F. Ewer­beck: Das Schloß zu Bent­heim (in: Deut­sche Bau­zei­tung)


Untitled

Das Schloß zu Bent­heim. *)

Von Fr. Ewer­beck.

Es ist eine unleug­ba­re That­sa­che, dass man sich bis­lang in Deutsch­land trotz des gros­sen Inter­es­ses für die gesamm­te Bau­kunst des Mit­tel­al­ters doch vor­zugs­wei­se dem Stu­di­um kirch­li­cher Bau­wer­ke zuge­wandt hat und aus ihnen Regeln für die Archi­tek­tur des Pro­fan­bau­es abzu­lei­ten sucht, anstatt hier­für die so viel­sei­tig gestal­te­ten Denk­ma­le mit­tel­al­ter­li­cher Pro­fan-Archi­tek­tur selbst zu erfor­schen. Und doch wür­de ganz gewiss ein ein­ge­hen­des Stu­di­um unse­rer Schlös­ser und Bur­gen, sowie der zum Theil hoch­in­ter­es­san­ten Befes­ti­gungs­wer­ke unse­rer alten Städ­te, ihrer Rath­häu­ser, Stadtt­ho­re, Kauf­hal­len und der noch viel­fach erhal­te­nen mit­tel­al­ter­li­chen Wohn­häu­ser eine uner­schöpf­li­che Quel­le für den schaf­fen­den Archi­tek­ten wer­den kön­nen; es liegt in ihnen eine Fül­le ver­wend­ba­rer ori­gi­nel­ler Ideen, ein Schatz kon­struk­ti­ver Leh­ren und tech­ni­scher Kennt­nis­se, aus denen, trotz der voll­stän­dig ande­ren Bedin­gun­gen und der gross­ar­tig gestei­ger­ten Bedürf­nis­se unse­res Jahr­hun­derts, für die Archi­tek­tur der Jetzt­zeit der gröss­te Nut­zen zu zie­hen ist.

Ste­hen auch viel­leicht die in Deutsch­land noch vor­han­de­nen Ueber­res­te die­ser Art im All­ge­mei­nen den fran­zö­si­schen Bau­ten der­sel­ben Peri­ode nach, so muss man eben beden­ken, dass durch die schreck­li­che Geis­sel des dreis­sig­jäh­ri­gen Krie­ges zahl­lo­se Städ­te und Schlös­ser in Asche gelegt sind und dass auch die nach­fol­gen­den bar­ba­ri­schen Ver­hee­run­gen des fran­zö­si­schen Königs Lud­wig XIV uns vie­ler wert­h­vol­len Kunst­schät­ze beraubt haben; so man­che jener halb­zer­trüm­mer­ten Bau­wer­ke wur­den end­lich spä­ter im Sin­ne der fol­gen­den Jahr­hun­der­te gänz­lich umge­stal­tet und haben dadurch ihr Inter­es­se ver­lo­ren. Trotz alle­dem sind uns nicht weni­ge äus­serst wert­h­vol­le Bau­ten aus dem Mit­tel­al­ter erhal­ten, und es bedarf sicher­lich nur einer eif­ri­gen und fort­ge­setz­ten For­schung, um neben den längst bekann­ten, wenn auch immer­hin noch nicht genug stu­dier­ten und gewür­dig­ten Monu­men­ten eine gan­ze Rei­he bis­her fast unbe­kann­ter mit­tel­al­ter­li­cher Pro­fan­bau­ten – Schlös­ser, Bur­gen und Wohn­häu­ser – aus­fin­dig zu machen, die es nicht min­der ver­die­nen, nach allen Bezie­hun­gen unter­sucht und ver­öf­fent­licht zu wer­den.

Die noch erhal­te­nen Bau­lich­kei­ten des nach­ste­hend beschrie­be­nen SCHLOSSES ZU BENTHEIM gewäh­ren uns aller­dings nicht mehr ganz das Bild, wel­ches uns eine noch voll­stän­dig erhal­te­ne Burg mit allen ihren Vert­hei­di­gungs­wer­ken bie­ten wür­de, da die ein­zel­nen Thei­le des­sel­ben aus sehr ver­schie­de­nen Jahr­hun­der­ten stam­men und die Befes­ti­gungs­wer­ke nament­lich, mit Aus­nah­me der gros­sen Thür­me, schon der Zeit nach dem dreis­sig­jäh­ri­gen Krie­ge ange­hö­ren; allein die Gesammt­dis­po­si­ti­on der ursprüng­li­chen Anla­ge, wel­che trotz aller spä­te­ren Ver­än­de­run­gen doch fast über­all noch zu erken­nen ist, und die beson­de­re Kon­struk­ti­on der ver­schie­de­nen Thei­le des Schlos­ses bie­ten ein so man­nich­fa­ches Inter­es­se, dass eine Mitt­hei­lung hier­über Vie­len will­kom­men sein dürf­te. –

GESCHICHTE DES SCHLOSSES.

Etwa eine Mei­le von der hol­län­di­schen Grän­ze [sic!] ent­fernt, an den Mar­ken des vor­mals deut­schen Rei­ches, liegt auf den letz­ten Erhe­bun­gen des Osning, gleich­sam auf einer Jura-Insel von mäch­ti­gen Sand­stein­fel­sen, in einer wei­ten, bis an die Nord­see rei­chen­den Ebe­ne das Schloss Bent­heim, hoch über die Häu­ser des gleich­na­mi­gen Städt­chens hin­weg­ra­gend und schon von Wei­tem durch die gro­tes­ken For­men sei­ner alters­grau­en Thür­me, Mau­ern und Bas­tio­nen einen gross­ar­ti­gen, äus­serst male­ri­schen Anblick gewäh­rend. Gera­de west­lich unter dem Schlos­se hat die Fluth gleich der Por­ta West­pha­li­ca, frei­lich in klei­ne­rem Maas­sta­be, durch den Fel­sen­berg eine schma­le Schlucht geris­sen und roman­tisch gestal­te­te Fel­sen von mäch­ti­ger Höhe als Stan­dar­ten und Wäch­ter vor die impo­san­te Burg hin­ge­stellt. – In ein­zel­nen lei­sen, wel­len­för­mi­gen Erhe­bun­gen ver­läuft der lang­ge­streck­te Osning vor der Grän­ze der Nie­der­lan­de in eine unab­seh­ba­re Flä­che nach Nor­den, Wes­ten und Süden. –

Hier wohn­te in der Vor­zeit das Volk der Tub­an­ten, die ihren Namen noch fort­füh­ren in den Bewoh­nern der Twen­te und Dren­the und ihr Haus „Heim“ hat­ten auf dem Kam­me des Gebir­ges, von wo ab durch hei­li­ge Feu­er zu den blu­ti­gen Men­schen­op­fern und Kämp­fen die Pries­ter der Tan­pha­na die Tub­an­ten zusam­men rie­fen. Ein noch auf der Burg soge­nann­ter Hei­den­tem­pel und der Fluch „Herr­gott von Bent­heim!“ der, weit über die Gau­en Deutsch­lands gebräuch­lich, gehört wird, gie­bt die­sem Andenken Aus­druck. – Als die Römer vom Rhei­ne und der Nord­see in die Nie­der­lan­de ein­dran­gen, die Yssel mit dem Rhei­ne und Arn­heim mit Duis­burg durch einen Kanal, den noch so genann­ten Dru­sus­ka­nal, ver­ban­den und die LONGI PONTES über das Bur­t­an­ger Moor nach dem Hüm­ling anleg­ten, um an die Ems und das Meer zu kom­men, wähl­ten sie als fes­tes­ten Punkt der gan­zen Umge­gend die Höhe von Bent­heim. Es ist kein Zwei­fel, dass hier Dru­sus Ger­ma­ni­cus eine römi­sche Sta­ti­on hat­te, da in den frü­he­ren Zei­ten man­cher­lei Gegen­stän­de und nament­lich römi­sche Mün­zen bis auf den Kai­ser Hono­ri­us her­ab hier gefun­den wur­den, wel­che, wie auch die LONGI PONTES in nicht wei­ter Fer­ne die dau­ern­de Anwe­sen­heit der Römer bestä­ti­gen. An den west­li­chen Fels­blö­cken fin­den sich

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*) Die ein­ge­füg­ten his­to­ri­schen Noti­zen die­ses Auf­sat­zes ver­dan­ke ich der freund­li­chen Mitt­hei­lung des Herrn Regie­rungs­raths DR. SCHÜSSLER zu Burg-Stein­furt.

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Inschrif­ten, frei­lich aus spä­te­rer Zeit, die besa­gen, Dru­sus habe hier den Tub­an­ten Geset­ze gege­ben und Recht gespro­chen. Ein hoch­auf­star­ren­der, allein­ste­hen­der Fels heisst noch jetzt „des Dru­sus Ohr­kis­sen” und die Dro­hung „dat die de Droes hale” wird jetzt noch unter dem Vol­ke gebraucht. Bau­li­che Rude­ra [sic!] aus die­ser Zeit sind frei­lich nicht mehr auf und in der Nähe der Burg zu ent­de­cken, sowie auch Nichts aus den Zei­ten der Fran­ken, die auf ihren Hin- und Her­zü­gen die­sen zwi­schen der Weser, Ems, Lip­pe, Yssel und dem Rhei­ne bele­ge­nen Stand­ort gewiss nicht unbe­rück­sich­tigt gelas­sen haben. —

Spä­ter war die Burg ein fes­ter Platz zur Deckung der bischöf­li­chen Haupt­kir­chen Utrecht und Müns­ter. Erst mit dem 10. Jahr­hun­dert tritt urkund­lich ein GRAF VON BENTHEIM, Wolf­gang, auf, der 921 unter dem Köni­ge Hein­rich mit ande­ren west­phä­li­schen Dynas­ten im Tour­nie­re zu Bonn ritt und Zeu­ge gewe­sen ist bei dem Ver­gleich, der mit dem frän­ki­schen Köni­ge Karl dem Ein­fäl­ti­gen geschlos­sen wur­de; 938 wohn­te ein Graf von Bent­heim dem Tour­nie­re von Mag­de­burg bei. — Graf Otto von Bent­heim, den der Fürst-Bischof Alde­bord von Utrecht in einem Lehns­ver­zeich­nis­se nach den Gra­fen von Bra­bant und den Gra­fen von Hol­land, Gel­dern und Cle­ve als Burg­graf zu Utrecht ernannt, war auf dem Tour­nie­re zu Hal­le, und Johann I. ritt mit 46 andern Her­zö­gen und Gra­fen auf dem Tour­nie­re, wel­ches der Her­zog Ludolph zu Sach­sen 1119 zu Göt­tin­gen abhal­ten liess. Aus dem Geschlech­te der Her­zö­ge von Bra­bant und Gra­fen von Hol­land stam­men auch die Gra­fen von Bent­heim und sind mit ihnen glei­chen Ursprungs. Das Haus Bra­bant kam nach dem Aus­ster­ben der Thü­rin­ger Land­gra­fen in den Besitz der spä­te­ren hes­si­schen Lan­de, die sich nach und nach aus den angrän­zen­den Besit­zun­gen ver­grös­ser­ten.

Die ver­wand­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se zwi­schen den Gra­fen von Bent­heim und Hol­land blie­ben noch eine lan­ge Zeit die innigs­ten, theils durch die gegen­sei­ti­gen Ver­hei­ra­thun­gen, theils durch das nahe Anein­an­der- und Inein­an­der-Lie­gen ihrer Län­der­be­sit­ze, sowie durch die lan­ge zwi­schen ihnen bestehen­den Schutz- und Trutz­bünd­nis­se. Ja, als Otto Graf von Rhein­eck, der Pfalz und Bent­heim, ver­mählt mit Ger­tru­de aus dem wel­fi­schen und braun­schwei­gi­schen Hau­se, ohne Lei­bes­er­ben starb, folg­te der zwei­te Sohn der Schwes­ter Otto’s, wel­che mit Diet­rich VI von Hol­land ver­mählt war, Otto III, in der Graf­schaft Bent­heim, wäh­rend sein ältes­ter Bru­der Flo­rens Graf von Hol­land und Bal­du­in Bischof von Utrecht wur­de. —

In die­ser Zeit schei­nen die ers­ten grös­se­ren Bau­ten des Schlos­ses Bent­heim ange­fan­gen und durch die fol­gen­den Jahr­hun­der­te fort­ge­setzt zu sein: denn die Macht der Gra­fen und die Aus­deh­nung ihres Län­der­be­sit­zes mehr­te sich von da an bedeu­tend, so dass ihnen die Mit­tel zu Gebo­te stan­den, den mäch­ti­gen Unter­bau des Schlos­ses aus lau­ter regel­mäs­sig behaue­nen Qua­dern auf­zu­füh­ren, der noch bis auf die heu­ti­gen Tage allen Stür­men der Zeit getrotzt hat und Stau­nen über sei­ne Gross­ar­tig­keit erregt. Auch die Bau­wei­se der dama­li­gen Zeit scheint sich in dem Schlos­se aus­zu­drü­cken, indem das­sel­be Aehn­lich­keit mit dem Schlos­se Wind­sor (von Hein­rich I. in den Jah­ren 1100—1135 erbaut) andeu­tet. *) Aus die­ser Zeit stam­men auch noch man­cher­lei Sagen; die dama­li­gen Gra­fen von Bent­heim nah­men an den Kreuz­zü­gen Theil [sic!], und die Grä­fin Sophie starb auf einer drit­ten Wall­fahrt nach Jeru­sa­lem und erschien spä­ter als weis­se Frau auf dem Schlos­se zu Bent­heim und ver­kün­de­te dadurch das Abster­ben eines Fami­li­en­glie­des. „Sie umschweb­te fuss­los die Burg in weis­ser Umhül­lung; die sie sahen, erbleich­ten und tru­gen noch län­ge­re Zeit ihr blei­ches Gesicht zum Zei­chen, dass sie die weis­se Frau gese­hen hat­ten.”

Die Glanz­pe­ri­ode der Gra­fen von Bent­heim fing mit Ever­wyn II. an, (cir­ca 1490), wel­chen man den Rei­chen und Wei­sen nann­te und der gross­ar­ti­ge Bau­ten an der nörd­li­chen Sei­te des Schlos­ses auf­führ­te. Sei­ne Gemah­lin war eine Her­zo­gin von Meck­len­burg-Star­gard, deren Wap­pen, ein Och­sen­kopf, noch an der einen Flä­che des Thur­mes (n) zu sehen ist. Sein Nach­fol­ger Arnold I., wel­cher auch die Graf­schaft Stein­furt erb­te und dem Bischof von Müns­ter sein Bist­hum von den Wie­der­täu­fern zurück­er­obern half, begann die Refor­ma­ti­on in sei­ne Län­der ein­zu­füh­ren. Arnolds Sohn und Nach­fol­ger Ever­wyn III. erwarb durch sei­ne Gemah­lin Anna, Erb­toch­ter des Gra­fen Kon­rad v. Teck­len­burg und der Land­grä­fin Mecht­hild von Hes­sen, die Graf­schaft Teck­len­burg, ver­lor aber meh­re ande­re Besit­zun­gen durch Kai­ser Karl V. wegen Theil­nah­me an dem Schmal­kal­di­schen Bun­de. Der ein­zi­ge Sohn und Erbe EVERWYN’S III. war Graf Arnold II, der mit sei­ner Gemah­lin Mag­da­le­na, der Erbin des Neuvenar’schen Dynas­ten­hau­ses, die Graf­schaft Lim­burg sammt der Herr­schaft Alpen-Hel­fen­stein, Len­nep-Red­bur und die Erb­vog­tei zu Cöln erwarb, so dass dadurch die Nach-

*) Nach den Pro­fi­li­run­gen der ältes­ten Baut­hei­le zu urt­hei­len, dürf­te die Erbau­ungs­zeit jedoch etwas spä­ter fal­len; (sie­he wei­ter unten.)

[Es folgt ein Ein­schub mit einem ande­ren Arti­kel]

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kom­men wie­der­holt in glei­che Stamm­ver­wandt­schaft mit dem preus­si­schen Hau­se tra­ten. Er ver­ei­nig­te die Graf­schaf­ten Bent­heim, Stein­furt, Teck­len­burg, Lim­burg und die Nie­der­graf­schaft Lin­gen mit den die­sen anhän­gen­den Herr­lich­kei­ten und Besit­zun­gen im deut­schen Rei­che und den Nie­der­lan­den nebst der Erb­vog­tei von Cöln. So mäch­tig war noch kein Graf von Bent­heim und Stein­furt gewe­sen. Arnold II. führ­te in allen sei­nen Lan­den die reform­ir­te Reli­gi­on ein, theil­te aber sei­nen Län­der­kom­plex unter sei­ne fünf Söh­ne, von denen die bei­den jüngs­ten kin­der­los star­ben, so dass nun die sämmt­li­chen Besit­zun­gen in die drei Lini­en Bent­heim, Teck­len­burg und Stein­furt sich kon­so­li­dir­ten.

In die­ser Peri­ode stand auch das Schloss Bent­heim in bau­li­cher Bezie­hung in sei­nem gröss­ten Umfan­ge und sei­ner gröss­ten Voll­endung da. Es hat­te drei gros­se Tho­re, war rings­um geschlos­sen auf­ge­baut und muss den gross­ar­tigs­ten Anblick gewährt haben. — Wie aber die Gra­fen von Bent­heim durch inne­re Fami­li­en­zwis­te und Strei­tig­kei­ten mit dem Bischö­fe von Müns­ter, Bern­hard v. Galen, durch grös­se­re oder gerin­ge­re Theil­nah­me an dem dreis­sig­jäh­ri­gen, dem spa­ni­schen Erb­fol­ge- und spä­ter dem sie­ben­jäh­ri­gen Krie­ge lit­ten, so konn­te auch das Schloss Bent­heim als fes­ter Punkt zwi­schen den Nie­der­lan­den und dem deut­schen Rei­che den man­nich­fal­tigs­ten krie­ge­ri­schen Angrif­fen und Ver­wüs­tun­gen nicht ent­ge­hen, und man­che Bau­ten, anfangs beschä­digt und sodann weg­ge­räumt, nah­men der Burg die inne­re Geschlos­sen­heit. Seit­dem der Graf Carl Phil­ipp im Jah­re 1752 die Graf­schaft an den Chur­fürs­ten von Han­no­ver und König von Eng­land ver­pfän­de­te und sei­nen Auf­ent­halt in Paris nahm, besetz­te Han­no­ver das Schloss als eine Fes­tung mit Trup­pen. Im März 1793 bela­ger­te ein fran­zö­si­sches Corps unter dem Gene­ral Van­d­am­me das Schloss und beschoss das­sel­be von Osten und Wes­ten, nach wel­chen Zer­stö­run­gen man es in Anse­hung der Ober­bau­ten als eine Rui­ne betrach­ten konn­te; auch die mäch­ti­gen Ring­mau­ern und Thür­me hat­ten viel­fach gelit­ten. Der obe­re Theil des run­den Thur­mes (s) war abge­schos­sen, das gros­se Kanz­lei­ge­bäu­de (k) am inne­ren Tho­re abge­brannt, die alte Kro­nen­burg (v), das in den sie­ben­zi­ger Jah­ren von den Land­stän­den der Graf­schaft geschmack­los gebau­te Wohn­haus (q) auf der süd­li­chen Ter­ras­se arg beschä­digt. — Das han­no­ver­sche Gou­ver­ne­ment über­gab dies zer­stör­te Schloss nach dem im Jah­re 1803 erfolg­ten Tode Carl Phil­ipps dem Gra­fen Lud­wig von Bent­heim-Stein­furt als agna­ti­schem Erben. — Die­sem folg­te 1817 Alexis, Fürst zu Bent­heim und Stein­furt in der Regie­rung, der gros­se Sum­men auf die Wie­der­her­stel­lung des Schlos­ses in den Zustand, wie es jetzt erscheint, ver­wen­de­te; von ihm wur­de auch im Bent­hei­mer mäch­ti­gen Eichen­wal­de das Schwe­fel­bad ange­legt. Er starb im Novem­ber 1866. — Der jet­zi­ge Fürst, Lud­wig, scheint sei­nem Vater in der regen Auf­merk­sam­keit, die er dem Schlos­se zuwen­det, nicht nach­ste­hen zu wol­len, damit die­ser gran­dio­se alte Rit­ter­sitz nicht durch sei­nen fer­ne­ren Ruin der Ver­ges­sen­heit anheim­fal­le, son­dern in sei­ner alten Herr­lich­keit wie­der­her­ge­stellt wer­de als ein heh­res Ueber­bleib­sel aus dem grau­en Alter­thu­me, wel­ches sie­ben­und­zwan­zig der edels­ten, mit den berühm­tes­ten Geschlech­tern des deut­schen Rei­ches ver­wand­ten Dynas­ten über wei­te Län­der­stre­cken herr­schen sah. — Weni­ge der edels­ten Geschlech­ter Deutsch­lands woh­nen noch wie das Bentheim’sche nach tau­send Jah­ren auf der­sel­ben Burg; hun­der­te von Stamm­ge­nos­sen nennt nur die Geschich­te — Geschlech­ter und Bur­gen sind nicht mehr! —

DIE FRÜHERE UND GEGENWÄRTIGE GESTALTUNG DES SCHLOSSES.

In den Chro­ni­ken, wel­che uns über die Gra­fen von Bent­heim berich­ten, fin­den sich nir­gends Anga­ben über die Erbau­ung des Schlos­ses; die Gebäu­de selbst geben uns dar­über eben­so­we­nig siche­ren Auf­schluss, mit Aus­nah­me des gros­sen qua­dra­ti­schen Thur­mes (n), wel­cher fol­gen­de Inschrift ent­hält:

“IN’T JAR UNSES HERRN MCCCCXVIII. WORT DEZE TON TOT BENTHEM ERBOWET DOOR DEN EDELEN JUNCKHERR EWERWYN, GRAVEN TO BENTHEM ET TECKLENBORG”, [sic!]

Hier­nach ergie­bt sich also, dass jener Thurm von dem Gra­fen Ever­wyn von Bent­heim im Jah­re 1418 erbaut ist. — Ueb­ri­gens gehö­ren die Bau­wer­ke des Schlos­ses ganz ver­schie­de­nen Zeit­ab­schnit­ten an, wie schon aus ihrer äus­se­ren Gestal­tung her­vor­geht.

Dem unter Fig. 1. mit­get­heil­ten Grund­ris­se liegt im Wesent­li­chen eine alte Zeich­nung zu Grun­de, die den Zustand des Schlos­ses im Jah­re 1713 dar­stellt. Die noch heu­te vor­han­de­nen Bau­lich­kei­ten sind auf dem­sel­ben SCHWARZ ANGEGEBEN, die aus dem Ende des vori­gen und Anfang des jet­zi­gen Jahr­hun­derts stam­men­den SCHRAFFIERT, die jetzt gar nicht mehr vor­han­de­nen NUR DURCH LINIEN ange­deu­tet wor­den.

An der Süd­sei­te, vom Orte her kom­mend, führt eine steil anstei­gen­de gepflas­ter­te Stras­se zum Aus­sen­tho­re (a), des­sen inne­re Thei­le, den Pro­fi­li­run­gen der Bögen nach zu schlies­sen, sehr alt sein müs­sen; das­sel­be war frü­her

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mit einem erst in die­sem Jahr­hun­der­te fort­ge­nom­me­nen Fall­gat­ter ver­se­hen und schloss den äus­se­ren Schloss­hof (A) und somit auch die gan­ze Burg, wel­che aus­s­der­dem nur noch 2 klei­ne Aus­fall­pfor­ten (d und z) hat, nach Aus­sen hin ab. Immer­fort stei­gend gelang­te man zu dem jetzt nicht mehr vor­han­de­nen mitt­le­ren Tho­re (e), zwi­schen wel­chem und dem inne­ren Schloss­hof­tho­re (g) wahr-

FIG. 1: Grund­riss des Schlos­ses nach einer Zeich­nung vom Jah­re 1713.

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schein­lich ein Gra­ben mit Zug­brü­cke existir­te. Da das Ter­rain bis zum Tho­re g erheb­lich ansteigt, so bil­de­ten die, in ihrer jet­zi­gen Gestalt übri­gens erst aus spä­te­rer Zeit, wahr­schein­lich aus der Mit­te des 17. Jahr­hun­derts stam­men­den, zum Auf­stel­len von klei­nen Geschüt­zen bestimm­ten kren­e­lir­ten Mau­ern (f), wel­che in beträcht­li­cher Höhe das Ter­rain beherr­schen, für die dama­li­ge Zeit schon eine wirk­sa­me Ver­tei­di­gungs­li­nie. Das stei­gen­de Ter­rain war den Vert­hei­di­gern der Burg auch inso­fern güns­tig, als sie den Feind, wel­cher sich viel­leicht auf irgend eine Wei­se des äus­se­ren Schloss­ho­fes bemäch­tigt hat­te, durch einen Aus­fall aus dem inne­ren Burg­tho­re mit grös­se­rem Nach­druck wie­der ver­trei­ben konn­ten. -

Durch das inne­re Schloss­hof­t­hor (g), wel­ches wahr­schein­lich aus der­sel­ben Zeit stammt, wie die erwähn­ten Mau­ern (f), gelangt man in den inne­ren Schloss­hof (B). Der­sel­be ist, wo ihn nicht Gebäu­de umgrän­zen, von hohen, zum Theil sehr dicken Mau­ern ein­ge­schlos­sen, wel­che durch Trep­pen zugäng­lich sind, und deren Pla­te-For­men für Bat­te­rien bestimmt waren. Auch die­se Mau­ern sind, wie aus den klei­nen aus­ge­krag­ten Thürm­chen, deren eines die Jah­res­zahl 1666 trägt, her­vor­geht, zum Theil neue­ren Datums. Indess tre­ten uns hier und da noch eini­ge Res­te der älte­ren Umfas­sungs­mau­ern ent­ge­gen, wie z. B. zwi­schen dem Tho­re g und der Kapel­le i. Zu bei­den Sei­ten des Tho­res g waren die Gebäu­de für die Thor­wa­che, von denen nur das nörd­li­che noch vor­han­den ist; k war die Kanz­lei, m eine Schmie­de.

i war die ehe­ma­li­ge Schloss­ka­pel­le, eins der ältes­ten

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Bau­wer­ke des Schlos­ses, deren Säu­len­ka­pi­tä­le und Basen im unte­ren Geschoss des Thur­mes, wel­ches vor­dem durch ein Kreuz­ge­wöl­be mit vor­lie­gen­den kreis­för­mi­gen Dia­go­nal­rip­pen geschlos­sen war, noch roma­ni­sche For­men spä­ter Bil­dung zei­gen. — Ueb­ri­gens ist der vor­de­re, grös­se­re Raum der ehe­ma­li­gen Kapel­le gegen­wär­tig ganz kahl und unge­glie­dert, und las­sen sich dar­aus nir­gends Anhalt­punk­te für die frü­he­re Eint­hei­lung und Ueber­wöl­bung des Rau­mes gewin­nen.

[Fort­set­zung folgt in: Deut­sche Bau­zei­tung, Jahr­gang III. No. 28., Ber­lin, 8. Juni 1869]

FIG. 2. Ansicht des Schlos­ses von der Nord­ost­sei­te.

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[Es fol­gen ande­re Arti­kel]


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DAS SCHLOSS ZU BENTHEIM (Fort­set­zung).

Wen­den wir uns nun zur Lin­ken, so fällt uns zunächst der gros­se Thurm (n des Grund­ris­ses) in’s Auge, wel­cher, sowie auch der wei­ter unten beschrie­be­ne run­de Thurm s haupt­säch­lich zur Vert­hei­di­gung dien­te (sie­he Figur 3). Er ist aus mäch­ti­gen, gut behaue­nen Qua­der­blö­cken auf­ge­führt; die schlich­ten Mau­er­mas­sen sind nach drei Sei­ten hin in den zwei obe­ren Geschos­sen durch Schies­schar­ten [sic!] unter­bro­chen; die dem Ein­gangst­ho­re zuge­wand­te Sei­te besitzt deren kei­ne, doch ist wohl anzu­neh­men, dass auch sie frü­her damit ver­se­hen war, da die mitt­le­re Flä­che die­ser Sei­te zu Anfang die­ses Jahr­hun­derts restaur­irt wor­den ist. Eine Zin­nen­be­krö­nung, wel­che auf aus­ge­krag­ten Kon­so­len nebst Bogen­fries ruht (ähn­lich den unter Fig. 7 des run­den Thur­mes mit­get­heil­ten), schliesst den Thurm nach oben hin ab; vier aus­ge­krag­te Eckt­hürm­chen, in spä­te­rer Zeit lei­der mit zop­fi­gen Hau­ben aus hori­zon­tal geleg­ten Qua­dern ver­se­hen, geben dem Bau­werk ein sehr cha­rak­te­ris­ti­sches Geprä­ge. — So viel von der äus­se­ren Erschei­nung des Thur­mes.

Zur Kom­mu­ni­ka­ti­on des Schloss­ho­fes mit dem Innern des Thur­mes dient die im Grund­riss ver­zeich­ne­te Trep­pe neben dem neu­en Gebäu­de q, wel­che auf ein etwa 3,75m. (12′ Pr.) hohes Pla­teau (o) führt; eine zwei­te Trep­pe führt zur Pla­te­form p, wel­che im Niveau des rings um den Schloss­hof lau­fen­den brei­ten Rund­gangs auf der Höhe der inne­ren Umfas­sungs­mau­er liegt. Die­sem gegen­über ist eine nach Aus­sen hin vor­sprin­gen­de Bas­ti­on errich­tet, deren Höhe über dem angrän­zen­den äus­se­ren Ter­rain 14,20m. (45,24′ Pr.) beträgt. — Von die­sem Pla­teau aus führt eine schma­le Trep­pe in das Inne­re des Thur­mes, wel­ches drei Geschos­se ent­hält, von denen der Fuss­bo­den des unte­ren, das im Gan­zen 12,15m. (39,82′ Pr.) hoch ist, noch 5,07m. (16,15′ Pr.) unter dem Niveau des Schloss­ho­fes liegt. Der oben erwähn­te Ein­gang führt in das mitt­le­re Geschoss, von wo aus man nur durch eine im Fuss­bo­den befind­li­che kreis­run­de Oeff­nung in das unte­re Geschoss gelan­gen kann, und zwar nur ver­mit­telst Lei­tern; der qua­dra­ti­sche Grund­riss des letz­te­ren ist 4,12m. (13,12′ Pr.) im Lich­ten weit; die Mau­er hat hier die enor­me Dicke von 5,09m. (16,20′ Pr.) Der Raum ist mit einem Ton­nen­ge­wöl­be über­deckt und besitzt kei­nen wei­te­ren Aus­gang als den oben­er­wähn­ten im Gewöl­be; er dien­te daher wahr­schein­lich zur Auf­be­wah­rung von Kriegs­ma­te­ri­al und Vor­räthen jeder Art. — Das mitt­le­re Geschoss des Thur­mes, eben­falls durch ein Ton­nen­ge­wöl­be geschlos­sen, besitzt noch eine Mau­er­stär­ke von 4,65m. (14,80′ Pr.) und steht mit dem obe­ren Geschos­se gegen­wär­tig durch eine Holz­trep­pe in Ver­bin­dung. Vom obers­ten, 6,25m. (19,91′ Pr.) im Lich­ten wei­ten, mit einem Kreuz­ge­wöl­be über­deck­ten Geschos­se gelangt man ver­mit­telst einer stei­ner­nen Wen­del­trep­pe in eins der aus­ge­krag­ten Thürm­chen, wel­ches durch eine Thür mit dem Pla­teau des Thur­mes in Ver­bin­dung steht; die drei ande­ren aus­ge­krag­ten Thürm­chen sind mit kreuz­för­mi­gen Schlit­zen ver­se­hen, die für die Post­irung von Arm­brust­schüt­zen bestimmt waren. Die gan­ze Höhe des Thur­mes über dem unmit­tel­bar aus­ser­halb der Burg­mau­er lie­gen­den Ter­rain beträgt etwa 30,20m. (96,22′ Pr.), da aber das Ter­rain von der Mau­er ab noch steil abfällt, so beherrsch­te der Thurm sei­ne Umge­bung auf eine wei­te Ent­fer­nung und schütz­te zugleich die auf den Rund­gän­gen post­ir­ten Vert­hei­di­ger.

Das im Grund­riss mit q bezeich­ne­te Gebäu­de ist neue­ren Datums und bie­tet wenig Inter­es­se; wahr­schein­lich ist es indess, dass sich hier frü­her ein bedeu­ten­der Gebäu­de­kom­plex erhob, viel­leicht das eigent­li­che Her­ren­haus, des­sen Gestalt sich lei­der nicht mehr fest­stel­len lässt. Von der Höhe die­ser Umfas­sungs­mau­ern, auf denen das Gebäu­de errich­tet sein moch­te, hier etwa 17,26m. (54,87′ Pr.), ent­rollt sich dem Auge nach Süden hin ein pracht­vol­les Pan­ora­ma, und gewähr­te daher die­se Sei­te des Schlos­ses wohl den impo­san­tes­ten Anblick.

In Ver­bin­dung mit die­sem Gebäu­de q steht der äus­serst inter­es­san­te run­de Thurm s (sie­he Fig. 4—9), des­sen bei­de unte­ren Geschos­se, von ein­zel­nen Schlit­zen durch­bro­chen, zur Vert­hei­di­gung bestimmt waren. Die enorm star­ken Mau­ern die­ses Wer­kes, wel­che eben­falls aus gut behaue­nen Qua­dern in regel­mäs­si­gen Lagen auf­ge­führt sind, haben als Sockel und Fun­da­ment den gewach­se­nen Fel­sen, wel­cher in sei­nen unte­ren Schich­ten, der run­den Form des Thur­mes ent­spre­chend, behau­en ist. Das obe­re Thurm­ge­schoss kragt ver­mit­telst eines durch Kon­so­len unter­stütz­ten Bogen­frie­ses um 0,25m. (9 1/2″ Pr.) nach Aus­sen hin vor und ist nach drei Sei­ten hin durch mäch­ti­ge Erker­kon­so­len von acht­ecki­ger Grund­form unter­bro­chen, wel­che in ihrer ursprüng­li­chen Anord­nung, wie aus alten Abbil­dun­gen der Burg her­vor­geht, wirk­li­che Erker tru­gen, deren Mau­er­werk bis zum Haupt­ge­sims hin­auf­ge­führt, oben durch schlan­ke Helm­spit­zen abge­deckt war. Gegen­wär­tig tra­gen die Kon­so­len auf ihrer acht­ecki­gen Grund­flä­che Bal­kon­deck­plat­ten, wel­che von einer Renais­sance-Balus­tra­de umschlos­sen sind.

Das obe­re Geschoss des Thur­mes, wel­cher, wie oben erzählt, in den neun­zi­ger Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts von den Fran­zo­sen abge­schos­sen und spä­ter wie­der her­ge­stellt wur­de, hat erheb­lich schwä­che­re Mau­ern, als die

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bei­den unte­ren Stock­wer­ke (1,16m. = 3,70′ Pr.) und ist jetzt in unschö­ner Wei­se durch dia­me­tral gestell­te Wän­de in 6 oder 8 keil­för­mi­ge Zim­mer ein­get­heilt, in deren Mit­te gewal­ti­ge Schorn­stein­röh­ren bis zur Helm­spit­ze hin­auf­ge­führt sind, oben in eine Art korin­thi­schen Kapi­täls [sic!] endi­gend. Wahr­schein­lich bestand dies obe­re Geschoss frü­her aus einem ein­zi­gen mäch­ti­gen Saa­le von etwa 15m. (48′ Pr.) Durch­mes­ser und war eben­falls durch ein Gewöl­be über­deckt. In der Mit­te des Fuss­bo­dens befin­det sich eine kreis­run­de Oeff­nung von ppt. 0,50m. (1,59′ Pr.), wel­che genau mit einer eben sol­chen Oeff­nung im Fuss­bo­den des dar­un­ter lie­gen­den Geschos­ses kor­re­spon­dirt, so dass alle drei Geschos­se des Thur­mes auf die­se Wei­se mit ein­an­der in Ver­bin­dung stan­den und Kriegs­ma­te­ri­al leicht nach oben oder unten geschafft wer­den konn­te. Wegen der bei der Restau­ra­ti­on gänz­lich gestör­ten ursprüng­li­chen Anla­ge des obers­ten Stock­wer­kes ist eine wei­te­re Ver­bin­dung des letz­te­ren mit den dar­un­ter lie­gen­den Geschos­sen nicht mehr her­aus­zu­fin­den, doch ist anzu­neh­men, dass die im Grund­riss gezeich­ne­te Wen­del­trep­pe den Ver­kehr ver­mit­tel­te. Das mitt­le­re Geschoss hat sei­nen Zugang durch eine klei­ne Trep­pe vom Hofe aus (sie­he Fig. 5 und 8) und ist durch eine Art Kup­pel­ge­wöl­be ver­mit­telst Ueber­kra­gung schräg und kreis­för­mig behaue­ner Ring­stei­ne geschlos­sen. Der Durch­mes­ser des Rau­mes beträgt etwa 8,00m. (25,49′ Pr.), sei­ne Mau­er­stär­ke 4,90m. (15,61 Pr.) Die Schies­schar­ten sind (wahr­schein­lich in spä­te­rer Zeit) für Kano­nen umge­än­dert; die Nischen sind oben mit Abzugs­ka­nä­len für den Rauch der Geschüt­ze ver­se­hen. Das unte­re Thurm­ge­schoss, des­sen Fuss­bo­den unge­fähr 5,45m. (17,36′ Pr.) unter dem Fuss­bo­den des Schloss­ho­fes liegt, steht sowohl mit dem Hofe als auch mit der oben­er­wähn­ten Wen­del­trep­pe, wel­che wahr­schein­lich zum obers­ten Stock­werk des Thur­mes führ­te, durch ander­wei­ti­ge Trep­pen in Ver­bin­dung; es besitzt 2 Schies­schar­ten und ist durch ein Kreuz­ge­wöl­be mit vor­tre­ten­den acht­ecki­gen Rip­pen auf Kon­so­len über­deckt.

Das obers­te Thurm­ge­schoss, des­sen Fuss­bo­den in glei­cher Höhe mit dem rings um den Schloss­hof lau­fen­den kren­e­lir­ten Rund­gang auf der Höhe der Umfas­sungs­mau­ern liegt, steht durch letz­te­ren auch mit der soge­nann­ten Kro­nen­burg (v) in Ver­bin­dung.

(Schluss folgt.)

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Schloss Bent­heim.

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Fig. 3. Per­spek­ti­vi­sche Ansicht des Thur­mes n von der S.-W. Sei­te. – Fig. 4. Per­spek­ti­vi­sche Ansicht des run­den Thur­mes s von der S.-W. Sei­te. – Fig. 5. Durch­schnitt durch den run­den Thurm s nach der Linie AA — BB. – Fig. 6. Detail des Gesim­ses b. – Fig. 7. Detail des Gesim­ses a. – Fig. 8. Grund­riss des Thur­mes s in der Höhe CC des Durch­schnit­tes. – Fig. 9. Grund­riss des Thur­mes s in der Höhe DD des Durch­schnit­tes.

[Es fol­gen ande­re Arti­kel]


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Das Schloss zu Bent­heim. (Schluss.)

Die Kro­nen­burg (sie­he Fig. 10–16), wel­che nach dem Grund­riss­pla­ne vom Jah­re 1713 noch ver­schie­de­ne ande­re Gebäu­de umfass­te und mit einem vor­lie­gen­den Quer­bau (w) in Ver­bin­dung stand, ent­hielt wahr­schein­lich die eigent­li­chen Reprä­sen­ta­ti­ons- und Fest­sä­le. Lei­der zeigt gera­de die­ses Bau­werk die Spu­ren frü­he­rer Ver­wüs­tun­gen am Deut­lichs­ten und ist auch mit Aus­nah­me des mitt­le­ren Quer­bau­es im Innern so voll­stän­dig umge­baut, dass sich der ursprüng­li­che Zusam­men­hang der Säle schwer her­aus­fin­den lässt. Nament­lich ist der lin­ke Flü­gel der­ar­tig in Ver­fall gera­then, dass man nicht ohne Furcht die hohen Räu­me zu betre­ten wagt. Klaf­fen­de Spal­ten in dem übri­gens sehr dicken Mau­er­werk, halb ein­ge­stürz­te Stuck­de­cken, durch einen Wald von Bäu­men unter­stützt, die an der West­sei­te um etwa 3 Fuss aus dem Loth gewi­che­nen Mau­ern, zer­bro­che­ne Fens­ter­kreu­ze u. s. w. kurz alle Thei­le die­ses Flü­gels tra­gen die Spu­ren des ärgs­ten Ver­falls an sich. Die fast 22,00m. (70,10′ Pr.) hohe vor­de­re Gie­bel­wand und ein Theil der Sei­ten­wand die­ses Gebäu­des ruhen auf Spitz­bo­gen-Arka­den, wel­che von acht­ecki­gen Pfei­lern getra­gen wer­den, im Erd­ge­schoss ver­muth­lich eine offe­ne Hal­le umschlies­send. Die vor­de­re Wand des Quer­bau­es ent­hält unten eine spitz­bo­gig geschlos­se­ne Ein­gangst­hür und zwei eben­falls spitz­bo­gi­ge Fens­ter, wel­che letz­te­ren frü­her mit Maass­werk aus­ge­stat­tet waren.

Aehn­lich sind auch die dar­über lie­gen­den Fens­ter gestal­tet, wel­che sich nach der obe­ren Hal­le hin (Fig. 12) öff­nen; doch sind die­se noch durch ein gothi­sches Gesims mit Säu­len­stel­lung dazwi­schen ein­ge­rahmt. — Im Erd­ge­schoss ent­hält der Mit­tel­bau einen gros­sen, fast qua­dra­ti­schen Raum von ppt. 11,50m. (35,21′ Pr.) lich­ter Wei­te, wel­cher durch Thü­ren mit den bei­den Flü­gel­bau­ten und durch eine in der hin­te­ren Mau­er lie­gen­de Trep­pe mit dem obe­ren Geschoss in Ver­bin­dung stand. Eine alte Holz­de­cke, von mäch­ti­gen Trä­gern unter­stützt, wel­che

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letz­te­re auf dem in Figur 15 mit­get­heil­ten Pfei­ler ruhen, trennt die bei­den Stock­wer­ke von ein­an­der. Der Kamin in der nord­west­li­chen Ecke des Rau­mes scheint erst in spä­te­rer Zeit ange­legt zu sein.

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Figur 3a. Durch­schnitt durch den Befes­ti­gungsthurm n.

Die nörd­li­che Wand, wel­che drei rund­bo­gig geschlos­se­ne roma­ni­sche Fens­ter und dar­über zwei kreis­för­mi­ge Fens­ter ent­hält, gehört jeden­falls mit dem dar­über lie­gen­den Mau­er­werk des zwei­ten Geschos­ses der ältes­ten Bau­pe­ri­ode des gan­zen Schlos­ses an (sie­he Fig. 13). — Auf der im Mau­er­werk der west­li­chen Umfas­sungs­wand lie­gen­den, jetzt aber unpas­sir­ba­ren Trep­pe gelang­te man in den schon oben erwähn­ten, in den Fig. 10 u. 12 mit­get­heil­ten Saal des zwei­ten Geschos­ses. Doch ist dies ohne Zwei­fel nicht die Haupt­ver­bin­dungs-Trep­pe gewe­sen, son­dern es ist anzu­neh­men, dass die im zwei­ten Stock­werk lie­gen­de beque­me Wen­del­trep­pe bis ins Erd­ge­schoss hin­ab­ging, und dass die

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Fig. 13a Fens­ter im Erd­ge­schoss.

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Fig. 15a Kamin im Saa­le C.

gegen­wär­ti­ge, im Durch­schnitt sicht­ba­re, direkt von aus­sen hin­auf­füh­ren­de Trep­pe, deren Stu­fen übri­gens auch Renais­sance-Pro­fi­le zei­gen, ursprüng­lich nicht existir­te. — Die Decke die­ses Saa­les besteht aus vier gothi­schen Gewöl­ben, deren Gurt­bö­gen und Dia­go­nal­rip­pen tbeils auf einer mäch­ti­gen, acht­ecki­gen Säu­le in der Mit­te des Rau­mes, theils auf Wand­kon­so­len ruhen (sie­he Fig. 14). In der nord­west­li­chen Ecke befin­det sich ein gros­ser Kamin, des­sen Man­tel in der Höhe der Wand­kon­so­len ein Gurt­ge­sims trägt, auf des­sen Mit­te die Dia­go­nal­rip­pe der ent­spre­chen­den Fel­der in ori­gi­nel­ler Wei­se ihre Endi­gung fin­det (sie­he Fig. 15a). Die­ser Saal ist von allen Bau­wer­ken des Schlos­ses wohl am bes­ten erhal­ten, hat am wenigs­ten durch Aen­de­run­gen spä­te­rer Zei­ten gelit­ten und impo­nirt durch sei­ne statt­li­chen Ver­hält­nis­se. Eine Thür ver­bin­det die­sen Raum mit dem nörd­li­chen Flü­gel der Kro­nen­burg, wel­cher aber durch den aus neue­rer Zeit dati­ren­den inne­ren Umbau an Inter­es­se ver­lo­ren hat, obgleich ein kreis­run­des roma­ni­sches Fens­ter im unte­ren Geschos­se, sowie meh­re ver­mau­er­te Bögen daselbst uns über­zeu­gen, dass wir hier einen der ältes­ten Thei­le der Burg vor uns haben. — Die oben erwähn­te Wen­del­trep­pe des zwei­ten Geschos­ses führt in das drit­te Geschoss des lin­ken oder süd­lich bele­ge­nen Flü­gels und wei­ter­hin auf den Dach­bo­den.

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Fig. 16a Endi­gung der Spin­del der Wen­del­trep­pe.

Von den übri­gen Bau­wer­ken im inne­ren Schloss­ho­fe ver­die­nen noch das klei­ne Aus­fall­pfört­chen (z), wel­ches ver­mit­telst einer durch ein acht­ecki­ges Zelt­dach abge­deck­ten Wen­del­trep­pe mit dem jetzt ver­schwun­de­nen Gebäu­de w in Ver­bin­dung stand, sowie ein tie­fer Brun­nen (x) Erwäh­nung. Aus­ser­dem befin­det sich im Mit­tel­bau der Kro­nen­burg noch ein etwa 2,5m. (8′ Pr.) hohes, roh gear­bei­te­tes stei­ner­nes Kreuz mit einer Chris­tus­fi­gur im lan­gen, fal­ten­lo­sen Gewän­de, des­sen Ursprung in das Ende des eilf­ten Jahr­hun­derts gesetzt wer­den dürf­te.

[Es folgt ein Ein­schub mit einem ande­ren Arti­kel]

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Ueber­bli­cken wir jetzt noch ein­mal die statt­li­che Gesammt-Anla­ge der aus­ge­dehn­ten Burg, deren alters­graue, gar trot­zig aus­schau­en­de Thür­me, hohe Mau­ern und Bas­tio­nen das Bild einer gros­sen Ver­gan­gen­heit in uns wach rufen, und ver­ge­gen­wär­ti­gen wir uns so viel wie mög­lich den Ein­druck der jetzt nicht mehr vor­han­de­nen Bau­wer­ke, wel­che den umfang­rei­chen Schloss­hof umga­ben, ergän­zen im Gedan­ken Tho­re, Zug­brü­cken und Fall­gat­ter und fas­sen wir zugleich die Lage des Schlos­ses auf der Höhe steil abfal­len­der Fel­sen ins Auge, so sind wir eini­ger­mas­sen im Stan­de, uns die her­vor­ra­gen­de Bedeu­tung die­ses fes­ten Punk­tes im Mit­tel­al­ter vor­zu­stel­len und wer­den zugleich mit Bewun­de­rung erfüllt über die Gross­ar­tig­keit der Wer­ke, wel­che jene stol­zen Gra­fen­ge­schlech­ter errich­tet haben.

F. EWERBECK.

[Es fol­gen ande­re Arti­kel]


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Schloss Bent­heim.

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