Der Bad Bentheimer Seniorenbeirat will viele Geschichten sammeln, damit sie nicht unwiederbringlich verloren gehen. Ein Buch will Sitten und Gebräuche sowie persönliche Erlebnisse älterer Menschen dokumentieren.
Bad Bentheim. . Ernst-Dieter Oehler kann sich noch gut an seine ersten sechs Jahre in Bad Bentheim erinnern: Wie die Großmutter von ihrer Mutter erzählte, die zwei Eimer auf einem Holzgestell schulterte und vom Kathagen zum nächsten Brunnen lief, um Wasser zu holen. Das Vorstandsmitglied des Seniorenbeirates der Stadt hat seine Erlebnisse von 1944 bis 1950 für seine zwei Töchter aufgeschrieben – und ist damit ihrem Wunsch gefolgt.
Doch wissen würden die Kinder gern noch viel mehr, zum Beispiel: Wie war das eigentlich in deiner Jugendzeit oder was hast du als Lehrer und Schulleiter so alles erlebt? Denn seit 1969 lebt der gebürtige Bad Bentheimer nach einer längeren Zwischenstation in Gronau in Gildehaus, wo er sich auch an viele Dinge erinnern kann, die heute fast in Vergessenheit geraten sind.
Vorbild aus Ganderkesee
Dass nicht nur ältere Menschen ein Interesse daran haben, solche Alltagsgeschichten oder auch längst vergessene Sitten und Gebräuche für die Nachwelt zu erhalten, ist dem 70-Jährigen bewusst geworden, als er ein Buch des Seniorenbeirates in Ganderkesee entdeckte mit dem schönen Titel: „Senioren erinnern sich – Was es heute so in Ganderkesee nicht mehr gibt“. Das ist ein Projekt, das man jetzt auch in Bad Bentheim anpacken will.
Eigentlich sollten alle Geschichten nur zwei oder drei Seiten lang sein, aber viele Ältere hatte das Erzählfieber gepackt – was eine Bearbeitung der Geschichten nötig machte. Entstanden ist so ein Buch mit „Alltagsgeschichten, die man seinen Enkelkindern immer schon mal erzählen wollte und die in keiner Chronik zu finden sind“. Das Ziel lautete: Es geht gar nicht so sehr ums Buch, sondern darum, den Menschen ein Forum zu geben und ihr Leben wertzuschätzen. So sind in Ganderkesee 46 Geschichten zusammengekommen, zehn davon auf Plattdeutsch. Die Themen: Die Rentenzahlung anno dazumal, der Bau eines Hühnerstalls oder die Besuche einer Hausschneiderin in den Zeiten der Selbstversorgung. „Oft purzelte es aus den Leuten nur so raus“, freuten sich die Verantwortlichen. So wurden nicht nur Geschichten eingereicht, die ganze Biografien waren – und entsprechend gekürzt werden mussten. Und verzichtet hat man auf Kriegs- und Fluchtgeschichten mit Verweis auf die entsprechenden Chroniken. In Ganderkesee war der älteste Autor jedenfalls 91 Jahre alt, das Durchschnittsalter der übrigen Schreiber lag über 70.
Geschichten von Schmuggel und Schlachtfesten
Auf eine solch positive Resonanz setzt auch der Bad Bentheimer Seniorenbeirat. Denn es gibt viele Erlebnisse Älterer, die sonst verloren gehen würden. Ernst-Dieter Oehler weiß aus Erzählungen alter Gildehauser, die sich noch gut an die Bockstation erinnern konnten, wohin ganz viele Bürger ihre Ziegen zum Decken brachten. Aber auch Geschichten von Schlachtfesten oder von abenteuerlichen Schmuggelgeschichten. Selber erinnert er sich an die Kirmes in Gildehaus, die noch bis zu Beginn der 70er Jahre ein „Wahnsinnsfest“ war, „mit Tanz und allem Drumherum“. Aber auch Rodelfahrten mit dem Kastenschlitten vom Katthagen hinunter zur Ochtruper Straße in Bad Bentheim oder im Gildehauser Bürgergarten sind ihm im Gedächtnis geblieben. Es fallen im Gespräch mit den GN viele Namen von heute fast vergessenen Gaststätten, in deren Sälen rauschende Feste über die Bühne gingen.
Neben den persönlichen Erlebnissen soll es in dem Bad Bentheimer Seniorenbuch aber auch um Sitten und Gebräuche gehen. Jedenfalls freut sich Ernst-Dieter Oehler über Zusendungen solcher Geschichten entweder per Mail an die Adresse edoehler@gmx.de oder als Post an seine Adresse Im Steinbruch 34 in Gildehaus. Natürlich steht der Pensionär auch telefonisch für Rückfragen zur Verfügung unter 05924–1257.
Seniorenbeirat freut sich über Sponsoren
„Es geht uns nicht um wissenschaftliche Aufarbeitungen, aber auch nicht um hanebüchene Dinge, sondern um glaubwürdige Geschichten“, fasst Oehler die Zielrichtung zusammen. Und dass zwei Leute dieselben Sachen ganz unterschiedlich erlebt haben können, damit müsse man leben.
Bis zum Herbst nächsten Jahren soll das Buch fertig sein, um es spätestens zum Weihnachtsfest 2015 präsentieren zu können. Noch ist nicht geklärt, wie das ganze Projekt finanziert werden soll, über Sponsoren würde sich der Seniorenbeirat sehr freuen.
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