der Churfürst Clemens August auf sein dringendes Ersuchen ein kaiserliches Absolutorium in den ehrenvollesten Ausdrücken erhielt, womit sich diese Regierung endigte, die noch jetzt in der Grafsch. Bentheim in geseegnetem Andenken ist. Nach erlangter Großjährigkeit trat Graf Friedrich Karl die Regierung an, und ließ seine erste Angelegenheit seyn, sich mit seinem Oheim, Leopold Ludwig, kaiserlichen Kämmerer und General-Major, zweit gebohrnen Bruder des Gr. Friedrich zu vergleichen. Dieser Gr. Leopold Ludwig hatte nämlich zuerst wider seinen Bruder eine Alimentationsklage beym kaiserlichen Reichshofrathe angestellet, hierauf während der nachherigen Münsterischen Administration so gar auf eine Theilung der Grafsch., oder wenigstens Mitregierung ge-
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klaget. Jener Vergleich kam nun im Jahre 1748 unter Garantie der bentheimischen Landstände zu Stande und erhielt 1751 die kaiserliche Bestätigung. Graf Leopold Ludwig versprach darin, sich der, nach den Hausgesetzen ohnehin schon bestehenden Primogenitur nicht weiter zu widersetzen. Namentlich wurde darin die berühmte Erbvereinignng zwischen Bentheim und Steinfurt vom Jahre 1487 wiederholt bestätiget, auch die Alimentation der gräflichen Söhne theils aus der Landes-Casse, theils aus den Domänen, desgleichen die Alimentation der Töchter, so wie deren Aussteuer, wenn Sie an Fürstliche oder Gräfl. Personen I) vermälet würden, nach Ausweisung jenes Erbvereins bestimmet. Dann wurde ausdrücklich darin für alle Zukunft festgesetzet, Nichts von der Grafsch. Bentheim zu veräußern 2), damit, wie es heißt, selbige dem heiligen Römischen Reiche, dessen äußerste Grenze die Grafsch. abgiebt, zur Zierde und Vormauer erhalten werden könne.
§. 38.
Dagegen wurde Graf Friedrich Karl wegen des so genanten Oxenstirnischen Fideicommisses in
1) Bey Vermälung der Söhne im Bentheimischen Hause heißt es also noch: „Eine Ritters Frau hat Ritters Ehre.” UXOR
SEQUITUR FORUM MARITI.
2) Die Herrlichkeit Lage!!
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einen äußerst bedenklichen Proceß verwickelt. Seines Urgroß-Oheims Grafen Ernst Wilhelms zweite Gemalin Anna Isabelle, gebohrne Gräfin von Limburg Styrum zu Gehmen, welche sich nach ihres erwähnten Ehegemales Tode wieder mit dem Grafen von Oxenstirn vermälet hatte, wußte sich während ihrer ersten Ehe ein ansehnliches Vermögen zu erwerben, und unter Andern wegen ihrer an das gräfliche Haus Bentheim aufgestellten Forderung, während der damaligen Successions-Irrungen, zu Folge eines Reichskammergerichtlichen Urtheiles vom Jahre 1694 von Kreiswegen eine Immission in das zur Grafsch. Bentheim gehörige Rentamt Schüttorf zu erhalten.
Sie setzte hierauf ihre Tochter erster Ehe Eleonore Magdalene Wilhelmine, vermälete Gräfin von Virmont, in einem Testament zur Erbin ein, worin sie derselben zum voraus einen Pflichttheil von zwanzig tausend Reichsthalern, außer den Prätiosen und andern Sachen, eigentümlich vermachte; in dem übrigen Vermögen aber nach dem Tode der eingesetzten Erbin zuerst die Gräfl. Virmontschen Kinder nach deren Abgang aber die Gräflichen Häuser Gehmen, Illreichen und Bentheim, Jedes zu einem Drittel, fideicommissarisch und unter einander substituirte. Nach dem Ableben der Erblasserin erkante auch der Graf von Virmont so wohl die Testamentarische Disposition, als auch die fideicommissarische Substi-
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tution an, errichtete nach Abzug des seiner Gemalin vermachten Eigentumes, ein Inventarium und theilte solches den substituirten gräflich. Häusern mit.
Hierauf erfolgte es, daß zuerst dessen Tochter, und hiernächst im Jahre 1730 der junge Graf von Virmont verstarb, wodurch also die anerkannten fideicommissarischen Güter den Substituirten von selbst anheim gefallen waren. Dessen ungeachtet verwaltete nicht allein der Graf von Virmont nach dem Kinderlosen Absterben seines Sohnes alle Güter der Erblasserin bis zu seinem Ende, und benutzte Selbige eigenmächtig und ohne Titel, sonderu [sic!] es ließ so gar dessen zweite Gemalin, die doch als Fremde nicht das geringste Recht auf die befragten Güter hatte, nach dessen Tode, 1745, um sich wegen eines anmaßlichen Rechts an die Virmontschen Güter aus ihren Ehepacten zu sichern, unter Andern auch das fideicommissarische, im Jahre 1730 schon heimgefallene Rentamt Schüttorf in Besitz nehmen. Allein der Churfürst von Köln, Fürstbischof von Münster, ließ sogleich nach erhaltener Nachricht vom plötzlichen Absterben des Grafen von Virmont, Namens seines Curenden, des Gr. Friedlich Karl von Bentheim, die Domänen im Amte Schüttorf in Besitz nehmen, welche von dessen Vorfahren, als aus dem Vertrage und der Anordnung der Vorältern zur Succession gelangten
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Agnaten stets reclamiret worden waren, indem selbige zur Ungebühr theils versetzt, theils verschenkt worden waren I). Dennoch stellete die Gräfin von Virmont diese Besitznahme beym kaiserlichen Reichshofrathe als ein Spolium vor, u. wirkte, aller dort gräflich Bentheimischer Seite vorgebrachten offenbar vorliegenden Gründe ungeachtet, im Jahre 1748 ein Final Conclusum aus, wodurch dem Grafen Friedrich Karl auferlegt wurde, den Besitz der Güter, wie solcher vor der Dejection bestanden, sogleich wieder einzuräumen. Ein Erkenntniß, wodurch Derselbe bey den ohnehin schon so sehr zerrütteten Finanzen in die schrecklichste Verlegenheit gesetzt wurde. Es waren aber alle deshalb beym kaiserlichen Reichshofrathe übergebene Vorstellungen, so wie auch ein Recurs an den Reichstag, ohne Erfolg. Die Sache gedieh bis zur Execution, welche 1749 auf den Westphälischen Kreis erkant wurde, und während sie in executiven Terminen lag, wurde die Grafsch. Bentheim mit dem da mit consolidirten Anteile des Oxenstirnischen Fi-
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I) So triumphiret die Wahrheit in der folgenden Geschichte. Diese Verschleuderung der Domänen war durch das damals Steinfurtische, jetzt Bentheimische Haus in trüben Zeiten unter Münsterischen Schutze geschehen, wie Es noch nicht das mindeste Recht an Bentheim hatte, jetzt suchte Münster mit Bentheim dieses zu verbeßern.
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deicommisses an Chur Hannover verpfändet, wie es im Pfandschafts Contracte ausdrücklich heißt.
Durch königlich Preussische Vermittelung kam indessen im Jahre 1737 ein Vergleich zu Stande, wodurch die Gräfin von Virmont gegen eine, in der Folge von Chur Hannover auf die Grafschaft Bentheim vorgeschoßene Summe von fünf und dreißig tausend Reichsthalern abgefunden wurde.
Uebrigens rühren von dem Oxenstirnschen Fideicommisse die Bentheimische Ansprüche auf die Herrschaften Zoppenbroich, Pferdsfort und Hulß im ehemaligen Churfürstenthume Köln auf dem linken Rheinufer her I), welche auf rechtskräftigen Reichskammergerichtlichen Urteilen von 1755 bis 1767 beruhen. Hierdurch wurde nach dem Ableben der Gräfin von Virmont deren Nachlaßenschaft den substituirten dreyen Gräflichen
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I) In allen Jahrgängen des Varrentrapschen genealogischen Reichs Staats Handbuchs steht daher im zweiten Theile folgendes: „Die Linie BENTHEIM BENTHEIM besitzt:
„I. Die Grafschaft Bentheim, vier und zwanzig Quadratmeilen, vier und zwanzig tausend Einwohner, welche aber an Chur Braunschweig verpfändet ist.
2) NOCH DREY HERRSCHAFTEN AN DER GRENZE VON JÜLICH UND KÖLN.”
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Häusern nach dem Inventarium zugesprochen, und in diesem stand die Herrschaft Zoppenbroich namentlich. Allein der Churkölnische Kameralische Anwald [sic!] wollte dieses Lehn einziehen laßen, und die gräflichen Häuser mußten daher mit demselben bey der Regierung zu Bonn einen Proceß führen, worin aber kein Urteil ausgewirkt werden konnte, ungeachtet man sich wegen Justiz-Verzögerung im Jahre 1774 an das kaiserl. Reichstammergericht wandt. In die Virmontischen Herrschaften Hulß und Pferdsfort hingegen sind die Häuser Gehmen und Illreichen zu Folge jener Rechtskräfttigen [sic!] Reichskammergerichtlichen Urtheile wirtlich immittirt worden, daher man Bentheimischer Seite ebenfalls 1782 um die Immission zu einem Dritteile bey der Regierung zu Bonn nachsuchte. Es ist aber diese Sache wegen beständiger Abwesenheit des Grafen Friedrich Karl hernach liegen geblieben.
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(193)
- — * — -
Geschichte der Verpfandung
der Reichsgrafschaft Bentheim nebst den
Vorfällen der neuesten Zeit.
- — * — -
§. 39.
Aus dem Bisherigen erhellet, wie sehr die Grafschaft Bentheim, das ist, die Domänen-Kammer nnd [sic!] Landes-Kasse derselben, hauptsächlich durch den Spanisch-Niederländischen und dreißigjährigen Kriegs, so wie durch die Händel mit der damaligen Steinfurtischen, hernach Bentheimischen jüngern Linie des Bentheimischen Hauses, in Schulden vertiefet worden, welche zu tilgen der Graf Friedrich Karl sich endlich verleiten ließ, diese Grafschaft unterm 22ten Mai 1752 an den König von England in der Eigenschaft als Churfürst von Hannover zu verpfänden, jedoch nur auf dreißig Jahre, wie der darüber errichtete aus siebzehn Artikeln bestehende Pfandschafts-Contract mit Mehrerem ausweiset, dem noch zwey Separat Artikel beygefüget wurden. So viel
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den Herrn Grafen von Bentheim zu Steinfurt als damaligen nächsten Anerben der Grafschaft Bentheim betrift, so erteilte derselbe dazu den 22. Junii nämlichen Jahres in Hannover seinen agnatischen Consens, nachdem ihm die geschehene Verpfändung vom Könige bekant gemacht worden war, wiewohl diese ältere Bentheimische Linie den Inhalt jener Separat Artikel erst zu Ende jener Versatzzeit erfahren konnte. Die Volziehung des Pfandschafts-Contracts fand aber so viele Schwierigkeiten, daß erst im folgenden Jahre l753 den 1ten Junii ein weitläufiger Pfandschafts-Executions-Receß von den beiderseitigen Bevolmächtigten zu Bentheim errichtet werden konnte. So viel die Kaiserliche Bestätigung dieses wichtigen Geschäftes betrift, so wurde dieselbe zwar 1755 beym kaiserlichen Reichs-Hofrathe nachgesuchet, allein auf die desfals übergebenen Suppliken wurde keine Resolution erteilet, vermuthlich aus der Ursache, weil der eingegangene Contract nicht mit kaiserl. Bewilligung geschloßen worden war. Und fürwahr die unbeschreiblichen Drangsale der Grafsch. Bentheim im siebenjährigen und dermaligen Französischen Kriege mit der Krone England, wovon die Last so sehr auf die Chur-Hanöverischen Lande siel, berechtigten das allerhöchste Reichs-Oberhaupt zu dieser Sorgfalt für ein nicht unbedeutendes Reichs-Lehn an der Grenze des teutschen Reichs.
Die vorerwähnte Veranlaßung zu dieser Ver-
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Pfändung erhellet übrigens aus dem Eingange des Pfandschafts-Contracts, worin es heißt: „Demnach der jetzt regierende Herr Graf Friedrich Karl von Bentheim sich und seine gräflichen Lande schon von seinen Vorfahren her in eine solche Schuldenlast versetzet befindet, daß, wofern er nicht auf deren Abführung ernstlich bedacht wäre, seine, seines Hauses und der Lande großer Schaden und Ruin daraus erfolgen würde, und er dann in diesem Betrachte, ihn mit Gelde auszuhelfen, Seine Königliche Majestät von Großbritannien und Churfürstliche Durchlaucht v. Braunschweig Lüneburg ersuchet hat, haben sich höchstgedachte Seine Malestät auch dazu unter genugsamer Sicherheit willig erkläret.” Das nämliche ist in dem gräflich Bentheim-Steinfurtischen agnatischen Consense, so wie in einem Königlichen diesem agnatischen Heuse erteilten Reverse enthalten, worin versprochen wird, daß auf die in dem Pfandschafts-Contracte verabredete Art und Weise die auf der Grafschaft haftenden Schulden binnen der dazu erforderlichen Jahre Scharr abbezahlt werden sollten.
§. 40.
Die durch Chur-Hannover abzutragenden Bentheimischen Schulden hafteten bekantlich theils auf den gräflichen Domänen, theils auf dem Lande. Der Betrag der Letztern oder der eigentli-
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chen Landes Schulden ist aus den Acten der Pfandschaft nicht bekant, ergiebt sich aber aus den jährlichen Landes-Rechnungen bey der Bentheimischen Landtagstafel. Die Domänen-Schulden hingegen, welche die Verpfändung der Grafschaft einzig und allein veranlaßt hatten, betrugen laut der darüber aufgestellten beiderseitigen Berechnungen die Summe von hundert neun und achtzig tausend hundert neunzehn Reichsthalern, vier und vierzig Stüber fünf Deute holl., welche verhaltnißmäßig zu fünf, vier und viertehalb von hundert jährlich verzinset wurden. Zudem waren noch eine Menge Domänen nutznießlich oder antichretisch versetzt, und unter dem Vorbehalte des Wiederkaufes verkaufet, deren Anzahl bis jetzt noch nicht völlig ausgeforschet ist, obschon zwey Verzeichnis davon vorhanden sind, wovon aber der Verkauf und Versatz-Betrag dennoch auf 57,000 Reichsthaler angenommen werden kann; eine Summe, die zwar nicht, wie die Erstere, verzinset wurde, weil die Gläubiger stat der Zinsen den Nießbrauch hatten, dennoch aber als eine Domänenschuld angesehen werden mußte. Nun sollten die Landes-Schulden aus den Landes-Einkünften, die Domänen-Schulden hingegen aus den gräflichen Revenüen verzinset werden. Letztere bestanden aus dem jährlichen Ertrage der Domänen, und aus dem durch die Landstände zu bewilligenden Subsidio. Ueber den jährlichen Ertrag der Domänen, der zu Folge des zehnten
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Artikels des Pfandschafts Vertrages bestimmet werden sollte, damit der König und dessen Erben nicht verbunden wären, dem Grafen und dessen Erben des Genusses wegen Rechnung abzulegen, konnten beide contrahirende Theile erst nicht einig werden. Dann [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Denn] wurden gleich nach einem fünfjährigen Durchschnitte Etats der jährlichen Domänen-Gefälle aufgesetzet, so wurden solche von den Chur Hanoverischen Commissarien nur zu 19,919 Reichsth. 6 Stbr 6 Deuten holländ., von den hochgräflich Bentheimischen Commissarien hingegen zu 22,080 Reichsth. 44 Stbr., 9 Dt. hell, berechnet, woraus sich ein Unterschied von 2,161 Rthlr. 47 Stbr. 5 Dt. ergab, der aber endlich vom Könige dergestalt gehoben wurde, daß der König den jährlichen Ueberschuß der Domänen in Pausch und Bogen zu 4,700 Rthlr. holl., und sämtliche davon zu leistende Ausgaben gleichfals in Pausch und Bogen 5,421 Reichsth. überhaupt also den jährlichen Domänen-Ertrag in Pausch und Bogen zu 20,820 Reichsth. holl. annahm; jedoch mit dem Bedinge, daß nach erfolgter Uebergabe der Grafsch. dem Könige die völlige freye Nutzung und der uneingeschränkte Nießbrauch der Domänen, wie alle dabey sich ergebende Verbesserung, so lange der Versatz dauerte, ohne dem Herrn Grafen darüber einige Rechnung vorlegen zu müßen, zukommen sollte, ohne daß der Graf desfals einige weitere Forderung und Ansprüche zu machen befugt seyn sollte.
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Wohingegen aber auch der König von dem Hrn. Grafen keine Vergütung zu fordern haben sollte, wenn in einem oder andern Jahre binnen der Versatz Zeit nicht jährlich 20,520 Reichsth. erfolgen sollten. Der Herr Reichsgraf nahm dieses königliche Erbieten an und berief die Landstände zusammen, damit selbige ihm an statt dessen, was derselbe unter verschiedenen Rubriken aus den Landes-Rechnungen theils jährlich, theils durch außerordentliche Bewilligungen bisher erhoben hatte, die zur Erfüllung des Pfandschafts-Contracts gemäß des Ueberschlages beiderseititiger Commissarien erforderlichen 14,120 Reichsthaler holl., auch zu einem Ueberschuße zur Ablegung der Domänen-Schulden, in Allem 16,800 Rthlr. holl. jährlich auf die völlige Versatzzeit bewilligen mögten. Allein wiewohl die Landstände zum Theile 14,128 Reichsth. holl. jährlich bewilligten, so gingen sie dennoch, weil viere derselben dawider protestierten, fruchtlos auseinander. Waren nun wohl auf diese Art die Subsidien nicht fixirt worden, so entschloß sich dennoch der König, weil (wie es im Pfandschafts-Executions-Recesse heißt) das jährliche Subsidium dem Herrn Grafen nicht versagt werden mögte, die auf der Grafsch. haftenden Schulden, zu Folge des eingegangenen Pfandschafts-Contracts abzutragen, und versprach dabey, daß er nach geschehener völligen Uebergabe der Grafschaft alle mögliche Bemühung anwenden wollte, um diese
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Sache zu einer gedeihlichen, und dem Bestreben des Herrn Grafen für die Aufnahme des Hochgräflichen Hauses und die Wohlfahrt der Grafschaft angemessenen Endschaft zu befördern, mithin auf alle den Landständischen Gerechtsamen und den Concordaten nicht zuwider laufende Art dahin sorgen zu lassen, daß die Stände kein unzureichendes Quantum bewilligen mögten, auch zur Abbezalung der auf der Landes-Casse zu vier und viertehalb Procent haftenden Schulden solche gegen drey vom Hundert vorzuschießen, und sich deshalb mit den Landes-Ständen zu benehmen, daß das erforderliche Subsidium ohne Vermehrung der Lasten des Landes aufgebracht werden mögte I).
Dann versprach der König die obenangeführten Domänen Schulden abführen und die dazu erforderlichen Gelder gegen zwei Procent von den Hypothek Aufkünften zu nehmenden jährlichen Zinsen vorzuschießen 2.) Wie auch die so wohl vor der Regierung des Herrn Grafen als etwa auch während derselben von den gräfl. Domänen antichretisch oder unterm Vorbehalte des Wiederkaufes veräußerten Pertinenzien wieder einzulösen, wenn dieselben etwa auch nicht Al-
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I) Pfandschafts-Executions-Receß Artikel 6.
2) Artikel 13.
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le verzeichnet wären, sich auch gefallen zu lassen, daß deren Betrag nach den bey dem Anschlage der gräfl. Domänen von Dero Commissarien zum Grunde gelegten Prinzipien hiernchst dem QUANTUM TOTALI, wozu die Domänen jahrlich übernommen worden, besonders hinzugesetzt, die Dero Behuf vorzuschießenden Gelder ebenmäßig nebst den auf solche Einlösung zu verwendenden außerordentlichen Kosten, fals diese nicht so fort ersetzt würden, Allerhöchst demselben gleich dem übrigen zur Abführung der Domänen-Schulden zu thuenden Vorschuße mit zwey Pro Cent jährlich validirt werden sollten I). Noch versprach der König außer einigen geringern andern Pensionen dem Herrn Reichsgrafen eine jährliche Auskehr von zwanzig tausend Reichsthalern holl. auszuzalen, und endlich dasjenige, was nach Abzug dieser Zinsen und Pensionen übrig bliebe, auf die Abbezalung der gräfl. Schulden zu verwenden. Schließlich hieß es von der Seite des Königes: „ Damit der Graf sähe und wüste, wie seine Schulden abbezahlt und die Aufkünfte seiner zur Pfandschaft gehörigen Länder und Güter verwendet würden, so sollte demselben alle Jahre sechs Monate nach dem Schluße der General-Administrations-Rechnung ein Extract derselben in Form einer Abrechnung zugestellet, und darin gezeiget werden,
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l) Pfandschafts-Executions-Receß Artikel 7.
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was von QUANTO TOTALI, wozu die Einkünfte angeschlagen und übernommen worden, an Zinsen dem Könige zu gut käme, und was zu Abführung der Zinsen und jährlichen Pension an den Herrn Grafen angewandt sey, imgleichen was vom Könige an Capitalien den Creditoren bezahlt worden, und wie die Schulden sich abbaueten I).”
Der Graf von Bentheim trat seiner Seite, zur Sicherheit wegen dieser zu leistenden Vorschüße, für sich, seine Erben und Erbnehmer, an den König, dessen Erben und Nachfolger, seine Grafsch. Bantheim [sic!] und zugehörigen Güter, Nichts als den von ihm einer gewißen Societät eingethanen Steinhandel ausgenommen, ab, und überließ solche auf dreißig nacheinander folgende Jahre, vom ersten Januar 1753 an gerechnet, mit allem ihrem Zubehör, mit völliger Landeshoheit und allen und jeden davon abhangenden Gerechtigkeiten, in weltlichen und geistlichen, Civil- und Militär-Sachen, wie die Namen hätten 2), damit der König, dessen Erben und Nachkommen während der Contract Jahre, solche „des zuleistenden Darlehns halber in aller der Maße haben, besitzen, ausüben und genießen mögte, als der Herr Graf und seine Vorfahren solche gehabt,
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I) Pfandsch. Contr. Art. 9.
2) Pfandsch. Contr. und Executions-Receß Artikel 1.
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besessen, geübt, genutzt und genoßen hatte, oder dazu befugt gewesen, dergestalt I), daß der Herr Graf während den Contract Jahren der Regierung, Administration und des Genusses seiner Lande sich gegen den Empfang der ihm auszuzahlenden jährlichen Pension gänzlich abthue und enthalte.” Dem zu Folge wurden nach abgeschloßenem Pfandschafts-Execution-Recesse die Unterthanen der Grafsch. Bentheim mittelst gedrnckter [sic!] Placate ihrer Pflichten gegen ihren bisherigen Landes-Herrn entbunden, um, so lange die Versatz Zeit dauerte, dem Könige als zeitlichen Landesherrn treu, hold und gewärtig zu seyn.
§. 4l.
Nachdem dieses geschehen war, wurden die zu 189,119 Rthlr. holl. specificirten Domainen-Schulden von Chur Hannover gegen übertragene Rechte abbezahlt, und die Zinsen davon dem Herrn Grafen in die Administrations-Rechnung mit zwey von Hundert zur Last geschrieben. Diese Schulden hatten bisher zu viertehalb, vier und mehreren Procenten jahrlicher [sic!] Zinsen gestanden, wovon noch 12,828 Rthlr. 1 Stbr. 3 Dt. holl. restirte. Dieser Rückstand mußte ebenfalls bezahlt werden, nnd [sic!] dadurch kam es, daß am Ende des ersten Versatz-Jahres ein Vorschuß von 6483 Rthlr., 8 Stbr. 7 Dt. holl. übrig blieb.
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I) Pfandsch. Contr. Art. 10.
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Allein dieser Vorschuß war zu Ende dieses Jahres 1756 nicht nur durch den Ueberschuß der Einkünfte getilgt, sondern auch bereits damals ein barer Ueberschuß von tausend neunhundert drey und vierzig Reichsthalern sieben und vierzig Stüber, zwey Deuten holt, vorhanden. Eine Progression, nach welcher leicht zu beurteilen und auszurechnen war, daß die Domänen der Grafschaft am Ende der Versatzzeit von den Schulden befreyet seyn konnten. Allein im Jahre 17Z? rückte eine Französische Armee auf den teutschen Boden, wobey sich der in Französischen Diensten als Oberster stehende Graf von Bentheim mit seinem Regimente befand. Hieraus nahw das Königlich Churfürstliche Ministerium zu Hannover die Veranlaßung, ihm die zugesicherte Pension von zwanzig tausend Reichsthalern holl., unterm 26. Mai 1757 zu suspendiren. Nun hatte der Herr Graf zwar im Pfandschafts-Contracte auf die Regierung und Administration der Grafsch. Verzicht geleistet, allein nur unter dem Bedingniße, ohne welchem nicht, nämlich des richtigen Empfanges jener Pension, die ihm nach dem ausdrücklichen Inhalte des Pfandschafts-Contracts zu Kriegs und Friedenszeiten ausbezahlt werden sollte, wenn gleich zwischen Frankreich und England Krieg entstehen würde. Der Herr Reichsgraf fand sich daher jetzt genötiget, bey dem Könige dahin anzutragen, daß Letzterer so wohl die auf die Domänen, als auf das Land hergeschoße-
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nen Gelder wieder in Empfang nehmen, und ihm dagegen den Besitz der Grafschaft und der dazu gehörigen Güter wieder einräumen sollte. Da dieser Antrag nicht angenommen wurde, wand sich der Herr Reichsgraf an den König von Frankreich , der ihm schon vorher die Annullation des Pfandcontractes, der ohnehin wegen Ermangelung der Kaiserlichen Bestätigung noch als kein completes und zu seiner völligen Richtigkeit gediehenes Werk angesehen werden konnte, und Wiederergreifnng [sic!] des Besitzes der Grafschaft angesonnen hatte. Im Namen des Königes von Frankreich setzte hierauf der Marschal d’Estrées durch ein unterm 23 Jul. 1757 erlassenes Manifest den Herrn Grafen in den Besitz der Regierung der Grafsch. nnd [sic!] aller anderer Rechte wieder ein.
Da es sich indessen von selbst verstand, daß die von Chur-Hannover vorgestreckten Gelder wieder abgetragen werden mußten, so wurden deshalb mit den Landständen Unterhandlungen eröffnet. Allein diese blieben ohne Resultat, weil die nachherigen Kriegsvorfälle die Französischen Truppen zum Rückzuge aus der Grafsch. Bentheim nöthigten. Jetzt hatte daher jene Wiederbesitznahme der Grafschaft für dieselbe zwar die glückliche Folge, daß sie dadurch von den Kriegs Contributionen befreyet worden war, für den Grafen aber die Unglückliche, daß der König von Groß Brittanien so genante Rechte des
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Krieges und Vergeltung eines unbilligen Rechtes gegen denselben verhängte, und vom ersten Aug. 1757 an alle ihm sonst aus der Pfand- und Grafsch. zu gut gekommene Einnahme einziehen ließ.
Diese Suspension dauerte bis zum Friedensschluße zwischen England und Frankreich im Jahre 1762, da die darin stipulirte wechselseitige Amnestie dem Herrn Grafen ebenfalls zu gut kam, und derselbe in die ihm aus dem Pfandschafts-Contracte zukommende Gerechtsame wieder eingesetzt wurde. Uebrigens wurde auf verschiedene von demselben eingebrachte Memoires unterm 14. März, 14. Apr. und 4. Mai 1763 dem königlich Französischen Bothschafter de Nivernois erkläret, daß dem Herrn Grafen von der Zeit an, da er unmittelbar am Kriege Theil genommen, bis zum Frieden überall keine Einnahme berechnet werden könne und möge, welches dann auch erst wieder vom dritten November an, als dem Tage des mit Frankreich geschloßenen Friedens geschah; obschon ein Krieg eines Grafen v. Bentheim mit dem Könige von England und Churfürsten von Hannover so wenig zu erdenken als erfindlich war, und ein Reichsstand dem Andern die mit Demselben geschloßenen Verträge halten mußte, wenn er gleich in Französischen Diensten war und sich den damaligen Kaiserlichen Reichs-Gesetzen gemäß betrug. Nichts desto wenig war der Graf von Bentheim durch die fünfjähri-
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ge Einbehaltung der Pension in eine drückende Schuldenlast geraten, zu deren Tilgung er nach dem siebenjährigen Kriege mehrere Capitalien von Chur-Hannover aufnehmen mußte.
Hierdurch ist es geschehen, daß der Zweck der Verpfändung, nämlich die Tilgung der Schulden gar nicht erreicht worden ist, vielmehr haben die Schulden sich durch die Verpfändung ansehnlich vermehret, und am Ende der Versatzzeit nach der Administrations-Rechnung weit mehr, als bey der Verpfändung betragen, welches Alles bey der Wiedereinlösung in Betracht gezogen werden muß.
§. 42.
Daß Chur-Hannover hierdurch Tausende auf Kosten des Grafen von Bentheim gewonnen hat, ist leicht zu berechnen. Es ist aber dadurch der Vorteil noch lange nicht erschöpft, den Chur-Hannover aus der Verpfändung, zum Theile gegen den ausdrücklichen Inhalt des Pfandschafts-Contracts, gezogen hat. Folgende Thatsachen beweisen dieses unter Andern unwidersprechlich: Die Differenz von zweytausend einhundert ein und sechszig Reichsthalern, worüber sich die beiderseitigen Commissarien bey Festsetzung der Domänen Revenüen im Jahre 1752 nicht vereinigen konn-
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ten I) rührte daher, weil die königlich Churfürstlichen Commissarien theils die auf fünfjährigen Durchschnitt sich gründenden Kornpreise aus der Ursache, weil unter diesen fünf Jahren drey Jahre das Korn hoch gestanden, und nur zwey Jahre, da es niedrig im Preise gewesen, sich befunden, — theils [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: theils den] von der [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: den] Gr. Commissarien höher als vorher aus der Ursache angeschlagenen Zoll, weil solcher nach dem neuen Zoll Reglement mehr wie vorher eintragen würde, nicht passiren lassen wollten. Ungeachtet nun der Herr Graf in dieser Rücksicht endlich zum Nachgeben bewogen wurde, so hat dennoch der Zoll nachdem [sic!] neuen Reglement in der Folge mehr, als die angeschlagene Summe, eingetragen, die nachherigen Korn-Einkünfte aber haben schon in den Jahren, da die Preise mittelmäßig waren, den dafür bey der Verpfändung fixirten Anschlag übertroffen, u. und [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: sind] vollends bey den in neuern Zeiten außerordentlich gestiegenen Kornpreisen so beträchtlich geworden, daß dagegen der Anschlag vom Jahre 1752 gar nicht mehr in Betracht kommen kann.
Ferner wollten die gr. Commissarien bey Aufstellung der Etats der Domänen-Einkünfte von den der Herrschaft concordatmäßig jährlich zustehenden Landfolgen Eine derselben mit in Anschlag bringen, die Chur-Hannoverischen Commis-
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I) Sieh §. 40.
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sarien aber dafür unter andern aus der Ursache Nichts passiren lassen, weil es gegen die Concordate zu streiten schien, die Landfolgen, wenn sie nicht in Natur geleistet würden, sich mit Geld bezalen zu laßen, jedoch mit dem Anhange, daß, wenn bey der Landschaft ein Resultat ausgewirkt werden dürfte, ob solche in Natur entbehrliche Natural-Leistung mit Gelde, und zu welchem Preise ein Spann- und Handdienst, zu bezalen seyn wollte, darüber nähere Erklärung erfolgen könnte. Obgleich nun unbekant, ja nicht einmal zu vermuten ist, daß bey der Landschaft dergleichen Resultat ausgebracht worden, so sind dennoch von vielen Jahren her die in Natur nicht erforderlich gewesenen Landfolgen Andern für Geld überlaßen worden, ohne daß dem Herrn Reichsgrafen das Geringste dafür vergütet wurde. Diesem wurde vielmehr seit mehrern Jahren wider alle Billigkeit, ungeachtet der triftigsten Vorstellungen dagegen, zu Folge einer Resolution der königlichen Kammer zu Hannover vom Jahre 1770, aufgedrungen, die Landfolgen, welche er während seines Aufenthalts in der Grafsch. nötig hatte, wie ein Privatmann mit Geld zu bezalen. So sollte dem Gr. von Bentheim kein Schatte von Landeshoheit in seinem Lande gelassen werden, indessen Hannöverische Beamten sich mit so vielen erschlichenen Perlen des Grafen Hutes ziereten u. sich wohl gar das Ansehen der Väter des Vaterlandes zu geben wußten.
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Was die Einlösnng [sic!] der antichretisch versetzt gewesenen und wieder käuflich veräußerten Domänen betrift, so ist dabey die Vorschrift des Pfandschafts-Execution-Recesses gar nicht beobachtet worden, worin versprochen war, daß die Einkünfte der eingelöseten Domänen nach den bey dem Anschlage der übrigen Domänen Revenüen zum Grunde gelegten Principien, das ist, nach einem mehrjährigen Durchschnitte, berechnet, der herausgebrachte Anschlag dem gesamten Quantum von 20,125 Rthlr. I) hinzugefügt, und die dazu hergeschoßenen Gelder vom Grafen mit zwey Pro Cent verzinset werden sollten. Dieses ist auch als nicht geschehen, sondern es sind bloß die Zinsen, welche die Inhaber der versetzten Domänen von den darauf gehafteten Capitalien genoßen hatten, ohne weitere Berechnung dem jährlichen Quanto totali vermöge königl. Churfürstl. Kammer Rescripte hinzugefüget worden. Hierdurch hat aber Chur-Hannover auf Kosten des Grafen einen großen Vortheil gehabt, weil bey vielen der versetzten Domänen die Einkünfte, welche die Inhaber statt der Zinsen zogen, weitmehr als 5 Procent betrugen. Wäre daher die obige Vorschrift des Pfandsch.-Executions-Recesses beobachtet worden, so würde sich bey vielen versetzten Pertinenzen ergeben haben, daß selbige wegen zu viel genossener Zinsen nicht allein ohne
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I) Sieh §. 40.
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einige Erstattung der vorgeschoßenen Hauptsummen wirklich von dem Verbande würde [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: würden] befreyet, sondern auch noch sogar ein Ziemliches von den Inhabern heraus zu geben gewesen seyn. Ueberhaupt sind während der ganzen dreißigjährigen Versatzzeit nur wenige versetzte Domänen ausgelöset worden, wodurch der Graf dem Inhalte des Pfandsch.-Executions-Recesses zuwider einen großen Nachtheil gehabt hat, weil ihm, wenn wenigstens nach erfolgtem Frieden die Einlösung der Domänen erfolget wäre, jährlich eine Summe von 990 Rthlrn. zu gut gekommen, und dadurch am Ende der Versatzzeit die Hälfte der auf die versetzten Domänen vorgeschoßenen Capitalien getilgt gewesen seyn würde. Wollte man alle diese und andere baare Vorteile, zum Beispiele die vielen Posten, zu deren Bezalung der Herr Reichsgr. nicht schuldig war, und die ihm dennoch in den Administrations-Rechnungen in Ausgabe zur Last geschrieben worden sind, berechnen, so würde sich dadurch bald ein Exceß der Reichsgesetzlichen Zinsen, und folglich die Schuldigkeit zu einer Liquidation ergeben, ungeachtet diese im Pfandsch.-Contracte außer Acht gelassen worden ist, da ein solches Hannöverisches Verfahren nicht zu vermuthen war I). -
§. 43.
I) G. L. MENCKEN DISS. NULLUM EXCESSUM USURARUM IN PACTO ANTICHRETICO ESSE TOLERANDUM. IN OPUSCULIS HALAE 1770. 8.
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Es sind zwar über die Verletzungen des Pfandsch.-Contracts und Pfandsch.-Executions-Recesses von Zeit zu Zeit vom Herrn Grafen von Bentheim bey dem königl. Churfürstl. Ministerium zu Hannover Beschwerden geführt worden, aber ohne Erfolg.
So war in dem Pfandsch.-Executions-Recesse Art. 3. ausdrücklich versprochen worden, daß die Domänen und deren Nutzungen wirthschaftlich gebraucht, insbesondere aber die Forsten, deren jährlicher Ertrag zu dreyhundert Reichsthalern angeschlagen wurde, nicht allein haushälterisch und forstmäßig behandelt, sondern auch deren Verbeßerung befördert werden sollte. Wie sehr aber der Graf sich genötiget gesehen hat, darüber die bittersten Klagen zu führen, daß der geschehenen Zusage zuwider nicht allein bey den herrschaftlichen Eigenbehörigen die besten Capital- Bau‑, auch so gar zum Schifbaue tauglichen Krumhölzer nicht allein den herrschaftlichen Eigenbehörigen zur geringern Ausbeßerung ihrer Gebäude und sonsten angewiesen, sondern auch in den herrschaftlichen Forsten, besonders in dem Bentheimer Walde I) und dem so genanten Rott
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I) Die nicht gehegeten Hirsche desselben sind eine harte Landes Plage.
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eine nicht geringe Verwüstung angerichtet worden, bezeugen die hochgräflichen an das Ministerium zu Hannover erlassenen Promemoria’s vom 10. Mai 1772 und 22. Jun. 1776, und wenn der im Letzteren eingelegten Bitte, um eine unparteiische Untersuchungs-Commissson [sic!] wäre statt gegeben worden, so würde sich bey der Untersuchung augenscheinlich ergeben haben, daß dem Herrn Reichsgr. die größte Ursache zu der geschehenen Beschwerde gegeben worden. So aber wurde das Verwüsten des Holzes iu [sic!] den benanten Forsten noch vergrößert, und dadurch der Rott von den in Anwachs begriffenen Buchen immer mehr entblößt, der Bentheimer Wald aber in solche mißliche und beklagenswerthe Umstände gesetzt, daß an statt derselbe einige Jahre vor der Verpfändung der Grafsch. bey einer volkommenen Eichenmast, welche, im Jahre 1747, 428 Gulden aufgebracht hatte, zweymal mit 600 Schwelne betrieben, und diese darin feist gemacht worden, am Ende der Versatzzeit, wenn auch die volkommenste Mast sich ergeben hatte, nicht einmal 300 Schweine die ganze Mastzeit hindurch darin feist gemacht werden konnten; welches gewiß einen in mehr als achtzig Jahren nicht zu ersetzenden Schaden mit sich führte. Man bemühete sich zwar dem Anscheine nach diesem verderblichen Holzhiebe durch andere Bestellungen, und besonders drey große Zu- oder Aufschläge oder Kämpe fast mitten im Bentheimer Walde,
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welche mit Tannen Saamen besäet worden, ersetzen, und dadurch den Forst verbeßern zu wollen, allein es hätte dabey billig in Erwegung gezogen werden sollen, daß eines Theiles der Wald den Bentheimer und Schüttorfer Bürgern, auch den angrenzenden Bauerschaften zur Hut und Weide diente, jetzt aber zur Hervorbringung derjenigen Mast, wozu der Wald doch vorzüglich von einigen hundert Jahren her mit gedient hatte, nicht mehr nützlich seyn konnte; zu geschweigen, daß unter den Tannen bekantermaßen auch kein Gras wächst, andern Theiles die Gegenden, wo diese Kämpe zum Tannen Aussäen angelegt wurden, in leimigten oder tonartigen Boden aus fetter Erde bestehen, mithin weit nützlicher mit Eichen und Hainbuchen hätte bepflanzet werden sollen; ohne zu gedenken, daß zur Befrechtung dieser Kämpe die schönsten im besten Wachsthume begriffenen Eichenbäume, um daraus Schlette, Reien und Posten sägen und verfertigen zu laßen, gefället worden, so daß es das Ansehn hatte, als wenn es nur darauf angesehen sey, die Forsten auf viele Jahre hinaus verderben zu wollen.
Auch in Ansehung der gräfl. Gebäude, zu deren Unterhaltung von den Hannöverischen Commissarien ein Etat aufgeführet, es auch dabey belaßen wurde, ist es ganz dem Pfandsch.-Executions-Recesse (Art. 3.) zuwider gehandelt worden, wodurch verabredet, übernommen und ver-
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sprochen wurde, daß die Gräfl. Gebäude und deren Zubehörungen nach ihrer damaligen Beschaffenheit in erforderlichem Baue und Besserung erhalten werden sollten. Denn obgleich während des siebenjährigen Krieges auf dem gräfl. Schloße zu Bentheim ein Gebäude, der hohe oder Rittersaal genant, mit Zubehör, welches fast alle Jahre die meisten Reparations-Kosten erfordert hatte, durch angelegte Mienen zersprengt und daher bey erfolgtem Frieden als unherstelbar niedergerißen wurde, so dann der großte Theil des Amthauses zu Neuenhaus und die Scheuer in der großen Mate bey Bentheim (von welchen beiden Letztern gar die Abbrechungs-Kosten dem Hrn. Grafen zur Last gekommen sind) wie auch der Flügel vom Pferdestalle zu Bentheim völlig abgebrochen, dieser ganz neu erbauet, die Burg Altena zu Schüttorf aber fast ohne die mindeste Reparation daran zu thun, ihrem Schicksale des Einfallens überlassen wurde, hierdurch mithin an den Reparations-Kosten jährlich weit mehr als die Hälfte der dafür in Anschlag gebrachten Summen ersparet worden; so wurde dennoch auf den gehörigen Unterhalt so wenig Obsorge genommen, daß vielmehr, wie in einem unterm 7. Septbr. 1778 der Cammer- Administration zu Bentheim übergebenen Pro Memoria gezeiget worden, es blos der Nachlässigkeit beyzumessen war, daß das Holzwerk an der Spitze des sogenanten Bingel- oder Klockthurmes auf dem Schloße zu Bentheim
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verfault war, worauf denselben bis auf eine sichere Höhe abnehmen zu lassen zwar dienlich erachtet, zu dessen Wiederaufbauung aber die mindeste Anstalt zu machen, oder auf gedachtes Pro Memoria etwas in Antwort erwiedern zu lassen, so wenig Bedacht genommen wurde, daß vielmehr der schriftlich geschehenen Erinnerungen ungeachtet das an diesem Thurme noch gut gebliebene Holz durch Wiederausiegung des abgenommenen Dachbleies von der Verfaulung uud [sic!] gleichmäßigen Untergange zu retten, außer Acht gelaßen wurde. Ja unangesehen so großer eingestandenen jährlichen Reparations-Summen erstreckte sich die wenige überhaupt der Unterhaltung der Gräfl. Gebäude gewidmete Absicht so weit, daß nicht einmal in Ansehung der Wohnung des Commandanten auf dem Schloße zu Bentheim die höchst nötigen Reparationen an Fenster, Dach und sonsten besorget werden wollen, dermaßen, daß der Commandant mit seiner Familie bey etwas starkem Regenwetter nicht trocken bleiben konnte.
Eben so war auch in dem Pfandschafts-Executions-Recesse versprochen worden, daß die beiden Schloßgarten zu Bentheim jedesmal durch einen Gärtner in gehörigem Stande sollten gehalten werden. Gleichwohl wurden, um wider die bey Errichtung der Etats von beiden Seiten gehegte Intention Etwas zu ersparen, solche Einrichtungen getroffen, wodurch die Gärten, wie solches
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der Augenschein sogleich Jedem darstellet, dermassen verwilderten, daß deren Bete und Pfade ganz mit Quecken durchwuchsen, also um diese gänzlich zu vertilgen, und die Gärten in den vorigen Stand herzustellen, einige Jahre damit verlaufen würden. Dieser mißliche, der geschehenen Zusage gar nicht entsprechende Zustand der Gärten, und um feinere Gemüse, als in jedem Bauerngarten gezogen werden, zu erhalten, und solche nicht mit größern Kosten aus dem Hollandischen kommen zu lassen, bewog den Herrn Reichsgrafen, mittelst eines P. M. vom 10. Nov. 1778. bey der Kammer-Administration zu Bentheim den Antrag machen zu lassen, daß ihm die beiden Schloßgarten wieder überlassen werden mögten, damit das, was in Ansehung des Ausbringens zum Empfang gebracht worden, mit den im Etat zum Unterhalt der Gärten aufgeführten Kosten gegen einander gehalten, und was die Kosten mehr, dann die in Anschlag gebrachten Früchte, ausbrächten, dem Herrn Grafen zur selbst eigenen Unterhaltung der Gärten jährlich ausgekehrt werden mögte. Da hierauf nach eilf Monaten noch keine Antwort erfolgte, so sah sich der Graf genötiget, sich am 11. October 1779 an das Ministerium zu wenden, worauf aber so wenig eine Resolution oder Antwort erfolgte, als wenig die geringste Veranstaltung vorgekehrt wurde, die Schloßgärten in den gehörigen Stand wieder herstellen zu lassen, daß es also das Ansehen hatte, daß die dieserhalb in dem Execu-
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ions-Recesse geschehene Zusage unerfüllt bleiben sollte.
In dem Pfandschafts-Contracte war ferner versprochen worden, die dem Hochgräflichen Hause Bentheim zustehenden Landesherrliche Hoheit und derselben anklebenden Gerechtsame auf alle Weise zu handhaben und zu vertheidigen, wie sich dann solches von einer einstweiligen Pfandschaftlichen Regierung von selbst verstand. Nun ist es eine im Staatsrechte ausgemachte und bekante Sache, daß keine fremde Macht, und noch viel weniger ein Particulier befugt ist, einen Posthalter in dem Gebiete eines Reichsstandes, ohne dessen Bewilligung anzusetzen. Bey Ableben der Witwe Bürgermeisterin Keller, als Posthalterin der von Amsterdam über Neuhaus nach Hamburg reitenden Post wurde von der Hannöverischen interimistischen Regierung zu Bentheim gut gefunden, den Hausvogt Köhler zum einsweiligen [sic!] Posthalter anzusetzen, dagegen aber von Seite derer, wovon diese Post im Holländischen mit abhängt, protestiret und darauf bestanden, in Ansehung des anmaßlich hergebrachten Besitzes berechtigt zu seyn, nach ihrem Belieben und Gutdünken einen Posthalter zu Neuenhaus anordnen zu können. Zu mehrer Beruhigung und Sicherheit, damit der Herr Reichsgraf bey dieser Gelegenheit an seiner Landeshoheit nicht benachteiliget werden mögte, fand Derselbe für gut, dem Ministerio zu Hannover mittelst eines
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P. M. vom 23. Apr. 1779 dieser Angelegenheit halber geziemende Vorstellnng [sic!] zu thun, und zugleich zu bitten, Dasselbe mögte auf den vorgeschützten, dahier nicht Platz findenden Besitz keine Rücksicht nehmen, vielmehr das Holländische Comptoir zur Beybringung der etwa in vorigen Zeiten erhaltenen Landesherrlichen Concession anhalten lassen, und bis daran dieses geschehen, demselben in seiner Bitte nicht willfahren. Als der Herr Reichs Graf hierauf keiner Antwort gewürdiget worden, sondern statt derselben äußerlich vernebmen müßen, daß die provisionaliter gemachte Verfügung wieder eingezogen, und dagegen dem Zwollischen Postcomtoir, ohne vorgängige Beybringung einer vormals erhaltenen Landesherrlichen Concession das Anstellen eines Posthalters zu Neuenhaus verstattet worden, so wurde von dem Gräfl. Bevolmächtigten zu Folge erhaltenen Auftrages durch ein P. M. unterm 7. Jul. 1779 der Regierung zu Bentheim zu erkennen gegeben, daß der Herr Graf bey solcher dem Ministerio beliebten Verfügung die noch fort dauernden Pfandschafts Jahre hindurch es bewenden zu lassen zwar willig wäre, sich aber dadurch in seinen Landesherrlichen Gerechtsamen im Mindesten nicht benachteiliget wißen, vielmehr dieselben vollständig und auf das feyerlichste beibehalten wollte; wobey zugleich von gedachter Regierung verlangt wurde, von sothaner Aeusserung u. Vorbehalt der Landesherrlichen Gerechtsame eine
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beglaubte Abschrift an das Zwollische Postcomtoir gelangen, und wie solches geschehen, auch was darauf erwiedert werden dürfte, Nachricht zukommen zu laßen; welchem Gesuche allem Vermuten nach nicht einmal statt gegeben worden, indem die Regierung sich enthielt, auf dieses P. M. zu antworten. Die Regierung betreffend, so war bey der Uebertragung der Grafsch. dieselbe mit einem Landdrosten und dreyen Räthen besetzt gewesen, deren Gehalte auch mit im Anschlage aufgeführet wurden; nach der Uebertragung aber wurde selbige auf einen einzigen Rath reduzirt, aus welchem, so wie dem Regierungs-Secretär und Canzlisten dann nachher die ganze Regierung bestand. Daß hieraus viele Unordnungen und Verzögerungen entstanden, die auf das Beste des Landes den nachteiligsten Einfluß haben mußten, war nicht zu verwundern.
Nun hatte sich der Herr Reichs Graf zwar durch den eingegangenen Contract der Regierung und alles dessen was davon einiger maßen abhängt, begeben, indessen konnte es ihm doch unmöglich gleichgültig seyn, ob die Regierung, die ihm dereinst zurück erstattet werden konnte, wohl oder übel geführt, die Gerechtigkeit gehörig verwaltet, und die Untertanen von deren Nachsuchung durch Verzögerung und neue eingeschlichene Kosten abgeschröckt wurden oder nicht. Er wurde daher, um seinem Gewissen und seinen Pflichten,
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als angebohrner Landesherr ein Genüge zu leisten, endlich bewogen, desfals unterm 17. Oct. 1779 dem Ministerio zu Hannover ein P. M. zu übergeben, worauf aber so wenig eine Antwort erteilet, als auf eine abermalige Vorstellung im Jahre 1781 reflectirt wurde, worin der Graf wiederhohlt unter andern darauf antrug: die Bentheimische Regierung mit einem Landdrosten oder Präsidenten und zweyen Räthen, wovon der Eine die ADVOCATURAM DOMUS zu verwalten hätte, und darunter mit einem Römisch Catholischen, da die meisten Landstände dieser Religion ergeben wären, zu besetzen, auch die Regierung anzuhalten, daß sie dem Herrn Reichs Grafen bey seiner Anwesenheit in der Grafsch. mehrere schuldige Achtung beweisen mögte.
§. 44.
Da nun auf solche Art die durch den Pfandschafts-Contract und Pfandschafts-Execution-Receß ausbedungenen und zugesagten Verbindlichkeiten von dem Chur Hannoverischen Ministerio, der Kammer und den Bedienten so wenig erfüllet worden waren, so war es nicht zu verwundern, daß der Herr Reichs Graf von Bentheim schon vor Ablauf der dreißigjährigen Versatzzeit auf die Wiedereinlösung bedacht war, wozu er vollkommen rechtlichen Grund hatte, wenn gleich die Verpfändung antichretisch war. Wäre näm-
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lich die Verpfändung nicht nutznießlich gewesen, so würde die derselben hinzugefügte Versatzzeit von dreißig Jahren nach dem Begriffe vom Pfandrechte, als wodurch bekantlich das Pfand dem Gläubiger blos zur Sicherheit der Schuld gegeben wird, damit es nach geschehener Bezalung der Schuld wieder restituirt werde, und vermöge dessen also nach geschehener Bezalung der Schuld dem Gläubiger weiter kein Recht auf den Pfandbesitz zusteht, — - — blos als ein TERMINUS AD QUEM, das ist, dahin zu verstehen gewesen seyn, daß der Graf das Pfand längstens binnen dreißig Jahren einlöse, innerhalb welcher ihm es aber wider seinen Willen nicht loßgekündiget sollte werden können, und es hatte ihm also in solchem Falle, ohne daß es dabey eines Grundes bedurft hätte, eine Anticipation des Termins nicht verwehret werden können. So aber war die Verpfändung antichretisch, und die derselben hinzugefügte Versatzzeit als ein TERMINUS A QUO, das ist, dahin beygefüget worden, daß der Herr Graf die Grafschaft nicht ehender, als nach Verlauf von dreißig Jahren auslösen sollte. Da indessen durch eine antichretische Verabredung der Pfand-Contract Nichts von seinen Eigenschaften verliert, vielmehr immer der Haupt-Contract, der antichretische aber immer der Neben-Contract bleibt, so folget daraus, daß die demselben hinzugefügte Versatzzeit nur unter der Voraussetzung als ein TERMINUS A QUO zu verstehen sey, daß der Gläu-
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biger durch den Pfandschafts-Contract übernommenen Verbindlichkeiten erfülle, und das ihm zur Nutznießung überlassene Pfand, zumalen ein ansehnliches Reichs-Gebiet, nicht aufs verderblichste mißbrauche, widrigenfals dem Schuldner, im vorliegenden Falle einem regierenden, dem Kaiser und Reiche, wie seinem illüstern Hause und Lande verantwortlichen Reichs Grafen, die Reluition ohne Rücksicht auf die demselben hinzugefügte Versatzzeit zustehen muß. Dessen ungeachtet waren aber alle Bemühungen des Herrn Reichs Grafen, seine Grafsch. vor Ablauf der Conventions-Jahre wieder zu erhalten, vergeblich.
Denn bey Gelegenheit eines im Jahre 1763 vom Herrn Erbstathalter auf Veranlassung des Herrn Grafen desfals geschehenen Antrages erfolgte von Seiten des Ministerii zu Hannover die Antwort, daß der König nicht abgeneigt sey, unter sichern Bedingungen vor Beendigung der Versatzjahre dem Grafen seine Grafschaft wieder abzutreten, worauf dieser im Jahre 1772 bey dem Ministerio um die überflüßige Erlaubniß nachsuchte, über die Herbeyschaffung der erforderlichen Gelder mit den Landständen das Nötige zu verabreden. Diese Erlaubniß wurde zwar nicht gegeben, jedoch vorgedachte Aeußerung, ausweislich der Antworten vom 22. Jul., 13. Aug. und 14. Octob. 1772 nicht zurückgenommen, sondern selbst, nachdem hierauf directe dem Könige jener Erlaubniß wegen
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das Nötige vom Herrn Reichsgrafen vorgestellt worden, auf Königl. Befehl vom Geheimenrath von Alvensleben SUB DATO London den 10. Nov. 1772 dem Grafen in Antwort eröffnet: „Daß des „Königes Majestät, um den Herrn Grafen in Stand zu setzen, von derjenigen Erklärung Gebrauch zu machen, die Sie im Jahre 1768 dahin hätten thun lassen, daß Sie bereit wären allenfals vor Ablauf der Conventions-Jahre die Bezalung aller Dero auf der Grafschaft haftenden Forderungen auf einem Brette, und nach vorgängiger einjähriger Loßkündigung, anzunehmen, geschehen laßen wollen, daß der Herr Reichsgraf darüber durch seinen Bevolmächtigten mit den Ständen der Grafschaft die nötige Rücksprache halten laße, ohne daß des Königes Majesiät zur Ausfindigmachung des erforderlichen Geldes behüflich seyn, sondern sich dabey passiv verhalten, und ausdrücklich vorbehalten wollten, vorgedachte Erlaubniß, mit den Ständen Rücksprache zu halten, nach Belieben wieder zurück zu nehmen.
Wie aber der Herr Graf nach vielen stets angewandten, jedoch immer fruchtlosen Bemühungen, endlich im Jahre 1779 so glücklich war, Gelegenheit zu finden, diese Gelder gegen leidliche Zinsen erhalten zu können, so erhielt Er ganz unerwartet und zu seinem Befremden die Nachricht: „Daß der König an seine vormals geschehene, aber von dem Herrn Rechsgrafen damals unbe-
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nutzt gelaßene Erklärung sich nicht weiter gebunden hielte;” und auf eine unterm 30. Jun. 1779 hierauf an den König erlassene Vorstellung von dem Ministerio unterm 30. Jul. 1779 eine wiederholte abschlägliche Antwort, worin unter andern behauptet wurde, „daß die im Jahre 1768 ‘geschehene’ (obgleich 1772 wiederholte) Erklärung zu einem beständigen und (angeblich) mit Hinwegwerfung der hinzugesetzten Bedingungen geltenden PACTO nicht gemacht werden könne[“], sondern, „daß der jetzige Antrag in der That dahin ginge, daß Seine Königliche Majestät einen in Händen habenden gewissen und bündigen Contract verlaßen, und dagegen einen andern erst zu machenden weitläuftigen, beschwerlichen und ungewißen sich gefallen, und auf das Schicksal ankommen lassen sollte, ob auf solchem Wege ein neuer MODUS RELUENDI werde ausgefunden werden, wovon entweder der Volzug fruchtloß seyn, oder welcher zum wahren Besten weder des Gräflichen Hauses, noch der Bentheimischen Landstände, noch der lasttragenden Untertanen gereichen dürfte.”
Hiergegen braucht aber nur bemerkt zu werden, daß die im Jahre 1768 geschehene und 1772 wiederholte Erklärung gar nicht auf eine sichere Zeit, binnen welcher selbige ihren Bestand haben sollte, gegeben, vielmehr darin nur der Zeit wegen bedungen worden war, daß die Lose ein Jahr vor-
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her geschehen sollte. So dann erhellet aus dem unterm 30. Jun. 1779 an den König erlassenen Bitschreiben, daß die Befolgung der gemachten Bedingungen angeboten, nicht aber dadurch ein anderer mit dem 1768 geschehenen streitender Antrag gethan, sondern nur um die Erlaubniß gebeten worden, die auf der Grafschaft haftenden, dem Grafen vorgestreckten Gelder, gegen Zurückgabe der Grafschaft, der geschehenen Erklärung gemäß, wieder zurück zu nehmen. Endlich erhellet auch aus den von dem Herrn Grafen gegen die Churhannöverische Administration geführten Beschwerden, um der neuern Klagen der Landstände und Anderer hier nicht zu erwähnen, wie sehr die wirtliche Wiedereinlösung zum wahren Besten des hochgräflichen Hauses, der Landstände und der Untertanen gereichen würde. Vielmehr muß man, wenn man den Vorbehalt, die zur Rücksprache mit den Bentheimischen Landständen gegebene Erlaubniß wieder zurück nehmen zu dürfen, betrachtet, und dabey erwäget, daß, wenn auch so fort diese verstattete Rücksprache erfolget wäre, und ein glückliches Resultat versprochen haben würde, die Erlaubniß dazu eben so wohl zurück genommen seyn würde, als im Jahre 1779 nach sich ergebener günstiger Gelegenheit die abgegebene und mehrmals wiederholte Erklärung als nicht mehr statt findend hat angesehen werden wollen — - — mit Recht in Zweifel ziehen, ob es auch dem Hannoverischen Ministerio jemals
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Ernst gewesen, in die Wiedereinlösung der Grafschaft Bentheim vor Ablauf der Contract Jahre zu willigen.
§. 45.
Indessen wurde diese Wiedereinlösung, wie es in dem Schreiben des Geheimenraths von Alvensleben ausdrücklich heißt, mit aus der Ursache abgeschlagen, „weil die Einrichtungen des Königes in der Grafschaft Bentheim auf die noch übrige Dauer des Pfandschafts-Contracts gemacht worden, auch ein und andere Gegenstände von der Bewandniß wären, daß sie erst zur stipulirten Reluitions-Zeit ihre Erledigung am bequemsten würden erhalten können.” Ungeachtet nun nicht einzusehen ist, worin diese Einrichtungen und Gegenstände bestanden haben sollen, so sehr die Hannoverisch-Bentheimische Regierung die VERPFÄNDUNG auch bey manchen Gelegenheiten, nur nicht in den Landtags-Propositionen zu verschweigen weiß, um ein höheres Subsidium, dem Vorgeben nach, zur Erfüllung der Verbindlichkeiten gegen den Herrn Reichsgrafen erhalten zu können, so war doch schon daraus zu vermuten, daß nach erfolgtem Ablaufe der Versatzjahre, der Reluition nichts weiter entgegen stehen würde. In dieser Vermutung wurde man noch weit mehr dadurch verstärkt, daß ein Paar Jahre nachher der Herr Reichsgraf, der es empfunden hatte, wie lüstern
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man zu Hannover nach der Grafschaft Bentheim war, sich vergebens in Propositionen zur Verlängerung des Pfandschafts-Contracts einließ. Nachdem nämlich der Herr Graf zu diesem Ende im Jahre 1781 einen Bevolmächtigten nach Hannover abgesandt hatte, und von diesem die Propositionen zur Verlängerung des Pfandschafts-Contracts in einem Pro Memoria vom 21 Septbr. dem Ministerio waren vorgetragen worden, so erfolgte von diesen die Antwort: „Daß die Frage unberührt gelaßen wäre, ob die Gräflichen Agnaten in die vorhabende anderweite Überlassung der Grafsch. an den König und Continuation des Contracts von 1752 bereits consentirt hätten,” und auf die hierauf mittelst eines abermaligen P. M. vom 11. Oct. 1781 geschehene Vorstellung, daß der Herr Reichs Graf den agnatischen Consens nicht für nötig ansähe, unterm 29 Nov. l781 die abermalige abschlägliche Antwort dahin: „daß ohne den Gräfl. Bentheimischen Agnatischen Consens zu verschaffen, und ohne vorher davon gewiß zu seyn, daß von den Bentheimischen Landständen das bisherige Subsidium auf wenigstens anderweite dreißig Jahre werde continuirt werden wollen, an eine Verlängerung des zwischen beiden Theilen wegen der Grafsch. Bentheim subsistirenden Contractes nicht zu denken sey.” So überzeugt war man damals zu Hannover, daß der Pfandschafts-Contract nicht aus sich selbst auf abermalige dreißig
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Jahre erneuert und erstrecket wäre, weil man sonst diese ausdrückliche Versicherung nicht verlangt haben würde, wovon hernach mehr.
Diese von Seiten des Ministerii gezeigte UnWillfährigkeit, sich auf die vom Herrn Reichs-Grafen angesonnene Verlängerung des Pfandschafts-Contracts einzulassen, war daher die Ursache, daß derselbe beym Eintrit des letzten Versatz-Jahres in einem unterm 4. Dec. 1781 dem Ministerio übergebenen P. M., nach Vorschrift des 16. Artikels des Pfandschafts-Contracts die Lose that. In diesem 16. Art. des Pfandsch.-Contr. war nämlich stipulirt worden, daß NACH VERLAUF DERJENIGENN DREISZIG JAHRE, WORAUF DER CONTRACT GERICHTET wäre, und nach Tilgung des zu Folge desselben zu thuenden Vorschußes, Seine Königl. Maj. und Dero K. Churhaus sich weiter keines Rechts an selbigem anmaßen, sondern das Pfand ohne alle Widerrede und Weigerung wieder herausgeben und abtreten wollte.” Es wurde auch diese Lose vermöge der darauf unterm 10. Decbr. 1781 erteilten Antwort vom Ministerio angenommen; hierauf, um selbige, und die Aufnahme des zur Abtragung des von Chur-Hannover geschehenen Vorschußes nötigen Kapitals zu bewürken, von dem Herrn Reichs Grafen beym kaiserl. Reichs-Hofrathe der oberlehnsherrliche Consens nach gesuchet, und dieser auch unterm 27. Mai 1782 dahin erteilet: die Reichs-
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Grafschaft Bentheim mit Vorwißen und Einwilligung des Herrn Reichs-Grafen von Bentheim STEINFURT auf anderweite dreißig Jahre verpfänden zu dürfen; eine Frist, welche die natürliche Auslegung mit sich führte, daß die Einlösung zwar früher, aber nicht später erfolgen dürfte, da Versetzung der Lehne gewiß kein Vorteil für selbige ist.
Nun konnte die an Chur-Hannover verpfändete Landeshoheit der Grafschaft Bentheim auf doppelte Art wieder eingelöset werden, nämlich entweder durch baare Erlegung des Pfandschillings, nach Vorschrift des 16. Artik. des Pfandschafts-Contr., oder durch die Ausübung des in Gemäsheit des zweyten Separat Artikels stipulirten Näherrechts, so daß gegen die zu treffenden Bedingungen der pfandschaftliche Vorschuß auf der Grafschaft stehen bliebe, die Landeshoheit derselben aber zurück gegeben würde. Es hatte sich nämlich der Graf in diesem Separat Artikel für sich, seine Erbe [lt. Druckfehlerverzeichnis muss es hier heißen: Erben] und Erbnehmer verbunden, daß, wofern Er oder Sie die Sr. Königl. Maj. versetzten Gräfl. Länder oder Güter nach Verfließung der Convention anderweit zu verhypotheziren, zu verpfänden, oder zu verschreiben, oder gar zu verkaufen demnächst resolviren sollten, so dann Sr. K. Maj., Dero Erben und Nachkommen das Näherrecht daran zu stehen sollte. In dieser Rücksicht verfehlte der Herr
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Reichs-Graf nicht, jetzt seinen Entschluß der anderweiten Verhypothezirung der Grafsch. dem Ministerio zur rechten Zeit zu eröffenen [sic!], u. demselben in einem von Ihm und seinem hohen Herrn Agnaten, der übrigens an keinen [sic!] Versprechen gebunden war, die sich weiter als auf die Person des damaligen Grafen von Bentheim erstreckten, unterm 7. Oct. 1782 übergebenen Pro Memoria zu erkennen zu geben, daß er diejenige Summe, worüber der Kaiserl. Consens ertheilt worden, bey Privatpersonen zu viertehalb und respective vier Pro Cent zu erhalten wüste, zugleich aber anheim zu geben, ob der König gegen sichere dabey bemerkte Bedingungen, und zwar vorzüglich, daß dem Herrn Reichs Grafen die Regierung über seine Grafsch. wieder überlaßen würde, die Gelder ferner auf derselben stehen lassen wollte. Hierauf antwortete aber das Ministerium unterm 26. Nov. 1782. „Daß man es auf ungefehrliche Bedingungen und Tractaten nicht könne ankommen lassen, sondern einen wirklichen Contract verlange.” Dagegen wurde Demselben zwar vorgestellet: welche übermäßige und gar doppelte Zinszalung nebst sonstigem Schaden daraus entstehen würde, wenn wegen Aufnahme der oberstlehnherrlich verwilligten Summe wirklich ein bündiger Contract mit den Darlehnern eingegangen würde und hierauf erst der König gut finden würde, sich des ausbedungenen Näherrechts zu bedienen; es erging aber dennoch unterm 17. Dec.
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1782 die Ministerial-Resolution dahin: „daß der König I. auf den Zeitpunct, da die bisherigen Pfandschafts-Jahre abgelaufen, die völlige Abtragung der Schuld, mithin seine völlige Befriedigung zu verlangen, und 2. im Falle die Grafsch. anderweit verhypothezirt, verschrieben, verpfändet oder gar verkauft werden sollte, das Näherrecht auszuüben hätte.” Eine Aeußerung, die dem angeführten Separat Artikel ganz entgegen war, als welcher nicht enthielt, daß der Herr Reichsgraf von Bentheim seine versetzten Lander und Güter wirklich anderwärts verhypotheziren, verpfänden oder gar verkaufen müßte, und dem Könige alsdann das Näherrecht daran zustehen sollte, sondern mit dürren Buchstaben besagte, daß, wenn der Graf sich dazu resolviren sollte, alsdann jenes Näherrecht statt haben sollte. Woraus folglich von selbst hervorging, daß, so bald der Herr Graf seine desfalsige Erklärung zu erkennen gegeben hatte, auch von Seiten des Königes die Antwort hätte erfolgen müßen: ob man die Wiederbezalung der rückständigen Gelder erwarten, oder sich des Näherrechts bedienen wolIe, oder lieber, daß man Letzteres annehmen wollte, da hierauf der Antrag geschehen war.
Allein obgleich nach Recht und Billigkeit Nichts mehr erfordert werden konnte, als eine Bekantmachung [sic!] der Bedingungen, unter welchen der Herr Reichs-Graf seine Grafschaft und seine Ein-
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künfte anderweit zu versetzen resolvirt und vorhabens wäre, so war doch weder das Eine noch das Andere vermögend, bey dem Ministerio einen beßern Eindruck zu machen und die verlangte Erklärung zu bewürken, welcher der Graf doch um desto ungezweifelter hatte entgegen sehen können, als es mit der ihm vom König versprochenen Zuneigung für die aufnahme des Hochgräfl. Hauses und die Wohlfahrt der Grafschaft, wovon der Pfandschafts-Conctract und Pfandschafts-Executions-Receß die deutlichsten Proben an den Tag legen, so wie zu diesem heilsamen Endzwecke die ganze Verpfändung auch geschehen war, nicht wohl zu vereinbaren ist, daß der König durch Eingehung desagten [sic!] Separat Artikels den Herrn Gr. in solche herbe, denselben zu seiner Zeit höchst nachtheilige, ja unerträgliche Bedingungen hätte setzen, dadurch mithin ihm die Wiedereinlösung seiner Lande und Güter so beschwerlich machen, ja selbige ihm während seiner Lebenstage vorenthalten wollen. Wobey es jedem Unparteiischen einleuchten muß, daß nach wirklich abgeschloßenen Haupt-Contracte der Herr Reichs-Graf den Separat Artikel, wenn man demselben damals solch unsinnige Deutung gegeben hätte, nicht eingegangen seyn würde. Denn da der Pfandsch. Contract der Haupt-Vertrag, die Separat Artikel hingegen hinzugefügter Eigenschaft waren, so muß Jener aus diesen, nicht aber umgekehrt erkläret werden. Deutlicher, im Pfandsch.-Contr. war die
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Lose mit baarem Gelde vorbehalten, in jenem Separat Artikel noch näher bedungen worden, daß das dazu nötige ohne Hypotheken wohl nicht zu erhaltene Geld auf die Grafsch. Bentheim negoziirt werden könnte, Chur-Hannover aber hierzu ein Näherrecht haben sollte, wenn es die Bedingungen eines jeden andern Darlehners oder Käufers eingehen wollte. Diese Erklärung gründer [sic!] sich auf den Rechtssätzen, daß durch Schließung der Verträge beide contrahirende Theile ihren Nutzen zu befördern suchen, daß nicht ein Theil allein sein Leoninisches Beste aus dem Verderben des Andern schöpfen kann und daß das gehäßige Näherrecht von der engesten Einschränkung ist. Alle andere daraus zu erzwingende Erklärungen konnte der hochseelige Graf ohne Consens des Reichs-Oberhauptes und seiner hohen Agnaten nicht eingehen, am wenigsten zum Vorteile der Chur Hannover, da die Krone Eugland [sic!] den Bielefeldischen Vertrag guarantiret hat, worin die Successions-Ordnung im Hause Bentheim zum Ueberfluße noch bestimmet ist. — - — Sonst ist dermalen dieser Separat Artikel freilich von keiner Erheblichkeit mehr, da es dem ersten gesamten Pfandsch.-Vertrage mit allen seinen Neben-Artikeln an der Kaiserl. Bestätigung und an dem hochgräflich Bentheimischen Agnatischen Consense ermangelt, worauf doch Chur Hannover selbst bey Erneuerung der Pfandschaft so sehr drang. — - Wäre hierüber sonst noch eine Controvers (zu)
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erdenken, so wäre darüber, aller Privilegien der Auswahl der Gerichts-Instanzen des Hauses Braunschweig ungeachtet, der Kaiserl. Reichshofrath der einzige höchste competente Richter, da es hier ein ganzes Reichslehn, und die bedenkliche Frage betrift [sic!], ob die Grafsch. Bentheim dem hochgräfl. Hause von einem zeitlichen mächtigern Pfandherrn, der weiter keine Rechte darauf hat, auf immer vorenthalten werden soll oder nicht, und ob minder mächtige aus größern Häusern entsproßene Reichsstände zu Ostindischen Nabobs einer Englischen Handels-Compagnie herunter sinken sollen oder nicht. — - — Man verzeihe diese Vergleichung, da London und Hannover das Bentheimische Haus und Land zu sehr mißhandelt haben, so wenig der allerhöchsten Hauptperson in diesem Trauerspiele auch davon die Schuld beygemessen werden kann. Aller bisherigen rechtswidrigen Handlungen setzte das Hannoverische Ministerium noch kein Ziel und Maß, als es auf ein abermaliges P. M. vom 10. Nov. 1782 unbestimte, dem Pfandschafts Vertrage widersprechende Resolutionen erteilte, wodurch es seinem Plane gemäß das letzte Versatz-Jahr fruchtloß verstreichen ließ.
Nun aber glaubte es Zeit zu seyn, aus seinem arglistigen Hinterhalte hervor zu brechen, und ließ an den Herrn Reichs-Grafen so wohl, als an die Regierung zu Bentheim eine Resolu-
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tion ergehen, welche dahin lautete: „Daß nach Vorschrift des l6ten Artikels des Pfandschafts-Contracts, wegen nicht erfolgter Befriedigung, der Versatz nunmehr IPSO FACTO erneuert und erstreckt sey.” Es wurde aber dabey die gehofte [sic!] Erklärung nicht ertheilt, auf welche Art die Befriedigung verlangt würde, und noch weniger der wesentliche Inhalt des besagten Artikels, daß der Versatz nur bis zur VERTRAGSMÄSZIGEN Befriedigung erstreckt und erneuert seyn sollte, berühret.
Obgleich nämlich in diesem l6ten Artikel Nichts weiter stipulirt worden war, als daß der Versatz nach Ablauf von dreißig Jahren IPSO FACTO bis zur CONTRACTMÄSZIGEN Befriedigung, im Falle diese alsdann nicht erfolgen sollte, erneuert und erstreckt seyn sollte, folglich dieser Artikel nur diejenigen Befugniße enthielt und erklärte, welche nach gemeinen Rechten und dem Begriffe des Pfandrechts jedem Pfandgläubiger dahin zusteht, das Pfand so lange, bis die Abtragung der Schuld, zu deren Sicherheit es bestellt war, erfolgt ist, oder kurz gesagt, solange die Ursache des Pfand-Rechts fort dauert, behalten zu dürfen, und also, wenn auch hierüber im Pfandschafts-Contracte Nichts ausgemacht worden wäre, dennoch die Desposition der gemeinen Rechte hätte zur Richtschnur dienen müßen, so hat doch das Ministerium daraus Anlaß ge-
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nommen, wiewohl nicht grade heraus, sondern mit Verschweigung der der Sache eigentlich obliegenden Worte: bis zur völligen contractmäßigen Befriedignng [sic!] Sr. Königl. Majestät, zu behaupten, daß der Versatz zu Ende des letzten Versatz-Jahres anderweit unbestimt, und also auf dreißig Jahre abermals erneuert und erstreckt seyn sollte. Allein dieser Auslegung des Hannöverischen Ministerii steht nicht nur die im besagten 16. Art. enthaltene, mit den gemeinen Rechten und der Billigkeit übereinstimmende Vereinbarung entgegen, sondern es ergeben auch dagegen die Königlichen und Hochgräflichen bey Übertragung der Grafschaft erlassenen Placcate [sic!] des Mehrern, wie und welcher Gestalt besagter 16. Art. und die darin zum Ueberfluße gedachte Erneuerung und Erstreckung des Versatzes, so wohl Königlicher als Gräflicher Seite, damals verstanden worden, indem in Beyden sich ganz deutlich ausgedrückt findet: „Daß die Grafsch. Bentheim mit allen ihren Rechten und Gerechtigkeiten auf dreißig nach einander folgende Jahre, und bis dahin NB. daß der von Seiner Königlichen Majestät zu thuende Vorschuß wieder abgelegt seyn würde, zum wirklichen Pfandbesitze und Genuße übertragen wordeu [sic!].” Außerdem ist auch in dem angezogenen Separat Artikel, welcher nach seinem Inhalte eben die Kraft und Verbindlichkeit haben sollte, als wenn er der Haupt-Convention einverleibt wordeu [sic!], mit
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dürren Worten ausgedrückt: „Daß, wenn der Herr Reichsgraf nach Ablauf der Convention seine versetzten Länder und Güter anderwärts zu verhypothezieren, zu vervfänden demnächst resolvirt seyn sollte,” woraus der Lage der Sache nach nichts Verständlicheres und mit der gesunden Vernunft Uebereinstimmerendes kann gefolgert werden, als daß es dem Grafen unbenommen seyn sollte, nach Verfließung der Convention, das ist, nach Ablauf der in dem Pfandschafts-Contracte vereinbarten und fest gesetzten dreißig Jahre seine versetzten Länder und Güter, mit Vorbehalt des dem Könige daran zugestandenen Näherrechts, zu verpfänden und zu verschreiben.
Es kann also dem von dem Chur Hannöverischen Ministerio, wiewohl nicht grade heraus, sondern vielmehr mit Uebergehung der Worte: BIS ZUR VÖLLIGEN BEFRIEDIGUNG behaupteten Satze, daß der Versatz schlechterdings erneuert und verlängert sey, mithin binnen der anderweiten 30 Jahre ein Abtrag des Vorschußes nicht Platz finden könne, von keinem Unbefangenen und die Sache nach ihrer Lage einsehenden vernünftigen Menschen beygeflichtet [sic!] werden. Vielmehr erhellet aus obiger mit dem Sinne und den Worten des Separat Artikels übereinstimmenden Ausführung deutlich, daß das zugestandene Näherrecht, in der in der Natur der Sache liegenden
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gung, daß darin von keiner wirklichen Verpfändung, sondern nur von einer Resolution oder einem Vorhaben, die Güter zu versetzen, die Rede ist, nicht als existirend beurteilet und der Fall einer wirklichen Verpfändung zum Grunde geleget werden könne, sondern der erst zu nehmenden Resolution gemäß auszuüben sey. Es ergiebt sich folglich daraus von selbst, daß das Ministerium sich nach Recht und Billigkeit, vor wie nach nicht entziehen konnte, die nachgesuchte Erklärung abzugeben, ob es diejenigen Conditionen, unter welchen der Herr Reichs Graf die von Kaiserlicher Majestät consentirte Geldsumme anderwärts zu negotiiren vorhabens war, anzunehmen sich entschließen, oder lieber den Abtrag der vorgestreckten Gelder erwarten wollte. Indessen veranlaßte dieser Vorgang den Herrn Reichs Grafen, mit Einwilligung des Königes einen Abgeordneten nach Hannover zu senden, in der Absicht, mit dem Ministerio eine Vereinigung zu treffen und dadurch dieser Pfandschafts Angelegenheit ein günstiges Ende zu geben. Ungeachtet aber damals die wiederholtesten dringendsten Vorstellungen geschahen, die dem Pfandsch.-Vertrage durchaus angemessen waren, so blieb doch das Ministerium bey der einmal gefaßten Resolution stehen, und erklärte sich über die Ausübung des Näherrechts nicht. Bey dieser Lage der Sache blieb also der Herr Graf noch immer außer Stande, zur Aufnahme der benötig-
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ten Geldsumme, und zum Abtrage des Pfandschillings zu schreiten, wohingegen der Erfolg jener so kostbaren Absendung kein andrer war, als daß man dadurch die bisher zurück gehaltene Gesinnung des Ministerii näher entdeckte, einen Actien Handel mit einem Reichs-Gebiete treiben zu wollen. Aus einem P. M. desselben vom 16. June [sic!] 1783 mußte nämlich der Graf wahrnehmen, daß das Ministerium keine andere Absicht hatte, als die Grafschaft noch fernerhin inne zu behalten, und diese Absicht auf Gründe zu stützen, die doch gewis dem Wortverstande des Pfandsch.-Vertrags nicht angemessen waren, dabey auch weder mit dem Sinne der ehemaligen Contrahenten, noch aus den einschlagenden gesetzlichen Verordnungen erläutert werden mogten [sic!].
Bey diesem vorwaltenden Mißverstande hielt es daher der Herr Graf für gut, sich mit einer Vorstellung grade an den König zu wenden, ihm den ganzen Hergang der Sache darzustellen, und sich ein contractmäßiges Verfahren des Ministerii zu erbitten. Nachdem er aber auch da nach dem Beyspiele Aller, die jemals über das Hannöverische Ministerium zu kiagen [sic!] hatten, unerhört geblieben war, und sich hierauf vergebens um eine Kaiserl. Intercession bey dem Londoner Hofe bemühet hatte, als welche ihm aus der Ursache verweigert wurde, weil der eingegangene Pfandschafts-Contract ohne Kaiserl. Bewilli-
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gung geschlossen worden, und daher für nichtig gehalten wurde, so wurde mittelst einer im Mai 1784 übergebenen Vorstellung bey dem Kaiserl. Reichs-Hofrate gebeten, durch ein an den König von England, als Churfürsten von Hannover zu erlassendes Rescript die Abgebung einer Erklärung zu gesinnen [sic!], ob Derselbe die Bedingungen eingehen, oder aber die Wiederbezalung der noch rückstehenden Gelder annehmen wolle. Es erhellet aber nicht, daß diese Vorstellung von Erfolg gewesen sey, sondern das Einlösungs-Geschäft ist seit dieser Zeit nicht weiter betrieben worden.
§. 46.
Ungeachtet nun aber auf diese Art die Grafschaft Bentheim auch nach Ablauf der Versatz-Jahre bis jetzt verpfändet geblieben ist, so sind dennoch vor wie nach die darauf haftenden Domänen-Schulden, so wenig wie die durch die Kriegerischen Umstände, des Hannöverischen zeitlichen Nexus wegen, noch vermehrten enormen Landesschulden, nicht abbezahlet worden, obschon von den versetzten Domänen Mehrere als vorher, jedoch auch bey Weitem nicht Alle eingelöset wurden. So geschah im Jahre 1786 eine Einlösung von l600 Rthlrn., im Jahre 1788 eine von 7680 Rthlrn., im J. 1790 eine von 1000 Rthlrn., im Jahre 1791 eine von 288 Rthlrn., so wie ohne Anführung des Jahrs eine von 120 Rthlrn.
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holländisch. Der Fond hingegen hat sich seit dem Jahre 1792 dadurch verringert, daß von den Landesständen nicht mehr das vorige Subsidien-Quantum von vierzehntausend einhunder [sic!] acht und zwanzig Reichsthalern jährlich, als welches Sie, ungeachtet es nach Ablauf der Versatzzeit nicht ferner fixirt worden ist, dennoch bis zu jenem Jahre bewilligten, verlangt worden, sondern man sich in diesem und den folgenden Jahren mit einer, in einigen Jahren um mehrere tausend Reichsthaler geringern Summe begnüget hat. Was aber die Administration der Grafsch. betrift [sic!], so ist selbige nach Ablauf der Versatzzeit nicht verbeßert, sondern so gar noch verschlimmert worden, indem in allen obigen Beschwerden keine Remedur erfolgt ist. Denn das Hauen des besten Eichenholzes hat jährlich zugenommen; die beiden Schloß-Gärten und die darin befindlichen Obstbäume und Hecken sind gänzlich verwildert. Der Schlichmarteich, aus welchem 1753 die Fische beym Ablaßen für einen geringen Preis verkauft wurden, und 88 Gulden aufbrachten, die Steckhorst-Teiche, welche 1754 gefischt worden waren, und 16 Rthl. 18 Stbr. aufgebracht hatten, so wie der Karpenteich und die sieben Teiche im Schloßgarten, desgleichen der Krickmarteich, welcher sonst hunderte Pfunde an Fische geliefert hatte, sind jetzt ganzlich zugesandet. Was endlich insbesondere die Beschwerden über die Regierung und das Forstamt betrift, so wurden selbige auf von
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denselben an das Ministerium zu Hannover erstattete einseitige Berichte im Jahre 1784 für ungegründet erkläret da doch dem Herrn Reichs-Grafen von Bentheim bey seiner Anwesenheit in Hannover mündlich von den Ministern versichert worden war, daß diese Beschwerden untersucht werden sollten, und der vielfältig von den Landesständen und Untertanen eingeschickten Klagen ungeachtet vorgegeben, daß von selbigen noch keine Beschwerden eingelaufen wären.
Mit den Gräfl. Gebäuden, da die sonst so schöne Burg Altena zu Schüttorf seit der Hannöverischen interimistischen Regierung ein Schuthaufe geworden, ist es so weit gekommen, daß keine Landesherrliche Residenz in der ganzen fürstlichen Grafsch. Bentheim mehr in Wesen ist. Das ehemalige Wunder Westphalens, das Schloß zu Bentheim wurde im Jahre 1795 von den Hannoveranern zum Lararet eingerichtet, wodurch die Zimmer mit allen darin befindlichen schönen Möbeln völlig ruinirt wurden, und Letztere größten Theiles abhanden kamen, hierauf so gar fortifiziret und gegen die Französische Armee verteidiget, wogegen so manche heutige Festung nicht hatte bestehen können, von dieser aber durch ein heftiges Bombardement in den Grundgeschoßen; ist hierauf bis jetzt ruinirt liegen geblieben, und dadurch, daß aller Remon-
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strationen auch der Landes-Stände unerachtet uicht [sic!] die geringste Reparatur daran vorgenommen worden, noch weit mehr verfallen. Zum Troste aller Drangsale des siebenjährigen Krieges, worin die Franzosen das Bentheimische als ein Hannoverisches Land behaudelt [sic!] hatten, und des Beyspiellosen Jetzigen, worin eine zahlreiche Französische Armee die aliirte Armee, wovon die sogenanten Emigranten-Corps das Bentheimische hart mitnahmen, die ganze Grafsch. durch verfolgte, so dann sich zahlreich in Neuenhaus und in der Niedergrafschaft auf lange Zeit einquartirte, forderte nun der zeitliche Hannöverische Pfandherr, dessen rechtmäßiger interimistischer Besitz der Grafschaft schon lange geendiget war, von derselben einen enormen Beytrag zu den Kosten der Demarcations-Linie, wovon sie nicht den geringsten Nutzen hatte und nicht dazu, so wenig als die steten Hessischen Pertinenzien in Westphalen, gehörte, und glaubte denselben unter Bedrohungen mit militärischer Execution wider die verweigernden Landes-Stände erpressen zu können. Eine solche Befugniß eines zeitlichen Pfandherrn zu einer so drückenden Schatzung, wovon der Herr Reichs-Graf und das Hochgräfliche Bentheimische Haus nicht den geringsten Nutzen hatten, war um desto unerhörter, da auf dem Congresse zu Hildesheim, worauf die ganze Affäre der Demarcations-Linie verhandelt und der freiwillige Bey-
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trag der dazu beygetretenen Reichsstände, festgesetztworden [sic!] war, der Reichs-Grafschaft Bentheim, die von Hannover keines Weges eximiret wird, im Mindesten nicht erwähnet worden war, und ohne Consens des Herrn Reichs-Grafen, da kein Reichs-Gesetz dazu verpflichtete, nicht erwähnet werden konnte; wenn dann auch die Bentheimischen Concordaten, zu Folge welcher alle Erhöhung der Schatzungen, Auflagen u. s. w. einstimmig bewilliget werden müßen, hier in Betracht kamen. Das Betragen des Hannoverischen Ministerii war übrigens auch hier um desto schreiender ungerecht, da es die Bentheimischen Stände für ihre mit der Französischen Generalität geschloßene, und von derselben stets respectirte Neutralität, obschon man im Bentheimischen noch für die Englische Armee hatte werben wollen, wie die Französische schon in Anmarsch aus dem benachbarten Holländischen war, feierlich gedankt hatte. Ein durch die Noth gerechtfertigter Schritt, weil die Bentheimische Regierung sich damals entfernt hatte, der aber jetzt mit den Berlepsischen Händeln nicht zu vereinigen war, wovon ein drittes einem Andern gehöriges Land ein Opfer werden sollte I). Endlich schienen die Bentheimischen Sachen eine günstigere Lage erhalten zu können, da der zu Paris sich schon lange aufgehalten habende Herr Reichs-Graf von
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I) Wiewohl die Französische Regierung die Bentheimische Neutralität ratifizierte.
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Bentheim, weil ihm sein Land zuwider gemacht worden war, den 6. Apr. 1797 den Herrn Reichs-Grafen von Bentheim-Steinfurt, als unbezweifelten Erben bevolmächtigte, Alles, was ihn in der die Grafschaft Bentheim betreffenden Angelegenheiten concerniren könnte, in seiner Abwesenheit wahrzunehmen, und mittelst einer besondern Volmacht vom 4. Sept, 1797 noch die Einlösung der versetzten Domänen übertrug. Eo wie die erstere Bevolmächtigung von Chur Hannover ohne Anstand angenommen wurde, eben so hätte man auch glauben sollen, daß Letztere keinen Schwierigkeiten von dieser Seite ausgesetzt seyn würde, indem sich aus der von Chur-Hannover bisher contractwidrig, und mehrerer geschehenen Erinnerungen ungeachtet unterlaßenen Einlösung gewiß nichts Anders konnte schließen lassen, als daß es ihr um eine solche ihrem Interesse nicht entsprechende Einlösung nicht zu thun sey, weil sie diese Einlösung sonst gewiß längst würde vorgenommen haben. Wider alle Erwartung aber schlug sie die Einlösung, welche sie vielleicht jeden Andern würde haben vornehmen lassen, dem Herrn Reichs-Grafen von Bentheim-Steinfurt aus Gründen ab, die dem Pfandschafts-Executions-Recesse, worauf sie sich dabey bezog, grade zuwider waren, und verriet eben dadurch, daß sie ihr Interesse dabey habe, damit die auf der Grafschaft Bentheim haftenden Schulden contract widrig darauf stehen blieben, da
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doch dem Herrn Reichs-Grafen von Bentheim-Steinfurt 1752 versprochen worden war, daß auf die in dem Pfandschafts-Contracte verabredete, und in dem Pfandschafts-Executions-Recesse auf die Einlösung der versetzten Domänen extendirte, Art und Weise die Grafschaft Bentheim binnen der dazu damals erforderlichen Jahre Schaar, von den alten bisherigen Schulden frey gemacht werden sollte.
§. 47.
Endlich starb Graf Friedrich Karl am neunzehnten Febr. 1823 zu Paris, woselbst Er sich seit 1790 aufgehalten hatte. Er war mit einer Französischen Marquise Marie Louise von Bournonville vermählt gewesen, so daß seine Nachkommenschaft in unsern Tagen, da die Reichsgesetze etwas bestimter die Vermälungen hoher Häuser festgesetzt haben, wohl schwerlich zur Suceession [sic!] in die Grafsch. Bentheim gelangt seyn würde, da die nunmehrige Bentheim Steinfurtische Voll und Ebenbürtigkeit durch die Allianzen mit den Häusern Horn, Lippe, Nassau-Siegen und Holstein-Glücksburg so auffallend dagegen hervorsticht.
Allein Er starb als Witwer Kinderloß [sic!] und gab ein Beyspiel, daß ungerechtes Gut nicht auf
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den vierten Erben kömt. Vermöge der bestehenden Erbvereinigung, sonstiger Haus-Verträge und Kaiserlicher Mitbelehnung fiel dadurch die Succession an dessen nächsten Agnaten den Herrn Reichs-Grafen LUDWIG von Bentheim-Steinfurt, der schon bey dessen Lebzeiten als Nachfolger mehrmals von Chur Hannover anerkant worden war. Selbiger ließ gleich nach erhaltener Nachricht von dem Ableben seines Oheims, dessen Privat-Verlaßenschaft und Alles das, wovon dadurch der Besitz in der Grafsch. Bentheim erledigt worden war, wozu namentlich vermöge des Pfandschafts-Execution-Recesses die Residenz im Schloße zu Bentheim gehört, in Besitz nehmen, nachdem davon die Königl. Churfürstliche interimistische Regierung zu Bentheim benachrichtiget worden war; in Ansehung der von der Verpfändung bisher noch nicht befreyten Grafschaft selbst aber erklären, daß man sich deshalb alle Rechts-Zuständigkeiten ausdrücklich vorbehalte.
Bekantlich ist bald darauf der Krieg zwischen Frankreich und Großbrittanien [sic!] wieder ausgebrochen, worin die ganze Französische Armee durch die Grafschaft Bentheim zur Besetzung des Churfürstenthumes Hannover marschirte. In der Folge wurde auch die Grafschaft von den Französischen Truppen besetzt, nach einigen Monaten zwar wieder geräumet, aber wieder in Besitz genommen.
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Wohin übrigens die Crisis unserer hochgespanten Zeiten sich auch entwickeln mag, so ist es Recht und Pflicht des jetzigen regierenden Herrn Reichsgrafen von Bentheim, seinem erlauchten Hause das ihm beynahe zwey Jahrhunderte entzogene vorväterliche Erbteil wieder zu verschaffen; es ist die Sache des allerhöchsten Reichs-Oberhauptes, wovon Er bereits mit der Grafschaft Bentheim belehnt worden ist, so wie des illüstern Teutschen-Reichs, vorzüglich der minder mächtigen Reichsstände, Ihn darin zu unterstützen. Die Garantie des Bielefelder Vertrages legt den Kronen England nnd [sic!] Preussen, so wie der Batavischen Republick, noch eine besondere Verpflichtung dazu auf.
Jedoch beym Abdrucke dieses Werkchens sind diese Wünsche erfüllet, der Herr Reichs-Graf LUDWIG von Bentheim-Steinfurt hat die Pfandschaft der Grafschaft Bentheim eingelöset und dieses glückliche Land ist von allen Drangsalen befreyet.
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ANHANG.
Nachdem Obiges abgedruckt war, bekam ich noch des SANDHOFF ANTISTITUM OSNABRUGENSIS ECCLESIAE RES GESTAE zu Gesichte, der den vier und zwanzigsten Osnabrückischen Bischof Udo, so von 1137. [sic!] bis 1140. [sic!] regierte, für einen Dynasten von Steinfurt hält, da die Brüder Ludolf und Udo von Steinfurt das Gotteshaus Klarholz im heutigen Rhedaischen Osnabrückischer Diöces 1137 stifteten, wie aus Schatens Paderbornischen Annalen erhellet. Der 39. Bischof Joh. von Hoed ließ den 27 September 1350, wie er eben seinen Vasallen die feierliche Belehnung erteilte, den edeln Herrn Balduin von Steinfurt gefangen nehmen, aber auch wieder in Freiheit setzen, nachdem er eine Urfede geleistet hatte; worauf er nach seines Vaters Ludolphs Tod mit verschiedenen Zehnten belehnt wurde. Laut des Osnabrückischen Lehns-Verzeichnißes. Der damalige Graf von Tecklenburg war nicht erschienen und wollte keine Osnabrückische Belehnung
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annehmen, zum Beweise der damaligen Steinfurtischen und Tecklenburgischen Uebermacht gegen andere Westphälische Großen, die sich gutwillig belehnen ließen. Unter den Zeugen jener Verzichtleistung des Grafen Nicolaus von Tecklenburg auf alle seine Rechtsame im Osnabrückischen, wie auf Kloppenburg und Bevergerne, nach seiner unglücklichen Fehde mit den Bischöfen Otto von Münster und Theodor von Horn ein und vierzigsten Bischofe zu Osnabrück, kommen 1400 Bernard Graf von Bentheim und Arnold Dynast von Güterswick vor allen Andern vor. Gedachter Bischof Otto von Hoja zu Münster wurde 1404 auch Administrator von Osnabrück und eroberte und zerstörete 1408 das Schloß Ottenstein des Grafen Otto von Solms, dessen einzige Tochter die Solmischen Güter ins Haus Güterswyk und so an Bentheim und Steinfurt bracht [sic!]. Graf Everwin von Bentheim und Herr von Steinfurt war 1447 Vermitler [sic!] der Stadt Münster wider die gegen die Städte vereinigten Fürsten, welche die Städte vom Bündniße mit der Stadt Soest zu trennen suchten. Der Osnabrückische Geschichtschreiber Erdmann hatte im Bentheimischen Schloße die Bedingniße gelesen, nach welchen die Stadt Münster wieder versöhnet geworden war. Der Graf von Bentheim und Steinfurt, die Dynasten von Külenburg und Gehmen waren um 14Z2 unter andern Großen auf der Seite des Conrad von Diepholt wider Albert von Hoja in
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der bekannten strittigen Münsterischen Bischofs-Wahl und in den heillosen Hojaischen Trubeln im Münsterischen.
Von Urknnden [sic!] dieses Werkes sind die 94., die 100., die 147., die 148. und 159., die 168. und 184. Urkunde merkwürdig für die Bentheimische und Steinfurtische Geschichte. In der ersten dieser sieben Urkunden sagt der Osnabrückische Fürstbischof Baldewin von Rusle 1262 daß der edle Mann, der Graf (Otto der Vierte) von Bentheim seinen vom Hochstifte Osnabrück lehnrührigen Zehnten von den Höfen Boclo und Westorpe dem Kloster Bersenbrück vermacht hätte.
Im Zweiten dieser Documente bekennet Johann (von) Bahr gedachtem Kloster den Hof zu Talge 1267 für hundert Mark verkaufet zu haben, welches vom edeln Manne Ludolf genant von Steinvorde, unter diesem Prädicat allein unter und vor allen übrigen Großen bezeuget wird. In der dritten Urkunde giebt 1293 Baldewin der Edle Mann genant von Stenvordia, mit Consens seiner Gemalin und seiner Söhne Ludolph und Baldewin, seinen Zehnten zu Bachem seinem Lehnherrn, dem Bischofe Conrad von Ritberg zu Osnabrück, abwesend zurück, mit dem Bedinge, solchen dem Kloster Bersenbrück zu verleihen. Im vierten der angeführten Documente bezeugen der Prior, der Kelner [sic!] und die Brüder des Johanni-
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ter Hauses zu Stenvorde 1293, daß der Probst von Bersenbrück Namens der Abtissin und des Conventes daselbst dem Johann von Wüllen und Johann von Detten 20 Marken ausbezalet hätte, um Solche dem edeln Manne, Herrn Baldewin, Herrn von Stenvorde für seinen Zehnten in Bachem zu entrichten. Ausdrücke dieses Zeitalters, welche die Reichs-Unmittelbarkeit der Grafschaft Steinfurt und die Untertänigkeit der von derselben als ein Hospital gestifteten Malteser Commende zu Steinfurt abermals beweisen. So wie Kindlinger in seinen Münsterischen Beiträgen zur Geschichte Teutschlandes hauptsächlich Westphalens, im zweiten Theile Seite 209 Note h. dieses auch erkennet, wo er das Ordens-Haus der Johansritter auf der Bergstraße zu Münster als eine ehemalige Wohnung der Edlen Herrn nun Grafen von Steinfurt bezeichnet, da bekanntlich die Münsterische Malteser Commende eine Pertinenz der Steinfurtischen ist, so sehr auch dieser Münsterischer Geistlicher und Geschichtforscher die Münsterische-Hoheit [sic!] über alle benachbarte Gebiete zu bewähren suchet. In der fünften der erwähnten Urkunden bezeuget im nämlichen Jahre der eben gedachte Fürstbisch. v. Osnabrück in Gegenwart unter Andern seines Bruders, des Bisch. v. Paderborn und des edeln Mannes Everhard Gr. v. der Mark, daß Baldewin der edele Mann Herr von Stenvordia gedachten Zehnten zu Bachem in seine, des Bischofes, Hände unterm Meneklingen-
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baum zurück und weiter dem Kloster Bersenbrück gegeben hätte. Im sechsten dieser Documente refutirt 1311 Johann von Gottes Gnades Graf in Bentheim dem Osnabrückischen Fürstbischofe Engelbert von Wyhe zu Osnabrück sein Lehn am Zehnten zu Alfhausen zum Besten des Klosters Gertrudenberg bey Osnabrück. In der siebenten und Letzten dieser Urkunden gibt Simon von Gottes Gnaden Graf in Bentheim 1343 dem Burchard von Besten seinen Consens, die vom Grafen lehnrührigen Zehnten in Ankun und Tütingen dem Kloster Bersenbrück verleihen zu mögen.
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BESCHLUß.
So viel als Bentheimische und Steinfurtische Beiträge zur Geschichte Westphalens; eine Provinzial-Geschichte der Grafschaft Steinfurt wird die Geschichte des Gebietes dieser uralten Reichs-Dynastie im Umfange des Steinfurtischen A‑stroms von dessen Entstehung bis zu seiner Ergießung in die Vechte befassen; wie zu diesen Regalien des öffentlichen Flußes, z. B. Schwanen darauf zu halten, wovon das Steinfurtische Wappen die Schwane, die Freigrafschaft oder das Fehmgericht Laer in seinem ganzen damaligen Umfange, das Gogericht aufm Rüschfelde oder Rüschau, nebst der Edeln Vogtei über Borghorst kamen; welche Kaiserliche dem Steinfurtischen Hause verliehene, welche Landesherrliche Rechte das Alles befaßte, über wie viele benachbarte Kirchspiele, z. B. Wetringen, Welbergen u. s. w. es sich erstreckte, wovon noch einige Steinfurtische Rechtsame sich daselbst erhalten haben. Der den vormaligen Bischöfen von Münster gezwungen abgetretene ansehnliche Theil der Grafschaft Steinfurt wurde übrigens
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von denselben wegen der Reichslasten eximiret, war ein separater District, wurde eine Steinfurtische Unterherrlichkeit und kein eigentlicher Theil des vormaligen Münsterischen benachbarten Amtes Horstmar, das dem Rheingräflichen Salmischen Hause, aber nicht dem Könige von Preussen, der eigentlich in die Stelle der ehemaligen Münsterischen Bischöfe getreten, zur Entschädigung zufiel. — - -
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