W. F. Visch: Schul­buch über die Geschich­te der Graf­schaft Bent­heim


Schul­buch über die
Geschich­te

der Graf­schaft Bent­heim

von

W. F. Visch,

Pre­di­ger zu Wil­sum

———–

Lin­gen, 1821.

Gedruckt, bei G. W. Mohr, Gymn. Buch­dr.

(in der Ortho­gra­phie der Zeit)

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Indem wir dem
Herrn Pre­di­ger Visch, das uns vor eini­ger Zeit, in
deut­scher und hol­län­di­scher Spra­che mit­get­heil­te
Manu­skript eines Schul­bu­ches, über die Geschich­te der
Graf­schaft BENTHEIM, hier­mit remit­tie­ren, eröff­nen wir
dem­sel­ben zugleich, daß wir mit vie­len Ver­gnü­gen
das­sel­be sorg­fäl­tig durch­ge­le­sen und uns von dem Nut­zen
des­sel­ben für die Jugend über­zeugt haben.

Wir wer­den die­sem nach ger­ne sehen, daß das­sel­be dem
Druck über­ge­ben und für die Schu­len die­ser Graf­schaft,
als Schul­buch ein­ge­führt wer­de.

NORDHORN, den
18ten Sep­tem­ber 1820.

Zum König­li­chen
Ober­kir­chen­rath der Graf­schaft BENTHEIM ver­ord­ne­ter
Direc­tor und Räthe

AD MANDATUM
VINCKE.

Nur die von dem
Ver­fas­ser eigen­hän­dig unter­schrie­be­ne Exem­pla­re wer­den
für ächt erkannt wer­den.

[Visch]

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[3]

Vor­re­de.

Daß es für die
Jugend in man­cher Hin­sicht nütz­lich sey, die Geschich­te
des Vater­lan­des zu ken­nen, wird wohl kei­ner
weit­läuf­ti­gen Erör­te­rung bedür­fen. Bis dahin fehl­te es
aber in der Graf­schaft Bent­heim an den nöthi­gen
Hülfs­mit­teln zur Befrie­di­gung die­ser Wiß­be­gier­de. Um
mei­ne müßi­gen Stun­den wohl anzu­wen­den und Ande­ren nach
mei­nen Kräf­ten nütz­lich zu seyn, habe ich aus mei­ner
Bent­hei­mi­schen Geschich­te die­sen Aus­zug gemacht und nach
dem Bey­spiel von CAMPE, WESTER, und Ande­ren in
Gesprä­chen zwi­schen einem Vater und sei­nen Kin­dern
ein­ge­klei­det, weil durch sol­che Ein­klei­dung die
Auf­merk­sam­keit der Jugend mehr gefe­ßelt und die
Deut­lich­keit beför­dert wird.

Bey der Beurt­hei­lung die­ses Auf­sat­zes wol­le der geneig­te
Leser nicht aus den Augen

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[4]

Vor­re­de

las­sen, daß er für
Kin­der geschrie­ben ist und daß ich, um das Buch zu einem
wohl­fei­len Prei­se lie­fern zu kön­nen, an Kür­ze gebun­den
war. Herz­lich wün­sche ich, daß der Zweck der Aus­ga­be, um
näm­lich die Jugend, in dem Lan­de, wo ich das ers­te
Lebens­licht erblick­te und des­sen Erde wahr­schein­lich
einst mei­ne Gebei­ne, so wie die mei­ner Vor­äl­tern
auf­neh­men wird, nütz­lich zu seyn, erreicht wer­den möge.

W. F. Visch.

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GESPRÄCHE

über

die Geschich­te des Vater­lan­des.

ERSTES GESPRÄCH.

 

Vater Gut­mann
hat­te drey Kin­der, zwey Kna­ben Hein­rich und Bern­hard und
ein Mäd­chen Johan­na genannt. Hein­rich war 12 Jah­re,
Bern­hard 11 und Johan­na 9 Jah­re alt. Sie gin­gen alle
drey in die Schu­le bey dem Schul­leh­rer From­berg, der sie
nicht nur im Lesen, Schrei­ben, Rech­nen und Sin­gen gut
unter­rich­te­te son­dern ihnen auch aller­ley nütz­li­che
Leh­ren gab, um sie recht klug und fromm zu machen; die
Mühe, wel­che er an sie ver­wen­de­te, war auch nicht
ver­geb­lich. Sie lern­ten recht gut, waren ihrem Leh­rer
gehor­sam und lieb­ten ihn, weil er sie so viel nütz­li­ches
lehr­te. Wenn sie aus der Schu­le kamen, spiel­ten sie
zuwei­len, oder wenn das Wet­ter schön war, mach­ten sie
auch wohl einen klei­nen Spa­zier­gang ins Feld. In den
lan­gen Win­ter­aben­den pfleg­te Vater Gut­mann ihnen aus der
alten Geschich­te etwas zu erzäh­len, und dann waren die
Kin­der alle recht froh. Die bei­den Kna­ben horch­ten dann
mit gespann­ter Andacht, und Johan­na, die noch zu jung



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war, um alles zu faßen [sic!],
hielt sich wäh­rend der Erzäh­lung doch ganz ruhig.

An einem sol­chen Abend nach dem Essen sas­sen sie einst
alle wie­der mit ihrem Vater um den Heerd. Johan­na leg­te
ihre Hand auf das Knie des Vaters, und Hein­rich und
Bern­hard sahen ihn freund­lich an, erwar­tend, — daß der
Vater ihnen wie­der etwas erzäh­len wer­de.

Gut­mann ver­stand den Wunsch sei­ner Kin­der. Ich mer­ke
wohl, sag­te er, daß ihr wie­der eine Erzäh­lung von mir
erwar­tet. Ich wer­de eure Wün­sche befrie­di­gen. Ich habe
euch oft von den Schick­sa­len der Juden und von ihrem
Stamm­va­ter Abra­ham erzählt. Ich habe euch mit dem guten
Joseph und unserm gött­li­chen Erlö­ser Jesus bekannt
gemacht. Heu­te wer­de ich zur Abwech­se­lung euch ein­mal
über die Geschich­te unse­res Vater­lan­des, der Graf­schaft
Bent­heim unter­hal­ten.

Vater. Weißt du mir auch den wahr­schein­li­chen Ursprung
des Nah­mens Bent­heim anzu­ge­ben? Hein­rich!

Hein­rich. Nein Vater!

Vater. Der Nah­me kommt war­schein­lich von den alten
Tub­an­ten her — einem Vol­ke, das in vori­gen Jahr­hun­der­ten
die­se Gegend bewohn­te.

Bent­heim soll dann so viel heis­sen, als Tub­an­ten Heim
oder Wohn­ort der Tub­an­ten.

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Bern­hard. Die­sen Nah­men habe ich nie gehört, Vater!

Vater. Das will ich ger­ne glau­ben. Die Nah­men der alten
Völ­ker sind in Ver­ges­sen­heit gera­then. Wer spricht jetzt
mehr von den Tub­an­ten, Mar­sern, Brük­tern, Tenkt­ern,
Usi­pe­ten, Dhaucen, Char­ma­ven, Che­rus­kern u. s. w.

Hein­rich. Was waren das für Völ­ker Vater!

Vater. Alle die­se Völ­ker wohn­ten zwi­schen der Elbe und
dem Rhein.

Hein­rich. Weißt du uns auch zu sagen, wie die Län­de,
wel­che die­se Völ­ker bewohnt haben, jetzt heis­sen?

Vater. Mit Gewiß­heit läßt sich das nicht bestim­men. Man
glaubt, daß die Tub­an­ten, wie ich schon gesagt habe, die
Graf­schaft Bent­heim und die Mar­ser das Hoch­stift Müns­ter
bewohnt haben.

Bern­hard. Aber wo haben denn die Tenk­ter, Brük­ter,
Che­rus­ker und Cha­ma­ven gewohnt?

Vater. Die Tenk­ter wer­den für die Ein­woh­ner von Dren­the,
die Brük­ter für die von Gel­der­land und die Che­rus­ker und
Cha­ma­ven für Völ­ker gehal­ten, wel­che zwi­schen der Weser
und Elbe wohn­ten.

Vater. Taci­tus ein Römi­scher Rit­ter hat die Sit­ten und
Gebräu­che der alten Ger­ma­nier beschrei– [sic!]

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ben, wel­che Beschrei­bung man auf unse­re Vor­äl­tern anwen­den kann.

Johan­na. Ger­ma­nier Vater! was sind das für Men­schen?

Vater. Lie­be Johan­na! dies ist ein latei­ni­sches Wort, wel­ches
man durch Deut­sche über­set­zet.

Bern­hard. Du sprachst von einem römi­schen Rit­ter und du hast uns
schon mehr­ma­len von den Römern erzählt, Vater! als du
uns über die Geburt, oder das Lei­den und Ster­ben des
Erlö­sers unter­hiel­test; sage uns doch ein­mal, was für
Leu­te die Römer waren?

Vater. Die Römer waren zur Zeit der Geburt Chris­ti und auch
noch eini­ge Jahr­hun­der­te nach der­sel­ben das mäch­tigs­te
Volk der Erde, wel­ches alle nahe und fern gele­ge­ne
Völ­ker unter sei­ner Herr­schaft zu brin­gen such­te. Rom war
der Sitz sei­ner Herr­scher. Hier wohn­te der Kai­ser mit
sei­nen Gro­ßen und von die­ser Stadt kommt der Nah­me Römer
her.

Hein­rich. Ist die­ses Volk auch hier gewe­sen Vater?

Vater. Ja, Hein­rich! Wie die Fran­zo­sen zu unse­rer Zeit alles
über­schwemm­ten, so dran­gen auch die Römer durch
Frank­reich über den Rhein in die­ser Län­der und such­ten
unse­re Vor­äl­tern zu ihren Untertha­nen zu machen, wovon
ich auch in der Fol­ge mehr erzäh­len wer­de.

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Bern­hard. Von die­ser unse­ren Vor­äl­tern mög­te ich
ger­ne mehr wis­sen.

Vater. Es waren gro­ße und star­ke Men­schen,
gehär­tet gegen Käl­te und jedes Unge­mach, von einem
wüs­ten Anse­hen; ihre Klei­dung bestand gewöhn­lich aus
Fel­len von wil­den und zah­men Thie­ren, nach­läs­sig um den
Leib geschla­gen. Strümp­fe und Schu­he tru­gen sie nicht,
selbst lie­fen sie zur Som­mers­zeit halb nackt. Um die
Mode beküm­mer­ten sie sich auch nicht; ihre Klei­dung
blieb immer die­sel­bi­ge. Sie leb­ten größ­tent­heils von der
Jagd, und mit dem Acker­bau gaben sie sich wenig ab.
Küns­te und Wis­sen­schaf­ten kann­ten sie gar nicht.

Bern­hard. Lern­ten die Kin­der denn nicht lesen
schrei­ben und rech­nen?

Vater. Ach nein! denn es waren damals noch kei­ne
Schu­len in unserm Vater­lan­de.

Johan­na. Wenn wir nicht zur Schu­le gehen könn­ten,
dann wür­den wir auch nichts wis­sen.

Vater. Ganz recht mein Kind! Es ist ein
beson­de­res Glück für euch, daß ihr in die Schu­le gehen
kön­net. Beden­ket die­ses täg­lich und gebet flei­ßig acht
auf den Unter­richt eures Leh­rers.

Hein­rich. Aber Vater! lern­ten die Kin­der denn
nichts?

Vater. Sie lern­ten jagen, fischen, rei­ten und mit
den Waf­fen umzu­ge­hen.

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Hein­rich. Konn­te man den Kin­dern denn schon eine
Flin­te anver­trau­en?

Vater. Damals kann­te man noch kei­ne Feu­er­ge­weh­re.
Das Pul­ver ist ers­te im Jah­re 1300 von einem deut­schen
Mönch Nah­mens Bard­hold Schwarz erfun­den. Man bedien­te
sich des­sen erst zu dem gro­ben Geschütz. Im Jah­re 1380
kam man auf die Erfin­dung der Hand­büch­sen. Zuerst waren
es nur klei­ne trag­ba­re Kano­nen, wel­che man ver­mit­telst
einer Lun­te abfeu­er­te. Dar­auf wur­de 1517 zu Nürn­berg das
Feu­er­schloß erfun­den; ein Hahn mit einem ein­ge­schro­be­nen
Feu­er­stein und ein vor dem­sel­ben umlau­fen­des Rad von
Stahl, wel­ches Fun­ken aus dem Stein schlug. End­lich
erfan­den die Fran­zo­sen den Hahn mit der Pfan­ne und
gebrauch­ten statt des gewöhn­li­chen Feu­er­steins eine
här­te­re Art des­sel­ben, wel­cher man in der alten
wen­di­schen Spra­che Flint nann­te, wovon die Hand­büch­sen
den Nah­men Flin­ten erhal­ten haben. Als die Leu­te in
die­sen Län­dern zuerst die plötz­li­che Flam­me sahen und
den don­nern­den Knall hör­ten, erschra­cken sie gewal­tig.

Bern­hard. Wenn unse­re Vor­äl­tern aber kei­ne
Flin­ten hat­ten, womit schos­sen sie denn das Wild?

Vater. Sie fin­gen es in Schlin­gen und Fal­len oder
fäll­ten es mit Wurf­spies­sen.

Hein­rich. Du sag­test Vater! sie
[sic!] lern­ten auch mit
den Waf­fen umzu­ge­hen. Kann­te man in der al-

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ten Zeit denn
schon die Auf­schrei­bung und Loos­ung zum Kriegs­dienst?

Vater. Nein Hein­rich. Das war auch nicht nöthig,
weil alle Jüng­lin­ge gebo­re­ne Sol­da­ten waren, und in der
Vert­hei­di­gung des Vater­lands ihre Ehre stell­ten.

Bern­hard. Wel­cher Waf­fen bedien­te man sich damals
in dem Krieg?

Vater. Man focht mit Spie­sen
[sic!]
, Streit­bei­len und Schleu­dern. Die
Streit­bei­le waren meh­rent­heils von Stein und die Spit­zen
der Spie­se von har­tem Hol­ze, Fisch­grä­ten oder schar­fen
Kno­chen ver­fer­tigt.

Hein­rich. War­um Vater?

Vater. Weil das Eisen zu den Sel­ten­hei­ten
gehör­te. Des­we­gen hat­ten auch die wenigs­ten ein
Schwerdt.

Johan­na. Hat­ten die­se Men­schen auch sol­che Häu­ser
als wir haben?

Vater. Nein Johan­na, sie wohn­ten in schlech­ten
Hüt­ten, von unbe­ar­bei­te­tem Hol­ze gebau­et und mit
Thon­er­de über­tün­chet. Die­se Hüt­ten lagen weit
aus­ein­an­der.

Bern­hard. Wenn sie sol­che schlech­te Woh­nun­gen
hat­ten, dann mus­ten sie auch nicht reich seyn.

Vater. Ihr Reicht­hum bestand in Vieh: Gold und
Sil­ber hat­ten sie nicht. Der Han­del wur­de durch Tausch
getrie­ben.

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ZWEYTES GESPRÄCH.

- — -

Hein­rich.
Waren die unge­bil­de­ten Men­schen, von wel­chen du uns
ges­tern Abend erzählt hast, Vater, nicht sehr
unsitt­lich?

Vater. Sie hat­ten bey aller ihrer Rau­heit vie­le
guten Eigen­schaf­ten. Sie wah­ren ehr­lich, auf­rich­tig,
keusch, tap­fer und gast­frey. Bis­wei­len erga­ben sie sich
aber der Trun­ken­heit, einem Las­ter wel­ches die Quel­le
von man­chem ande­ren ist.

Bern­hard. Tran­ken sie denn Wein oder Brann­te­wein?

Vater. Sie kann­ten weder Wein noch Brann­te­wein,
sie tran­ken aber star­kes Bier und du weißt ja, Bern­hard,
daß die­ses vor­züg­lich, wenn es alt ist, eine
berau­schen­de Kraft hat.

Hein­rich. Wel­che Spei­sen gebrauch­ten die­se
Men­schen?

Vater. Außer der Milch ihrer Kühe, aßen sie wil­de
Aep­fel und Bir­nen und das Fleisch von wil­den Thie­ren,
wor­an damals ein Ueber­fluß war. Sie mach­ten von
aus­ge­such­ten Spei­sen so viel Wesen nicht, als wir. Rohes
Fleisch war für sie ein Lecker­bis­sen.

Bern­hard. Hat­ten sie denn kein Brodt?

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Vater. Da die römi­schen Geschichts­schrei­ber
erzäh­len, daß die alten Deut­schen auch Acker­bau
getrie­ben haben, so ist es sehr wahr­schein­lich, daß sie
Brodt gekannt haben.

Johan­na. Sie wer­den auch wohl Kar­tof­feln
gepflanzt haben.

Bern­hard. Nein Johan­na, die Kar­tof­feln waren
damals noch nicht bekannt. Unse­re Urgroß­äl­tern kann­ten
sel­bi­ge nicht ein­mal. Der Eng­li­sche Schiffs-Capi­tain
Ham­kings brach­te die­se Pflan­ze 1565 zuerst aus Sanc­ta
Fé nach Neu-Spa­ni­en. Sir Walt­her Ral­eigh führ­te sie im
fol­gen­den Jah­re nach Irland und pflanz­te sie daselbst
auf sei­nem Land­gu­te. Ihr könnt leicht den­ken, daß es
noch lan­ge dau­er­te, bis die­se Frucht von dort, durch
Euro­pa ver­brei­tet wur­de.

Bern­hard. Aber was aßen denn doch unse­re
Vor­äl­tern, Vater!

Vater. Alte Leu­te haben mir wohl erzählt, daß man
anstatt der jetzt unent­behr­li­chen Kar­tof­feln, die
sogann­ten Pfer­de­boh­nen gespei­set habe.

Hein­rich. Was tran­ken sie täg­lich?

Vater. Ihr gewöhn­li­ches Getränk war Was­ser. Bey
Hoch­zei­ten und ande­rer Feyer­li­chen Gele­gen­hei­ten tran­ken
sie Bier.

Johan­na. Tran­ken sie denn kei­nen Kaf­fee oder
Thee?

Vater. Nein Johan­na, die­se Geträn­ke kann­ten sie
nicht. Die­sel­ben wur­den erst in der Mit­te

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des 17ten Jahr­hun­der­te, vor 170 bis 180 Jah­ren bekannt
und es dau­er­te noch wohl 80 Jah­re ehe sie all­ge­mein
gebraucht wur­den. Unse­rer Urgroß­müt­ter wuß­ten noch recht
gut, daß man kei­nen Kaf­fee und Thee trank und es wür­de
für unse­ren Beu­tel und unse­rer Gesund­heit vort­heil­haft
gewe­sen seyn, wenn wir damit immer unbe­kannt geblie­ben
wären.

Bern­hard. Aber Vater, was soll­ten wir denn doch
trin­ken?

Vater. Was tran­ken die alten Deut­schen? Was­ser,
Bier und Milch und sie waren bey die­sem [sic!] Geträn­ken
weit gesun­der als wir bey unserm Kaf­fee und Thee sind.

Hein­rich. Rauch­ten die Män­ner in der dama­li­gen
Zeit auch schon Taback, Vater?

Vater. Nein Hein­rich. Der Taback wur­de erst im
Jah­re 1520 oder wenigs­tens um die Zeit, von Fran­cis­kus
Her­man­dez de Tole­do, nach Por­tu­gal und von dort nach
Spa­ni­en gebracht. Johann Nicot Staats­rath des Königs
Fran­zis­cus des IIten von Frank­reich und Gesand­ter bey
dem Hofe von Por­tu­gal, brach­te die­ses Kraut nach
Frank­reich. Richard Gren­vil brach­te es im Jah­re 1568
unmit­tel­bar aus Vir­gi­ni­en in Ame­ri­ka nach Eng­land, von
wo es nach Hol­land und Deutsch­land ver­brei­tet wur­de.

Johan­na. Gin­gen die Leu­te, von wel­chen du uns so
viel erzählt hast, auch in die Kir­che Vater?

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Vater. Kir­chen, lie­be Johan­na, hat­ten sie nicht,
sie kann­ten auch den wah­ren Gott und den Erlö­ser JESUS
nicht. Alle die­se Men­schen waren Hei­den.

Johan­na. HEIDEN! Vater, was sind das für
Men­schen?

Vater. Hei­den sind sol­che Men­schen, die Abgöt­tern
die­nen, die Son­ne, den Mond, die Ster­ne, das Feu­er
u.s.w. anbe­ten.

Hein­rich. Bete­ten unse­re Vor­äl­tern denn auch die
Son­ne, den Mond und das Feu­er an?

Vater. Ja Hein­rich und außer die­sen, hat­ten sie
noch vie­le ande­re Göt­ter, von wel­chen Tuis­co und Wodan
die ansehn­lichs­ten waren. Dem letz­ten opfer­ten sie nicht
allein Thie­re, son­dern auch Men­schen.

Johan­na. Das war ja abscheu­lich, vater!

Vater. Sie glaub­ten den Zorn der Göt­ter
besänf­ti­gen zu kön­nen, wenn sie nicht allein Thie­re
son­dern auch gefan­ge­ne Fein­de, zu ihrer Ehre
schlach­te­ten. Ihr sehet hier­aus Kin­der! wie vie­le
Ursa­chen wir haben, um Gott für den rei­nen und
ver­nünf­ti­gen Got­tes­dienst zu dan­ken, den er uns durch
Jesus und sei­ne Apos­te­len geschenkt hat.

Hein­rich. Von die­sen alten Völ­kern ist doch wohl
nichts mehr übrig?

Vater. Ihre Grab­mäh­ler sind zum Theil noch
vor­han­den. Sie hat­ten die Gewohn­heit, ihre Lei­chen zu
ver­bren­nen und die über­ge­blie­be­ne Asche und Kno-

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chen in einem Topf zu sam­meln, der in die Erde gegra­ben
und mit Rasen bedeckt wur­de. Die­ser Hau­fen wur­de, wenn
er bewach­sen war, ein klei­ner Hügel, wor­in sehr oft die
Töp­fe mit Asche und Kno­chen gefüllt noch gefun­den
wur­de. Mant trift der­glei­chen klei­ne Hügel an vie­len
Stel­len in der Graf­schaft Bent­heim z. B. zu Esche,
Wil­sum, Itter­bek, Gete­lo, Hil­ten, Golen­kamp u.s.w. an.
Bey Wil­sum und Itter­bek sind im Jah­re 1818 mehr als
hun­dert sol­cher Töp­fe aus­ge­gra­ben. Die Römer nann­ten die
Töp­fe Urnen und die Hügel Tumu­li.

Hein­rich. Fin­det man in die­sen Töp­fen nichts, als
Asche und Kno­chen Vater?

Vater. Bis­wei­len fin­det man eini­ge kup­fer­ne
Zier­ra­then dar­in, z. B. Span­gen, Rin­ge u.s.w. doch
der­glei­chen Sachen trift man sehr sel­ten an.

Bern­hard. Wie alt mögen die­se Töp­fer wohl seyn?

Vater. Es ist gewiß, da sie über tau­send Jah­re
alt sind, weil im Anfang des 9ten Jahr­hun­derts oder im
Jah­re 804 das Chris­t­ent­hum hier ein­ge­führt und das
Ver­bren­nen der Tod­ten bey Lebens­stra­fe ver­bo­ten wur­de.

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DRITTES GESPRÄCH.

Vater.
Jetzt lie­be Kin­der! wer­de ich euch etwas ven
[sic!] den Schick­sa­len
unse­rer Vor­äl­tern erzäh­len. Die Römer, wel­che alle
Völ­ker der Erde zu unter­jo­chen such­ten, kamen 10 Jah­re
vor Chris­ti Geburth in die­se Län­der an, um auch die
Tub­an­ten unter ihrer Herr­schaft zu brin­gen.

Hein­rich. Was woll­ten doch die Römer hier vater?

Vater. Was woll­ten die Fran­zo­sen, in dem
ent­fern­ten Rus­land thun? Ihr Geitz war das Trieb­rad
die­ser Züge. Unse­rer Vor­äl­tern hat­ten kein Gold und
Sil­ber, wodurch die Begier­de raub­süch­ti­ger Men­schen rege
gemacht wird. Der Boden ihres Lan­des war auch nicht
frucht­bar. Ita­li­en, der Sitz des Römi­sches Vol­kes war
ein weit bes­se­res Land, als das alte Ger­ma­ni­en, wel­ches
zu der Zeit ein rau­her, moras­ti­ger und an man­chen
Stel­len mit undurch­dring­ba­ren Wäl­dern bewach­se­ner
Erd­strich war.

Bern­hard. Führ­ten die Vor­äl­tern denn kei­nen Krieg
gegen die Römer?

Vater. Ja gewiß; aber sie waren in der
Krie­ges­kunst bey wei­tem so erfah­ren nicht, als die
Römer,

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wel­che die Ger­ma­nier über­haupt an Bil­dung über­tra­fen.

Hein­rich. Haben die Römer unse­re Vor­äl­tern auch
besiegt?

Vater. Sie sind zwar eini­ge Zeit von den Römern
unter­jocht, aber nie voll­kom­men besiegt wor­den.

Hein­rich. Weißt du uns noch mehr davon zu
erzäh­len, Vater?

Vater. Man glaubt, daß Clau­di­us Dru­sus, ein
Stief­sohn von Kai­ser Augus­tus, der den Befehl über das
Römi­sche Krie­ges­heer führ­te, das Schloß zu Bent­heim
erbau­et habe. Als die­ser Dru­sus zu Mainz gestor­ben war,
wur­de Quin­ti­li­us Varus zum Befehls­ha­ber ange­stellt. Den
Deut­schen Völ­kern, wel­che die Frey­heit lieb­ten, war das
Joche einer frem­den Nati­on uner­träg­lich; sie wähl­ten zu
ihrem Anfüh­rer Her­man, den Fürst der Che­rus­ker (die
Römer nen­nen ihn Armi­ni­us). Bey dem Teu­to­bur­ger Wald in
der Graf­schaft Lip­pe, kam es zu einer Schlacht, in
wel­cher drey Römi­sche Legio­nen völ­lig auf­ge­rie­ben und
der Feld­herr Varus selbst getö­thet wur­de.

Johan­na. Was ist eine Legi­on Vater?

Vater. Eine Legi­on ist eine gewis­se Anzahl
Sol­da­ten. So wie man heu­ti­ges Tages die Kriegs­völ­ker in
Regi­men­ter, Batal­li­ons und Com­pa­gni­en abt­heilt, theil­ten
die Römer sel­bi­ge in Legio­nen und

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Cohor­ten ein. Eine Legi­on mach­te unge­fehr die Anzahl von
6000 Sol­da­ten aus.

Bern­hard. Waren denn unse­re Vor­äl­tern denn nun
von Römern befrey­et?

Vater. Nein! sechs Jah­re nach die­ser Schlacht,
kam Dru­sus Ger­ma­ni­cus ein Sohn von Clau­di­us Dru­sus, mit
einem Heer von hun­dert tau­send Mann in Deutsch­land, um
die Nie­der­la­ge von Varus zu rächen. Er ver­wüs­te­te alles
mit Feu­er und Schwerdt. Zwi­schen ihm und Her­man — dem
Fürs­ten der Che­rus­ker, kam es zu einer unent­schie­de­nen
Schlacht. Einer sei­ner Unter­be­fehls­ha­ber Cäci­na wur­de
unter­des­sen in den Moräs­ten, wel­che er durch­zie­hen
mus­te, von Her­man, der ihm den weg abge­schnit­ten hat­te,
geschla­gen, so daß er nur mit vie­ler Mühe ent­kam.

Hein­rich. Wie ging es denn wei­ter Vater?

Vater. Die Römer, wel­che in dem Besitz von
Frank­reich waren, such­ten ihre Herr­schaft über unse­re
Vor­äl­tern, so viel mög­lich, zu befes­ti­gen. So bald sich
aber ihre Hee­re wie­der ent­fern­ten, such­ten die
Ger­ma­nier, das Joch abzu­schüt­teln.

Im drit­ten Jahr­hun­dert nach Chris­ti Geburt, schlo­ßen die
Frie­sen, Tenk­ter, Tub­an­ten, Chaucen, Brukter und ande­re
benach­bar­te Völ­ker einen Bund, wodurch sie sich unter
ein­an­der ver­pflich­te­ten, das Joch der Römer mit
ver­ei­nig­ten Kräf­ten abzu­schüt­teln.

19

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20

 

Hein­rich. Und die­ses glück­te ihnen?

Vater. Anfangs waren ihre Bemü­hun­gen frucht­los.
Nach vie­len und lang­wie­ri­gen Krie­gen erreich­ten sie
ihren Zweck. Im Jah­re 320 zogen sie bey Duis­burg über
den Rhein, und erober­ten ganz Frank­reich.

Hein­rich. Wie ging es nun wei­ter?

Vater. Die gegen die Römer aus­ge­zo­ge­nen Völ­ker
wähl­ten einen König aus ihrer Mit­te und nenn­ten sich
Fran­ken das ist: FREIE MENSCHEN. Der ers­te ihrer Köni­ge
hieß Waer­mund oder Pha­ra­mund. Auf ihn folg­te Clo­di­us,
dann Mero­ve­us und end­lich kam Karl der Gro­ße auf den
Thron. Da Frank­reich, wor­aus die Römer ver­trie­ben
wur­den, unsern deut­schen Krie­gern bes­ser gefiel, als ihr
eige­nes Vater­land, so kehr­ten die­se Krie­ger nicht in
ihre Hei­math zurück. Die zu Haus geblie­be­nen waren aus
Man­gel an hin­rei­chen­der Macht nicht sel­ten den
Bedrü­ckun­gen der benach­bar­ten Völ­ker aus­ge­setzt. Von
ihren Schick­sa­len fin­den wir indes­sen wenig
auf­ge­zeich­net. Die Geschich­te unse­res Vater­lan­des ist
wäh­rend drey gan­zer Jahr­hun­der­te völ­lig in Fins­ter­niß
gehüllt. Im 7ten Jahr­hun­dert unse­rer Zeit­rech­nung wer­den
die älte­ren Völ­ker nicht mehr genannt. An ihre Stel­le,
tre­ten zwey Haupt­na­tio­nen, die Sach­sen und Fran­ken auf
den Schau­platz von Euro­pa her­vor.

Johan­na. Willst du uns von die­sen nicht auch
etwas erzäh­len Vater?

20

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21

Die Sach­sen und Fran­ken waren ursprüng­lich EIN Volk. Die
ers­te­ren waren sit­zen geblie­ben, als die letz­te­ren gegen
die Römer zu Fel­de zogen, und man behaup­tet, daß sie
des­we­gen Sach­sen oder Sas­sen heis­sen sol­len.

Hein­rich. Zu wel­chem von die­sen bey­den Völ­kern
gehör­ten unse­re Vor­äl­tern?

Vater. Zu den Sach­sen, deren Gebiet sich bis an
die Yssel soll aus­ge­dehnt haben.

Bern­hard. Waren die Sach­sen auch Hei­den Vater?

Vater. Ja gewiß, und sie hiel­ten an ihrer
Abgöt­terey so fest, daß sie von Karl dem Gros­sen mit
Gewalt zu dem Christ­li­chen Glau­ben mus­ten gezwun­gen
wer­den.

Hein­rich. Wie lan­ge ist es schon, daß unse­re
Vor­äl­tern den Christ­li­chen Glau­ben ange­nom­men haben?

Vater. Im Jah­re 690 kam Wil­li­bror­dus mit eilf
andern Pre­di­gern aus Enge­land in die­se Län­der an und
ver­kün­dig­te unse­ren Heid­ni­schen Vor­äl­tern das
Chris­ten­tum. Zwey von die­sen Pre­di­gern, die bey­den
Ewal­den, ver­kün­dig­ten das Evan­ge­li­um in der Land­schaft
Dren­the und in der Graf­schaft Bent­heim und wur­den von
den Ein­woh­nern zu Laar jäm­mer­lich ermor­det.

Johan­na. Zu Laar Vater! Das war ja schreck­lich.

21

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22

 

Vater. Ein gewis­ser Picardt Pre­di­ger und Arzt zu
Koe­ver­den, schrieb im Jah­re 1659 eine Chro­ni­ke von
Dren­the, und dar­in erzählt er die­se schau­der­vol­le
Bege­ben­heit. Ande­re Geschicht­schrei­ber erwäh­nen zwar
die­se Mord­that, nen­nen aber ande­re Oer­ter, wo sel­bi­ge
sol­len vor­ge­fal­len seyn.

Hein­rich. Aber ver­stan­den unse­re Vor­äl­tern die
Eng­li­sche Spra­che denn?

Vater. Die­se Fra­gen ist ein Beweiß dei­nes
Nach­den­kens. Ich freue mich, daß ich imstan­de bin,
sel­bi­ge zu bean­wor­ten. Im Jah­re 455 waren vie­le Men­schen
aus Fries­land, Dren­the, West­pha­len u.s.w. nach Enge­land
gese­gelt, und hat­ten sich daselbst häus­lich
nie­der­ge­las­sen. Die aus die­sem Lan­de kom­men­den Pre­di­ger
rede­ten daher eine Spra­che, wel­che den Ein­woh­nern
West­pha­lens ver­ständ­lich war.

Bern­hard. Wur­den alle unse­re Vor­äl­tern durch
die­se Pre­di­ger zu dem Christ­li­chen Glau­ben bekehrt?

Vater. Nein, nur weni­ge nah­men die Christ­li­che
Reli­gi­on an. Karl der Gro­ße, der 769 den Thron von
Frank­reich bestieg, brach­te die Sach­sen nach einem drey
und drey­ßig jäh­ri­gen Krieg unter sei­ne Both­mä­ßig­keit. In
den Frie­dens­ar­ti­keln wur­de aus­drück­lich bestimmt, daß
sie die Christ­li­che Reli­gi­on anneh­men soll­ten. Dies
geschah im Jah­re 804, es sind folg­lich tau­send und
sechs­zehn Jah­re, daß die­se Reli­gi­on hier anstatt der
Heid­ni­schen ein­ge­führt wur­de.

22

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23

 

Man­che, die sich hat­ten Tau­fen
[sic!]
las­sen und mit­hin dem Chris­t­ent­hum Treue
geschwo­ren, fie­len nach­her von dem­sel­ben wie­der ab, und
die­se wur­den ohne Barm­her­zig­keit mit dem Tode bestraft.

—-

VIERTES GESPRÄCH.

———————-

Vater.
Unser Vater­land heißt die Graf­schaft Bent­heim, wis­set
ihr auch Kin­der! woher die Namen: GRAF und GRAFSCHAFT
ent­stan­den sind?

Bern­hard. Ich weiß es nicht.

Hein­rich. Ich auch nicht.

Vater. Als Karl der Gro­ße die Sach­sen besiegt
hat­te, stell­te er Obers­ten und Rich­ter über gewis­se
Lan­des­be­zir­ke an. Die­se Obers­ten und Rich­ter wur­den
GRAFEN, und der Bezirk wor­über sie ange­stellt waren,
wur­de GRAFSCHAFT genannt. Das Amt eines Gra­fen war
mit­hin Anfangs kei­ne erb­li­che Wür­de, son­dern nur eine
Bedie­nung, wel­che der Kai­ser den ansehn­lichs­ten
Ein­woh­nern in sei­nem Rei­che auf­trug. Da indes­sen die
Söh­ne gewöhn­lich das Amt ihrer Väter nach deren Able­ben
wie­der erhiel­ten, so wur­de sel­bi­ges mit der Zeit
erb­lich, und end­lich wur­den die Gra­fen mit Zustim­mung
des Kai­sers unter gewis­sen Bedin­gun­gen Lan­des­her­ren
ihres Bezir­kes.

Hein­rich. Wel­che Geschäf­te hat­ten die Gra­fen zu
Karls des Gro­ßen Zeit zu ver­rich­ten?

23

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24

 

Vater. In Kriegs­zei­ten muß­ten sie den Befehl über
die Kriegs­leu­te ihres Bezir­kes füh­ren und in
Frie­dens­zei­ten die gute Ord­nung, Recht und Gerech­tig­keit
hand­ha­ben.

Von wis­set ihr den Ursprung der Gra­fen. Außer den Gra­fen
gab es aber vor­her in unserm Lan­de vie­le Ede­le oder
Ade­li­che, weißt du auch Hein­rich! wie die ent­stan­den
sind?

Hein­rich. Nein Vater.

Vater. Jeder Besit­zer eines frey­en Hofes oder
Erdes war in alten Zei­ten ade­lich. Weil aber nach
der­ma­li­gen Ein­rich­tung des Kriegs­we­sens die­se Besit­zer
von frey­en Höfen sich per­sön­lich stel­len und in den
Krieg zie­hen muß­ten, wel­ches nicht nur mit gro­ßer
Beschwer­de; son­dern auch mit vie­ler Gefahr ver­bun­den
war, so über­tru­gen eini­ge ihre Güter den Klös­tern und
ande­re dem Gra­fen, damit sie durch deren Schutz von dem
Kriegs­dienst befreyt wer­den mög­ten. Obschon sie nun
gegen Bezah­lung einer gewis­sen jähr­li­chen Pacht auf
ihren Erben woh­nen blie­ben, so wur­den sie den­noch ihres
Adels ver­lus­tig. Sie wur­den Leib­ei­ge­ne des Klos­ters oder
des Gra­fen.

Hein­rich. Kannst du uns auch sagen Vater! war­um
eini­ge Bau­ern zur Leis­tung gewis­ser Diens­te und zur
Ent­rich­tung des Zehn­ten ver­bun­den sind?

Vater. Die Diens­te schei­nen in alten Zei­ten eine
frey­wil­li­ge Hül­fe gewe­sen zu seyn, wel­che man dem

24

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25

 

Haupt­mann leis­te­te. Was indes­sen erst frey­wil­lig
geschah, wur­de in der Fol­ge eine Pflicht. Die zehn­ten
haben ihren Grund in einer Ver­fü­gung Karls des Gro­ßen
wel­cher die­sel­ben von den Sach­sen zum Unter­halt der
Geist­lich­keit foder­te.[sic!]

Hein­rich. Aber eini­ge Bau­ern bezah­len einen
soge­nann­ten Schlop­zehn­ten.

Vater. Da unser West­pha­len, wel­ches gro­ßent­heils
aus Hei­de und Moor­grund besteht, zu unfrucht­bar war, um
von allen Früch­ten des Lan­des den Zehn­ten geben zu
kön­nen; so glaubt man, daß die Bau­ern sich mit der
Geist­lich­keit ver­gli­chen und an statt des Garb­zehn­ten
eine gewis­se Anzahl Schef­fel Rog­gen jähr­lich zu bezah­len
ver­spro­chen haben.

Hein­rich. War­um tra­gen vie­le Bau­ern­schul­zen den
Nah­men ihrer Bau­er­schaft?

Vater. Die­ses kommt daher, weil die ers­ten
Besit­zer ihrer Höfe die Haupt­leu­te der Bau­er­schaft
waren. Als die­se aus­ge­stor­ben waren, oder ihre Stel­len
dem Gra­fen oder einem Klos­ter über­tra­gen hat­ten, wur­den
sel­bi­ge mit Wehr­fes­tern oder Bau­ern wie­der besetzt.

Hein­rich. Kannst du uns auch die Nah­men der
ers­ten Gra­fen von Bent­heim sagen lie­ber Vater?

Vater. Die Geschich­te der ers­ten Gra­fen von
Bent­heim ist sehr unge­wiß. Ich wer­de euch indes­sen aus
der vater­län­di­schen Geschich­te die Nah­men aller

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26

 

Bent­hei­mi­schen Gra­fen, in so weit sel­bi­ge bekannt sind,
mitt­hei­len.

 

I. Ric­fri­dus oder Reichs­fried soll der ers­te Graf von
Bent­heim gewe­sen seyn. Ande­re geben Magnus For­te­mann
dafür aus.
II. Wolf­gang
III[.] Otto der I
IV. Johan­nes der I
V. Otto der II
VI. Otto der III
VII. Otto der IV. Die­ser stritt mit dem Bischof von
Utrecht wider den Burg­graf zu Koe­ver­den, und
wohn­te im Jah­re 1189 einem Kreuz­zug wider
die Sar­ra­ce­ner bey.

Hein­rich. Was ver­steht man unter Kreuz­zü­ge?
Vater. Die Men­schen glaub­ten im eilf­ten und
zwölf­ten Jahr­hun­dert Gott einen Gefal­len zu thun, durch
die Befrei­ung des jüdi­schen Lan­des von der Herr­schaft
der ungläu­bi­gen Sar­ra­ce­ner. Hun­dert tau­sen­de zogen aus
allen Pro­vin­zen Europa’s nach die­sem Lan­de. Es wur­den
Strö­me von Men­schen­blut ver­go­ßen und unge­heu­re Schät­ze
ver­schleu­dert, um das Land zu erobern, wel­ches die
Abkömm­lin­ge Abra­hams einst besa­ßen, und in wel­chem Jesus
Chris­tus gebo­ren und gestor­ben war. Nach einem
lang­wie­ri­gen Krie­ge glück­te es den Euro­pä­ern, Jeru­sa­lem
und vie­le ande­re Städ­te zu erobern. Doch am

26

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27

 


Ende müß­ten sie alle die­se Erobe­run­gen
wie­der auf­ge­ben. Es blieb kei­ne Hand­breit
Erde in der Macht der Chris­ten. Die Zahl der
Men­schen, wel­che Euro­pa durch die­se Züge
ver­lo­ren hat, wird auf SECHS MILLIONEN
ange­ge­ben. Unter­des­sen hat­ten die­se Heer­zü­ge
einen güns­ti­gen Ein­fluß auf die Bil­dung und
auf die bür­ger­li­che Frey­heit unse­res
Welt­t­heils. Unse­re Vor­äl­tern lern­ten im
Mor­gen­lan­de ver­schie­de­ne Küns­te und Gewer­be
ken­nen, womit sie ihr Vater­land bekannt
mach­ten. Die Zahl der Rit­ter wur­de durch
die­se Züge ver­min­dert, da vie­le in Egyp­ten
umka­men, und ihre Leib­ei­ge­ne die Gele­gen­heit
benutz­ten, um zu ent­flie­hen und sich in den
Städ­ten häus­lich nie­der zu las­sen, wel­che
dadurch an Flor und Bevöl­ke­rung gewonnen.Der Pabst hat­te auch in einer beson­de­ren
Bul­le ver­ord­net, daß alle Knech­te und
Leib­ei­ge­ne, die in das gelob­te Land zie­hen
wür­den, frey seyn soll­ten.
VIII. Bal­du­in, der im Jah­re 1217 mit ver­schie­de­nen
Köni­gen und Fürs­ten einen Kreuz­zug nach
Egyp­ten mach­te und von dem Burg­gra­fen
Rudolph von Koe­ver­den in einer zwi­schen
die­sem und dem Bischof von Utrecht in den
Moräs­ten bey Grams­ber­gen, die Mom­me­ri­ten
genannt, vor­ge­fal­le­nen Schlacht, gefan­gen
genom­men wur­de. Der Bischof von Utrecht,
Otto von der Lip­pe kam mit 500 tap­fe­ren
Krie­gern, unter wel­chen sich

27

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28

der mut­hi­ge Bern­hard von Horst­mar befand
dabey ums Leben.
IX. Otto der V ein Sohn des vori­gen
X Egberg
Otto’s zwei­ter Sohn. Die­ser ließ vie­le wüs­te
Grün­de urbar machen, und brach­te die
Bent­hei­mer und Gil­de­häu­ser Stei­ne bey den
Aus­län­dern in gro­ßen Ruhm.
XI Johan­nes der II stif­te­te das ehe­mals
berühm­te Haus Din­kel­ro­de, in der Fol­ge das
Amt­haus zu Neu­en­haus genannt. Er starb im
Jah­re 1332.
XII Simon
ein Sohn von Johan­nes II. Die­ser ließ die
Stadt Schüt­torf mit star­ken Mau­ern umrin­gen.
Er starb 1347.
XIII Otto
der VI die­ses Nah­mens[,]
ein Bru­der Simons [,]
regier­te die Graf­schaft eilf Jah­re und
über­gab dann die Regie­rung sei­nem Bru­der.
XIV Bern­hard der I. Die­ser war in sei­ner Jugend
ein wüs­ter Mensch, wur­de aber in sei­nem
Alter fromm und ein Freund der Geist­li­chen.
Er stif­te­te im Jah­re 1394 das Klos­ter
Frens­we­gen (wel­ches die­sen Nah­men führt,
weil es an den [sic!]
Frens­dor­fer Weg
liegt). Er starb an der Pest 1421 und wur­de
in der Klos­ter-Kir­che zu Frens­we­gen — sei­nem
Lieb­lings­or­te — bey­ge­setzt.
XV Ever­wyn der I von Gut­ters­wyk eine vor­ma­li­ge
Herr­lich­keit, im Cle­vi­schen führ­te im Jah­re
1417

28

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29

einen
unglück­li­chen Krieg, wie­der den Bischof von
Utrecht.Von die­ser Zeit an haben die Gra­fen von
Bent­heim durch Heyra­then und Erb­schaf­ten,
ver­schie­de­ne benach­bar­te Graf­schaf­ten als u.
B. Stein­fuhrt, Teck­len­burg, Lim­burg, Rhe­da
u.s.w. an das Haus Bent­heim gebracht, wel­che
in fol­gen­den Zei­ten auf die näm­lich Art
davon wie­der abge­kom­men sind.
XVI. Bern­hard der II gestor­ben im Jah­re 1473.
XVII. Ever­wyn der II schloß im Jah­re 1487 mit
sei­nem Vet­ter Ever­wyn von Stein­furth eine
Erb­ver­brü­de­rung, nach wel­cher allein die
männ­li­chen Abkömm­lin­ge von Bent­heim und
Stein­furth die bei­den Graf­schaf­ten regie­ren
soll­ten. Er starb 1530.
XVIII Arnold der I. Unter des­sen Regie­rung die
Refor­ma­ti­on der Kir­che vor­fiel. Er starb
1553.
XIX Ever­wyn der III brach­te durch sei­ne Heyrath
mit Anna, der ein­zi­gen Toch­ter des Gra­fen
Con­rad von Teck­len­burg, auch die­se
Graf­schaft an das Haus Bent­heim. Er starb im
26ten Jahr sei­nes Lebens und hin­ter­ließ
einen ein­zi­gen Sohn.
XX Arnold den II. Der das von sei­nem Groß­va­ter
Arnold dem I ange­fan­ge­ne Refor­ma­ti­ons­werk
voll­ende­te. Die­ser from­me Lan­des­herr starb
im Jah­re 1606. Sein Sohn

29

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30

 

XXI Arnold
Jobst folg­te ihm in der Regie­rung und die­ser
mach­te sich um Kir­chen und Schu­len nicht
weni­ger ver­dient, als sein seli­ger Vater. Er
starb den 10ten Febru­ar 1643.
XXII Ernst
Wil­helm, der in 1668 zur catho­li­schen
Reli­gi­on über­ging und durch die­sen Schritt
sei­ne Gemah­lin, Kin­der und Untertha­nen in
vie­le Unan­nehm­lich­kei­ten ver­wi­ckel­te. Die
Grä­fin nahm mit ihren Kin­dern die Flucht
nach Hol­land und starb vor Ver­druß. Die
jun­gen Gra­fen tra­ten in Nie­der­län­di­sche
Kriegs­diens­te und erreich­ten durch ihre
Tap­fer­keit den Rand der ers­ten Befehls­ha­ber.
Bey ihrer Groß­jäh­rig­keit mach­ten sie ihre
Rech­te auf die Graf­schaft Bent­heim gel­tend.Hein­rich. Aber sie waren ja die
recht­mä­ßi­gen Erben Vater!Vater. Das ist frey­lich wahr. Ihr
Vater hat­te sich aber auf den Rath des
Müns­ter­schen Bischofs von sei­ner Gemah­lin
geschie­den, eine ander­wei­ti­ge Ehe geschlo­ßen
und sei­nen Vet­ter Arnold Moritz Wil­helm zum
Erben der Graf­schaft Bent­heim ange­ord­net.
Nach lang­wie­ri­gen Schwie­rig­kei­ten, bey
wel­chen die Gene­ral Staa­ten der ver­ei­nig­ten
Nie­der­lan­de die Sei­te der jun­gen Gra­fen
wähl­ten, ward end­lich ein Ver­gleich
abge­schlo­ßen, nach wel­chem Arnold Moritz
Wil­helm die Graf­schaft Bent­heim und Ernest
der ältes­te Sohn des Gra­fen Ernst Wil­helm,
Stein-

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31

 

furth mit eini­gen ande­ren Herr­lich­kei­ten besit­zen
soll­te; doch mit dem Beding, daß wenn früh
oder spät, der männ­li­che Stamm von Arnold
Moritz Wil­helm erlö­schen soll­te, die
Nach­kom­men des Gra­fen Ernest dann die
Graf­schaft Bent­heim erben soll­ten. In
Gemäß­heit die­ses Ver­glei­ches, wel­ches nur
als eine Bekräf­ti­gung zwi­schen den Gra­fen
von Bent­heim und Stein­furth im Jah­re 1487
abge­schlo­ße­nen Erb­ver­tra­ges anzu­se­hen ist,
gieng im Jah­re 1803 bey dem Tode des letz­ten
Abkömm­lings des Gra­fen Arnold Moritz
Wil­helm, das Suc­ces­si­ons­recht auf den Gra­fen
von Stein­furth über. Nach dem Tode des
Gra­fen Ernst Wil­helms im Jah­re 1693 kam
XXIII Arnold Moritz Wil­helm an die Regie­rung. Er starb
den 15ten Novem­ber 1701. Sein Nach­fol­ger war
XXIV Her­mann Fried­rich der 1731 starb.
XXV Auf die­sen folg­te Fried­rich Phil­ipp Carl, der
1752 die Graf­schaft mit allen Rech­ten der
Lan­des­ho­heit an Sei­ne Majes­tät den König von
Großb­ritt­an­ni­en und Chur­fürst von Han­no­ver
gegen Bezah­lung sei­ner Schul­den auf drei­ßig
nach ein­an­der fol­gen­de Jah­re und bis dahin,
daß der ihm zu thuen­de Vor­schuß völ­lig
wie­der erstat­tet seyn wer­de, ver­pfän­de­te. Er
starb den 17ten Febru­ar 1803 zu Paris und da
mit sei­nem Tode der männ­li­che Stamm der
Gra­fen von Bent-

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32

 

heim — Bent­heim erlo­schen war, trat
XXVI Lud­wig, Wil­helm, Geld­rich, Ernst, Graf zu
Bent­heim-Stein­furth als recht­mä­ßi­ger Erbe
die Graf­schaft Bent­heim an. Er wur­de im
Jah­re 1817 mit sei­nem gan­zen Geschlech­te in
den Fürs­ten­stand erho­ben und starb den 20ten
August die­ses Jah­res. Auf ihn folgt
XXVII Alexis jetzt regie­ren­der Fürst zu Bent­heim und
Stein­furth, ver­mählt mit Wil­hel­me, Caro­li­ne
Marie Frie­de­ri­ke Prin­zes­sin zu
Solms-Braun­fels.

 

FÜNFTES GESPRÄCH.

Johan­na.
Wirst du uns die­sen Abend auch etwas erzäh­len lie­ber
Vater?

Vater. Sehr ger­ne Kin­der! aber ihr müßet erst für
ein gutes Feu­er sor­gen, und die­ses Feu­er wird mir denn
wohl Stoff zu einer Erzäh­lung lie­fern.

Bern­hard. Das Feu­er Vater?

Vater. Nicht so sehr das Feu­er Bern­hard als der
Brenn­stoff, der Torf näm­lich. Was dünkt euch wohl, wie
soll­te der ent­stan­den sein?

Hein­rich. Wächst der nicht von selbst Vater?

Vater. Das wür­de eine gro­ße Wohl­tat für

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33

 

man­che Oer­ter, beson­ders für die Ober­graf­schaft Bent­heim
seyn, wo die Moo­re so sehr abge­nom­men haben. Die
Ober­flä­che mag fort­wach­sen und eine höhe­re Erd­krus­te
anneh­men, wenn aber das Moor ein­mal bis auf den Sand
weg­ge­sto­chen ist, wächst es nicht wie­der an.

Hein­rich. Woher sind denn die Moo­re ent­stan­den?

Vater. Aus einer gro­ßen Revo­lu­ti­on des Erd­bo­dens,
und beson­ders aus einer Ueber­schwem­mung des Meers.

Bern­hard. Wann hat die statt gehabt?

Vater. Die Ent­de­ckun­gen, wel­che man in spä­tern
Zei­ten gemacht hat, die ver­stei­ner­ten See­mu­scheln,
wel­che man in den Ein­ge­wei­den der Ber­ge gefun­den, und
die Kno­chen von gegen­wär­tig in unserm Welt­t­heil völ­lig
unbe­kann­ten gro­ßen Thie­ren, bewei­sen hin­läng­lich, daß
die Erde meh­re­re REVOLUTIONEN erlebt hat. Den Ursprung
der Moo­re lei­tet man mit einem hohen Gra­de von
Wahr­schein­lich­keit aus der Cim­ber­schen Fluth her, wel­che
eini­ge hun­dert Jah­re vor Chris­ti Geburt die­se Län­der
über­schwemmt hat.

Bern­hard. War­um heißt die­se Fluth die Cim­ber­sche?

Vater. Die Völ­ker wel­che die Küs­ten der Nord­see
bewohn­ten, hie­ßen die Cim­bern, und die Nord-

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34

 

see wur­de die Cim­ber­sche See genannt. Die Cim­ber­sche
Fluth ist folg­lich eine Ueber­schwem­mung der Nord­see.

Hein­rich. Aber wie könn­te aus einer sol­chen
Ueber­schwem­mung das Moor ent­ste­hen?

Vater. Das Was­ser blieb in den Nie­de­run­gen
ste­hen. Die Moo­re waren erst Phü­le und Moräs­te. Aus
Grau, Heu, Stroh, Rohr, und Baum­blät­tern ent­stand der
Schlamm, der erst weich war, und wur­de mit der Zeit
här­ter, beson­ders als die Men­schen die Moo­re zu
bear­bei­ten und das Was­ser durch Gra­ben abzu­lei­ten
anfin­gen.

Johan­na. Ertran­ken bei die­ser Ueber­schwem­mung
nicht vie­le Men­schen und Thie­re?

Vater. Vie­le wer­den gewiß dabey umge­kom­men seyn.
Die meis­ten haben sich aber geret­tet, denn wir fin­den in
der Römi­schen Geschich­te: daß die Cim­bren und Teu­to­nen,
nach­dem sie ihre Län­der durch die See ver­lo­ren und sich
eini­ge Zeit in Deutsch­land, Frank­reich und Spa­ni­en
auf­ge­hal­ten hät­ten, wo sie alles ver­zehr­ten, sich nach
Ita­li­en gewandt haben, und daselbst von den Römern,
gegen wel­che sie Anfangs sieg­reich waren, end­lich völ­lig
geschla­gen und ver­nich­tet wor­den sind.

Ihr kön­net leicht den­ken Kin­der! daß man nicht mit
voll­kom­me­ner Gewiß­heit die Cim­ber­sche Fluth als die
Ursa­che der Moo­re ange­ben kann. Gewiß ist

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es aber, daß sie aus einer Ueber­schwem­mung der See
ent­stan­den sind, denn man fin­det in den­sel­ben gan­ze
Fich­ten, Eichen und Bircken­stäm­me, wel­che alle mit der
Wur­zel nach Nord­wes­ten und mit den Köp­fen nach Süd­os­ten
lie­gen.

Vater. Soll­ten wir die Moo­re jetzt wohl ent­beh­ren
kön­nen?

Hein­rich. Nein Vater, denn ohne die­sel­ben wür­den
wir kei­nen Torf haben, und des Win­ters, da unser Land an
man­chen Stel­len so Holz­arm ist, Käl­te lei­den müs­sen.

Vater. Hat man sich seit der Zeit, daß die Moo­re
da gewe­sen sind, immer des Torfs als Brenn­stoff bedient?

Hein­rich. Auf die­se Fra­gen kann ich kei­ne
bestimm­te Ant­wort geben.

Vater. So lan­ge man gro­ße und aus­ge­dehn­te Wäl­der
hat­te, scheint man wegen der Mühe, die mit dem Aus­gra­ben
und Trock­nen des Torfs ver­bun­den ist, sich des Hol­zes
zum Bren­nen bedient zu haben. Nach alten Chro­ni­ken fieng
man erst im elf­ten und zwölf­ten Jahr­hun­dert an, den Torf
als Brenn­stoff zu benut­zen. Die Moo­re haben in die­sen
600 Jah­ren in der Ober­graf­schaft sehr abge­nom­men. In der
Nie­der­graf­schaft hat man aber noch aus­ge­streck­te Moo­re,
wel­che den Ein­ge­ses­se­nen auf Jahr­hun­der­te Brenn­stoff

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lie­fern kön­nen. Von vor­züg­li­cher Güte ist der
Itter­bek­ker Torf.

Vater. Ist das Moor auch sonst noch nütz­lich?

Hein­rich. Ja, man pflügt die Ober­flä­che, oder
hackt sie mit einer Hacke um, steckt sie im Früh­ling in
Brand und säet in die Asche, Buch­weit­zen.

Vater. So sehet ihr denn, daß die wei­se und
güti­ge Vor­se­hung das Elend der frü­he­ren Jahr­hun­der­te in
einen Segen für die spä­tern ver­än­de­ren kann.

Jetzt wür­de ich euch man­ches von den Schick­sa­len der
Städ­te und Dör­fer in unserm Vater­land erzäh­len kön­nen.
Aber lie­ber set­ze ich die­ses aus bis Mor­gen Abend.

Johan­na. Soll ich denn jetzt mein Büch­lein mit
den schö­nen Bil­dern nur hoh­len, Vater?

Vater. O ja! War­um nicht? bey die­sem Büch­lein
fällt mir aber etwas ein, wel­ches ich euch heu­te Abend
noch wohl erzähl­ten könn­te.

Bern­hard. Nun bin ich froh.

Vater. Es betrift [sic!]
eini­ge nütz­li­che Erfin­dun­gen und rathet ein­mal
wel­che?

Hein­rich. Die Buch­dru­cker­kunst.

Vater. Füge die Erfin­dung des Papiers dabey
wel­che älter ist, als die der Buch­dru­ckerey. Vor Chris­ti
Geburt schrieb man auf Blät­ter, wel­che aus den
Wur­zel­fä­sern einer Pflan­ze, PAPYRUS

genannt,

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berei­tet waren. In der Fol­ge erfand man das Per­ga­ment
und nach­her lern­te man aus Baum­wol­le Papier berei­ten.
Die­ses war dün­ner und bes­ser als das Per­ga­ment, aber
ziem­lich kost­bar. End­lich glück­te im Jah­re 1300 in
Deutsch­land die Pro­be, aus altem Lein­wand, Papier zu
ver­fer­ti­gen, wel­ches zu einem viel wohl­fei­lern Prei­se
gelie­fert wer­den konn­te.

Hein­rich. Das habe ich nie gewußt, Vater! Ich
glaub­te, man habe immer sol­ches Papier gebraucht als wir
jetzt haben.

Vater. Es ist man­ches, Mei­ne lie­ben Kin­der, daß
ihr noch nicht wißt. Saget mir ein­mal, wer hat die
Buch­dru­cker­kunst erfun­den, und zu wel­cher Zeit ist
die­ses gesche­hen?

Hein­rich. Die­ses ist mir unbe­kannt Vater!

Vater. Lau­renz Kos­ter Schef­fe der Stadt Haar­lem
in Hol­land erfand die­sel­be um das Jahr 1432. Die
Deut­schen schrei­ben indes­sen die Ehre die­ser Erfin­dung
einem gewis­sen Johann Gut­ten­berg in Mainz zu.

Bern­hard. Hat­te man denn vor DER Zeit kei­ne
Bücher Vater?

Vater. Wohl geschrie­be­ne, aber kei­ne gedruck­te
Bücher, und da nur weni­ge Men­schen schrei­ben konn­ten,
waren die­se geschrie­be­nen Bücher sehr sel­ten und theu­er.
Das Buch­bin­den ist auch eine Erfin­dung spä­te­rer Zei­ten.

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In alten Zei­ten waren die Bücher Rol­len. Die fes­ten und
guten Bän­de wur­den erst im Jah­re 1500 erfun­den. Die
Kup­fer­stech­kunst oder das Dru­cken von Zeich­nun­gen
mit­telst kup­fer­ner Plat­ten, ist fast zu glei­cher Zeit
mit der Buch­dru­cker­kunst erfun­den wor­den.

Johan­na. Weißt du uns noch mehr von sol­chen
nütz­li­chen Erfin­dun­gen zu erzäh­len Vater?

Vater. Wenn ich jetzt kei­ne Bril­le hät­te, dann
wür­de ich nicht mehr lesen kön­nen. Unse­re Vor­äl­tern
kann­ten sie aber nicht. Alex­an­der Spi­na ein Flo­ren­ti­ner
erfand die Bril­le am Ende des 13ten Jahr­hun­derts, mit­hin
vor unge­fähr 500 Jah­ren. Zur näm­lich Zeit erfand man den
COMPAS, eine an den [sic!] MAGNET­stein geschlif­fe­ne
Nadel, wel­che in der Mit­te auf einem Stif­te ruhend und
sich frey bewe­gend, immer nach dem Nor­den zeigt. Durch
die­se Erfin­dung war es mög­lich nach Ost­in­di­en zu segeln,
Ame­ri­ka zu ent­de­cken und den gan­zen Erd­ball in allen
Rich­tun­gen zu umschif­fen.

Bern­hard. Hast du uns nicht gesagt lie­ber Vater!
als wir neu­lich bey der Müh­le vor­über gin­gen, daß die­se
auch eine Erfin­dung spä­te­rer Zeit ist?

Vater. Aller­dings. In uralten Zei­ten hat­te man
Hand­müh­len, wel­che durch Men­schen­hän­de in Bewe­gung
gebracht wur­den. Nach Chris­ti Geburt ent­fand
[sic!] man die Was­ser­müh­len. Die Wind­müh­len
wur­den erst im Jah­re 
1100 bekannt. Man glaubt

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daß die Fran­zö­si­schen Rit­ter die­sel­be auf ihren
Kreuz­zü­gen in Asi­en gese­hen und bey ihrer Rück­kehr in
Frank­reich, nach­ge­macht haben. So viel ist gewiß, daß
die Fran­zo­sen sich die­ser Müh­len zuerst bedient haben
und daß die­se nütz­li­che Erfin­dung, wel­che von Zeit zu
Zeit, einen höhern Grad der Voll­kom­men­heit erreicht hat,
in der Fol­ge durch ganz Euro­pa bekannt gewor­den ist.

Hein­rich. Sind die Uhren nicht auch in spä­te­ren
Zei­ten erfun­den?

Vater. O Ja! Unse­re Vor­äl­tern muß­ten die Stun­de
des Tages durch die Höhe der Son­ne bestim­men, so wie die
Land­leu­te die­ses jetzt noch zu thun pfle­gen. Bey
dunke­lem und nebe­lig­tem Wet­ter konn­ten sie daher nie mit
Gewiß­heit sagen, wie spät es war und des Abends eben so
wenig. Da die Noth erfin­de­risch ist, so mach­te man erst
Was­ser­uh­ren, das ist, man stell­te ein mit Was­ser
gefüll­tes Faß wel­ches eine klei­ne Oef­nung in dem Boden
hat­te, auf ein lee­res Gefäß und gab genau acht auf die
Zeit, in wel­cher das Was­ser durch die Oef­nung geflo­ßen
war. Anstatt die­ser Was­ser­uh­ren bedien­te man sich in der
Fol­ge der Sand­uh­ren, die euch bekannt sind und end­lich
erfand man die Uhren mit Räder­werk, die durch eine Feder
oder durch ein Gewicht getrie­ben wer­den.

Bern­hard. Wie lan­ge ist es schon, daß man die­se
erfun­den hat?

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Vater. Sie sind vor dem Jah­re 1000 erfun­den wor­den. Von
wem? Dies ist unbe­kannt. Das ers­te Uhr­werk die­ser Art,
wel­ches aber nicht schlug, son­dern bloß die Stun­den
anwies, wur­de von dem Pabst Sil­ves­ter II im Jah­re 996
ver­fer­tigt. Auch unser Jahr­hun­dert ist reich an man­chen,
für die Mensch­heit nütz­li­chen Erfin­dun­gen, unter wel­chen
die Imp­fung mit Kuh­po­cken, als ein Schutz­mit­tel wider
die natür­li­chen Blat­tern die wohlt­hä­tigs­te ist.

Johan­na. Mir sind die Kuh­po­cken auch ein­ge­impft,
nicht wahr Vater?

Vater. Ich wür­de kein ver­nünf­ti­ger, lie­ben­der und
sor­gen­der Vater gewe­sen seyn, wenn ich mich die­ses
wohlt­hä­ti­gen Mit­tels zur Bewah­rung eures Lebens und
eurer Gesund­heit nicht bedient hät­te.

Hein­rich. Sind die natür­li­chen Blat­tern denn so
gefähr­lich?

Vater. Ja wohl sind sie gefähr­lich. Vor der
Erfin­dung der Schutz­blat­tern star­ben vie­le Kin­der an den
natür­li­chen Pocken; man­che ver­lo­ren ihre Schöhn­heit und
eini­ge ihr Gesicht.

Bern­hard. Müs­sen denn alle Kin­der die Blat­tern
haben?

Vater. Unse­re Vor­äl­tern kann­ten die­se Kran­ke­heit
nicht; sie ist aus einem ande­ren Welt­t­heil in unser
Euro­pa gebracht und als ein Gift in unser Gebiet
gedrun­gen, so daß wir alle mit eini­gen weni­gen

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Aus­nah­men, den Saa­men die­ser Krank­heit auf die Welt
brin­gen, der bey der gerings­ten Anste­ckung, sich auf
eine schreck­li­che Art offen­bart.

Hein­rich. Wie lan­ge ist die­se Krank­heit schon in
Euro­pa bekannt gewe­sen?

Vater. Man kann mit Bestimmt­heit nicht anneh­men,
wann und woher sie nach Euro­pa gekom­men ist. In Ara­bi­en
wur­de sie schon im 6ten Jahr­hun­dert beob­ach­tet. Man
glaubt, daß sie im Jah­re 712 gleich­zei­tig mit dem
Ein­fall der Ara­ber in Spa­ni­en nach Euro­pa gekom­men ist.

Hein­rich. Wie kam man auf die Erfin­dung der
Schutz­blat­tern?

Vater. Ein Eng­li­scher Arzt, Nah­mens Jen­ner hat­te
seit län­ge­rer Zeit bemerkt, daß die Kühe in eini­gen
Gegen­den Eng­lands bis­wei­len Pocken an den Eutern hat­ten
und daß die Vieh­mäg­de durch das Mel­ken die­ser Kühe einen
Aus­schlag auf den Arm krieg­ten, der sie vor den
natür­li­chen Blat­tern schütz­te. Dies brach­te den Herrn
Jen­ner zum Nach­den­ken und nach eini­gen genom­me­nen
Pro­ben, wur­de er in dem Gedan­ken bestärkt, daß die
Kuh­po­cken ein siche­res Schutz­mit­tel gegen die
natür­li­chen Pocken sey­en.

Bern­hard. Konn­te man denn vor­her die­ser Krank­heit
nicht ent­ge­hen?

Vater. Es fand auch wohl eine Imp­fung mit
Men­schen­po­cken statt Die Kran­ke­heit wur­de dadurch

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eini­ger­maa­ßen gelin­dert, aber weil die Fäl­le auch nicht
sel­ten waren, daß der­glei­chen mit Men­schen­po­cken
geimpf­ten Kin­der star­ben, so mach­ten man­che Ael­tern
Schwie­rig­keit, sich die­ser Imp­fung zu bedie­nen.

Johan­na. Ist die Imp­fung mit Kuh­po­cken denn nicht
gefähr­lich?

Vater. Gar nicht. Du bist ja nicht ein­mal krank
davon gewe­sen.

Hein­rich. Wie lan­ge sind die Schutz­blat­tern schon
bekannt gewe­sen?

Vater. Sie sind im Anfang die­ses Jahr­hun­derts vor
18 bis 19 Jah­ren ent­stan­den, und nun schon durch die
gan­ze Welt, selbst in Ame­ri­ka und Osti­ni­den
[sic!]ver­brei­tet.

Wir kön­nen Gott für die­se Erfin­dung, die so vie­len
Kin­der das Leben ret­tet nicht genug dan­ken, und wir sind
ver­pflich­tet, uns die­ses Mit­tels, so wie jedes andern
Arz­ney- oder Schutz­mit­tels wider eine Krank­heit zu
bedie­nen.

Hein­rich. Wer wür­de davon auch nicht ger­ne
Gebrauch machen, Vater!

Vater. Obschon die Erfah­rung von so vie­len Jah­ren
uns hin­läng­lich über­zeugt hat, daß die Kuh­po­cken ein
siche­res Schutz­mit­tel wie­der die natür­li­chen Pocken
sind, sind man den­noch Ael­tern, wel­che aus Eigen­sinn
oder Aber­glau­ben wei­gern, die­se heil­sa­me Ope­ra­ti­on an
ihren Kin­dern ver­rich­ten zu las­sen, wo-

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für sie aber, wenn die­sel­ben von den natür­li­chen
ange­fal­len wer­den oft schwer büßen müs­sen.

- — -

SECHSTES GESPRÄCH

- — -

Vater. Ges­tern Abend habe ich euch von man­chen für die
Mensch­heit nütz­li­chen Erfin­dun­gen erzählt. Heu­te wer­de
ich euch über den Ursprung und die Schick­sa­le der
Städ­te, Fle­cken und Dör­fer in unserm Vater­lan­de
unter­hal­ten. Wie theilt man die Graf­schaft Bent­heim ein?

Hein­rich. In die Ober und Nie­der­graf­schaft.

Vater. Wel­che Oer­ter gehö­ren zu der
Ober­graf­schaft?

Hein­rich. Außer den Fle­cken Bent­heim und
Gil­de­haus, die Städ­te Schüt­torf und Nord­horn, und die
Dör­fer Ohne und Brand­legt.

Vater. Wel­che Oer­ter lie­gen in der
Nie­der­graf­schaft?

Hein­rich. Die Stadt Neu­en­haus und die Dör­fer
Veld­hau­sen, Ulsen, Emlich­heim, Wil­sum und Laar.

Vater. Wel­ches soll­ten wohl die ältes­ten
Pflan­zun­gen seyn, die Bau­ern­schaf­ten oder die Städ­te
oder Dör­fer?

Hein­rich. Ich den­ke die Städ­te und Dör­fer?

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Vater. Du hast Unrecht. Die Bau­er­schaf­ten sind viel
älter. Ihre Anla­ge ver­liert sich im grau­en Alter. Die
Städ­te und Dör­fer sind erst nach dem Jah­re 800
ent­stan­den. Die Ver­an­las­sung dazu gab die Ein­füh­rung des
Chris­t­enth­ums. Als unse­re Vor­äl­tern die Christ­li­che
Reli­gi­on annah­men, muß­ten sie eine Kir­che haben, in der
sie die­se Reli­gi­on öffent­lich aus­üb­ten. Die
Ein­ge­ses­se­nen von meh­re­ren Bau­ern­schaf­ten tra­ten
zusam­men und baue­ten auf gemein­schaft­li­che Kos­ten, an
einem ohn­ge­fähr in der Mit­te die­ser Bau­ern­schaf­ten
gele­ge­nem Plat­ze, eine Kir­che, damit kei­ne gar zu weit
von der­sel­ben ent­fernt seyn mög­te. Bey die­ser Kir­che
muß­te ein Pries­ter, Kapel­lan und Küs­ter woh­nen und so
ent­stan­den von selbst meh­re­re Häu­ser. Da die Kir­che der
Sam­mel­platz aller Ein­ge­ses­se­nen die­ses Bezirks war,
baue­ten Gast­wir­the, Kauf­leu­te und Hand­wer­ker hier auch
Häu­ser, und so ent­stan­den die Dör­fer und zuletzt die
Stadte.

Vater. Wel­ches ist der Haupt­ort unse­rer
Graf­schaft?

Bern­hard. Bent­heim.

Vater. Recht. Von die­sem Fle­cken trägt die gan­ze
Graf­schaft ihren Namen. Das Haus zu Bent­heim scheint die
ers­te Anla­ge, in die­sem Lan­de gewe­sen zu seyn. Eini­ge
glau­ben, daß Dru­ses der Stief­sohn Kai­sers Augus­ti, hier
schon eine Burg auf­ge-

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führt habe. Das gegen­wär­ti­ge Schloß die Woh­nung der
Gra­fen von Bent­heim, ist aber spä­tern Ursprungs.

In der Nähe des Fle­ckens fin­det man den bekann­ten
Schwe­fel­brun­nen, bey wel­chem S. D. der regie­ren­de Fürst
ALEXIS ZU BENTHEIM-STEINFURTH, mit Geneh­mi­gung S. M.
unse­res aller­gnä­digs­ten Königs, im Jahr 1820. ange­fan­gen
hat, eine Bade-Anstallt zu stif­ten.

Hein­rich. Soll­te das Baden in die­sem Was­ser, denn
heil­sa­mer seyn, als in anderm Was­ser?

Vater. Aller­dings, Meh­re­re Kran­ke haben bey dem
Gebrauch die­ses Schwe­fel­ba­des schon Hül­fe gefun­den, und
die­ses berech­tigt uns zu der Hoff­nung, daß die gro­ßen
Kos­ten, wel­che der Fürst ALEXIS an die­se neue Anla­ge
wen­det, ihren zweck nicht ver­feh­len wer­den.

Hein­rich. Es wun­dert mich, daß man nicht schon
frü­her auf die­sen Brun­nen auf­merk­sam gewor­den ist.
Viel­leicht kann­te man aber den Nut­zen des­sel­ben nicht?

Vater. Die Heil­kraft die­ser Quel­le war vor
Hun­dert Jah­ren schon bekannt. Der Graf von
MANDERSCHEID-BLANKENHEIM, Vor­mund des damals noch
min­der­jäh­ri­gen Gra­fen HERMANN FRIEDRICH VON BENTHEIM,
hat­te schon im Jahr 1711. bey die­sem Schwe­fel­brun­nen,
über wel­chen der Arzt EVHAUSEN 1713 und der Land­phi­si­kus
[sic!] SCHÜTTE 1755.

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gelehr­te Abhand­lun­gen geschrie­ben haben, eini­ge klei­ne
Gebäu­de auf­füh­ren las­sen, wel­che aber in der Fol­ge
wie­der abge­bro­chen sind.

Bern­hard. War­um Vater?

Vater. Die Ursa­chen sind mir nicht völ­lig
bekannt. Genug es blieb dem Fürs­ten ALEXIS vor­be­hal­ten,
bey dem Brun­nen im BENTHEIMER Wal­de, eine Bade­an­stalt zu
stif­ten und sich dadurch ein Denk­mal bey der Nach­welt zu
errich­ten.

Vater. Wel­che Stadt ist die ältes­te in der
Graf­schaft Bent­heim?

Hein­rich. Schüt­torf.

Vater. Ursprüng­lich war die­se Stadt, so wie fast
alle alte Städ­te nur ein Dorf und daher rührt der Nah­me
Schüt-torp oder Schüt-dorp. Im Jah­re 1295 erhielt sie
die ers­ten Stadt­PRI­VI­LE­GI­EN. In älte­ren Zei­ten hat­te sie
außer den Mau­ern, auch Wäl­le mit dop­pel­ten Gra­ben. Im
Jah­re 1588 leg­te Graf ARNOLD hier eine hohe Schu­le an,
wel­che aber wegen der Spa­ni­schen Kriegs­un­ru­hen 1591 nach
STEINFURTH ver­legt wur­de. Bey der Stadt sieht man noch
die Ueber­bleib­sel der vor­ma­li­gen berühm­ten Burg ALTONA.

Hein­rich. War­um mag die­se Burg ALTONA genannt
seyn?

Vater. Viel­leicht weil sie ALL ZU NAH bey
BENTHEIM lag. Die Kir­che zu SCHÜTTORF wur­de

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im Jah­re 1477 und der hohe Turm 1502 erbau­et.

Vater. Wel­che ist die zwey­te Stadt in der
Ober­graf­schaft?

Bern­hard. Nord­horn.

Vater. Man behaup­tet, daß die­se Stadt ihren
Nah­men von einem alten Thurm füh­re.
[sic!] der hier in
vori­gen Zei­ten stand und wel­cher der Not­hthurm genannt
wur­de, weil man zur Not­h­zeit die Nach­ba­ren von die­sem
Thurm warn­te. Die Kir­che wel­che außer der Stadt liegt,
wur­de 1489 erbau­et. Die Thurm­spit­ze wur­de den 12ten
Decem­ber 1747 durch einen gewal­ti­gen Sturm­wind
abge­wor­fen. Im drei­ßi­gid­ri­gen
[sic!] Krie­ge wur­de die
Stadt zwei­mal ein­ge­nom­men. Im Jah­re 1634 von den
Kai­ser­li­chen, und 1637 von den Schwe­den. Bey die­ser
letz­te­ren Ein­nah­me wur­den 120 Häu­ser in die Asche
gelegt. Im Jah­re 1636 herrsch­te hier die Pest, an
wel­cher über tau­send Men­schen star­ben. Im Jah­re 1672
wur­de die Stadt 24 Stun­den lang von den Müns­teri­schen
bescho­ßen, wodurch sie aber durch Got­tes Fügung kei­nen
beson­dern Scha­den erlitt.

Vater. Was wis­set ihr von Gil­de­haus zu erzäh­len.

Hein­rich. Daß es ein gro­ßes und ansehn­li­ches
Dorf oder Fle­cken ist, und daß daselbst schö­ne wei­ße

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Stei­ne, wel­che grö­ßern Theils zu Schif­fe nach Hol­land
gehen, gebro­chen wer­den.

Vater. Die­sen Stei­nen, von wel­chen das schö­ne
Rath­haus, gegen­wär­tig der König­li­che Pal­last in
Ams­ter­dam gebau­et ist, hat Gil­de­haus vor­züg­lich sei­nen
Anwachs und Flor zu ver­dan­ken. In dem Nie­der­län­di­schen
Frey­heits­krieg, litt es wegen der Nähe von Olden­zaal und
Dene­kamp viel von den Spa­ni­ern, beson­ders im Jah­re 1594.

Vater. Wie hei­ßen die übri­gen Dör­fer in der
Ober­graf­schaft?

Bern­hard. Ohne und Brand­legt.

Vater. Was wis­set ihr von Ohne Kin­der?

Hein­rich. Das die­ses ein klei­nes Dorf an der
Müns­ter­schen Gren­ze ist.

Vater. Die Ueber­lie­fe­rung sagt: daß die Kir­che zu
Ohne die ältes­te in hie­si­ger Gegend sey und daß die
Ein­ge­ses­se­nen aus allen benach­bar­ten Oer­tern, selbst aus
dem Müns­ter­schen, in den ers­ten Jahr­hun­der­ten des
Chris­t­enth­ums hie­her zur öffent­li­chen Reli­gi­ons­aus­übung
gekom­men sey­en und daß der Ort davon ursprüng­lich GOTTES
OHNE genannt sey. im Jah­re 1754 am Him­melf­arths­ta­ge
[sic!] den 24ten Mey, brach hier Feu­er aus, wel­ches das
gan­ze Dorf, bin­nen einer hal­ben Stun­de in die Asche
leg­te. Ein Kna­be, der ein Rau­pen­nest in der Nähe einer
Torf­scheu­ne ver­bren­nen woll­te, ver­ur­sach­te die­ses
Unglück.

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Johan­na. Das muß­te ein böser Bube seyn Vater?

Vater. Nen­ne ihn lie­ber unvor­sich­tig und ler­ne
dar­aus, daß man mit Feu­er vor­sich­tig umge­hen muß. Ein
ein­zel­ner Fun­ke kann einen gan­zen Ort unglück­lich
machen. Kin­der müs­sen vor allem nicht mit Feu­er spie­len
und die Ael­tern müs­sen ihnen sol­ches nicht anver­trau­en.

Im Jah­re 1795 wäre dies näm­li­che Dorf bald wie­der ein
Raub der Flam­men gewor­den. Die sich von Bent­heim
zurück­zie­hen­den Braun­schwei­gi­schen und Hes­si­schen
Trup­pen steck­ten, um ihren Rück­zug zu decken, die Brü­cke
zu Ohne in Brand. Durch den Schutz der gött­li­chen
Vor­se­hung blieb aber das Dorf von den Flam­men befreyt.

Vater. Wel­ches Dorf liegt außer Ohne noch in der
Ober­graf­schaft?

Hein­rich. Brand­legt.

Vater. Die­ses Dorf führt sei­nen Nah­men von dem
ehe­ma­li­gen Schlos­se, jetzt das Haus zu Brand­legt
genannt, wel­ches vor­mals der ade­li­chen Fami­lie von Rhe­de
gehör­te und gegen­wär­tig das Eigent­hum des Frey­herrn von
Dors­te-Vische­ring zu Darr­feld ist, der sei­ne hier
lie­gen­den Güter durch einen auf dem Hau­se woh­nen­den
Rent­meis­ter ver­wal­ten läßt. Das Haus hat Sitz und Stim­me
auf dem Pro­vin­cial-Land­tag und auch das Recht, die
Pre­di­ger und

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Schul­meis­ter­stel­le zu ver­ge­ben. Im Jah­re 1672 stand auf
der Brand­leg­ter Hei­de ein ansehn­li­ches Lager von
Müns­teri­schen und Köll­ni­schen Trup­pen, wel­che unter
Anfüh­rung ihres tap­fe­ren Fürst­bi­schofs, Chris­to­phers
Bern­hards von Galen in Zeit von 2 Monathen ganz
Obe­rys­sel erober­ten.

Sie­ben­tes Gespräch.

—-

Vater. Wel­che Oer­ter gehö­ren zu der Nie­der­graf­schaft?

Bern­hard. Neu­en­haus, Veld­hau­sen, Ülsen
Emlich­heim, Laar und Wil­sum.

Vater. Wis­set ihr auch Kin­der, woher der Nah­me
Neu­en­haus ent­stan­den ist?

Hein­rich. Viel­leicht von einem neu­en hier
erbaue­ten Hau­se.

Vater. Ganz recht. Graf Johann der IIte ließ am
Ende des 13ten Jahr­hun­derts, hier das Haus Din­kel­ro­de
bau­en, in der Fol­ge das Amt­haus genannt. Die­ses Haus,
erhielt den Nah­men: NEUES HAUS, um es von dem ALTEN dem
Hau­se oder Schlos­se zu Bent­heim zu unter­schei­den. In der
Nach­bar­schaft die­ses neu­en Hau­ses wur­den von Zeit zu
Zeit meh­re­re Häu­ser gebau­et, wozu die gün-

50

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51

sti­ge Lage die­ses Orts zu dem Han­del nach Hol­land, auch
wohl vie­les mag bey­ge­tra­gen haben, und so ent­stand
end­lich die Stadt Neu­en­haus. Die ers­ten
Stadt­ge­rech­tig­kei­ten erhielt sie im Jah­re 1376. Das
fes­te Schloß war in älte­ren Zei­ten oft ihrer Ruhe
nacht­hei­lig. In dem 30jährigen Krieg und in der
Müns­teri­schen Feh­de mit den Nie­der­län­dern, litt sie
viel. Im Jah­re 1635 nah­men die Kai­ser­li­chen sie ein. Im
Jah­re 1674 wur­de sie von dem Hol­län­di­schen Gene­ral
Raben­haupt mit Sturm ein­ge­nom­men und geplün­dert. Die
lang­wie­ri­ge Müns­teri­sche Ein­quar­tie­rung in den Jah­ren
1672 bis 1674 ver­setz­te sie in schwe­re Schul­den, die
durch die Fran­zö­si­sche Ein­quar­tie­rung und
man­nich­fal­ti­gen Lie­fe­run­gen im Jah­re 1795 noch ver­mehrt
wur­den.

Vater. Wel­ches Dorf folgt nun?

Hein­rich. Veld­hau­sen.

Vater. Dies Dorf führt sei­nen Nah­men von eini­gen
am Fel­de gele­ge­nen Häu­sern, bey wel­chen die Kir­che
erbau­et wur­de, damit die Ein­ge­ses­se­nen von allen
umlie­gen­den Bau­ern­schaf­ten die­sel­be füg­lich besu­chen
könn­ten.

In der Nähe die­ses Dorfs liegt der soge­nannt­ge
Bischofs-Phul, wo die Hol­län­der unter dem
Obrist-Lieu­ten­ant Eiber­gen sich im Jah­re 1674 ver­schanzt
hat­ten. Ihre Ver­schan­zung wur­de aber von dem
Müns­teri­schen Gene­ral Nagel erobert, wobey vie­le Men-

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52

 

schen get­öd­tet wur­den, und 1500 Hol­län­der in
Müns­teri­sche Gefan­gen­schaft gerie­then.

Den 30sten August 1816 wur­den durch eine unglück­li­che
Feu­ers­bru­ust [sic!] in
die­sem Dor­fe 54 Gebäu­de ein­ge­äschert.

Bern­hard. Wie kam das Vater?

Vater. Die­ser Brand ent­stand so wie die meis­ten
Feu­ers­brüns­te ent­ste­hen, durch Unacht­sam­keit. Ihr
wis­set, daß man in unse­rer Graf­schaft die Gewohn­heit
hat, den Flachs an der Son­ne zu trock­nen oder zu wär­men,
damit man ihn des­to bes­ser bre­chen kön­ne. Bey dunk­len
oder reg­nig­tem Wet­ter set­zen unvor­sich­ti­ge Leu­te
den­sel­ben wohl beym Feu­er oder um den Heerd. Obschon
die­ses nun von der Obrig­keit ver­bo­ten ist, und mit einer
Geld­bu­ße bestraft wird, so fin­det man den­noch Men­schen,
die ohn­ge­ach­tet die­ses so heil­sa­men Ver­bots und der
Gefahr, wel­cher sie ihre Haab- und Güter aus­set­zen den
Flachs beym Feu­er in der Küche wär­men, um ihn sprö­de und
zum bre­chen geschick­ter zu machen. Sol­ches that auch
eine Frau in VELDHAUSEN, und sehet da! Der größ­te Theil
des Dorfs wur­de in einen Aschen­hau­fen ver­wan­delt. Vie­le
Men­schen ver­lo­ren ihre Woh­nun­gen und Güter, und eine
Frau büß­te ihr Leben dabey ein.

Hein­rich. Das war trau­rig Vater! Aber wie kamen
die unglück­li­chen Abge­brann­ten, wie­der zu Häu­sern?

52

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53

 

Vater. In der Graf­schaft BENTHEIM besteht eine sehr
nütz­li­che Ein­rich­tung, die Brand­cas­se genannt. In die­ser
läßt man sein Haus ver­si­chern und wenn es abbrennt,
erhält man aus die­ser Cas­se die Sum­me, zu wel­cher es
ver­si­chert war.

Hein­rich. Aber wer bezahlt denn die­se Gel­der?

Vater. Alle Ein­ge­ses­se­ne, wel­che ihre Häu­ser in
der Brand­cas­se haben ver­si­chern las­sen, tra­gen dazu
ver­hält­nis­mä­ßig, oder nach der Grö­ße der Sum­me, wor­auf
ihre Häu­ser ange­schrie­ben sind, etwas bey. Aus die­ser
Cas­se erhiel­ten denn die unglück­li­chen Ein­woh­ner zu
VELDHAUSEN eine beträcht­li­che Sum­me Gel­des und außer
die­sen Gel­dern, wel­che sie zu for­dern hat­ten, emp­fin­gen
sie aus allen Oer­tern der Graf­schaft ansehn­li­che
frey­wil­li­ge Bey­trä­ge an Korn, Klei­dungs­stü­cken und Geld.

Unglück­li­chen, lie­be Kin­der! muß man hel­fen. Die­ses ist
die Leh­re JESU und eine Pflicht, deren Aus­übun­ge uns die
reins­ten Freu­den schenkt und die nach die­sem Leben, die
schöns­te Beloh­nung zu erwar­ten hat.

Mat­th. 25.

Vater. Ich habe euch bey VELDHAUSEN lan­ge
auf­ge­hal­ten, um mit der Erzäh­lung eini­ge nütz­li­che
Leh­ren zu ver­bin­den. Wer unter euch weiß mir nun von
ÜLSEN etwas zu sagen?

Hein­rich. Daß die­ses Dorf mit den dazu ge-

53

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hören­den Bau­ern­schaf­ten das größ­te Kirch­spiel in der
Graf­schaft ist.

Vater. In vori­gen Zei­ten war der Thurm 280 Fuß
hoch. Im Jah­re 1683 den 8. Febru­ar wur­de der­sel­be durch
Brand, den ein Gewit­ter ver­ur­sach­te, zer­nich­tet. Der Brand ent­stand
des Abends und währ­te bis den fol­gen­den Tag. Um 9 Uhr
des Mor­gens stürz­te der Thurm mit einem schreck­li­chen
Gepras­sel zusam­men. Die Kir­che ist sehr alt. Eine
Urkun­de von 1131 erwähnt ihrer schon. Der berühm­te
JOHANN NYHOFF, von wel­chem wir die schöns­ten
Rei­se­be­schrei­bun­gen nach CHINA und BRASILIEN haben,
wur­de hier gebo­ren. In die­sem Dor­fe hat­ten die mäch­ti­gen
Her­ren VON TOREN oder THURN, ehe­mals ihre Rit­ter­burg.

Vater. Wel­che Dör­fer hat man außer Ülsen noch in
der Nie­der­graf­schaft?

Bern­hard. EMLICHHEIM, WILSUM und LAAR.

Vater. EMLICHHEIM wur­de in alten Zei­ten
EMMELENKAMP genannt, wel­ches viel­leicht heis­sen soll
EMMONS Haus. Ursprüng­lich war die­ses Dorf eine beson­de­re
Herr­lich­keit. Im Anfang des vori­gen Jahr­hun­derts litt es
viel durch Brand­scha­den, wel­chen boß­haf­te Men­schen
vor­sätz­lich anstif­te­ten.

Johan­na. Wie konn­ten die Men­schen doch so böse
seyn?

Vater. Ein Mensch, der sich von sei­nen Lei­den-

54

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schaf­ten beherr­schen läßt, JOHANNA! ist mehr zu
fürch­ten, als das wil­de Thi­er in den Wäl­dern. Wir müs­sen
uns von Jugend auf gewöh­nen; die sünd­li­chen Nei­gun­gen,
wel­che in unserm Her­zen auf­kei­men z. B. Haß, Neid, Zorn,
Rache u.s.w. durch Ver­nunft und RELIGION zu bekämp­fen.

Hein­rich. Ist ARKEL nicht auch ein Dorf Vater?

Vater. Arkel ist nur eine Bau­er­schaft des
Kirch­spiels Emlich­heim. Es steht hier aber eine Kapel­le,
in wel­cher die Emlich­hei­mer Pre­di­ger jeden Monath ein­mal
pre­di­gen müs­sen. Das Hohe König­li­che Minis­te­ri­um zu
Han­no­ver hat im Jah­re 1819 auf den Vor­trag des
König­li­chen Ober­kir­chen­raths die­ser und eini­gen andern
mit ihr ver­ei­nig­ten Bau­er­schaf­ten bewil­ligt, einen
eige­nen Pre­di­ger hal­ten zu mögen, von wel­cher
Bewil­li­gung die Gemein­de auch schon Gebrauch gemacht
hat.

Nun muß ich euch noch etwas von Wil­sum und Laar
erzäh­len.

Wil­sum ist ursprüng­lich eine Bau­er­schaft des Kirch­spiels
Ülsen. Sie hat­te aber eine Kapel­le, bey wel­cher vor der
Refor­ma­ti­on ein Kapel­lan ange­stellt war und in wel­cher
nach der­sel­ben die Pre­di­ger zu Ülsen jeden Don­ners­tag
pre­di­gen muß­ten. Im Jah­re 1662 erlaub­te der Graf Ernst
Wlhelm die­ser Gemein­de, so wie das König­li­che
Minis­te­ri­um sol­ches

55

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in unse­rer Zeit, der Bau­er­schaft ARKEL bewi­ligt hat,
einen eige­nen Pre­di­ger hal­ten zu dür­fen. Im Jah­re 1701
wur­de die­se Ein­wil­li­gung bestä­tigt. Im Jah­re 1725 wur­de
hier eine neue Kir­che gebau­et. Im Jah­re 1805 wur­de der
Gemein­de erlaubt, ihre Tod­ten, wel­che sonst nach ÜLSEN
gebracht wer­den muß­ten, auf ihrem eige­nen Tod­ten-Hofe
beer­di­gen zu mögen.

Das Dorf LAAR führt sei­nen Nah­men von dem ehe­ma­li­gen
Schlos­se oder Hau­se LAAR wel­ches Sitz und Stim­me auf dem
Land­ta­ge hat­te. Im Anfang des vori­gen Jahr­hun­derts starb
der letz­te Abkömm­ling des Geschlechts der Her­ren von und
zu LAAR. Ihre Güter fie­len nach dem Lehn­rech­te dem
Lan­des­herrn anheim. Bey den Bela­ge­run­gen der Fes­tung
KOEVERDEN hat die­ses Dorf immer viel lei­den müs­sen. In
den Jah­ren 1552 bis 1594, als die Spa­ni­er KOEVERDEN
bela­ger­ten, wur­de es ganz ver­wüs­tet. Im Jah­re 1692 als
der Bischof CHRISTOPHER BERNHARD von GALEN KOEVERDEN
erober­te, wur­de es auch hart mit­ge­nom­men.

Vater. Wie vie­le Klös­ter waren vor­her in der
Graf­schaft BENTHEIM?

Hein­rich. Zwey WIETMARSCHEN und FRENSWEGEN.

Vater. In vori­gen Zei­ten waren drey Klös­ter
vor­han­den. In SCHÜTTORF war auch ein Klos­ter

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wel­ches bei der REFORMATION im 16ten Jahr­hun­dert
auf­ge­ho­ben wur­de.

Vater. Wis­set ihr auch, zu wel­cher Zeit die
Klös­ter WIETMARSCHEN und FRENSWEGEN gestif­tet sind?

Hein­rich. Nein Vater.

Vater. WIETMARSCHEN wur­de im Jah­re 1154 von der
Grä­fin GERTRAUT . der Witt­we des Pfalz­gra­fen OTTO -
gestif­tet. Ein wüs­ter Strich Lan­des zwi­schen BAKELO und
LOHNE gele­gen, der WEITE oder ENTFERNTE MARSCH genannt,
wur­de mit Zustim­mung der Her­ren, wel­che dar­auf eini­ges
Recht hat­ten, zu der Stif­tung die­ses Klos­ters geschenkt.
Ursprüng­lich war es ein Manns-Klos­ter. Im 13ten
Jahr­hun­dert wur­de es ein Frau­en­stift.

FRENSWEGEN wur­de mehr als zwey­hun­dert Jah­re spä­ter,
näm­lich im Jah­re 1394 von dem Gra­fen BERNHARD ange­legt,
der ein Freund der Geist­li­chen war, die­se neue Anla­ge
sehr oft besuch­te, das Klos­ter mit vie­len Ein­künf­ten
berei­cher­te und auch in der Klos­ter­kir­che, vor dem
Haupt-Altar begra­ben wur­de. Bei­de Klös­ter wur­den im
Jah­re 1806 auf­ge­ho­ben.

Ach­tes Gespräch.

Vater. Ges­tern habe ich euch über die beson­de­ren Schick­sa­le der
Städ­te und Dör­fer unse­res Vater­lan-

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des unter­hal­ten. Heu­te wer­de ich euch mit eini­gen
Bege­ben­hei­ten bekannt machen, wel­che die gan­ze
Graf­schaft betref­fen. Erin­nert ihr euch noch wohl
Kin­der! daß wir im Jah­re 1817 das REFORMATIONSFEST
gefe­yert haben?

Hein­rich. Ich wohl.

Bern­hard. Ich auch wohl.

Vater. Wie lan­ge ist es denn schon, daß der
größ­te Theil der Ein­ge­ses­se­nen der Graft­schaft BENTHEIM
die refor­mier­te RELIGION ange­nom­men hat?

Hein­rich. Drey hun­dert Jah­re

Vater. Es sind Drey­hun­dert Jah­re, daß die
REFORMATION den Anfang nahm, aber nur 275 Jah­re, daß sie
in der Graf­schaft BENTHEIM statt hat­te. ARNOLD der I
führ­te im Jahr 1544 die EVANGELISCH-LUTHERISCHE Leh­re
hier ein, und ARNOLD der II ein Enkel ARNOLDS des I
gieng im Jah­re 1574 mit dem größ­ten Theil sei­ner
Untertha­nen von der EVANGELISCH-LUTHERISCHEN zu der
REFORMIERTEN RELIGION über.

Hein­rich. Fand die­se REFORMATION nicht einen
star­ken Wider­stand?

Vater. Im Anfang, gewiß. Da aber die Leh­rer dem
Bey­spiel des Lan­des­herrn folg­ten, und die gemei­nen Leu­te
dach­ten, daß jene bes­ser, als sie über

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die RELIGION urt­hei­len könn­ten, fand die Annah­me der
neu­en Leh­re nur weni­ge Schwie­rig­kei­ten.

Hein­rich. Wel­che Bewandt­niß hat­te es in der
dama­li­gen Zeit mit dem Schul­un­ter­richt?

Vater. Mit die­sem sah es elend aus. Vie­le
erwach­se­ne Men­schen konn­ten weder Lesen noch Schrei­ben.
Graf ARNOLD JOBST ver­bes­ser­te das Schul­we­sen auf dem
plat­ten Lan­de, aber anstatt, daß man hier­in die
väter­li­che Sorg­falt des Lan­des­herrn soll­te erkannt
haben, mur­re­ten vie­le dar­über, indem sie glaub­ten daß
man das Lesen und Schrei­ben füg­lich ent­beh­ren könn­te.

Bern­hard. Das glau­be ich nicht Vater.

Johan­na. Ich auch nicht.

Vater. Nun dann müs­set ihr fer­ner von dem
Schul­un­ter­richt, wel­cher von Zeit zu Zeit noch mehr
ver­bes­sert wird, einen flei­ßi­gen Gebrauch machen und
nie­mals den­ken: ich kann wohl so viel lesen, als ich in
mei­nem Stan­de nöthig habe, denn ihr wis­set nicht Kin­der!
wozu es euch ein­mal die­nen kann.

Da der Abend noch nicht weit vor­ge­rückt ist, so wer­de
ich den übri­gen Theil des­sel­ben anwen­den, um euch etwas
von den schreck­li­chen Zei­ten zu erzäh­len, wel­che unse­re
Vor­äl­tern am Ende des 16ten und im Anfang des 17ten
Jahr­hun­derts erlebt haben.

Die man­nig­fal­ti­gen Bedrü­ckun­gen und Miß­hand­lun­gen,
wel­che die Nie­der­län­der von dem König von

59

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Spa­ni­en — ihrem Lan­des­herrn — zu erdul­den hat­ten,
ver­ur­sach­ten end­lich, daß sie zu den Waf­fen grif­fen.
Nach einem 80jährigen Krieg glück­te es ihnen, das
uner­träg­li­che Joch ab zu schüt­teln, und sich frey zu
machen.

Wäh­rend die­ses lang­wie­ri­gen Krie­ges, zogen die Spa­ni­er
sehr oft durch unse­re Graf­schaft, miß­han­del­ten die
Ein­woh­ner und plün­der­ten sie rein aus.

Hein­rich. Aber was hat­te die Graf­schaft BENTHEIM
mit dem Krieg zwi­schen den Spa­ni­ern und den
Nie­der­län­dern zu schaf­fen?

Vater. Nichts, Hein­rich! Aber das Sprich­wort
sagt: wenn die Gewalt kömmt, dann ist es mit dem Recht
aus.

Die Graf­schaft BENTHEIM war ein par­tey­lo­ses Land und
doch wur­de sie von den Spa­ni­ern, als ein feind­li­ches
behan­delt.

Bern­hard. Aber empör­ten sich die Ein­woh­ner denn
nicht gegen die Spa­ni­er, nach dem Bey­spiel der
Nie­der­län­der?

Vater. Sie vert­hei­dig­ten bis­wei­len ihr Eigent­hum,
wenn aber die Spa­ni­er Meis­ter wur­den, kam ihnen der
Wie­der­stand [sic!] theu­er zu ste­hen.

Johan­na. Die Spa­ni­er müs­sen recht böse Leu­te
gewe­sen seyn.

Vater. Ja wohl waren sie böse, um euch nur eine
Pro­be davon zu erzäh­len, wer­de ich fol­gen­des anfüh­ren.

60

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61

Den 24 April 1584 über­fie­len sie die Bau­er­schaft HALLE
im Kirch­spiel ÜLSEN, ermor­de­ten 13 Men­schen, brach­ten
meh­re­ren ande­ren töd­li­che Wun­den bey und raub­ten alles,
was sie nur mit­füh­ren konn­ten. Im Anfang des Jah­res 1594
kam ein Trupp Spa­ni­er von OOTMARSCHEN, und lock­te vie­le
NEUENHÄUSER unter dem Vor­wan­de, ihr Vieh aus der Wei­de
rau­ben zu wol­len, außer der Stadt. hier wur­den sie bald
von den Spa­ni­ern umzin­gelt, die Ihnen PARDON
ver­spra­chen, wenn sie ihre Waf­fen weg­wer­fen woll­ten. Die
treu­lo­sen Spa­ni­er hiel­ten aber ihr Wort nicht. Sie
hie­ben die wehr­lo­sen Bür­ger nie­der und als vie­le, um ihr
Leben zu ret­ten, sich in die Scheu­ne von SPIKMANN in der
BORG flüch­te­ten, ste­cken die­se BARBAREN die­se Scheu­ne in
Brand. SECHSZIG MENSCHEN kamen dabey auf eine
jäm­mer­li­che Art um das Leben, unter wel­chen sich ein
ange­se­he­ner Bür­ger aus NEUENHAUS, Nah­mens JOHANN VON
DORSTEN befand.

Vom Monath NOVEMBER 1593 ab, bis den 21ten May 1594 ward
KOEVERDEN von den Spa­ni­ern unter dem Befehl des GENERALS
VERDUGO bela­gert. Wäh­rend die­ser Bela­ge­rung wur­de fast
die gan­ze Nie­der­graf­schaft von ihnen ver­wüs­tet.

Hein­rich. Wo blie­ben die Men­schen denn Vater?

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62

 

Vater. Vie­le nah­men die Flucht nach HOLLAND.
Ande­re nach NEUENHAUS, wel­ches damals eine fes­te Stadt
war. Die­se Stadt war so mit Men­schen ange­füllt, daß
gan­ze Fami­li­en vor den Thü­ren auf der Stra­ße lie­gen
muß­ten. Man­gel an Lebens­mit­teln, an fri­scher Luft und
Rei­ni­gung brach­ten end­lich die Pest in die Stadt, an
wel­cher in einer sehr kur­zen Zeit Tau­sen­de star­ben.

Die Ein­woh­ner von ESCHE hat­ten sich in dem Hau­se ESCHE
ver­schanzt. Krank­hei­ten und Hun­ger zwan­gen sie aber
end­lich zur Ueber­ga­be. Alle hier zusam­men gebrach­te
Güter fie­len den Spa­ni­ern in die Hän­de. Der Scha­de, den
die­se ver­ruch­ten Böse­wich­ter anrich­te­ten, war unge­heu­er
groß. Eine gericht­lich dar­über ange­stell­te Unter­su­chung
zeig­te, daß das Kirch­spiel EMLICHHEIM FÜNFZIG TAUSEND,
Das Kirch­spiel ÜLSEN VIERZIG TAUSEND, Das Kirch­spiel
VELDHAUSEN VIERZIG TAUSEND, SECHSHUNDERT Reichs­tha­ler,
durch Raub und Plün­de­rung ver­lo­ren hat­te, wobey zu
bemer­ken ist, daß der Scha­de, den VELDHAUSEN gelit­ten
hat, nur zum Theil und zwar wäh­rend der ers­ten Mona­the
der Bela­ge­rung von KOEVERDEN ange­ge­ben ist, indem
der­sel­be in der Fol­ge nicht mehr zu berech­nen war.

Hein­rich. Konn­te der Lan­des­herr dann nichts für
sei­ne Untertha­nen thun?

Vater. Obschon der gute ARNOLD die Spa­ni-

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schen Befehls­ha­ber herr­lich auf sei­nem Schlos­se zu
BENTHEIM bewir­the­te und ihnen man­che ansehn­li­che
Geschen­ke gab, fuh­ren die Undank­ba­ren doch fort mit der
Plün­de­rung sei­nes Lan­des, und der Miß­hand­lung sei­ner
Untertha­nen.

Hein­rich. Wie besieg­ten die Men­schen doch die­ses
Elend Vater?

Vater. Der güti­ge Gott gab sol­che frucht­ba­re
Jah­re, daß sie in einer sehr kur­zen Zeit, ihren Ver­lust
erset­zen konn­ten.

Bern­hard. Wie lan­ge hat die­ses Elend gedau­ert?

Vater. Ver­schie­de­ne Jah­re, und als die­ses
schreck­li­che Gewit­ter vor­über war, kam ein neu­es wie­der
auf. Im Jah­re 1609 endig­ten die Bedrü­ckun­gen der
Spa­ni­er; aber im Jah­re 1618 brach der 30jährige Krieg
loß, der für unser Vater­land eine neue Quel­le des Elends
war. Die­ser Krieg wur­de zwi­schen dem Kai­ser, dem König
von Spa­ni­en und den CATHOLISCHEN Stän­den des Reichs auf
der einen Sei­te und zwi­schen dem König von Frank­reich,
dem König von Schwe­den und den PROTESTANTISCHEN
Reichs­stän­den auf der ande­ren Sei­te geführt. Unser
Vater­land war bald von den Schwe­den, bald von den
Hes­sen, bald von den Kai­ser­li­chen besetzt. Es muß­te mehr
Geld auf­brin­gen, als die Kräf­te der Ein­woh­ner erlaub­ten.
Man frag­te nicht, ob die

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Bür­ger und Bau­ern bezah­len könn­ten, son­dern man foder­te
jeden Monat eine schwe­re Schat­zung und wenn die­sel­be zur
bestimm­ten Zeit nicht bezahlt wur­de, führ­te man die
Bür­ger­meis­ter und auch wohl die Pre­di­ger weg, wel­che so
lan­ge gefan­gen gehal­ten wur­den, bis die rück­stän­di­ge
Schat­zung bezahlt war.

Hein­rich. Das muß­te eine trau­ri­ge Zeit seyn!

Vater. Ja wohl, Hein­rich! In der Stadt NEUENHAUS
stan­den vie­le Häu­ser leer. Die Ein­woh­ner ver­lies­sen ihr
Vater­land, weil sie die Schat­zung nicht bezah­len
konn­ten. Die RELIGION geriet in Ver­fall und die Jugend
wur­de nicht mehr unter­wie­sen.

Hein­rich. Wie lan­ge hat das wohl gedau­ert, Vater?

Vater. Vom Jah­re 1618 bis 1648, da der Frie­de zu
MÜNSTER, über wel­chen man 4 Jah­re unter­han­del­te, die­sen
lang­wie­ri­gen Krieg been­dig­te. Die PROTESTANTEN erhiel­ten
durch die­sen Frie­den die freye RELIGIONSAUSÜBUNG und
glei­che Rech­te mit den CATHOLIKEN. Man nennt ihn den
West­phä­li­schen Frie­den, weil OSNABRÜCK, wo man erst
unter­han­del­te und MÜNSTER wo man zum Abschluß kam, in
West­pha­len lie­gen.

64

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Neun­tes Gespräch.

- — -

Hein­rich. Ich habe oft reden hören von der Bischofs­zeit, weißt Du
uns davon auch was zu erzäh­len Vater?

Vater. Dadurch ver­steht man die Zeit, als der
Bischof CHRISTOPHER BERNHARD VON GALEN Krieg gegen die
HOLLÄNDER führ­te. Dies geschah in den Jah­ren 1665 und
1672. In dem ers­ten Krieg hat die Graf­schaft wenig
gelit­ten, aber des­to mehr in dem zwey­ten. Der Bischof
von MÜNSTER bela­ger­te damals die Fes­tung KOEVERDEN, und
erober­te die­sel­be in weni­gen Tagen. Alle sei­ne Sol­da­ten
zogen durch die Graf­schaft, und ver­ur­sach­ten den
Ein­ge­ses­se­nen schwe­re Kos­ten. Am Ende die­ses Jah­res
wur­de KOEVERDEN durch Ueber­rum­pe­lung von den Hol­län­dern
wie­der ein­ge­nom­men. Die­se ver­folg­ten die Müns­teri­schen
bis NEUENHAUS, wel­ches stür­men­der Hand von den
Hol­län­dern erobert wur­de, wobey die Bür­ger viel zu
lei­den hat­ten. Im Jah­re 1674 woll­te der Bischof
KOEVERDEN den Hol­län­dern wie­der ent­rei­ßen und ließ, um
die Stadt durch das Was­ser zur Ueber­ga­be zu zwin­gen, bey
dem Hau­se GRAMSBERGEN einen Damm durch die Vech­te
wer­fen, an wel­chem alle Ein­woh­ner unsers Lan­des arbei­ten
muß­ten. Hun-

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66

 

der­te von Wagen und Kar­ren wur­den täg­lich gep­rest
[sic!], um Sand an zu fah­ren. Die­ser mit unsäg­li­cher
Mühe und Kos­ten von BENTHEIMISCHEN-OBERYSSELSCHEN und
MÜNSTERISCHEN Land­leu­ten, auf­ge­wor­fe­ner Damm brach aber
bey einem im SEP­TEM­BER-Monath anhal­ten­den star­ken Regen
und Wind durch und die Bela­ge­rung ward auf­ge­ho­ben.
Sämmt­li­che Bela­ge­rungs­trup­pen nah­men ihren Rück­zug durch
die Graf­schaft, und ver­ur­sach­ten aufs neue schwe­re
Unkos­ten.

Von nun an genoß unser Vater­land das gro­ße Glück des
Frie­dens, bis im Jah­re 1756 der sie­ben­jäh­ri­ge Krieg
aus­brach.

Hein­rich. Hat die Graf­schaft in die­sem Krie­ge
auch so viel gelit­ten?

Vater. Nicht so viel, als ande­re Län­der. Am
meis­ten hat BENTHEIM des Schlos­ses wegen gelit­ten,
wel­ches meh­re­re Male beschos­sen wur­de und bald von den
Fran­zo­sen, bald von den Han­no­ve­ra­nern besetzt war.

Johan­na. Wur­den die Leu­te in die­sem Krie­ge auch
so geplagt, als in den vori­gen?

Vater. So schlimm war es nicht. Die Fran­zo­sen
for­der­ten indes­sen eine schwe­re Brand­schat­zung aus der
Graf­schaft. Im Jah­re 1762 muß­te sie zwey­mal hun­dert
tau­send RATIONEN lie­fern.

Bern­hard. Was ist eine RATION Vater?

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Vater. So nennt man das­je­ni­ge, was ein Pferd täg­lich zu
sei­nem Unter­halt nöthig hat und wel­ches gewöhn­lich auf
10 Pfund Heu, 10 Pfund Hafer und eben so viel Stroh
gerech­net wird. Jede RATION wur­de damals auf 10 Stü­ber
ange­schla­gen, so daß die Graf­schaft HUNDERT TAUSEND
GULDEN an Gel­des werth auf­brin­gen muß­te.

Hein­rich. Fiel sonst in die­sem Lan­de nichts
erheb­li­ches vor?

Vater. Im Jah­re 1762 hat­te eine gewalt­sa­me
Aus­he­bung von 250 Train Knech­ten zum Dienst der
Han­nö­v­ri­schen Trup­pen statt. Die jun­gen Leu­te nah­men die
Flucht und eini­ge Haus­vä­ter wur­den mit­ge­nom­men, wel­che
man aber, weil sie unent­behr­lich waren, größ­ten Theils
wie­der gehen ließ.

In die­sem Jah­re foder­ten auch die Fran­zo­sen eine
Brand­schat­zung von HUNDERT TAUSEND GULDEN, wel­che über
die Gemein­den vert­heilt und durch Zwangs­mit­tel
bey­ge­trie­ben wur­de. Am Ende die­ses Jahrs wur­de der
Frie­de geschlos­sen.

Den 1sten Jan. 1763 wur­de die­se fro­he Bege­ben­heit durch
die Pre­di­ger von den Kan­zeln öffent­lich bekannt gemacht,
und am 6ten Janu­ar des­we­gen ein feyer­li­ches Dank­fest
gehal­ten.

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Zehn­tes Gepräch.

Hein­rich. Man hat mir gesagt, daß alles in vori­gen Zei­ten weit
wohl­fei­ler gewe­sen sey, als jetzt; ist das würklich so,
Vater?

Vater. Das Geld war in vori­gen Zei­ten sel­te­ner;
wovon die natür­lich Fol­ge seyn muß­te, daß man die Waa­ren
zu sol­chen hohen Prei­sen nicht kau­fen und ver­kau­fen
konn­te als in spä­te­ren Zei­ten, da die Leu­te mehr Geld
hat­ten.

Im Jah­re 1571 kauf­te man 100 Pfund Stock­fisch für 5
Gul­den, mit­hin das Pfund für einen Stü­ber, eine Ton­ne
Honig für 18 Gul­den, ein Pferd für 27 Gul­den und ein
Paar Och­sen für 17 Hol­län­di­sche Tha­ler oder für 25
Gul­den und 10 Stü­ber. Ein Knecht ver­dien­te jähr­lich 7
Gul­den, eine Magd 3 Gul­den und ein Tage­löh­ner täg­lich 1
Stü­ber und 2 Pfen­ni­ge.

Bern­hard. Was kos­te­te damals wohl der Schef­fel
Rog­gen Vater?

Vater. Im Jah­re 1546 kos­te­te eine Last Rog­gen in
Zwoll 120 Gul­den und 8 Stü­ber, das ist der Schef­fel nach
Zwol­li­schen Maaß 24 Stü­ber. Die­ses war damals ein
unge­heu­rer Preiß, der nur die Fol­ge eines gänz­li­chen
Mis­wach­ses seyn könn­te. Im Jah­re

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1548 war das Getrei­de so wohl­feil, daß man eine Last des
bes­ten Wei­zens in ZWOLL für 21 Gul­den, eine Last Rog­gen
für 12 Gul­den und 12 Stü­ber und eine Last Hafer für 8
Gul­den und 8 Stü­ber kau­fen könn­te. Im fol­gen­den
Jahr­hun­dert stie­gen aber die Prei­se schon ansehn­lich.
Hier habt ihr eine Lis­te der Prei­se des Rog­gens wäh­rend
des Zeit­rau­mes von sechs und acht­zig Jah­ren in der
Graf­schaft BENTHEIM.

Der Schef­fel ist das Zwol­li­sche Maaß zu Hun­dert auf eine
Last. In der ers­ten COLONNE fin­det ihr das Jahr, in der
2ten und drit­ten die ver­schie­de­nen Prei­se des­sel­ben
Jah­res.

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LISTE der Prei­se des Rog­gens, in
der Graf­schaft BENTHEIM von 1695 bis 1780.

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LISTE der Prei­se
des Rog­gens, in der Graf­schaft BENTHEIM von 1695 bis
1780.


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Hein­rich. Woher kam es, daß der Rog­gen in den
Jah­ren 1699, 1709 und 1740 so theu­er war?

Vater. Der Win­ter war in die­sen letz­te­ren bei­den
Jah­ren außer­or­dent­lich stren­ge; der Rog­gen wur­de durch
den Frost beschä­digt und daher die hohen Prei­se!

1698 war der Rog­gen so schlecht, daß die Men­schen von
dem dar­auf geba­cke­nen Bro­te schwin­de­lig und krank
wur­den, guter alter Rog­gen kos­te­te des­we­gen 1699 55 bis
60 Stü­ber der Schef­fel.

Johan­na. Weißt du uns nun nichts mehr zu erzäh­len
Vater!

Vater. Ich bin jetzt zu dem Theil der
vater­län­di­schen Geschich­te gekom­men, wel­cher noch im
fri­schen Andenken ist. Da ihr aber nur weni­ge der
Bege­ben­hei­ten, von wel­chen ich Augen­zeu­ge war erlebt
habt, so wer­de ich euch das wich­tigs­te in gedräng­ter
Kür­ze erzäh­len. Im Jah­re 1789 empör­ten sich die
Fran­zo­sen gegen ihren gesetz­mä­ßi­gen König, den sie den
21sten Janu­ar 1793 auf dem Blut­ge­rüs­te ent­haup­te­ten. Die
Köni­gin hat­te nebst des Königs das näm­li­che Schick­sal.
Tau­sen­de von Men­schen, wel­chen man nichts als ihre
Anhäng­lich­keit an den recht­mä­ßi­gen König vor­wer­fen
konn­te, wur­den auf glei­che Art durch den Scharf­rich­ter
hin­ge­rich­tet. Die GUILLOTINE — ein Werk­zeug — das die­sen
Nah­men von sei­nem Erfin­der GUILLOT trägt, war täg­lich in
Bewe­gung, um die Köp­fe unschul­di­ger Men­schen vom

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Rump­fe zu tren­nen. Frank­reich stand wider ganz EUROPA
und EUROPA gegen Frank­reich auf. Die blu­tigs­ten
Schlach­ten wur­den gelie­fert, und die ver­bün­de­ten Mäch­te
waren schon bis in das Herz von Frank­reich vor­ge­drun­gen,
als sich das Krie­ges­glück plötz­lich wen­de­te und die
Fein­de über­all sieg­ten: Ein anhal­ten­der Frost
begüns­tig­te im Monath Janu­ar 1795 ihr Unter­neh­men. Die
größ­ten Strö­me in den Nie­der­lan­den wur­den mit einer
fes­ten Eis­brü­cke belegt. Von die­sem Augen­blick an konn­te
die Tap­fer­keit der Ver­bün­de­ten den andrin­gen­den Fein­den
kei­nen Wider­stand mehr leis­ten. Sie zogen mit Geschütz
und Pul­ver­wa­gen über die zuge­fro­re­nen Strö­me. Die
Eng­län­der und Han­no­ve­ra­ner nah­men ihren Rück­zug durch
die Graf­schaft BENTHEIM. Die Fran­zo­sen folg­ten ihnen auf
dem Fuß nach.

Den 22sten Febru­ar wur­de NEUENHAUS von ihnen
ein­ge­nom­men. Den 13ten März erober­ten sie BENTHEIM.
Wei­ter dran­gen sie nicht vor. Obschon sie nun wohl
ver­spro­chen hat­ten, unse­re Graf­schaft als ein
par­tey­lo­ses Land behan­deln zu wol­len; so lit­ten den­noch
die Ein­woh­ner sehr viel von der Last der Ein­quar­tie­rung
und den wie­der­hol­ten Lie­fe­run­gen von Fleisch und Brodt,
Hafer und Heu.

Im Jah­re 1801 wur­de der all­ge­mei­ne Frie­de geschlo­ßen.

Bern­hard. Das freu­et mich.

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Vater. Im Jah­re 1803 brach der Krieg zwi­schen
ENGELAND und FRANKREICH wie­der loß. Die FRANZOSEN nah­men
HANNOVER ein, und die Graf­schaft litt viel von den
Durch­mär­schen. Dies war aber nur ein Vor­spiel der
Bedrü­ckun­gen wel­che sie eini­ge Jah­re spä­ter erdul­den
muß­te. BUONAPARTE von Geburt ein CORSIKANER schwang sich
im Jahr 1804 auf den Fran­zö­si­schen Kai­ser­thron und
bezweck­te nichts weni­ger als die Herr­schaft über ganz
EUROPA. Nach­dem er die Nie­der­lan­de unter­jocht hat­te,
über­fiel er Deutsch­land und als er auch die­ses
größ­tent­heils sei­nem Scep­ter unter­wor­fen hat­te,
mar­schier­te er mit Hun­dert­tau­sen­den der tap­fers­ten
Krie­ger nach RUSZLAND, wo der All­mäch­ti­ge durch Hun­ger,
Käl­te und Schwerdt sei­ne Scha­ren ver­nich­te­te und sei­nen
Stolz demüt­hig­te. Im Jah­re 1806 gab er die Graf­schaft
BENTHEIM sei­nem Schwa­ger MÜRAT, den er zum Groß­her­zog
von BERG erho­ben hat­te und fünf Jah­re spä­ter son­der­te er
sie von dem Groß­her­zog­t­hum BERG wie­der ab und ver­ei­nig­te
sie mit sei­nem Kai­ser­rei­che.

Vater. Weiß du auch HEINRICH, zu wel­chem
DEPARTEMENT von Frank­reich wir gehör­ten?

Hein­rich. Zu dem DEPARTEMENT der LIPPE, des­sen
Haupt­ort Müns­ter war.

Vater. Wer regier­te uns im Nah­men des Kai­sers?

Hein­rich. Ein fran­zö­si­scher PREFEKT.

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Vater. Wie hieß die­ser?

Hein­rich. DÜSAILLANT.

Vater. Wie nann­te man den Bür­ger­meis­ter damals.

Bern­hard. Das weiß ich,man nann­te ihn MAIRE.

Vater. Und wie ging es uns unter die­ser
fran­zö­si­schen Regie­rung?

Hein­rich. Schlecht, Vater! Alle jun­gen Leu­te
muß­ten Sol­da­ten wer­den. Eini­ge sind zurück gekom­men,
aber vie­le auch in SPANIEN und RUSZLAND geblie­ben.

Vater. Es ist kein Dorf in unse­rer Graf­schaft, wo
nicht Ael­tern woh­nen, die einen Sohn ver­mis­sen, über
des­sen Leben oder Tod sie unge­wiß sind.

Hein­rich. Drück­ten die Fran­zo­sen uns nicht auch
durch schwe­re Abga­ben?

Vater. Ja wohl tha­ten sie das. Sie hemm­ten den
Han­del durch bewaff­ne­te Zoll­be­dien­ten, leg­ten eine
unge­heu­re Abga­be auf das Salz, plag­ten die Bier­brau­er
und Schenk­wir­the durch ihre Auf­se­her und ver­bo­ten den
Ein­ge­ses­se­nen, Taback zu ver­kau­fen, ja so gar zu
pflan­zen. Der Kai­ser NAPOLEON woll­te allein
Tabacks-Händ­ler seyn. Er lie­fer­te aber schlech­te Waa­re
zu dem höchs­ten Prei­se.

Hein­rich. Dann hat­te er gewiß an dem Taback einen
gro­ßen Gewinn.

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76

 

Vater. Das könnt ihr den­ken, da der schlech­tes­te
Taback, des­sen Werth man in einer ziem­li­chen Ent­fer­nung
an dem Geruch schät­zen konn­te, zu 24 Stü­ber das Pfund
ver­kauft wur­de. Die armen Leu­te rauch­ten die Blät­ter von
Kar­tof­feln und andern Pflan­zen

Wenn er noch län­ger regiert hät­te, dann wür­de er und das
Trin­ken von Kaf­fee und Thee und den den
[sic!] Gebrauch
des Zuckers völ­lig abge­wöhnt haben; denn das Pfund
Kaf­fee kos­te­te drey Gul­den und das Pfund Zucker zwey
Gul­den und zehn Stü­ber.

Johan­na. Nun bin ich froh, daß der fran­zö­si­sche
Kai­ser nicht mehr unser Herr ist.

Vater. Wer soll­te das nicht seyn? Obschon wir
auch den Kaf­fee, Thee und Zucker ent­beh­ren kön­nen, so
sehen wir doch nun unse­re Brü­der nicht mehr nach RUSZLAND
und SPANIEN mar­schie­ren und als Opfer des zügel­lo­sen
Ehr­gei­zes fal­len. Auch haben wir in man­cher andern
Hin­sicht, bey der Nie­der­la­ge die­ses frem­den Herr­schers
vie­les gewon­nen. RELIGION und Sitt­lich­keit gerie­then bey
dem immer­wäh­ren­den Kriegs­get­hüm­mel in Ver­fall; so daß
ihr dem All­mäch­ti­gen für die Befrey­ung von die­sem
frem­den Joche nicht genug dan­ken kön­net.

Hein­rich. Aber Vater! wie konn­te der fran­zö­si­sche
Kai­ser den in RUSZLAND erlit­te­nen Ver­lust so bald
erset­zen? Die Schlacht von LEIPZIG ist ja lan­ge nach
die­ser Nie­der­la­ge vor­ge­fal­len?

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Vater. Er rief alles zu den Waf­fen. Die PREFECTE
zwan­gen die Gemein­den, dem Kai­ser Mann­schaf­ten und
Pfer­de, als ein frey­wil­li­ges Geschenck dar zu bie­ten. So
aus­ge­rüs­tet bot er noch ein­mal den ver­bün­de­ten Mäch­ten
die Spit­ze, bis das er in der schreck­li­chen Schlacht von
LEIPZIG den 18ten OCTOBER 1813 völ­lig besiegt nach
Frank­reich zurück getrie­ben, und von dem Thron gestürzt
wur­de.

Vater. Wis­set ihr, auch noch, zu wel­cher Zeit die
ers­ten Kosa­cken hier erschie­nen?

Hein­rich. War es nicht im Monath NOVEMBER 1813?

Vater. Ja den 10ten und 12ten NOVEMBER 1813 sahen
wir unsern Erlö­ser. Den 23ten die­ses Monaths wur­de die
Konig­lich [sic!] Großb­ritt­an­nisch Han­nö­v­ri­sche Regie­rung
zur größ­ten Freu­de aller Ein­ge­ses­se­nen wie­der
her­ge­stellt.

Bern­hard. Nun war es doch aus mit BUONAPARTE?

Vater. Er wuß­te sich noch ein­mal auf den Thron
Franck­reichs zu erhe­ben. Die Mäch­te EUROPA’s sahen sich
daher genö­thigt, ihre tap­fe­ren Strei­ter noch ein­mal zum
Kampf zu füh­ren. Auch unse­re Graf­schaft nahm dar Theil.
Ein Land­wehr BATAILLON von 600 Mann mar­schier­te im Jah­re
1813 nach BRABAND, um ver­ei­nigt mit tau­sen­den von
Waf­fen­brü­dern aus HANNOVER, ENGELAND,

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PREUSSEN und den NIEDERLANDEN den Feind der Mensch­heit
zu bekämp­fen

Am 18ten Juni­us 1815 fiel die ewig denk­wür­di­ge Schlacht
von WATERLOO vor, in wel­cher die Fran­zo­sen voll­kom­men
besiegt wur­den.

Die Fol­ge die­ser Schlacht war eine zwey­te Erobe­rung von
PARIS, die Wie­der­ein­set­zung des recht­mä­ßi­gen Königs und
die Ver­ban­nung des unru­hi­gen BUONAPARTE’s, die­ses
Gei­ßels der Mensch­heit — nach der ent­fern­ten Insel SANCT
HELENA.

Hein­rich. Was ist seit die­ser Zeit in unserm
Vater­lan­de vor­ge­fal­len?

Vater. S. K. H. der Prinz REGENT hat die Anzahl
der Sol­da­ten beträcht­lich ver­min­dert, ein neu­es
Steu­er­sys­tem ein­ge­führt und den Ober­kir­chen­rath der
Graf­schaft BENTHEIM mit eini­gen Ver­än­de­run­gen wie­der
her­ge­stellt.

Bern­hard. Weißt Du uns wei­ter nichts zu erzäh­len
Vater?

Vater. Dies noch, daß unser gelieb­ter und
all­ge­mein ver­ehr­ter König GEORG der III­te den 29ten
JANUAR 1820 zur größ­ten Betrüb­niß aller sei­ner
Untertha­nen gestor­ben ist und daß S. K. H. der Prinz
REGENT als GEORG der IVte den Thron von Großb­ritt­an­ni­en
und HANNOVER bestie­gen hat.

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Sei­ne Majes­tät der ver­stor­be­ne König hat­te das hohe
Alter von 81 Jah­re 7 Monathen und 25 Tage erreicht. Er
regier­te mit­hin bey­na­he 60 Jah­re.

Sei­ne jetzt regie­ren­de Majes­tät GEORG der IVte ist den
12ten August 1762 gebo­ren und folg­lich jetzt 59 Jah­re
alt.

Hein­rich. Wir dan­ken Dir herz­lich Vater für die­se
ange­neh­me und lehr­rei­che Unter­hal­tung.

Vater. Laß sie euch ermun­tern zur äch­ten
Vater­lands­lie­be, zum Danck gegen die güti­ge Vor­se­hung
und zum Ver­trau­en auf den All­mäch­ti­gen in der Zukunft.