Bent­hei­mer sucht Euro­pas bes­te Stra­ßen­mu­si­ker

„Smells Like Van Spi­rit“ lau­tet das Pro­jekt von Mar­ten Ber­ger, der von Rumä­ni­en bis Por­tu­gal nicht nur talen­tier­te Stra­ßen­mu­si­ker auf­spü­ren, son­dern auch ein pro­fes­sio­nel­les Album mit ihnen auf­neh­men will.

Von Hin­nerk Schrö­er

Bad Bent­heim. Es gibt Momen­te, die das gan­ze Leben ver­än­dern. So einen Aha-Effekt hat auch Mar­ten Ber­ger erlebt. Vor zwei Jah­ren sah der Bad Bent­hei­mer, der in Ensche­de Musik­pro­duk­ti­on stu­diert, auf einer hol­län­di­schen Web­sei­te ein Video von einem Stra­ßen­mu­si­ker aus Gro­nin­gen. „Der hat Coun­try Roads gespielt. Das hat mich so bewegt. Ich hat­te Gän­se­haut pur“, erzählt der 23-Jäh­ri­ge, der sich kur­zer­hand ent­schloss, den Musi­ker aus­fin­dig zu machen und in Gro­nin­gen zu besu­chen und ein Album mit ihm auf­zu­neh­men. Das hat sich gelohnt. Die Plat­te, die Ber­ger zusam­men mit Chris­tia­an Mau­er auf­nahm, brach­te es im Inter­net-Strea­ming­por­tal „Spo­ti­fy“ in kur­zer Zeit auf mehr als 100.000 Abru­fe. „Die Leu­te ste­hen drauf, wenn Musik echt und hand­ge­macht ist“, beschreibt Ber­ger sei­ner Erfah­run­gen aus dem Pro­jekt. Das gilt im Beson­de­ren auch für ihn selbst. Denn der Gedan­ke „Stra­ßen­mu­sik“ ließ ihn fort­an nicht mehr los. „Ich woll­te das unbe­dingt wei­ter­ma­chen. Ich bin mir sicher, dass es in Euro­pa noch viel mehr unent­deck­te Talen­te gibt“, so der Bent­hei­mer, der dar­aus ein ech­tes Her­zens­pro­jekt gestal­tet hat. Sein Ziel ist es, in einem Jahr alle Län­der der Euro­päi­schen Uni­on und Skan­di­na­vi­ens zu berei­sen, dort Stra­ßen­mu­si­ker auf­zu­spü­ren und ein pro­fes­sio­nel­les Album mit den unent­deck­ten Talen­ten auf­zu­neh­men. Aus dem aben­teu­er­li­chen Gedan­ken ist mitt­ler­wei­le ein ech­ter Plan ent­stan­den, den Ber­ger mit viel Enthu­si­as­mus ver­folgt.

Lie­be zur Musik, Ent­de­cker­lust und poli­ti­sches Enga­ge­ment

Sei­ne Beweg­grün­de dafür sind viel­schich­tig. Neben der Lie­be zur Musik spie­len auch Ent­de­cker­lust und poli­ti­sches Enga­ge­ment hin­ein. Gera­de der Drang mehr von Euro­pa zu sehen, ist bei ihm rie­sen­groß. „Vie­le von mei­nen Freun­den haben Aus­lands­auf­ent­hal­te in den USA, Neu­see­land oder Aus­tra­li­en gemacht. Ich den­ke für mich aber, war­um macht man es nicht vor der Haus­tür. Auch in Euro­pa gibt es viel zu ent­de­cken.“ Dabei möch­te Ber­ger auch ein Zei­chen für den Zusam­men­halt in der Euro­päi­schen Uni­on set­zen – wenn auch nur im Klei­nen. „Euro­pa ist eine coo­le Sache, die aber mit vie­len Pro­ble­men zu kämp­fen hat. Musik ist oft ein gemein­sa­mer Nen­ner, der Zusam­men­ge­hö­rig­keit stif­ten kann“, nennt der Stu­dent einen sei­ner Beweg­grün­de. Des­halb will er auf sei­ner Rei­se auch nicht die gän­gi­gen Kli­schees bedie­nen. Ihm geht es nicht dar­um, Folk­lo­re zu pro­du­zie­ren, wie sie bei­spiels­wei­se häu­fig den Euro­pean Songcon­test (ESC) über­la­gert. Ber­ger will Musik­ta­len­te fin­den, die als Sin­ger-Song­wri­ter auf dem gan­zen Kon­ti­nent Lieb­ha­ber fin­den kön­nen. „Die Musik muss mich in dem Moment berüh­ren. Ich suche ja auch in Deutsch­land nicht unbe­dingt nach Musi­kern, die Schla­ger oder Volks­mu­sik machen“, stellt er anschau­lich fest.

Die ers­ten Schrit­te für sein Mam­mut­pro­jekt hat Ber­ger bereits erfolg­reich hin­ter sich gebracht. So kauf­te er in Unna für klei­nes Geld einen VW-Bul­li. Der T3-Van, der zu dem Zeit­punkt nur noch Schrott­wert hat­te, soll bei sei­ner Rei­se quer durch Euro­pa der Mit­tel­punkt sein. Denn Ber­ger wird in sei­nem Gefährt nicht nur rei­sen, son­dern auch pro­du­zie­ren. So soll sich der von Grund auf reno­vier­te Bul­li mit dem Ein­bau von Equip­ment in ein pro­fes­sio­nel­les Stu­dio ver­wan­deln – in dem er aut­ark arbei­ten kann. Dafür stellt ihm der Vater eines Freun­des kos­ten­los ein leis­tungs­star­kes Solar­mo­dul zur Ver­fü­gung, das auf dem Auto­dach Strom für die Musik­pro­duk­ti­on erzeugt. „Ich habe auch einen grü­nen Dau­men. Des­halb ist es mir wich­tig zu zei­gen, dass so ein Pro­jekt auch mit erneu­er­ba­ren Ener­gien zu schaf­fen ist“, so Ber­ger, der aktu­ell in Köln ein Prak­ti­kum bei einer gro­ßen Musik­pro­duk­ti­ons­fir­ma macht.

Der Bul­li hat es auch in den Namen sei­ner Euro­pa­tour geschafft. „Smells Like Van Spi­rit“ war in Anleh­nung an das legen­dä­re Album von „Nir­va­na“ das krea­ti­ve Ergeb­nis eines Brain­stor­mings mit Freun­den. „Einer hat­te die Idee, ein­fach ein Wort in einem Musik­ti­tel zu erset­zen. Und der Titel passt ein­fach wun­der­bar“, erzählt Ber­ger, der auch eine Face­book-Sei­te mit die­sem Namen ein­ge­rich­tet hat. Bei sei­nem Bemü­hen, von offi­zi­el­ler Sei­te finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für sein Pro­jekt zu bekom­men, tritt er aller­dings mit einem seriö­se­ren Pro­jekt-Titel auf: „Unent­deck­te Talen­te – Euro­pas Stra­ßen­mu­si­ker“.

In Final­run­de für Sti­pen­di­um

Ber­ger hat es in die Final­run­de für ein Sti­pen­di­um der Pri­vat-Uni­ver­si­tät Wit­ten-Her­de­cke geschafft. Dort win­ken dem Gewin­ner einer zwei­wö­chi­gen Online-Abstim­mung, die am Mon­tag zwi­schen vier Kan­di­da­ten beginnt, die Über­nah­me der monat­li­chen Lebens­hal­tungs­kos­ten von 700 Euro für ein Jahr. „Man soll sich auf durch das Sti­pen­di­um ganz auf die Ver­wirk­li­chung sei­nes Pro­jekts kon­zen­trie­ren kön­nen. Beim Voting kann jeder mit­ma­chen, da wür­de ich mich natür­lich über Unter­stüt­zung freu­en“, sagt Ber­ger. Den Betrag wür­de er nut­zen, um sein Leben auf der Tour zu finan­zie­ren.

Die Kos­ten für Pro­duk­ti­on und Ver­trieb eines Albums sind noch höher. Mit 10.000 bis 15.000 Euro kal­ku­liert der Bent­hei­mer dafür. Dafür hat er Crowd­fun­ding im Auge, bei dem Unter­stüt­zer auf Inter­net­platt­for­men Pro­jek­te vor­fi­nan­zie­ren. Trotz der zahl­rei­chen Bau­stel­len wür­de Ber­ger am liebs­ten sofort los­le­gen. Die Ver­nunft sagt ihm aller­dings etwas ande­res: „Am rea­lis­tischs­ten ist es, dass ich im Früh­jahr 2017 in Ost­eu­ro­pa star­te und dann über Skan­di­na­vi­en und Mit­tel­eu­ro­pa nach Süd­eu­ro­pa fah­re.“ Dabei will er nicht nur phy­sisch mehr als 30 Gren­zen in 52 Wochen über­win­den, son­dern auch sei­ne eige­nen Gren­zen aus­tes­ten: „Ich bin gespannt wie es ist, ein Jahr allei­ne unter­wegs zu sein und in so vie­len Län­dern neue Men­schen ken­nen­zu­ler­nen.“

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Pro­jekt und zur Abstim­mung für das Jah­res-Sti­pen­di­um gibt es auf www.smellslikevanspirit.eu

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