Vor 390 Jahren sinkt die Batavia mit Sandsteinen aus der Burgstadt vor Australien. Unter den Überlebenden gibt es eine Meuterei und ein brutales Massaker
Von Jonas Schönrock
Es ist kurz nach 3 Uhr morgens am 4. Juni des Jahres 1629, als das Unglück passiert. Die Batavia, Flaggschiff und ganzer Stolz der niederländischen „Vereenigde Oost-indische Compagnie“, kurz VOC, ist seit 211 Tagen auf See. An Bord: Handelsware und 332 Menschen. Das Ziel der Jungfernfahrt heißt – genauso wie das Schiff – Batavia, das heutige Jakarta. Dort unterhält die VOC ihre Hauptniederlassung für die Handelsschifffahrt. Die Compagnie war eines der größten Handelsunternehmen des 17. und 18. Jahrhunderts, heute würde man wohl Weltkonzern sagen.
Rund 60 Kilometer vor der damals noch unbekannten australischen Westküste läuft die Batavia auf ein Riff. Kapitän Ariaen Jakobsz hatte die Position am Vortag falsch berechnet und befindet sich im Glauben, sein Schiff sei etwa 600 Meilen von jedwedem Land entfernt. Bedenken des Wachhabenden schlägt er daher aus. „Als das Schiff auflief, geschah es mit voller Geschwindigkeit. Mit gewaltigem Krachen bohrte sich die Batavia in das halb verborgene Riff, das ihr den Weg versperrte“, schreibt der britische Historiker und Autor Mike Dash in seinem 2002 erschienenen Buch „Der Untergang der Batavia“. Das Riff, damals von den Schiffbrüchigen „Batavia-Friedhof“ genannt, ist heute als „Morning Reef“ bekannt.
Was in der Folge passiert, ist eine grausame Geschichte, die aber in die Zeit passt. Die VOC besteht keinesfalls nur aus harmlosen Gewürzhändlern. Das Unternehmen ist maßgeblich verantwortlich für den Aufstieg der Niederlande zur Kolonialmacht – vom Staat mit allen Rechten ausgestattet, auch zur Kriegsführung. Um den Markt zu kontrollieren, ist der VOC jedes Mittel recht – man schreckt auch vor Massenmord und Sklavenhandel nicht zurück. Auch der Gründung der Stadt Batavia durch die Niederländer 1619 mit Errichtung der Festung gingen blutige Auseinandersetzungen voraus.
Ein Großteil der Passagiere und Besatzungsmitglieder der Batavia kann sich mit zwei Beibooten auf kleine Inseln retten, andere bleiben im Wrack zurück, das erst neun Tage später endgültig zerbricht und in den Fluten untergeht. Eine Gruppe von Seeleuten um den Kapitän Ariaen Jakobsz und den Oberkaufmann Francisco Pelsaert, der als Vertreter der VOC über dem Kapitän steht, macht sich in einem der Beiboote in das rund 1500 Meilen entfernte Batavia auf, um Hilfe zu holen – was ihnen auch gelingt.
Die kleinste Entschuldigung reichte ihnen aus, um ihre Opfer zu ertränken, erschlagen, erwürgen oder zu erstechen
Unterdessen errichtet der Unterkaufmann Jeronimus Cornelisz mit Unterstützung einiger Meuterer unter den Zurückgebliebenen eine Terrorherrschaft auf Beacon Island. Sein Ziel: sich das Gold und Silber zu sichern, das sich für den Ankauf von Waren an Bord der Batavia befindet. Weil der knappe Proviant, den man noch aus der Batavia retten konnte, längst nicht für alle Schiffbrüchigen reicht und die Insel kaum Nahrung zu bieten hat, beginnen er und seine Helfer mit der systematischen Ermordung der Gestrandeten auf Beacon Island. „Die kleinste Entschuldigung reichte ihnen aus, um ihre Opfer zu ertränken, erschlagen, erwürgen oder zu erstechen. Auch Frauen und Kinder“, schreibt Mike Dash. „Niemand konnte sie stoppen.“ 125 Tote sind es am Ende. Von den 332 Menschen, die zu Beginn der Reise an Bord sind, sterben durch Meuterei und den Schiffbruch insgesamt 218. Zehn Personen haben bereits während der Reise durch Krankheit den Tod gefunden.
Als die Retter aus Batavia zurückkehren, gelingt es einigen, die auf eine Nachbarinsel geflohen waren, Kapitän Jakobsz zu warnen. Jeronimus Cornelisz und andere werden noch vor Ort hingerichtet. Die weiteren Meuterer kommen ins Gefängnis nach Java.
Mehr als 300 Jahre vergehen, bis das Wrack der Batavia 1963 von australischen Fischern entdeckt wird. Die Bergungsarbeiten sind erst 1976 abgeschlossen. Meeresarchäologen finden unter anderem einen nahezu unversehrten großen Teil des Hecks, Kanonen, Münzen und persönliche Gegenstände wie die Navigationsinstrumente des Kapitäns, Silberwaren und eine große Menge bearbeiteter Sandsteinblöcke. 137 an der Zahl, mit einem Gesamtgewicht von 37 Tonnen. Wie alte Dokumente belegen, sind die Steine für einen Torbogen bestimmt, der das Hauptportal der VOC-Festung in Batavia zieren sollte. Bei dem Stein, auch das ist belegt, handelt es sich um Bentheimer Sandstein. Das Portal wird nach der Bergung von Experten wieder zusammengesetzt und steht heute in einem Museum im australischen Geraldton. Eine Replik ist in Fremantle ausgestellt.
Rund 13.600 Kilometer von Geraldton entfernt, macht sich die Bürgerstiftung Bad Bentheim seit einigen Jahren Gedanken, wie man dem Sandstein – dem „Bentheimer Gold“ – eine Art Denkmal setzen kann. Die Idee eines von Künstlern gestalteten Sandsteinskulpturenpfades kommt auf. Doch die Realisierung ist schwer, der Plan gerät ins Stocken. Bis der Bentheimer Geoingenieur Dr. Helmut Bock einen Vortrag über die Geschichte der Batavia hält. „Da wurde die Idee geboren, das Batavia-Portal in Bentheim nachzubauen“, blickt Bernd Hofste aus der Projektgruppe der Bürgerstiftung zurück. Als die Stadt plant, am westlichen Ortseingang einen Kreisverkehr zu bauen, kommen schnell Vorschläge auf, das Portal darauf zu errichten. Um das Tor tatsächlich originalgetreu nachbauen zu können – mit einer Höhe von 6,67 Meter, einer Breite von 5,20 Meter und einer Tiefe von 1,20 Meter, nimmt die Bürgerstiftung Kontakt nach Australien auf. Das „Maritime Museum“ in Fremantle stellt umfangreiches Material mit den genauen Abmessungen zur Verfügung.
Zwischenzeitlich werden die Kreisverkehrpläne eingestellt, weil sie nicht umsetzbar sind. Als neuer Standort wird der Schlosspark auserkoren. Der Vorteil ist, dass nun auch Fördergelder aus dem Programm „Zukunft Stadtgrün“ eingesetzt werden können, mit dessen Hilfe die Stadt den Schlosspark neu gestalten möchte. Im April stellen Mitglieder der Bürgerstiftung dort ein auf Folie gedrucktes Batavia-Tor in Originalgröße auf, um schon einmal zu testen, wie es wirkt.
„Wir verbinden mit der Realisierung unseres Projektes drei wesentliche Zielsetzungen“, sagt Dr. Angelika Rieckeheer, Vorsitzende der Bürgerstiftung: „Mit dem Tor und einem Batavia-Platz möchten wir an die schwere Arbeit der ‚Kuhlkerle‘ in den Steinbrüchen und an die tausendjährige Geschichte des ‚Bentheimer Goldes‘ erinnern.“ Beim Durchschreiten des Portals solle sich zudem ein optimaler Blick auf die Burg eröffnen. Weiterhin sei vorgesehen, dass der halbkreisförmige Platz vor dem Tor Raum für Veranstaltungen, Kommunikation und Besinnung bieten solle. „Sitzgelegenheiten können mit Namenswidmungen von Spendern versehen werden. Außerdem möchten wir QR-Codes installieren, um mit dem Smartphone die Geschichte der Batavia-Steine abrufen zu können“, sagt Angelika Rieckeheer.
Der derzeitige Standort im Schlosspark wird sich nach Angaben von Bernd Hofste noch um rund 100 Meter weiter nach Westen in Richtung Teich verschieben. „Das war ein Wunsch der Landschaftsarchitektin, weil so die Sicht von der Kreuzung auf die Freiflächen nicht versperrt wird.“
An Kosten kalkuliert die Bürgerstiftung mit 240.000 Euro. „Das wäre der Preis, wenn wir alles machen lassen würden“, sagt Bernd Hofste. Ein Großteil soll über Spenden finanziert werden. Ein wenig günstiger soll es aber doch noch werden. Einige Leistungen, wie Statik und Bodengutachten, sind bereits kostenfrei von Unternehmen erbracht worden. Auch sollen ehrenamtliche Freizeitsteinmetze eingesetzt werden, ebenso möglicherweise wandernde Gesellen. „Wir haben schon einiges an Spenden zusammen, sind aber natürlich weiterhin auf der Suche nach Spendern“, hebt Bernd Hof- ste hervor. „Wichtig sind uns auch kleinere Spenden, damit das Ganze möglichst auf breite Schultern gestellt ist.“
Gearbeitet werden soll in einer Steinmetzhütte, die neben dem benachbarten Sandsteinmuseum aufgestellt werden soll. „Die Hütte wird von einer alten Hofstelle dorthin umziehen“, verrät Bernd Hofste. Dort werden dann, unter der Leitung des Innungsmeisters der Steinmetze, Thomas Lindner, die Sandsteine bearbeitet. Interessierte Bürger können den Handwerkern dann über die Schulter schauen oder sogar selbst zu Hammer und Meißel greifen. Geplant ist, im Frühjahr zu beginnen. „Der Weg ist hier fast wichtiger als das Ziel“, sagt Bernd Hofste. Ganz im Sinne der Bürgerstiftung: Ein Projekt von Bürgern für Bürger.
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